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irdene Schüssel, bedeckt mit einem kegelförmigen Hute aus grob geflochtenem Stroh, während ringsum dampfende, frischgebackene Brote lagen. Wir nahmen mit untergeschlagenen Beinen gleich zweien unserer Wirte um diesen Eßtisch Platz. Der Negersklave, welcher uns vorher beim Thee bedient hatte, reichte ein kupfernes Becken mit lauwarmem Wasser nebst Seife und Handtuch zum Händewaschen herum, dann wurde der Hut über der Schüssel entfernt. In derselben lagen vier gebratene Hühner, umgeben von Arganöl. Nun zerteilte man mit beiden Händen den noch warmen Brotkuchen aus einem Gemisch von Weizen- und Gerstenmehl, und damit hörte die Thätigkeit der linken Hand auf. Sie darf der rechten, die als Messer, Gabel und Löffel zugleich fungieren muß, nicht zur Hülfe kommen, nicht in die gemeinsame Schüssel tauchen[1]. Es erfordert einiges Geschick, um mit einer Hand vom weichen Braten die Muskeln zu lösen und dem Munde zuzuführen. Wir suchten es jedoch in Allem unseren Wirten gleich zu thun, tauchten dazwischen unsere Brotbissen in das Öl und leckten, als die erste Speise entfernt wurde, gleich unsern Vorbildern die Finger ab. Nun kam das zweite Gericht, welches in ähnlicher Weise aufgetischt wurde. Es bestand aus einem Schöpsenbraten, umgeben von Gemüse und Öl, und wurde ebenso behandelt. Endlich gelangten wir zum Schluß, „der süßen Schüssel“, hier Kuskus oder Kuskesuh genannt. Es ist eine Art Pastete, aus Weizen- oder Gerstengraupen, im Innern mit Lammfleisch und gekochten Gurken gefüllt, oder auch ein Pudding ohne diese Zuthaten, in beiden Fällen reichlich mit geschmolzener ranziger Butter, die man frischer vorzieht, versehen. Man schaufelt mit den Fingern hinein, rollt das Abgelöste durch kreisende Bewegung der Hand zu einem lockeren Ballen und befördert diesen in den Mund. Zum Schluß werden die Finger abgeleckt und dann beide Hände, wie bei Beginn der Mahlzeit, wieder gewaschen. Als Getränk dient während des Essens Wasser und nach demselben wieder Thee.

Ähnlich war der Verlauf unserer Mahlzeiten auch anderwärts. Die irdene Schüssel blieb selbst im Hause Ben Dris an der Mamuniapforte zu Marokko, wo wir fünf Tage lang aus der Küche des Vicesultans El Graui gespeist wurden; aber an Stelle des Arganöls trat im Innern des Landes überall das Olivenöl. In den Zwischenzeiten gab es wohl auch einmal Honig mit Gebäck oder reifes Obst (Apfelsinen und Aprikosen oder Datteln und Wallnüsse vom vorigen Jahr).


  1. Sie gilt eben für unrein. Eine Erklärung dieser Erscheinung fanden wir bald, als wir die eigentümliche primitive Einrichtung in dem notwendigen kleinen Raume näher kennen lernten. Da diese Sitte in Marokko überall herrscht, nehmen wir an, daß sie unter den Orientalen der Mittelmeerregion allgemein verbreitet ist.
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Johannes Justus Rein: Über Marokko. Dietrich Reimer, Berlin 1887, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_Marokko.pdf/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)