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Dorf ins andre geht. Später ist dies abgeschwächt, und der Umzug findet blos bis zur Grenze des Herrschaftsgebietes statt und wieder zurück, oder gar nur auf einer bestimmten Strecke innerhalb des Ortes. Da ist dann der andere Gesichtspunkt maßgebend, daß eine Ehrenstrafe desto empfindlicher wirkt, je mehr sie öffentlich bekannt wird. Der einstmalige Verkauf in die Fremde ist ganz vergessen; als eine letzte Erinnerung daran mag die in manchen Rechten mit der Strafe des Umzugs gleichzeitig verhängte Verweisung gelten.

b) Das Steintragen.

Entsprechend ihren Erklärungen der symbolischen Prozession fassen Grimm und Waitz auch das Steintragen verschieden auf. Grimm[1] sieht darin die Steinigung angedeutet, Waitz vermutet ein Zeichen weiblicher Arbeit darin.

Für Grimm spricht die Analogie zum Schwert- und Seiltragen. Doch eher als an Steinigung wäre an das Lebendigbegraben zu denken. Das Lebendigbegraben war vorzugsweise Frauenstrafe[2] u. zw. für die gleichen Verbrechen angedroht, wie später das Steintragen. Ja, es läßt sich in einem Falle eine unmittelbare Aufeinanderfolge beider Strafen nachweisen. In Braunschweig[3] hieß es im Jahre 1401 von Kupplerinnen: de schall me leuendich begraben. Das Braunschweiger Stadtrecht von 1535 Tit. 22, 2 droht ihnen mit dem Schandstein.

Waitz[4] sagt: „Es ist vielleicht an den Mühlstein zu denken,


  1. RA.4 2, 317. Ebenso Stöber i. d. Alsatia 1876 S. 83; 131 ff. – S. 134, 2 weist Stöber darauf hin, wie die Steinigung des Märtyrers Stephanus symbolisch dargestellt wurde: „er trägt einen Stein auf dem Buch, einen andern Stein auf dem Kopfe“. Das spricht gegen die Ansicht Grimm’s.
  2. „Der Mann an den Galgen, die Frau unter den Stein“. Grimm RA.4 2, 266. Vgl. ebda 2, 274.
  3. Braunschw. UB. 1, 313. – Frensdorff in Z2RG. (germ.) 26, 246. – Wenn die Vermutung Sack’s („Die Schandsteine tragen und sich aufs Maul schlagen.“ Vaterl. Arch. d. hist. Ver. f. Niedersachsen 1841, 10) richtig ist, daß es sich bei der Stelle der Braunschw. Ratsrechnung (a. 1402) 3 d Corde bodele vor den sten aff to weghende um den Schandstein handelt, dann wäre das Steintragen in Braunschw. schon für 1402 erwiesen; es bliebe noch die Frage, wofür die Strafe eintrat.
  4. VG. 6,2 606 Anmerkung.
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Eberhard von Künßberg: Über die Strafe des Steintragens. Marcus, Breslau 1907, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Strafe_des_Steintragens.pdf/47&oldid=- (Version vom 1.8.2018)