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kröten-, ehebrecher-, vielleicht auch schandstein], aus dem Aufbewahrungsort [kakstein] oder aus dem Gewichte [zentnerstein].

a) ‚Bagstein‘ und dessen Varianten.

Die älteste Fundstelle für das Wort pagstein, das Mühldorfer Stadtrecht[1], gibt zugleich eine Erklärung desselben. Es heißt dort nämlich: Wie man den pagstain tragen sol. Welleich leicht weip pagent mit den worten, di si vermeiden solten, wider ain purgerin oder wider ir genoezzin, der sol der fronpot den pagstain an irn hals hengen und sol si von gazzen ze gazzen traiben umb ir unnützes pagen – – daz ist ir puezz.

‚Bagen‘[2] bedeutete ‚zanken, streiten, hadern‘, ‚Bagstein‘ daher den Stein, der als Strafe für Zank und Hader auferlegt wird. Als jedoch das Wort ‚bagen‘ außer Gebrauch kam, wurde auch ‚Bagstein‘ nicht mehr verstanden. Die Verschiedenheit der Aussprache, namentlich aber die volksetymologische Anlehnung an ähnlich klingende Wörter wie Bach, pochen, Bock, Wage, Weg, borgen, trugen das Ihrige dazu bei, eine nicht geringe Zahl von abweichenden Formen hervorzurufen.

Bagstain kommt zu Anfang des 15. Jahrh noch im Ofner Stadtrecht, Art. 155, vor. Pagstain 1495 in Reichenau, Ober-Österreich[3], zu Anfang des 16. Jh. in Penk, Nieder-Österr.[4] und in Latzfons und Verdings im Vintschgau[5]. pagkstain, pakstain 1512 in Klosterneuburg[6], in einer 1539 angefertigten Kopie eines alten Gerichtsbuches in Lang-Enzersdorf[7], zuletzt 1667 in Mauer[8]


  1. Aus dem 14. Jh. – Chroniken d. deutsch. Städte 15, 400.
  2. Graff, Ahd. Sprachschatz 3, 22 f. bâg zu skr. bhâj frangere? oder zu skr. bhâsh loqui, schwerlich zu pugna.Schade, Ahd. WB. 36, bâg as. stm. ‚lautes Rühmen‘ bâgr an stm. ‚Streit‘. bâc mhd. stm. ‚lautes Schreien, Zanken, Streiten‘. Daneben ahd. bâga, pâga ahd. stf. 1. ‚Zank, Hader, Streit‘. Das Zeitwort ahd. pâgan, mhd. bâgen. Lexer, Mhd. H.-W.-B. 1, 112. Schmeller, Bair. WB.2 1, 214, bâg ‚Zorn, Verdruß‘, baegen ‚laut schreien‘. Lexer, Kärnt. WB. 14, pàgg’n ‚schelten, zanken‘. Grimm, DWB. 1, 576. bägeren 1. quälen, jmd. unehrenhafte Sachen vorhalten 2. hadern, zanken. Staub-Tobler, Schweiz. Id. 4, 1056, beigeren plagen.
  3. Grimm, Weistümer 3, 684.
  4. ÖW. 7, 286.
  5. ÖW. 5, 359.
  6. ÖW. 7, 961.
  7. ÖW. 8, 329.
  8. ÖW. 7, 653; ferner ÖW. 8, 417.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard von Künßberg: Über die Strafe des Steintragens. Marcus, Breslau 1907, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Strafe_des_Steintragens.pdf/14&oldid=- (Version vom 1.8.2018)