Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Stadt im Westjordanland, heute Bet Scheʾan
Band II A,1 (1921) S. 947948
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Scythopolis (Σκυθόπολις) ist der seit dem 3. Jhdt. v. Chr. nachweisbare Name für die Stadt, welche früher Bet Schean בית שאן‎ Jos. 17, 11ff. Richt. 1, 27. 1. Kön. 4, 12. 1. Chron. 7, 29, auch Bet Schan בית שן‎ 1. Sam. 31, 10ff. 2. Sam. 21, 12, bei den LXX Βαιθσαν, Steph. Byz. Βαισων, Syncell. I 559 Βάσαν hieß und dem heutigen Besân (Baedeker Paläst. u. Syr.⁷ 1910, 222f. Guthe Bibelatlas 1911 nr. 14 und 20) entspricht. Der Name Bet Schean ist alt und kommt schon in den Amarnabriefen als Bit sâni vor (Clauß Zeitschr. d. Deutsch. Paläst.-Ver. 1907, 15). Bei den Ägyptern begegnet er als Bit-šara auf der Rtnuliste und in einer Liste Seti’s I., als Baiti-šaru im Pap. Anast. I und in der Scheschonkliste als Bit-šanra.

Das heutige Besan liegt im Westjordanland an der Eisenbahn von Haifa nach Damaskus nicht weit von der Mündung des Nahr Dschalûd in den Jordan. Das hellenistische Stadtgebiet ist weit umfangreicher gewesen. So findet sich z. B. das Hippodrom im Westen und das große Theater im Norden des jetzigen Dorfes.

Zur Zeit des Königs Saul ca. 1100 war Bet Schean ganz kananitisch, Richt. 1, 27. Die Gründung der Stadt liegt im Dunkeln, ebenso der Name Schean. Erst später hat sich Bet Schean unterworfen und wurde zu Manasse gerechnet, obwohl in Issachar gelegen, Jos. 17, 10ff. Als Saul im Kampf gegen die Philister gefallen war, setzten sich die letzteren in Bet Schean fest, 1. Sam. 31, 7ff. 1. Kön. 4, 12 gehört Bet Schean zu einem der Steuerbezirke Salomos. Die alttestamentlichen Quellen schweigen dann für längere Zeit über die Stadt, bis sie unter dem Namen Σκυθόπολις in der hellenistischen Zeit eine große Rolle spielt (Schürer Gesch. d. jüd. Volkes II⁴ 170ff.). Zur Vertauschung des Namens Bet Schean mit S. vgl. u. a. LXX zu Richt. 1, 27 B. ἥ ἐστιν Σκυθῶν πόλις. Joseph. ant. V 1, 21 u. ö. Der Name wird eine letzte Erinnerung an den von Herodot. I, 105 erwähnten Skytheneinfall in Palästina im 7. Jhdt. sein, Sephan. 1, 7ff. Jerem. 1, 13. Er ist vielleicht schon unter Alexander [948] d. Gr. aufgekommen, jedenfalls im 3. Jahrh. v. Chr. vorhanden. Der außer S. nachweisbare andere Name Νυσσα (Schürer a. a. O. II 170. 314, bei Steph. Byz.) und Nysa (Plin. h. n. V 18, 74) ist ‚der mythologische Name des Ortes, an welchem Dionysos von den Nymphen auferzogen wurde‘ (Schürer II⁴ 39). Im J. 218 ergab sich S. dem in Palästina einrückenden Antiochos d. Gr. und blieb seit 198 dauernd in syrischer Hand. Hier zogen die Truppen des Judas Makkabaeus vorbei, 1. Mak. 5, 52, als sie siegreich aus Gilead heimkehrten. Die Stadt, obwohl überwiegend heidnisch, war damals nicht antisemitisch gesinnt. 2. Mak. 12, 29ff. In S. traf Trypho mit dem Makkabäer Jonathan, 1. Mak. 12, 41, zusammen. Zur Zeit des Antiochus Cyzicenus übergab sein Feldherr Epikrates aus Geldgier die Stadt den Juden, Joseph. ant. XIII 10, 5, und ist in deren Besitz auch später, z. B. unter Alexander Jannaeus 102–76, Joseph. ant. XIII 15, 4 geblieben, bis Pompeius 64/3 sie wieder vom jüdischen Gebiet loslöste, ant. XIV 4, 4. Seitdem gehörte S. als einzige westjordanische Stadt zur sogenannten Dekapolis (ant. 4, 25. Marc. 5, 20. 7, 31), Plin. V 18. Ptolem. V 15. Joseph. bell. Iud. III 9, 7. Als hellenistische Großstadt war sie mit den Wahrzeichen griechischer Kultur geschmückt. Von Spielen, welche nach damaliger Sitte zu Ehren des Kaisers in S. aufgeführt wurden, erwähnt die Inschrift zu Aphrodisia in Karien, 2. Jhdt. n. Chr. (Le Bas-Waddington III n. 1620 b) ἀνδρῶν πανκράτιν (Schürer a. a. O. II 48) und die ähnliche Inschrift von Laodicea in Syrien, 3. Jhdt., ταλαντικαῖος ἀγών (Schürer II 52). Westlich vom jetzigen Dorf Besân liegt ein zerfallenes Hippodrom 92 m lang 53 m breit. 300 m nördlich befand sich das große Theater, das auch für Naumachien eingerichtet war, wofür das Wasser die nahe Quelle ʿAin el-Melâb lieferte. Die auf dem Hügel nördlich vom Theater gelegene Burg mit Spuren einer dicken Mauer, die um den Gipfel liegt, mag Reste von dem alten Bet-Schean bewahren (vgl. Bädeker a. a. O. 223 und das Kartenbild von Besan bei Guthe Kurzes Bibelwörterbuch 1903, 90). S. gehörte zu den Städten, die durch Leinenindustrie berühmt waren (Schürer II 77. Krauss Talmud. Archäologie I 1910, 139). Im 4. Jhdt. gab es in S. kaiserliche Leinwebereien. Cod. Theod. X 20, 8 (Krauss a. a. O. 538). Über Münzen und Ären von S. vgl. Schürer II 172. Im jüdischen Krieg kam es zu Kämpfen zwischen den aufständischen Juden und den in S. ansässigen Juden, die auf seiten der Heiden kämpften, was ihnen aber von ihren heidnischen Mitbürgern nachher schlecht gedankt wurde, Joseph. bell. Iud. II 18, 1ff. S. wurde später Bischofsitz. Die Kenntnis der griechischen Sprache ist schon ziemlich früh zurückgegangen. Schon zur Zeit Diocletians mußte ein Beamter in der christlichen Gemeinde zu S. ‚die griechische Sprache in die aramäische‘ beim Gottesdienst übertragen, Schürer II 85. 535. Schließlich hat auch der griechische Name S. dem alten Namen Bet-Schean wieder weichen müssen, der in der arabischen Umformung Besân noch jetzt üblich ist. Der Hellenismus ist eben nur eine Episode im Orient gewesen.

[Beer.]