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Schlugen wir irgendwo unser Zelt zum Übernachten auf, so mußten uns der Kaïd oder die Scheichs der umliegenden Orte einen einjährigen Hammel, 4–6 Hühner, ein Körbchen voll Eier, einen Zuckerhut, Thee und andere Dinge zum Lebensunterhalt liefern. Unsere militärischen Begleiter, deren Zahl durch El Graui in Marokko um drei vermehrt worden war, hatten gleich unsern Dienern ein lebhaftes Interesse daran, daß diese vorschriftsmäßigen Lieferungen regelmäßig eingingen, selbst dann, wenn wir noch auf Tage hinaus reichlich versehen waren. Ja einmal, auf dem Plateau von Sektana vor der mächtigen Kette der Rerajaberge, wurden die drei benachbarten Dorfältesten in den polnischen Bock gespannt und mußten so die ganze Nacht hindurch vor unserm Zelt Sitzhocken machen, weil sie jene Lieferung versäumt hatten. Wir hatten Vorrat in Überfluß und Mitleid mit diesen Leuten, die wahrscheinlich ganz unschuldig waren, aber offenbar ihre Strafe uns zuschrieben; doch Kaïd Buir, der Führer unserer tapferen Bedeckung, blieb unerbittlich. Ein ander Mal waren wir nicht wenig erstaunt, bei einem Flußübergang unsere Begleiter ein Lamm verhandeln zu sehen, das man uns abends zuvor gegen reichen Bakschisch aufgedrungen hatte.

Wir hatten in Marokko den lebhaften Wunsch, die noch völlig unbekannten Atlaslandschaften Demnet, Ntifa und Glaui im Südosten der Stadt aufzusuchen, aber El Graui erlaubte es nicht, angeblich, weil die Berberstämme daselbst unlenksam geworden seien und er dort für unsere, dem Sultan verbürgte Sicherheit, nicht einstehen könne. So wurden wir denn gegen unsern Willen in dieselbe Richtung gelenkt, welche ein Jahr zuvor Sir Joseph Hooker und seine Begleiter eingeschlagen hatten, d. h. nach dem Gebirge im Süden und Südwesten der Hauptstadt. Wenn unsere Reise dessen ungeachtet nicht ohne Erfolge war, so verdanken wir dies zum Teil der besseren, späteren Jahreszeit, sowie mehreren andern günstigen Umständen. Unsere Begleiter bildeten aber den steten Hemmschuh, gegen den wir nicht immer erfolgreich ankämpften.

Der Japaner freut sich über die sich bietende Gelegenheit, einen hohen Berg besteigen, die auf- und untergehende Sonne und die von ihr beleuchtete Landschaft schauen zu können: unsere marokkanische Begleitung scheute all das und bot alles auf uns vom Gebirge fern zu halten. In der Ebene und den unteren Atlasthälern, wo man reiten, lang schlafen und an den Fleischtöpfen sich erfreuen, wohl auch sonst noch die Wirte mehr brandschatzen konnte, da fanden sie das rechte Behagen.

Ich übergehe die weiteren Einzelheiten unserer Reise, welche mein Freund und Gefährte, Professor Freiherr Dr. K. von Fritsch in Halle

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Johannes Justus Rein: Über Marokko. Dietrich Reimer, Berlin 1887, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_Marokko.pdf/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)