Sängerlohn
[218]
2.
Sängerlohn.
Der Schäfer hütet seine Heerde
Durch frühen Thau, durch Mittagsglut,
Und weiß von keinerlei Beschwerde,
Denn auf was Höh’res steht sein Muth.
Zeigt sich ein Rasengrab und Stein;
Da grub die Urzeit einen Skalden,
Den besten aller Meister, ein.
Und gerne will der Hirt beginnen
Schon oft saß er im tiefen Sinnen
Auf jenes Grabes Heiligthum.
Doch was er denken mag und ringen,
Es bleibt ihm bei der bloßen Lust;
Kein Lied erwacht aus seiner Brust.
Er geht zu Feld, er geht zu Walde,
Kehrt sinnend wiederum nach Haus;
Oft fängt er an: hier liegt ein Skalde,
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Hier liegt ein Skalde! schwirrt am Abend
Auch einst er ob der Sängergruft.
Er sann und sann – da wiegt’ ihn labend
In linden Schlaf die Frühlingsluft.
Als thu’ sich auf das Grabesthor,
Und wall’ in Spätroths goldnem Saume
Der alte Sänger mild hervor.
Der sang ein Lied in seine Saiten;
Doch brach es sich im hellen Streiten
Ganz herrlich fort und fort die Bahn.
Der Meister war mit Singen fertig,
Und sprach: „mein Schäfer, bist mir lieb.
Wie seiner Blüth’ ein Maientrieb.
Kannst du, erwacht, dieß Lied behalten,
Wie ich vollendend dir es sang,
So wirst fortan als Meister schalten
Und auf der alten Schlosseshalde
Wacht der entzückte Schäfer auf,
Beginnt halb scheu: hier liegt ein Skalde!
Und fürder strömt sein Liedeslauf.
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Aus Lied muß Lied ihm neu erstehn,
Und höhern und gepriesnern Sänger
Hat nie das Norderland gesehn.
de la Motte Fouqué.