Schreiben der sämmtlichen Obrigkeiten der Capuciner-Provinz in Franken an die Herausgeber dieses Journals, mit Anmerkungen von den letztern begleitet

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Autor: Anonym
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Titel: Schreiben der sämmtlichen Obrigkeiten der Capuciner-Provinz in Franken an die Herausgeber dieses Journals, mit Anmerkungen von den letztern begleitet
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 4, S. 361–368
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
s. a. An die Herausgeber des Journals von und für Franken
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VIII.
Schreiben der sämmtlichen Obrigkeiten der Capuciner-Provinz in Franken an die Herausgeber dieses Journals, mit Anmerkungen von den letztern begleitet.


Aus Veranlassung unsers auf dem Umschlag des 2ten Heftes 4ten B. gethanenen Wunsches: „daß die Väter Capuciner doch dem Publicum darthun möchten, wodurch sie den Georg Oehninger achtzehen Jahre in seinem Kerker zu behalten berechtiget wurden,“ ist von den sämmtlichen Obrigkeiten der Capuciner-Provinz in Franken folgende Antwort eingegangen:


 P. P.

 Hochgelehrte Herrn!

 Sie fodern in ihrem Journale die Väter Kapuziner auf, dem Publikum die Ursachen vorzulegen, warum Sie den Mansuet Oehninger 18 Jahre im Kerker eingesperrt hielten. Hierüber mag Ihnen und dem Publikum, wenn Sie es ihm vorlegen wollen, folgende Nachricht dienen.

1) Wir sind nicht gewohnt, die Fehler unsers Nebenmenschen, nicht einmal der| Verstorbenen aufzudecken; halten es auch gegen das evangelische Gebot der Liebe, über welches Publizität zur Zeit noch kein Verjährungsrecht vor sich hat![1]
2) Ist von den Männern, welche besagtem Mansuet den Proceß machten, unter uns keiner mehr am Leben. So viel wollen wir nicht in Abrede seyn, daß die Strafgerichte in den ältern| Zeiten unter uns zu strenge gewesen sind; doch wo waren sie in der Welt gelinder gegen Sträflinge?[2]
3) Ob der Mansuet wirklich ein Sträfling war, hierüber wird es jedem Wißbegierigen genug sein, wenn wir sagen, was allen Lesern der von ihm verfertigten Brochüren in die Augen leuchten wird a) daß er den besten Fürsten Adam Friedrich, höchst seligen Andenkens, b) die geistlichen Räthe, c) seinen eigenen Bruder nicht unangetastet ließ, und auf das schimpflichste mißhandelte, und endlich d) selbst zu Berlin, wo seine Fehden mit den Lutheranern bekannt sind, als ein unruhiger Kopf starb.[3]
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4) Dünken Ihnen diese Fehler blos konsequent: so bedenken Sie, daß sein| Bruder seine Einkerkerung wuste, selbst das Holz zu einer warmen Stube für ihn hergab, und ihm sonst viel Gutes that. Wäre er unschuldig in Verhaft gewesen, würde eben dieser sein Bruder, der bey Adam Friedrich das größte Gewicht hatte, sich gewiß seines Bruders angenommen haben. Aber das Gegentheil. Um von sich und seiner in Wirzburg angesehenen Familie größere Schande abzuwenden, bat er sogar die dortmaligen Obern, genaue Aufsicht über Mansuet zu haben.[4]
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5) Eben das Ansehen dieser Familie verwehrt es jedem redlich denkenden Manne, die Acta des P. Mansuets ans öffentliche Licht zu stellen. e) Sie | M. H. und alle ihre Correspondenten würden nicht gut darauf zu sprechen seyn, wenn man von Ihnen, oder auch nur von Einem aus ihrer Freundschaft, sollte er auch längst nicht mehr seyn, privatissima dem Publikum mittheilen wollte. Quod tibi non vis fieri, alteri ne feceris. Diese evangelische Maxime wird doch bei Ihnen auch noch was gelten? –


 Hier haben sie unsere Gesinnungen. Das übrige, was Sie seit der Existenz ihres Journals wider unsern Orden oder einzelne Mitglieder in die Welt schrieben, verzeihen| wir Ihnen gerne und haben die Ehre uns zu nennen
Ihre 
Diener und Freunde
sämmtliche Obrigkeiten
der Kapuziner Provinz 
in Franken. 



