Seite:Acht Umrisse zu Schillers Fridolin oder der Gang nach dem Eisenhammer von Moritz Retzsch.pdf/4

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Der Wunsch, den viele über den erfindungsreichen Maler, Moritz Retzsch in Dresden, aussprachen, daß er uns bald zu seinen phantasiereichen Skizzen zu Goethe’s Faust, die neuerlich auch im Auslande gerechte Würdigung erhalten haben, Gegenstücke geben möge, ist in Erfüllung gegangen. Der ehrwürdige Cotta, der edle Freund von Schillers Hinterlassenen, um die in unserm vielgespaltenen Gesammtvaterland einzig mögliche Apotheose des Dichters, um die möglichste und wohlfeilste Vervielfältigung seiner Werke hochverdient, forderte unsern M. Retzsch zu einer ganzen Aufeinanderfolge solcher Skizzen nach Schillers Balladen und darstellenden didaktischen Gedichten auf. Diese Reihe beginnt mit einem von diesem wackern Künstler erfundenen und von ihm selbst radirten Cyklus von acht Blättern, worin er Schillers berühmte Ballade: der Gang nach dem Eisenhammer, geistreich durchgeführt hat. Das Gedicht, dem wir doch nach den Begriffen, die wir uns von dieser Dichtart bildeten, den Titel Ballade nie streitig machen möchten,[1] ist im Herzen und Mund des deutschen Volkes und auch als Schauspiel von dem, alles Bühneneffekts sattsam kundigen Direktor der Prager Bühne, Holbein, in ein fünfaktiges Schauspiel umgegossen oder – ausgedehnt worden. Dieß ist seit fünfzehn Jahren über alle unsere Schaubühnen gegangen, in der Rolle des Robert, des Fridolin und des Grafen von Savern dem Gastspiele, wie es gewöhnlich getrieben wird, einen vielbegehrten, vielbeklatschten Stoff darbietend, obgleich von der strengen Kritik mit Recht gemißbilligt.[2] Seit fünfzehn Jahren ist eine geistreiche Composition des Berliner Kapellmeisters C. Fr. Weber von dieser Ballade stets mit erneuertem Beifall gehört, und in Berlin besonders mit allgemeiner Anerkennung aufgenommen worden. Die Partitur ist in den Händen aller Freunde der gründlichen deutschen Tonkunst. Der Theil insbesondere, wo Fridolin in der Kapelle beim Hochamte ministrirt, ist durch eine sinnige und angemessene Einflechtung rührender Anklänge an der Missa stets mit ungemeinem Vergnügen und auch als ein für sich Bestehendes gespielt worden. Durch alle diese Mittel ist diese alte Elsasser Volkssage, die Schiller in Mannheim kennen lernte, nach unsern großen Balladendichters Bearbeitung ein wahrer Nationalstoff geworden, und bei Alt und Jung so geläufig, daß die darin gezeichneten charakteristischen Figuren, wo immer sie uns entgegenkommen, uns als Bekannte sogleich ansprechen. Und ein solcher Stoff bedarf des glossirenden Buchstabens, dieser unsichern Künste, nicht mehr. Wo die reinmenschliche Situation in das reinthatsächliche so übergeht, weiß jeder auf den ersten Blick dieß auszudeuten. So ersetzt das Volksthümliche die stets wünschenswerthe Bestimmtheit des Mythos. Und so wird eine Reihe sinnreich skizzirter Bildwerke nach einem solchen Stoff wahrhaft populär. Daher muß es uns doppelt willkommen seyn, daß mit diesen acht Umrissen nach Fridolin eine kleine Gallerie nach Schillers Balladen beginnt, die keines andern Commentars bedarf, als den jeder in seiner eigenen Erinnerung seit dreißig Jahren aufbewahrt.

Das Verdienst einer solchen Skizzenfolge kann nicht in sorgfältiger Ausführung und haarkleinem Detail bestehen. Sie entbehrt alles harmonischen Farbenreizes und was Schatten und Licht im Bilde bewirken können. Sie kann nur durch verständige Auswahl der darstellbarsten Scenen, durch kluge Anordnung der auf dem Vor- und Hintergrund sich bewegenden Figuren, durch geistreiche Gruppirung und durch den angemessenen Ausdruck in der dramatischen Zusammenstellung ihre Empfehlung finden. Und es fordert die Gerechtigkeit, es laut anzuerkennen, daß sich alle diese Erfordernisse in den vorliegenden Umrissen auf


  1. S. Schillers Leben, von Heinrich Döring. S. 307.
  2. S. Berliner dramaturgische Blätter, I. Bd. S. 224. Das Stück selbst erschien im ersten Band von Franz v. Holbeins Theater (Rudolstadt, Buch- und Kunsthandlung) im Jahr 1811 abgedruckt.