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Einleitung.

Die Schrift, welche hier dem Leser in einer deutschen Bearbeitung geboten wird, erschien zuerst im Sommer[1] 1667 unter dem Titel: Severini de Monzambano Veronensis De statu imperii germanici ad Laelium fratrem, dominum Trezolani Liber unus. Genevae apud Petrum Columesium MDCLXVII. Das kleine Buch machte gleich bei seinem Erscheinen das ungeheuerste Aufsehen in den publicistischen und staatsmännischen Kreisen, für die es bestimmt war. In geistreicher, pointirter Sprache, oft mit schlagendem Witz und treffender Satire war hier eine Auffassung der Zustände des heiligen römischen Reiches deutscher Nation vertreten, die von der hergebrachten himmelweit verschieden war. Mit patriotischem Schmerz beklagte der Verfasser den Zerfall des einst so mächtigen Reiches, mit ernster, männlicher Entrüstung, mit sittlichem Zorne geißelte er die undeutsche, nur ihr dynastisches Interesse verfolgende Politik des Hauses Oesterreich, die schmachvollen Zustände, welche durch das Bestehen der geistlichen Fürstenthümer, eines römischen Staates mitten in Deutschland, sich gebildet hatten, die heillose Kleinstaaterei und Krähwinkelei auf den Gebieten der Reichsritterschaft und in den „freien“ Reichsstädten. Vor allem aber fühlte sich die herrschende staatsrechtliche Schule, aus welcher die meisten deutschen Staatsmänner hervorgingen, schwer, ja tödtlich getroffen. Die ganze scholastische Doctrin, welche wieder und wieder zurückging auf die von Aristoteles in seiner Politik aufgestellten Staatsformen und das unförmliche Gebilde, das man deutsches Reich nannte, in das Kleid dieser Formen hineinzuzwängen suchte; die mit eitler Selbstgenügsamkeit die Vollkommenheit der deutschen Verfassung so lange anpries, bis sie selbst daran glaubte, sah hier ihr ganzes luftiges Gebäude mit einem Schlage zertrümmert. Wohl erforderte es Kühnheit des Entschlusses und innere Ueberzeugungskraft, um Angesichts der alleinseligmachenden Lehre der staatsrechtlichen Scholastik das ketzerische Wort auszusprechen: die Verfassung des deutschen Reichs ist eine monströse – sie krankt an fast unheilbaren Uebeln; und es fanden sich Anbeter des Alten genug, die sich nicht überzeugen


  1. Ganz genau läßt sich der Zeitpunkt des Erscheinens nicht bestimmen. In den vier Frankfurter und Leipziger Meßkatalogen des Jahres 1667 ist das Buch nicht verzeichnet. Erwähnt finde ich es zuerst in einem Briefe von Conring an Boineburg vom 8/18. August 1667. Gruber Commercium epistolicum Leibnitianum II, 1190.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)