  1. a) Das ist ein schon längst abgenutzter, und nach seinem Wehrt und Unwehrt gewürdigter Gemeinspruch, den diejenigen, ohne Erweis ob mit Recht oder Unrecht, als den heiligen Anker ergreifen, welche die Publicität in ein eben nicht zu günstiges Licht stellen. Die Gränzen zu bezeichnen, in welchen das Gesagte wahr und nicht wahr ist, dazu ist hier der Ort nicht. Die Geschichte würde gar keine andere, als löbliche Thaten mehr erzählen dürfen, wenn Publicität und das Gebot der Liebe mit einander in unvereinbarem Widerspruch fänden. Auch die Buchdruckerey, sagt Werkmeister,*) ist eine Anstalt Gottes zur Verfolgung und Minderung der Laster, indem sie den öffentlichen Tadel bis ins Tausendfache vervielfältigen kann. Sie hat auch die grausamsten Laster in unserm Welttheile seltner gemacht, und diesen Zustand der Barbarey gemildert, in welchem unsere Väter sich bald als Sclaven, bald als Tyrannen darstellen.
    *) Im Journal von und für Deutschland. 1785. 1 St. S. 32.
  2. b) Das hier Gesagte macht Ihrem Kopfe und Ihrem Herzen Ehre. Indessen entschuldigt das keine Grausamkeit, daß andere auch grausam waren. Es fragt sich auch: 1) ob ausser der heil. Inquisition irgend ein Gericht auf ähnliche Schwachheiten und Fehler gleiche Züchtigungen habe folgen lassen? 2) woher denn die Väter Capuciner im Staat das Recht zu dergleichen Strafgerichten erhalten haben? eine Frage, der sie sehr weislich ausgewichen sind, und ihr Inquisitionsrecht als bekannt voraus setzen.
  3. c) Die Äusserungen Mansuets gegen den Fürstbischoff, Adam Friederich, Höchstseligen Andenkens, [364] die geistlichen Räthe, seinen eigenen Bruder erfolgten nur dann, als er kein Gehör fand, und nach 18jähriger schmählicher Gefangenschaft und vielen unerhörten Bitten mit Leib und Lebensgefahr die Flucht nach Sachsen ergreifen mußte. Was der alte gute Greis ausgestanden hat, bis er Leipzig erreichte, habe ich (M. Bundschuh) mehreremahle aus seinem Munde gehört, da ich eben damahls in Leipzig war, und mit ihm zufälliger Weise in einem und eben demselbigen Hause logierte. Man konnte ihn oft, ohne die innigste Wehmuth, nicht hören, und er ist über die Erzählung seiner erlittenen grausamen Behandlungen mehreremahle und von vielen angesehenen und wichtigen Männern zu Leipzig auf die Probe gestellt worden. In seinem hohen Alter verließ ihn sein Gedächtniß nie, und er blieb immer auf einerley Rede. Er war zwar ein eigner Mann, redselig, seinen Vorstellungen übers Religions-System bis zur äussersten Hartnäckigkeit ergeben. Das sind aber doch keine Fehler, die eine 18jährige Gefängnißstrafe verdienen! Seine Eigenheit wird, ohne die Menschenliebe durch die Aufdeckung der Fehler anderer Leute zu beeinträchtigen oder zu verletzen, auch dadurch sichtbar. Weil sein Aufzug im Mönchshabit und dem entsetzlich langen grauen Bart in einem protestantischen Lande immer, wenn er ausging, viel Aufsehen verursachte, und er nie, zumahl in den ersten Wochen, ohne eine Begleitung von vielen Hunderten sein Quartier wieder betreten konnte: so fand der akademische Senat – die Ursachen lassen sich wohl denken, da der Landesherr der katholischen Religion zugethan ist, und die