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Anhaltspunkte dafür finden. Man müßte denn das Sacktragen[1] als ein Symbol des Säckens und Ertränkens ansehen. Verschiedentlich kommt es vor, daß die steintragende Verbrecherin zu einer Brücke[2] geführt wird. Da es sich, wie aus einer Stelle ersichtlich[3], um Grenzbrücken[4] handelt, wo die Verweisung vorgenommen wird, so liegt kein besondrer Brauch vor. Nach dem Statut von Dornburg von 1615[5] müssen die bösen Weiber den Stein ümb die pfitzen tragen. Die Pfütze war wohl der Stadtteich in der Mitte der Stadt. Das Führen um die Pfütze ist nichts andres als ein Führen um den Markt[6] und hat den Zweck, die Ehrenstrafe allgemein bekannt zu machen.


b) Schwere Steine überhaupt.

Es entsteht nun die Frage, ob nicht etwa die Strafsteine, bloß als schwere Steine, ohne symbolische Grundbedeutung, aufzufassen sind; sei es als einfache Belastungsgewichte[7] oder als Marktgewichte. Dafür könnte angeführt werden: stein kommt oft als Gewichtseinheit vor[8]; das Gewicht der Lastersteine war häufig bestimmt vorgeschrieben[9];



sie [d. h. die Übeltäterin] und tauchte sie ins Wasser. Du Cange s. lapis.“ Bei Du Cange steht nichts davon und auch sonst habe ich keine derartige Quellenstelle gefunden.


  1. Grimm RA.4 2, 238; 317.
  2. Kloster Ensdorf c. 1460 (Anhang 6). Überlingen 1520 (Anz. f. K. d. d. Vorzeit 1874, 10): sie füeren zu den 4 thoren, nachgeends uf die staine brugk beym hochbild.
  3. den grösten lasterstein uf ir hopt – – tragen allenthalbe in der stadt und sie demnach füren uff die rinbrugg, allda soll sie sweren von stund an hinweg zu gond und ain nacht nit sin, do sie die ander gewesen ist und nit wieder harüber zu kommen. Schaffhausen 1481. ZschweizStrR. 5 (1892) 332.
  4. Gengler Stadtrechtsaltertümer 215 f.
  5. Neue Mitteil. a. d. Gebiet hist. Forschungen h. v. thür. sächs. Ver. 21, 237 Anmerkung.
  6. um den bronnen Weikersheim 1631 Z. f. wirtemb. Franken 7, 324 f. – um die linde Burgebrach 1407 Haas Slavenland 2, 49. Vgl. S. 28.
  7. Vgl. unten S. 45 Anm. 5. Derartige Gewichte kommen als Verschärfung bei anderen Schandstrafen vor. Sie wurden z. B. an die Schandmäntel gehängt, oder an die Füße des Eselreiters. (Bierdimpfl Straf- u. Folterinstrumente d. bayr. Nat. Mus. 1882. S. 83 f.). Ihre Verwendung bei der Folter war ganz allgemein.
  8. z. B. für Flachs, Wolle, Federn (Schiller-Lübben Mnd. WB. 4, 385), Wachs (Andree Votive u. Weihegaben 77), Butter (Grimm Weist. 1, 159), Getreide (Fontes rer. Austr. II. 39, 218).
  9. S. oben S. 2. Namentlich ist zu beachten: ein icklich stein soll einen gewegeu stein behalden. (Grimm RA.4 2, 315). Des Vergleichs wegen mag daran erinnert werden, daß bei den Friesen (Richthofen Rqu. 367) dem zu Ertränkenden so viel Steine an den Hals gebunden wurden, als sein Körpergewicht ausmachte. Vgl. Grimm RA.4 2, 281.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard von Künßberg: Über die Strafe des Steintragens. Marcus, Breslau 1907, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Strafe_des_Steintragens.pdf/51&oldid=- (Version vom 1.8.2018)