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Verzweiflung zu einen Mord ihres Kindes hätte verleiten lassen?

Man schelte nicht bloß über den Richter, der über seine eingebildet gekränkte Autorität alles menschliche Gefühl vergaß. Er wird sich hinter die Gesetze verstecken können, um damit seine Blöße einigermaßen zu bedecken: denn ein Richter kommt öfters in den Fall des Pfarrers und Schulmeisters in W*** je nachdem seine Obern bey diesem oder jenem Erfolg ihm zum Verbrechen anrechnen, daß er nicht den klaren Buchstaben des Gesetzes befolgt habe, oder daß ihm richtiger Menschenverstand gefehlet habe, um eine Ausnahme von der Regel zu machen. Man beseufze vielmehr die Gesetze selbst, deren genaueste Befolgung die Gesetzgeber ihren Dienern und Unterthanen, unter Androhung großer Strafen, auflegen, die aber meistens unbefolgt gelassen werden müssen, weil sie bloß abstrahirt und im allgemeinen gegeben, somit bey speciellen Fällen nicht anwendbar sind, ohne daß der Unterrichter, je nachdem der Erfolg ist, der Märtyrer derselben werde. Denn wie sollte es möglich seyn, daß der Befehlende jemals gegen den Untergebenen den Kürzern zöge?

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Anonym: Über Landesverweisungen in: Journal von und für Franken, Band 4. Raw, Nürnberg 1792, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_Landesverweisungen.pdf/10&oldid=- (Version vom 20.8.2021)