Religionsübung den Katholiken nur unter mancher Einschränkung erlaubt ist, – für gut, ihm den Rath zu ertheilen, sich einer gewöhnlichen bürgerlichen [365] zu bedienen. Damit er bey seinen Umständen nicht die Unmöglichkeit vorschützen könnte, wurde ihm ein sehr ansehnliches Geschenk verwilligt. Er schlug es aus und vertauschte lieber Leipzig mit Berlin. Was folgt aber denn daraus zur Entschuldigung der 18jährigen schmählichen Gefangenschaft? Er wurde seines Eigenwillens ungeachtet geehrt, geliebt und bedauert von vielen; selbst von manchen seiner italiänischen Glaubensbrüder, die sich damahls in Leipzig befanden, ihn fleißig besuchten und ihm vielerley Wohlthaten erwiesen. Das kann ich als Augen- und Ohrenzeuge auf Gewissen bestättigen.
  4. *) Aus Schonung gegen die uns sehr wehrte Oehningerische Familie zu Wirzburg, deren vorzüglichste Mitglieder wir selbst zum Theil persönlich zu kennen die Ehre haben, wollen wir uns hier in keine nähere Erörterung einlassen. Wir wüßten, aus den [366] Äusserungen dieser uns wehrten Mitglieder selbst, manches gegen diese Behauptung zu sagen. Der auch durch das Journal von und für Franken schon mehrmahls in nicht geringe Wehen versetzte Gönner der Hrn. P. P. Capuciner, der seiner neuen Freundschaft sich kräftigst consulendo et proscribendo annehmen wollte, hat hier, wie schon öfter, einen unglücklichen Einfall zur Welt gebracht. Es gibt gar viele rechtschaffene Leute noch zu Wirzburg, welche die Umstände besser wissen. Er hätte sich zuvor näher erkundigen sollen.
    **) Mit Erlaubniß der Herren Väter sey es gesagt, wir glauben zuversichtlich, daß wenn saniora vota der Familie gelten sollten, vielleicht auch jetzt noch, nach dem Tode einiger vorzüglichen, plurima: so kämen die Acten an das Licht. Die Retirade hinter den Rücken dieser Familie ist für sie in der That nicht die sicherste. Indessen können wir unsere Herren Correspondenten wegen der folgenden Ansinnung nicht alle vertretten, aber für uns können wir dreist und zuversichtlich versichern: daß auch privatissima unsere Person und Familie betreffend uns nicht entgegen seyn sollen, zumahl wenn sie so wenig Jemand persönlichen Eintrag thun, als wenn die Herren Väter erweisen, wodurch Sie berechtiget worden sind, den P. Mansuet in einer 18jährigen so tyrannischen Gefängniß hinzuhalten. Auf Roußeau dürfen wir diese orthodoxen Herren nicht verweisen, sonst würden wir Ihnen eine Stelle aus seinen Confessions hieher setzen, die Ihnen behagen sollte. Der hämische Beysatz: „es wird unterdessen die [367] evangelische Maxime: Quod tibi non vis fieri, alteri ne feceris, bey Ihnen auch noch etwas gelten,“ soll Ihnen ohne weitere Erörterung für dieses mahl erlassen seyn.
     Was übrigens unser Journal seit seiner Existenz gegen ihren Orden oder einzelne Mitglieder gemeldet hat, ist und bleibt so lange Wahrheit, bis das Gegentheil davon erwiesen worden ist. Wir kennen und verehren rechtschaffene Männer unter ihnen selbst, von denen wir entweder das Gesagte selbst haben, oder doch von ihnen, wenn wir es ihnen zur Prüfung vorlegten, das Zeugniß erhielten: es steht leider nicht zu läugnen. Ihre Verzeihung ist also bloß eine – Ziererey.