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wie schwer das Strafwerkzeug sein soll. Daraus könnte der Schluß gezogen werden, daß man gewöhnliche Steine verwendete und sie bloß vorher wog, wie uns denn auch eine Stelle erhalten ist, wo der Fronbote für das Steinwiegen eine Gebühr bezieht[1]. Andrerseits ist eine Angabe der Schwere auch dort am Platze, wo die Gewichte der Ortswagen dem Strafvollzuge dienen oder wo Foltergewichte auch als Tragsteine genommen werden und wo eben dann festgesetzt wird, welches Gewicht verwendet werden soll.

Aus Österreich ist kein Exemplar eines derartigen Steines bekannt. Es lassen sich also höchstens Vermutungen über die Form aufstellen. Da wohl nicht ohne weiteres anzunehmen ist, daß alle Bagsteine verloren oder in Trümmer gegangen sind, so liegt die Vermutung nahe, daß wir derartige Steine zwar auf die Gegenwart überkommen haben, sie aber nicht als Bagsteine, sondern mit andern Namen bezeichnen. Dies ist besonders in dem Falle möglich, wenn die Steine eine einfache Form hatten und demnach auch zu andern Zwecken benutzt werden konnten, als sie ihre Rolle als Strafwerkzeuge ausgespielt hatten. Je weniger charakteristisch ihre Gestalt war, um so rascher und gründlicher konnte ihre einstige Bestimmung dem Gedächtnis und der Überlieferung entschwinden. Und wenn sie gar etwa schon von Anfang an zu verschiedenen Zwecken gebraucht worden waren (z. B. auch als Gewichte der Ortswage[2], so ist es möglich, daß sie in einer Zeit, wo sie im Strafsystem keine Bedeutung mehr hatten, ausschließlich nach ihrer sonstigen Verwendung bezeichnet wurden. Die Vermutung, daß die Strafsteine auch in Österreich die einfache Form von Gewichten[3] hatten, ist bei diesen Erwägungen wohl nicht zu gewagt und wird vielleicht eines Tages durch einen glücklichen Fund ihre Bestätigung finden[4].

  1. 1402 Braunschweig: Item 3 d. Corde bodele vor den sten aft lo weghende. Vaterl. Arch. d. hist. V. f. Niedersachsen, 1841 S. 110.
  2. S. unten § 11 b.
  3. Die gewichtähnliche Form ist auch die einfachste. Auch die Handmühlsteine (von denen unten § 10 b die Strafsteine abgeleitet werden) hatten ungefähr die einfache Form von Steingewichten.
  4. Vgl. die Deutung, die Bormann (Gesch. d. Ardennen, Trier 1841. Bd. 2, S. 230) Bußsteinen gibt, weil sie an der Kirchtüre hiengen: „sollte die [12] Neuerburger an die Freiheit erinnern, die ihnen 1332 gegeben wurde“. Später dienten dieselben Steine als Gewichte der Kirchenuhr. Heydinger S. 252 Anmerkung 20, der sie richtig als Strafsteine erkannte.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard von Künßberg: Über die Strafe des Steintragens. Marcus, Breslau 1907, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Strafe_des_Steintragens.pdf/11&oldid=- (Version vom 1.8.2018)