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§. 5. Das Recht, Beamte zu ernennen.

Ich werde also mit der Ernennung der Beamten anfangen welche in allen Staaten dem Souverän zusteht. Und wenn dieser zuletzt die Verantwortung für alle Handlungen der Beamten zu tragen hat, so muß er auch das Recht haben, ihre Geschäftsführung zu prüfen und sie für Amtsvergehen zu entsetzen oder sonst zu strafen. Daß der Kaiser nun in seinen Erblanden alle diese Rechte ausübt, ist außer Zweifel; streitig dagegen ist, ob sie ihm auch in den anderen Theilen des Reiches zustehen.

Oben ist dargelegt worden, daß die deutschen Herzoge und Grafen anfangs nur Beamte waren, eine Bezeichnung welche sie freilich heute als eine schwere Beleidigung ansehen würden. Denn heute wird kein Fürst mehr zugestehen, daß er nur als Vertreter des Kaisers Regierungsrechte über seine Unterthanen ausübe, oder daß seine Unterthanen zugleich die des Kaisers seien, so daß der Kaiser mehr Recht ihnen zu befehlen habe, als er selbst, wenn auch die Fürsten mit noch so ehrerbietigen Ausdrücken den Kaiser oft ihrer tiefen Ergebenheit versichern.

Unmöglich ist es nun zwar nicht, daß es auch in einer Monarchie erbliche Beamten giebt, nur müssen sie dem Souverän immer als Beamte gegenüberstehen dürfen. Die ganze Sache wird übrigens aus folgender Ausführung klarer werden.[1] Der Kaiser kann, wem er will, den Titel eines Reichsfürsten oder Reichsgrafen verleihen, aber Sitz und Stimmrecht auf den Reichstagen kann er ihm ohne die Zustimmung der anderen Stände nicht geben. (Vgl. Capitul. Leopold. Art. 44.) Und da nun der Fürstentitel keine Bedeutung hat, wenn das Gebiet fehlt, welches allein die fürstliche Würde zu einer wahren machen kann, so hat man eigens verfügt, daß der Kaiser nicht das Recht haben solle, neuernannten Fürsten vacante Reichslehen zu verleihen, sondern daß dieselben an den Reichsfiscus fallen. (Capitul. Leopold. Art. 29. 30.) Der Grund dieser Verfügung ist ein doppelter, einmal soll verhütet werden, daß das Haus Oesterreich alle vacanten Reichslehen verschlinge - denn bei freiem Verleihungsrecht würde Oesterreich sich selbst oder seine Creaturen gewiß nicht vergessen - sodann soll die Möglichkeit gegeben werden, daß endlich einmal Deutschland seinem Kaiser außer dem Titel etwas Reelles bieten kann, wovon er die mit der höchsten Würde verknüpften Kosten bestreiten kann; denn dann wird man auch bei der Wahl nicht mehr hauptsächlich auf die Macht und den Reichthum des zu Erwählenden Rücksicht zu nehmen brauchen. Eine zu uneigennützige Freigebigkeit aber wäre es, glaube ich, wollte der Kaiser für einen neu ernannten Fürsten aus seinen Erblanden ein angemessenes Territorium bilden, um ihn den anderen Fürsten gleichzustellen

Vielleicht hat der Kaiser auch das Recht, einen fremden Souverän unter die Zahl der deutschen Reichsfürsten aufzunehmen, aber wenn auch

  1. Die folgende Ausführung scheint in diesen Zusammenhang nicht zu passen. Aber sie scheint es nur. Denn P. will hier der Meinung derer entgegentreten, welche annehmen, daß die Fürsten die Beamten des Reiches seien, und daß das Recht des Kaisers, Fürsten zu creiren, das Recht der Beamtenernennung repräsentire. Daher zeigt P., daß der Kaiser wohl den Fürstentitel, nicht aber Fürstenrechte verleihen kann; und eben deshalb wird im folgenden Paragraphen nachgewiesen, daß er diese Rechte auch nicht eigenmächtig entziehen darf.
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Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/75&oldid=- (Version vom 30.4.2018)