Reales Staats- Zeitungs- und Conversations-Lexicon (1719):Moscau, Rußland

Reales Staats- Zeitungs- und Conversations-Lexicon (1719)
fertig
<<<Vorheriger
[Moscau, Muscau]
Nächster>>>
[Moscau]

Spalte: 1154–1155.

Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

[1154] Moscau, Russland, eine grosse Landschafft in Europa, welche unter allen am weitesten gegen Osten lieget. Sie grentzet gegen Norden an das Eys-Meer, gegen Westen an das Norwegische Lapland, Pohlen und Schweden, gegen Süden an die kleine Tartarey, Circaßien, wie auch an das schwartze und Caspische Meer, gegen Osten an die grosse Tartarey. Die Grösse dieses Reichs erstrecket sich von Osten gegen Westen auf 300. und von Süden gegen Norden auf 380. Deutsche Meilen, und ist die Lufft darinnen durchgehends die meiste Zeit des Jahres sehr kalt; inmassen denn der Sommer desto kürtzer, ob er schon ziemlich warm ist. Es wird in 4. Theile abgetheilet, welche seynd West-Rußland, Ost-Rußland, die Moscowitische Tartarey und das Moscowitische Lapland. In West-Rußland seynd folgende Landschafften: Pleskow, Novogorod, Twer, Reschow, Bielsky, Smolensko, Severien, Czernichow, Worotin, Rezan, Pole, Mordua, Nisi-Novogorod, Wolodimir, Susdal, das Hertzogthum Moscau an sich selbsten, Rosthow, Jeroslau, Biele-Jezora, Wolagda, Kargapol und Dwina. In Ost-Rußland liegen die Landschafften: Jubortzky, Petzora, Condinsky, Permsky, Oustiech, Wiadsky und Czeremißi. In der Moscowitischen Tartarey liegen die Königreiche Astracan, Bulgar, Casan und Siberien, wie auch die Landschafft Samojeden. Das Moscowitische Lapland bestehet in 3. Landschafften, welche seynd: Muremanskoy-Leporie, Terskoy-Leporie und Bella-Moreskov-Leporie. Uber alle diese Länder herrschet der Czaar oder Groß-Fürst vollkommen souverain, welcher nebst den Russen der Griechischen Religion zugethan ist, und einen Patriarchen hat; jedoch wird den Protestirenden in der Stadt Moscau auch ihre Religions-Ubung verstattet. In vorigen Zeiten succedirten die Printzen des Groß-Fürstens zugleich, und theilten die weitläufftigen Länder unter sich, weil aber dieses viel blutige und innerliche Kriege verursachet, so ist nunmehro das Recht der Erstgeburt eingeführet worden. Die Einwohner waren vor diesem sehr wilde und roh, indem keinem Fremden in ihr Land zu kommen, auch keinem Einheimischen ausser Landes zu reisen, ohne specialen Befehl des Czaares vergönnet war, und die größte Gelehrsamkeit bey ihnen in Lesen, Schreiben und Rechnen bestunde. Nachdem aber Ihro ietztregierende Czaar. Maj. nach der vor einigen Jahren an die vornehmsten Europäischen Höfe gethanen Reise, Ihren Civil- und Miliair-Staat [1155] auf den Fuß anderer moralisirten Nationen gesetzet, so haben sie nicht allein viel Fremde in ihr Land kommen lassen, sondern schaffen auch alle diejenigen Mittel an, welche unter den Einwohnern zu Cultivirung guter Sitten und Etablirung der Studien und anderer nützlichen Wissenschafften, wie auch zu besserer Aufnehmung der Schiffahrth und des Commercii dienen können. Sonderlich haben sich Ihro Czaarische Majestät einen grossen Nahmen gemacht, daß sie vor etlichen Jahren eine Communication zwischen dem schwartzen Meer, der Caspischen und der Ost-See, durch Canäle mit ungemeinen Kosten angeleget, und durch Anführung des Moscowitischen Fürstens, Knees Matvvei Petrowitz Jagarin, der sich auf seinen Reisen in Mathematischen Wissenschafften sehr wohl geübet, diese von vielen Ingenieurs vor unmöglich gehaltene Entreprise glücklich zu Ende gebracht. Die Veranlassung darzu ist die Belagerung der Festung Assoff Anno 1696. gewesen, daß man die Ammunition auf den Flüssen desto bequemer fortbringen, und von der Stadt Moscau an, biß in das schwartze Meer schiffen könne. Nachdem aber nunmehro die Festung Assoff vermöge des am Fluß Pruth geschlossenen Friedens Anno 1712. an die Türcken wieder abgetreten worden, so werden auch diese kostbaren Canäle ihren Gebrauch und Nutzen verloren haben. Ubrigens hat Moscau seit 1700. einen sehr blutigen Krieg mit der Cron Schweden geführet, und in den erstern 8. Jahren meistentheils den Kürtzern gezogen, biß sich endlich Anno 1709. das Kriegs-Glücke änderte, und bey Pultawa eine vollkommene Victorie wider die Schweden erhalten wurde. Die Russen haben hierauf grosse Conquêten gemachet, indem sie Anno 1710. gantz Liefland eroberten, 1711. mit den Türcken am Fluß Pruth in der Moldau eine blutige Schlacht hielten, und darauf mit denselben Friede machten, 1712. wurde der Krieg auf der Ost-See in Pommern und 1713. in Hollstein wieder Schweden fortgesetzet, 1714. in Finnland grosse Progressen gemacht, und hierauf 1715. gantz Vor-Pommern mit Hülffe der Preußischen und Sächsischen Trouppen den Schweden abgenommen. Es muß also die künfftige Zeit lehren, wie dieser Nordische Krieg endlich seine Endschafft erreichen werde. Siehe mehrers unter Czaar. p. 502.