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genug hätten. Sie[1] sind deshalb gern zufrieden, wenn Deutschland nicht mit Gewalt die von ihnen zum Schutz ihrer Grenzen gegen Spanien besetzten Städte zurückfordert. - Die Theile des spanischen Reiches, welche an Deutschland grenzen, halten mit diesem keinen Vergleich aus. Das spanische Hauptland aber ist weit entfernt, seine Kräfte sind erschöpft und nicht einmal zur Unterwerfung des kleinen Portugal ausreichend. Selbst Karl V., unter dem Spanien auf dem Gipfel seiner Macht stand, und der sich noch außerdem auf die österreichische Hausmacht und auf das kaiserliche Ansehen stützen konnte, ist mit seinen Plänen, sich Deutschland völlig zu unterwerfen, gescheitert. - Schweden ist, auch wenn man die vor kurzem erworbenen Provinzen mit in Anschlag bringt, Deutschland doch weder an Heeresmacht, noch an Geldmitteln gewachsen. Was die erstere betrifft, so wird freilich Schweden vielfach überschätzt, theils weil von jeher seine Wehrhaftigkeit sehr gerühmt wurde, theils weil seine Erfolge im letzten Kriege allerdings bedeutend waren. Aber es steht fest, daß Schweden in einem Zeitranme von 18 Jahren nicht mehr als 70,000 Soldaten hat nach Deutschland schicken können, von denen viele wieder in ihre Heimath zurückgekehrt sind, während doch, so lange jener Krieg gedauert hat, nie weniger, dagegen oft mehr als 100,000 Deutsche unter den Waffen gestanden haben. An jenen Erfolgen aber war zum guten Theil die Uneinigkeit der Deutschen Schuld, andererseits war den Schweden wiederholentlich das Glück günstig, und die von Oesterreich bedrängten Protestanten nahmen König Gustav wie einen ihnen vom Himmel gesandten Schutzengel auf.

Zweifelhafter aber kann das Verhältniß Deutschlands zu dem jetzt so blühenden französischen Reich erscheinen. Doch wenn wir einfach die Machtmittel beider Länder, ohne auf ihre Regierungsform, in Frankreich eine einheitlich organisierte Monarchie, in Deutschland eine in sich aufgelöste Verfassung, und die daraus entspringenden Folgen Rücksicht zu nehmen, vergleichen, so werden wir Deutschland das Uebergewicht zuerkennen müssen. Denn sein Gebiet ist bei weitem ausgedehnter als das Frankreichs, und während beide an Fruchtbarkeit des Bodens einander etwa gleichstehen mögen, ist Deutschland an Schätzen unter der Erde bei weitem reicher, als das Nachbarland. Ebenso ist Deutschlands Bevölkerung nicht geringer, und daß der deutsche Soldat dem französischen gewachsen ist, hat sich auf vielen Schlachtfeldern gezeigt. Nicht ganz so leicht ist ein Vergleich der beiderseitigen finanziellen Verhältnisse. Hören wir doch mit Staunen und Bewunderung, wie viel Geld der jetzige König in wenigen Jahren zusammengebracht hat und wie hoch sich seine jährlichen Einkünfte belaufen. Aber man muß in Erwägung ziehen, daß die französische Bevölkerung jetzt mit Steuern und Zöllen weit schwerer belastet ist, als die deutsche und daß dort alle Einnahmequellen zu einem Strome sich vereinigen.[2] Dagegen läßt sich kaum mit Sicherheit feststellen, wie hoch sich in Deutschland die Einkünfte der zahlreichen Fürsten belaufen.

  1. Dieser Satz fehlt in der Ed. posth. Statt dessen schiebt sie hinter Landheer ein, „so weit es nicht zur eigenen Vertheidigung nöthig ist.“
  2. Die späteren Ausgaben und Ed. posth. schieben hier ein: „Dennoch wird eine bedeutende Abnahme der Einkünfte zu verspüren sein, sobald einmal die Fremden aufhören, die französischen Waaren zu consumiren, welche sie so leicht entbehren können.“
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/113&oldid=- (Version vom 3.10.2018)