Rundschreiben der Staatspolizeileitstelle München an das Reichssicherheitshauptamt sowie an alle süddeutschen Staatspolizeileitstellen vom 11. Februar 1943

Textdaten
Autor: Oswald Schäfer
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Titel: Rundschreiben der Staatspolizeileitstelle München an das Reichssicherheitshauptamt sowie an alle süddeutschen Staatspolizeileitstellen vom 11. Februar 1943
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Herausgeber: Staatspolizeileitstelle München
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Erscheinungsdatum: 11. Februar 1943
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Erscheinungsort: München
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Quelle: BArch ZC 13267 Bd. 1 und Commons
Kurzbeschreibung:
siehe auch: Weisse Rose
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 Geheime Staatspolizei München, den 11. Febr. 1943.
Staatspolizeileitstelle München
B.Nr. 13 226/43 II A/Sond.         
Vermerk in Rot: Geheim! Eilt sehr!
a.) An das Reichssicherheitshauptamt

Berlin.

b.) Nachrichtlich
an sämtliche süddeutschen Staatspolizei(leit)stellen, einschliesslich Ostmark, sowie Staatspolizeistelle
Frankfurt/Main,
und 
SD-Leitabschnitt

München.


Betreff: Hochverräterische Umtriebe in München.
Bezug: Für RSHA.: IV A 3 a B.Nr. 52/43, für alle: hies.FS. vom 5. 2. 1943, B.Nr. 13226/43 II A/Sond.

Die im Stadtgebiet München am 4. 2. 1943 unter Beteiligung aller verfügbaren Stapo- und Kriminalbeamten und unter Einschaltung der Ordnungspolizei, Bahnpolizei usw. durchgeführte Grossfahndung nach dem im hiesigen Fernschreiben vom 5. 2. 1943 näher bezeichneten Flugzettelverteiler ist ergebnislos verlaufen.

Auf das Inserat, das am 5. 2. 1943 in die im Stadtgebiet und in verschiedenen Orten Oberbayerns erscheinenden Zeitungen eingerückt wurde und das die Bevölkerung unter Bekanntgabe der Täterbeschreibung und unter Aussetzung einer Belohnung von 1 000 RM zur Mitfahndung nach einem "Gewaltverbrecher" aufforderte, liefen sieben Meldungen ein, von denen sechs von vorneherein als unbrauchbar ausschieden. Ein aufgrund einer dieser Meldungen festgenommener Tscheche musste nach Überprüfung, entlassen werden. Auch drei weitere Personen, von denen zwei hier und einer in Freising vorgeführt worden waren, mussten wieder, da sie ihren Aufenthalt im kritischen Zeitpunkt nachweisen konnten und auch äusserlich nicht mit der von dem Zeugen gelieferten Täterbeschreibung übereinstimmten, auf freien Fuss gesetzt werden.

Sämtliche Inhaber hiesiger Hotels, Gasthöfe, Fremdenheime usw. sind durch ein Rundschreiben zur Mitfahndung [2] unter Einschaltung des gesamten Personals veranlasst worden.

Die Überholung der Hotelpassantenzettel, die Ermittlungen den den Reisebüros, beim Adressbuchverlag udgl. führten bisher zu keinem Ergebnis.

Die Kriminaltechnische Untersuchungsstelle bei der Kriminalpolizeileitstelle München hat festgestellt, dass die Flugblätter der sog. "Widerstandsbewegung" nur auf einer Maschine geschrieben wurden. Nach diesem Gutachten ist ferner mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass die Matrizen dieser Flugblätter auf der gleichen Maschine gefertigt wurden wie diejenigen der bekannten Flugblätter der sog. "Weißen Rose" (siehe dortige B.Nr. IV A 1 d – 3 247/42). Mit dieser Feststellung wird die Ansicht gefestigt‚ dass der oder die Täter in München oder Umgebung zu suchen sein dürften.

Als in den kritischen Tagen für vorübergehend in Wien anwesend‚ wurde von der Staatspolizeileitstelle Wien u.a. der ehemalige Staatsbibliothekar Dr. Max Stefl geboren 15. 9. 88 in Nürnberg, wohnhaft in München, Lotzbeckstrasse 3/I, gemeldet. Stefl würde nach seiner Vergangenheit‚ seinem Bildungsgrad und nach seiner geistigen bzw. politischen Einstellung in den Rahmen des vermutlich als Täter bzw. Verfasser des Pamphlets in Frage kommenden Personenkreises fallen. Stefl war vor der Machtübernahme Bezieher der "Münchener Post" (Tageszeitung der SPD) und sympathisierte mit der KPD. Als gehässiger Gegner der Bewegung wurde er im Jahre 1933 wegen Beleidigung des Führers zur Anzeige gebracht und schliesslich im August 1934 wegen seiner offensichtlich staatsfeindlichen Einstellung aufgrund des Gesetzes zur Widerherstellung des Berufsbeamtentums aus dem Staatsdienst entlassen. Gegen Stefl wurden Überwachungsmassnahmen eingeleitet.

