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geheimen Verhaftsbefehle. Als der König nach Paris kam, ich entsinne mich nicht mehr genau des Tages, ging ich mit den Soldaten in Reih und Glied ihm entgegen, ich war froh, die Rolle eines Mannes zu spielen, denn ich fühlte mich immer äusserst gedemütigt von der Sklaverei und den Vorurteilen, unter denen die Männer unser unterdrücktes Geschlecht halten. Trotzdem ich täglich ins Palais Royal ging, sprach ich nie öffentlich, weil ich nichts zu sagen wusste. Ich sah alle Augenblicke Kanonen, Säcke mit Mehl hinschleppen. Dann sah ich die französischen Garden, die das Volk aus dem Gefängnis befreit hatte. Den stärksten Eindruck auf mich machte der Anschein einer allgemeinen wohlwollenden Gesinnung. Der Geist der Selbstsucht schien verschwunden, alle Welt trug sich ohne Unterschied des Standes. In diesem Augenblick der Bewegung mischten sich die Reichen unter die Armen und verschmähten es nicht, weiter mit ihnen wie mit ihresgleichen zu reden. Alle Physiognomien schienen mir geändert, jeder wagte seine Eigenschaften und seine natürlichen Anlagen zu entfalten. Ich habe viele gesehen, die, trotzdem sie in Lumpen gehüllt waren, ein heroisches Ansehen hatten. Sofern man nur irgendwelches Gefühl hat, würde es nicht möglich gewesen sein, ein derartiges Schauspiel gleichgültig mitanzusehen.“

Théroignes Begeisterung war gross, sie entschloss sich, nach Versailles zu gehen, um Zeuge der Beratungen der Nationalversammlung zu sein; sie bedauerte sehr, nicht von allem Anbeginne an dabei gewesen zu sein, da sie dadurch den schönsten Augenblick nicht miterlebt hatte. Sie kam, als die Beratung über die Erklärung der Menschenrechte begann. Sie war von früh bis abends in den Sitzungen der Nationalversammlung. Diese nahm sie ganz in Anspruch, so sehr, dass sie sich nach eigenem Geständnisse nicht einmal an jenem berühmten Zuge der Frauen vom 5. Oktober beteiligte, die nach Versailles kamen, um vom Könige Brot zu fordern. Sie sagt selbst, dass das Schauspiel der täglichen