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des Dichters das berauschende Heldengedicht gesehen. „Das war ein Schauspiel, wie der einst so verspottete deutsche Michel plötzlich aus dem Schlafe erwachte; wie er die gewaltigen Glieder reckte; wie er seinen Schild schüttelte, daß er klang wie alle Donner des Firmaments; wie das Stampfen seines Fußes den Boden Europas erzittern machte; wie er mit mächtigem Schwertschlag den übermüthigen Feind vor sich in den Staub warf; wie er mit Posaunenstinnne ausrief: „das ganze Deutschland soll es sein“; und wie die Menschheit staunend aufblickte an der riesigen Heldengestalt.“ Ob in dem Verhältniß zu Bismarck vielleicht die Trennung liegt zwischen der jungen Generation Deutschlands und ihm, und ob es eine Trennung genau der gleichen Art ist, die ihn von den jüngeren Bestrebungen Amerikas schied, wollen wir nur ehrfürchtig fragen. Uns scheint das ganze Lebensgefühl des Deutschen verändert, seit wir im Reiche leben als einer Großmacht und gleichberechtigt neben die herrschenden Nationen der Erde getreten sind. Vielleicht erneuert sich dadurch auch das Verhältniß der Bürger deutschen Stammes zu ihrem amerikanischen Wahlvaterlande. Doch bleibt Carl Schurz der große Ausdruck der Lebensgemeinschaft zwischen Amerika und Deutschland, er, der ein Klassiker in den Sprachen beider Länder war. Wie keiner war er zum Hüter und Vorsprecher aller Zeugnisse dieser Lebensgemeinschaft berufen. Das germanische Museum in Cambridge zählt ihn mit stolzestem Recht als den ersten seiner Präsidenten und gedenkt mit Freude seiner Begrüßungsworte bei der Einweihung. In seinem großen Sinne rief er die Deutschen Amerikas auf, dies Werk zu hegen und zu entwickeln. Unvermindert blieb die deutsche Innigkeit seines Gefühls. Als deutscher Dichter hat er sein Leben beschlossen. Denn die Erinnerungen seiner Jugend, die englisch zu schreiben ihm unmöglich war, gehören zu den schönsten Prosadichtungen in deutscher Sprache.

An dem Grabe von Carl Schurz reichen die beiden Völker in der gleichen Trauer sich die Hand, oder sie legen beide die Hände an denselben Kranz. Nicht ohne Wehmuth sieht dir Mutterheimath uraltes Germanenschicksal in ihm wiederholt — daß in einem ihrer besten Söhne ein Stück ihrer Geschichte in einer fremden Welt sich abgespielt hat. Denn der Geschichte beider Völker gehört er an. Sie

Empfohlene Zitierweise:
Eugene Kühnemann: Address of Professor Eugene Kühnemann (In Memory of Carl Schurz). New York Committee of the Carl Schurz Memorial, New York, New York 1906, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Addresses_in_Memory_of_Carl_Schurz.pdf/36&oldid=- (Version vom 14.9.2022)