Bei der benützten Schreibmaschine konnte ein bestimmtes deutsches System nicht festgestellt werden. Ob und gegebenenfalls welcher ausländische Typ verwendet wurde‚ wird z.Zt. geprüft. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass auch nach Auffassung der Staatspolizeileitstelle Wien ein ausländischer Maschinentyp (Marke Remington oder Underwood) in Frage kommen dürfte.

[3]
II.

Über das Flugblatt "30.1.1933 – 10 Jahre Nationalsozialismus – 30. 1. 1943" wurde inzwischen noch folgendes festgestellt:

Die verwendeten Briefumschläge, sogenannte Fensterbriefumschläge‚ werden ausschliesslich von der Fa. Gg. Steibl, München, Sandstr. 21–24, hergestellt. Die letzte Lieferung an die Fa. BMW. mit derartigen Umschlägen in Höhe von 105 000 Stück erfolgte am 22.1.1943. Ermittlungen über Transport, Auslieferung usw. sind eingeleitet.

Bei dem für diese Hetzschriften verwendeten Papier handelt es sich um saugfähiges Holzpapier von geringer Qualität, das als Schreibmaschinen- und Abzugspapier in dieser Art von allen Papierfabriken hergestellt wird. Diese Papierart ist vor einem Jahr bei den BMW geführt worden. Restbestände sind nicht mehr vorhanden. Das Werk I München und das Werk II München-Allach werden im allgemeinen zentral vom Werk I München mit Papiermaterial und Umschlägen beliefert. Es ist jedoch auch möglich, dass die einzelnen grösseren Betriebsabteilungen selbständig Papiermaterial einkaufen, das dann nicht im Lager angeliefert wird. Derartige Einkäufe werden bei der Einkaufsabteilung nur gemeldet und registriert. Wird Papiermaterial von den einzelnen Betriebsabteilungen im Lager abgeholt, so erfolgt die Aushändigung gegen Bezugsnachweis, der vom Abteilungsleiter signiert wird. Kleinere Mengen von Papier und Umschlägen werden nicht abgegeben. Im allgemeinen bestellen die einzelnen Abteilungen beim Lager Mengen bis zu tausend Stück. Es wird ohne weiteres als möglich bezeichnet, dass z.B. von einem Angestellten 50 Briefumschläge entwendet werden, ohne dass dies auffällt.

Es ist veranlasst worden, dass von allen bei den BMW. verwendeten Schreibmaschinen ( etwa 1100 Stück) unter einem Vorwand Schriftproben gefertigt und zur weiteren Untersuchung zur Verfügung gestellt werden. Unter den gleichen Gesichtspunkten werden auch von den Vervielfältigungsapparaten unter Verwendung der jeweils dazu gebrauchten Schreibmaschinen Abzüge gefertigt.

An das Kriminaltechnische Institut beim Reichskriminalpolizeiamt und an die Kriminaltechnische [3] Untersuchungsstelle bei der Kriminalpolizeileitstelle München ist wegen einer Begutachtung herangetreten worden.

Ich bitte um Mitteilung, ob Meldungen eingegangen sind, wonach auch an anderen Orten Flugblätter dieser Art erfasst wurden.

III.

Die Schmierereien "Nieder mit Hitler" und "Freiheit" sind neuerdings in der Nacht vom 8./9.2.1943 am Universitätsgebäude angebracht worden. Bei sämtlichen Schmierereien wurde die gleiche Ölfarbe‚ diesmal in Grün, verwendet, sodass bei beiden Schmierereien der oder die gleichen Täter am Werke waren. Die chemische Untersuchung der benützten Ölfarbe wurde veranlasst. Da es der oder die Täter offenbar gerade auf das Universitätsgebäude abgesehen haben, wurde dieses unter entsprechende Überwachung gestellt.

Anhaltspunkte dafür‚ dass die unter I, II, und III geschilderten Vorgänge nicht nur zufällig zeitlich zusammenfallen, sondern organisatorisch in einem Zusammenhang stehen, bestehen zunächst nicht.

Über das Ergebnis der weiteren Ermittlungen erfolgt von Zeit zu Zeit Bericht.

gez.: Schaefer.
Stempel „Geheime Staatspolizei - Staatspolizeileitstelle München“ und Unterschrift