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Symbole der Strafknechtschaft[1] erblickt. Wer die verwirkte Buße nicht zahlt, verfällt in Strafknechtschaft. Als Strafknecht wird der Übeltäter natürlich zu Arbeiten in seinem Berufe verwendet oder zu den niedrigsten Arbeiten seines Lebenskreises. Um die Standesveränderung, die mit den Schuldigen vorgegangen ist, sichtbar zu machen, trägt er nun öffentlich Zeichen seines Berufes: der Handwerker sein Werkzeug, der Bauer seinen Pflug, der Reiter, der nun als Sattelknecht zu dienen hat, einen Sattel u. s. w. Die Strenge des Rechts ließ nach, und die symbolische Handlung, die nur das Herabsinken in die Unfreiheit zeigen sollte, wurde die eigentliche Strafe. Die Strafe bestand nur mehr in einer einmaligen Erniedrigung zu knechtischen Handlungen. Damit war genügend angedeutet, daß der Verurteilte eigentlich die Strafknechtschaft verwirkt habe, und daß sie ihm bloß gnadenweise erlassen sei[2].

Die Strafknechte wurden in der Regel ins Ausland oder in einen andern Gau verkauft. So wird bei der symbolischen Prozession, namentlich beim Steintragen, der Brauch erklärlich, daß der Zug von einer Grafschaft, Herrschaft in die andre, von einem


  1. Feiertagsarbeit hatte Strafknechtschaft zur Folge. (Brunner RG. 2, 593 f.). Durch die britischen Missionäre kam diese Strafe in die lex Alam 38 und lex Bai. App. I, 1. (Brunner Forschungen 471). v. Schwind macht (Neues Archiv 31, 435, 2) aufmerksam, daß die angelsächsischen Bußbücher, die im übrigen betreffs der Sonntagsentheiligung die Vorlage der beiden genannten Volksrechte sind (Brunner Berliner SB. 1885 S. 164 f.), die Bestimmung über Strafknechtschaft nicht enthalten. Sie gebrauchen den Ausdruck exterminabitur ab ecclesia. Dieser geistlichen Strafe des Ausschlusses aus der Kirche entspricht die weltliche des Ausschlusses aus der staatlichen Rechtsgemeinschaft, die Verknechtung. Die Strafknechtschaft ist meist auch ein exterminari. Einen Fall von Verknechtung als Strafe für Beleidigung zitiert Hinschius KR. 5, 204, 11.
  2. Eine weitere Untersuchung der Harmschar fällt aus dem Rahmen dieser Arbeit heraus. Doch mag darauf hingewiesen werden, daß zugleich mit der Strafprozession auch wirkliche Strafarbeit auferlegt worden ist. (Beispiel bei Hinschius KR. 5, 109, 4.) Vielleicht ist harmschar ursprünglich gleichbedeutend gewesen mit ‚Strafknechtschaft, Strafarbeit‘, und ist erst später zur Bezeichnung der sich davon abspaltenden Strafe des schimpflichen Zuges zur Strafarbeit (Variante z. Ssp. I 38 § 1: die och harmschar gegangen haben vor ir missetad) und die Strafe selbst geworden. Vgl. Lexer Mhd. HWB. 1, 1184.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard von Künßberg: Über die Strafe des Steintragens. Marcus, Breslau 1907, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Strafe_des_Steintragens.pdf/46&oldid=- (Version vom 1.8.2018)