RE:Rhenus 2

(Weitergeleitet von RE:Rhein)
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
der Rhein, Fluss durch Europa
Band I A,1 (1914) S. 733755
Rhein in Wikisource
Rhein in der Wikipedia
GND: 4049739-2
Rhein in Wikidata
Rhein bei Pleiades
Bildergalerie im Original
Register I A,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|I A,1|733|755|Rhenus 2|[[REAutor]]|RE:Rhenus 2}}        

2) Rhenus, bis ins 1. Jhdt. v. Chr. ein keltischer Fluß, ist wohl auch ein ursprünglich keltisches Wort, Rēnos, wahrscheinlich verwandt mit dem altirischen rian (Weg) und dem lat. rivus (Bach). Obgleich nicht mit dem griechischen ῥέω (skr. sravâmi) verwandt, wird das Wort doch, nach dem griechischen Vorgang Ῥῆνος, wie andere lateinische Worte mit aspiriertem r Rhenus geschrieben. Althochdeutsch lautet es zunächst Rîn, aber später auch Rhîn, ohne Zweifel unter lateinischem Einfluß, der sich bis heute in der Schreibung Rhein behauptet hat. Die Bedeutung ist einfach ,Fluß‘, eigentlich ,Gang‘ (skr. riyâmi = ich gehe). Vgl. Bacmeister Alem. Wanderungen 68. Holder Altc. Sprachschatz s. Renos. D’Arbois de Jubainville Les Celtes 6.

Den Römern und Griechen wurde der Rhein erst durch die Einfälle der Germanen unter Ariovist bekannt, und Caesar war der erste, durch den genauere Kunde von ihm nach Rom kam. Aber bald haben nicht bloß die Geschichtschreiber, [734] namentlich Caesar, Tacitus und später Ammian, sondern auch die Geographen Strabon, Mela, Plinius, Ptolemaios und die Dichter von Catull bis Venantius Fortunatus sich mit ihm als einer wichtigen und vielumstrittenen Völkerscheide oder einem vielfach interessanten, großartigen Naturobjekt lebhaft beschäftigt. Vgl. die Nachweise bei Holder Altc. Sprachschatz, und bei Riese Das rheinische Germ. in d. ant. Lit. (1892).

Die Berichte über den Ursprung des Flusses lauten verschieden, lassen sich aber doch meist in leidliche Übereinstimmung bringen. Wenn er nach Caesar bell. Gall. IV 10 bei den Lepontiern, nach Strabon IV 192 bei den Helvetiern, nach Plinius n. h. III 135 und Tacitus Germ. 1 bei den Raetern entspringt, so ist das alles richtig, weil die Lepontier südlich, die Helvetier nordwestlich, die Raeter nordöstlich von seinen Quellen wohnten. Diese sind nach Strabon (a. a. O.) und Späteren auf dem Adulasgebirge zu suchen. Treffend ist der Ausdruck des Tacitus (a. a. O.) Raeticarum Alpium inaccesso ac praecipiti vertice ortus, was von Avien. descr. orbis terr. 430ff. und von Amm. Marc. XV 4, 2 noch weiter ausgemalt wird. Richtig ist auch die Angabe Strabons (IV 204), daß der Rhein nicht weit von der Rhone entspringe; wenn derselbe dies auch von der Adda behauptet (IV 204. 213), so muß hier eine Verwechslung mit dem Tessin vorliegen. Man kann es auch nicht tadeln, wenn Ptolemaios, Dionysios Hal. und Iulian es interessant fanden, daß die Quellen des Rheine und der Donau, nach der Ansicht der Alten der zwei größten Ströme Europas, nicht weit voneinander liegen. Allein diese richtige Beobachtung hat sich bei einigen Späteren (Joh. Lydus de magistr. III 32. Himerios orat. I 8) zu der abenteuerlichen Behauptung gesteigert, daß sie ἐξ μιᾶς πηγῆς entspringen. Auch hat Ptolemaios unrichtig den Bodensee als Quelle des Rheins angenommen, wenn er die Städte Brigantium (Bregenz) und Tasgaetium (Eschenz bei Stein) πρὸς τῇ κεφαλῇ τοῦ Ῥήνου ποταμοῦ ansetzt (II 12, 1). Und doch hatte schon Strabon richtig von einer λίμνη μεγάλη gesprochen, in die er sich ergieße, an der die Raeter, Vindeliker und Helvetier wohnten, mit einer Insel, bei der Tiberius die Vindeliker schlug (IV 192f. VII 292. 313), und er hatte die Entfernung des Bodensees von den Donauquellen auf eine Tagreise berechnet (VII 292), was für die Strecke vom Überlinger See bis Donaueschingen zutrifft. Auch schon Mela (III 24) hatte richtig gesagt: Rhenus Alpibus decidens prope a capite duos lacus efficit, Venetum et Acronum (d. h. den Obersee und den Untersee). Wenn Strabon andeutend von ἕλη μεγάλα spricht (a. a. O.) und später Ammian (XV 4, 2) in ausführlicher Schilderung den Bodensee von schaurigen Wäldern und Sümpfen umgeben sein läßt, so mag das wohl nicht für die Gegenwart passen, aber für die damalige Zeit zutreffend gewesen sein. Daß andererseits der Rheinfall bei Schaffhausen, der mächtigste Wasserfall in Mitteleuropa, von den alten Schriftstellern nicht erwähnt wird, mag vielleicht darin seinen Grund haben, daß derselbe damals noch eine unbedeutendere [735] Höhe hatte, und daß erst seitdem durch die Gewalt des herabstürzenden Wassers die Stromrinne unterhalb des Falls tiefer ausgehöhlt wurde.

