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Siebenten Blatte


ganz kund. Sprechender konnte der höhnend-jubelnde Ruf: „Der ist besorgt und aufgehoben!“ gewiß nicht gemalt werden, als er sich hier in den verzerrten Mienen und Hindeutungen gegen den betroffen dastehenden Pagen offenbart. Der an sich überflüssige Commentar wird es hier doppelt. Ein im Ofen noch etwas sichtbarer Fuß des Verbrennenden vollendet diese Scene des Greuels. Das

Achte Blatt


soll durch Entfernung aller störenden, nicht nothwendigen Nebenfiguren dieser versöhnenden Handlung die Ruhe ertheilen, welcher ihr als Schlußakt zukommt, und im Beschauer, der durch die vorhergehenden Scheusale aufgeregt, ja empört wurde, eine wohlthätige Besänftigung hervorbringen. Diese Absicht ist unserm Maler gewiß zur allgemeinen Zufriedenheit gelungen. Da, wo der tieferschütterte Graf den frommen Fridolin der so hart geprüften Huld der Gebieterin selbst empfiehlt, ist jeder Mißton völlig aufgelöst. Hier athmet alles in harmonischem Zusammenklang innige Versöhnung. Vor allem würdig erscheint in dieser Scene die hochherzige Burgfrau. Indem sie das Kind an ihre Brust drückt, feiert sie seine Genesung. Es geht nichts über dieß Muttergefühl. Aber sie ist auch dem ganzen Hausgesinde, in so fern es zum weiblichen Dienst gehört, ein Muster und Vorbild. Da der Webstuhl der Penelope hier keinen Platz fand, mußte das Spindelwerk der schönen Helena zur Seite stehen. Denn auch hierin glich die hohe Rittersfrau den Heroinen der griechischen Vorwelt. In dieser Scene gefällt uns natürlich die Gräfin Kunigunde am besten. Es ist eine schöne Frau in ihren Umgebungen. Aber es ist auch etwas von der heiligen Elisabeth in ihr. Und warum nicht auch von der gleichfalls verleumderisch angeklagten Schutzpatronin, deren Heiligennamen sie führt? Ob wir uns gerade bei diesem fast jungfräulichen Fridolin einen solchen Pagen zu denken vermöchten, wie ihn Walter Scott der auf Loch-Lomond gefangenen Maria Stuart zugesellt, ist die Frage. Aber selbst seine Zartheit wird ihm bei den weiblichen Beschauerinnen keinen Schaden thun. Der Genius deutscher Sitte verhüte, daß es kein Cherub aus dem Figaro sey!

Als in einem Liederkreise dieser Bildercyclus vorgezeigt und gefragt wurde, ob Schillers Fridolin und andere Erzählungen dieser Art Romanze, nach der gewöhnlichen Meinung, oder Ballade zu nennen sey, wurde folgendes besprochen, welches wir aus jener Besprechung hier zusammenziehen.

Man darf nur die Abhandlung von Percy’s Relics gelesen haben, um zu wissen, daß Romanze, in den Liebeshöfen der Troubadours und in den Guitarregesängen der spanischen Romanceros gepflegt, eben so gut ein süßes Minnelied als eine romantische Erzählung aus der Ritterwelt des Mittelalters, oder wohl gar eine ganze Reihe von episch in einander geflochtenen Gesängen, wie das Lied vom Cid ist, bedeuten könne. In der Abstammung und im ältern Gebrauch des Worts Romanze ist also kein Bestimmungsgrund vorhanden, wodurch das Wort entweder blos abenteuerlich-schauderhaften, oder fromm-rührenden, oder komisch-ergötzenden kleinen Erzählungen in bestimmtem lyrischen Sylbenmaße zugetheilt werden müßte. Auch scheinen die Sammler der Romanzen der Deutschen schon vor 50 Jahren dieser Dichtungsart diese weiten Grenzen abgesteckt zu haben. Man lese nur die Vorrede zu den 1771 erschienenen Romanzen der Deutschen.

Eben so unbestimmt ist das Wort Ballade, welches, wie schon Ursinus gut gezeigt hat, blos aus der englisch-schottischen Minstrelsy ausgehend, alle zur Harfe gesungene Lieder lyrischen oder historischen Anklanges mit einem in jeder Strophe wiederkehrenden Schlußvers (oder Refrano, barden of the song, offenbar von Barden) bezeichnete und noch zu den Zeiten der Königin Elisabeth Ballat, Ballate hieß. Wir haben das Wort Romanze aus Spanien und der Provence, das Wort Ballade aus Süd- und Nordbritannien (wesentlich verschieden im Ton und in der Sprache, ob es aus England, oder aus dem Norden jenseits des Tweed stammt), durch Ueberlieferung bekommen. Wollte man einen blos technischen Unterschied machen, so würde man sagen, die Romanze wird zur Guitarre, die Ballade wird zur Harfe gesungen. Doch bleiben es immer reine Synonyme.

Aber die Begriffe zerschneidende und scheidende Kritik duldet kein Synonym. Man spaltet, man unterscheidet, um – der Schule zu genügen. Daher der im Grunde durchaus willkürliche Unterschied zwischen Romanze, die blos komische oder zärtliche Liebespein hauchende Erzählungen begehret, und Ballade, die ihren Sitz im Tragischen, Schauerlichen und Geisterhaften hat.

So wäre, um nur ein Beispiel aus dem volksthümlichsten unserer alten Dichter, dessen Gedichte in dieser Art auch dem Balladen- und Romanzenwettkampfe in Schillers Musenalmanachen von 1797 und 1798 zwischen Schiller und Goethe den ersten Anstoß gaben, aus Bürger anzuführen, Europa und Frau Schnipps Romanzen, Leonore aber und des Pfarrers Tochter von Taubenhain Balladen. Wer jener Zeit, wo die Schillerschen Erzählungen gedichtet wurden,