Seite:Über die Verfassung des deutschen Reiches.djvu/11

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Auf die literarischen Streitigkeiten, welche sich an das Erscheinen des Buches knüpften, brauche ich hier nicht weiter einzugehen; ich werde am Schluß dieser Einleitung über die ganze Monzambano-Literatur, so weit sie mir bekannt ist, eine kurze Uebersicht geben.

Inzwischen waren mehrfache Umstände eingetreten, welche Pufendorf den Aufenthalt in Heidelberg verleideten. Sein deutscher Biograph erzählt uns,[1] es habe ihn verdrossen, daß Böckelmann, Professor der Institutionen, ihm im Range voranging, und als er durch ein unzeitiges Witzwort über eine von Karl Ludwig neu auferlegte Stempelsteuer sich die Ungnade des Kurfürsten zugezogen hatte,[2] kam ihm ein Ruf als Professor an die neu errichtete schwedische Universität Lund um so erwünschter. Schon 1667 waren Unterhandlungen darüber angeknüpft[3] und am 26. April 1668 konnte Boineburg an Conring schreiben, Pufendorf werde in kurzer Zeit abreisen.[4] Die Bedingungen, unter welchen Pufendorf berufen wurde, waren sehr ehrenvolle er empfing nicht nur ein doppelt so hohes Gehalt, als die übrigen Professoren, sondern auch als Professor primarius einen höheren Rang als sie.

In Lund beginnt nun ein schriftstellerisch sehr productiver Abschnitt in Pufendorfs Leben. Noch 1668 erschien eine Dissertatio de republica irregulari, eine geschickte und witzige Verteidigung des Monzambano gegen alle Gegenschriften, die bis dahin erschienen waren, wozu der Verfasser später noch addenda hinzufügte.[5] Dann erschien 1672 sein großes Hauptwerk: De jure naturae et gentium libri VIII. das zahlreiche neue Herausgeber, Commentatoren und Uebersetzer fand. Er selbst machte von diesem umfassenden Werke eine Art von compendiarischen Auszug, der 1673 unter dem Titel: De officio hominis et civis juxta legem naturalem libri duo heraus kam.

Es kann meine Aufgabe nicht sein, hier eine Darlegung des Pufendorf’schen Naturrechts-Systems zu geben, wie es in diesen beiden Büchern niedergelegt ist. Es genüge zu bemerken, daß hier zum ersten Male eine umfassende, systematische Darstellung des Naturrechts gegeben ist. Mit freier wissenschaftlicher Forschung wird aus vernünftiger Betrachtung der Menschennatur ein Recht hergeleitet, das sich den kirchlichen Dogmen wie der scholastischen Nachbeterei des Aristoteles gleich unabhängig gegenüberstellt.[6] Auch auf den heftigen literarischen Kampf, der sofort nach dem Erscheinen des Naturrechts entbrannte, kann hier nicht näher eingegangen werden. Es war ein Kampf der kirchlichen und scholastischen Orthodoxie gegen die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, ein Kampf, der von den Gegnern, die sich in ihrer Herrschaft bedroht fühlten, mit allen Waffen, auch mit denen der Lüge und Verläumdung geführt wurde. Es war ein Kampf um die Befreiung der Wissenschaft, die nicht länger die Magd der Theologie

  1. Deutsche Uebersetzung, S. 1238.
  2. (Wund) Versuch einer Geschichte des Lebens und der Regierung Karl Ludwigs von der Pfalz. Genf 1786. S. 294.
  3. Ep. ad amicos, S. 106.
  4. Gruber, ll, 1207.
  5. Die Dissertation ist nach dem mir vorliegenden Druck Lond. Scanor. Typis Viti Haberegger am 5. November vertheidigt und mit den Addenda in den Diss. acad. select. abgedruckt.
  6. Vgl. Bluntschli, Deutsches Staatswörterbuch, XI, 433 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/11&oldid=- (Version vom 1.8.2018)