Die Länge des Rheinlaufs berechnete Asinius Pollio nach Strab. IV 193 auf 6000 Stadien (1110 km), Strabon selbst nur auf 3000 (550 km), mit den Krümmungen auf 4000 Stadien (740 km). Diese Angaben sind nach den neueren Berechnungen (12–1300 km mit den Krümmungen, 700 km in gerader Linie) viel zu niedrig. Die Richtung seines Laufs denkt sich Strabon parallel mit den Pyrenäen (IV 177), richtiger parallel mit der Seine (IV 192); noch besser sagt Tacitus Germ. 1: modico flexu in occidentem versus – Oceano miscetur, womit zwar die einzelnen Abschnitte seines Laufs nicht unterschieden sind, aber die Gesamtrichtung treffend bezeichnet ist. Wegen der hohen Lage der Quellen des Rheins (Vorderrhein 2344, Hinterrhein 2902 m, Rhone nur 1753, Po 1952 m) ist das Gefäll des Flusses sehr stark, und die dadurch bedingte Schnelligkeit seines Laufs ist von den Alten wohl bemerkt und vielfach hervorgehoben worden (Caes. IV 10 citatus; 17 rapiditatem; Strab. IV 193 ὀξύς; Tac. ann. II 6 violentiam cursus servans; Ammian. XV 4, 2 ruenti similis potius quam fluenti; Seneca Herc. 1331 ferox; Anth. Lat. 425 rapidum usw.). Ferner wird der Wasserreichtum des Flusses gerühmt, der in seiner Tiefe und Breite sich kundgibt (Caes. I 2 latissimus atque altissimus, vgl. IV 17; Seneca nat. quaest. VI 7, 1 per aestatem ingentes aquas invehit, vgl. III 27, 8), und Wassermangel wird als etwas Außerordentliches hervorgehoben, das im Bataverkrieg den Römern Schaden brachte (prodigii loco accipiebatur aquarum penuria Tac. hist. IV 26). Neben dem Imponierenden und Majestätischen tritt jedoch für den Südländer auch etwas von Grauenhaftem bei der Betrachtung des Stromes hervor, neben dem reißenden Lauf die Strudel und Untiefen (Cic. Pis. 81 gurgitibus redundantem, Paneg. Const. 17 gurgitum altitudine), die Eiseskälte mit dem Zufrieren, wovon Herodian VI 7, 2 eine lebendige Schilderung gibt, und dem Eisgang, der allerdings nach Suet. Domit. 6 auch den Römern zustatten kommen konnte, indem er die Germanen an der Unterstützung des aufständischen Statthalters Antonius Saturninus hinderte. Die Dichter heben besonders das Schaurige des alpinischen Ursprungslandes hervor: Verg. Ecl. 10, 47 Alpinas Alpes et frigora Rheni; Horat. sat. I 10, 37 (nach einem andern Dichter) Rheni luteum caput; Ovid. ex Ponto III 4, 107 squalidus – Rhenus; Lucan. Phars. II 52 indomitum Rheni caput; Stat. Silv. VI 123f. pallida Rheni frigora; vgl. auch Avien. descr. orbis 430ff.

Wenn Tacitus ann. II 6 vom Rheine sagt, er fließe uno alveo continuus aut modicas insulas circumveniens fast bis zum Bataverlande dahin, so ist das wohl in der Hauptsache richtig im Gegensatze zum Mündungsland, und noch jetzt sind solche mäßig große Inseln (im Oberlauf ,Auen‘, weiter unten ,Werthe‘ genannt), wahrscheinlich in kleinerer Anzahl als damals, vorhanden. Aber der Satz des Tacitus bedarf einer wesentlichen Einschränkung für die flachen [736] Strecken von Basel bis Mainz und von Bonn abwärts. Denn abgesehen von den vorgeschichtlichen Veränderungen seines Laufs, von denen wir hier nicht zu reden haben, wissen wir, daß der Oberrhein noch in geschichtlicher Zeit sein Bett bis zu seiner Regulierung im 19. Jhdt. fort und fort geändert hat, namentlich dadurch, daß er nach links und rechts hin Schleifen von 6 km Durchmesser bildete, diese dann wieder am schmalen Halse abschnitt und ihr Wasser als ,Altrhein‘ stehen ließ. Erst durch die nach den Entwürfen des badischen Ingenieurs Tulla 1817–1872 vorgenommene Rheinkorrektion ist der Stromlauf geregelt und um 85 km verkürzt worden. Vgl. außer dem grundlegenden Werk ,Der Rheinstrom und seine wichtigsten Nebenflüsse von den Quellen bis zum Austritt des Stromes aus dem Deutschen Reich‘ (Berlin 1889) die Zeichnungen, welche über den mittleren Teil des Oberrheins Näher Bonner Jahrb. LXX 6ff. Taf. II und genauer K. Baumann Mannh. Gesch. Blätter 1907 mit Karte gegeben haben. Wenn auch einige weiter gehende Vermutungen abzuweisen sind, wie, daß der Rhein sich unterhalb Basel in drei Flußbetten verteilt habe, das eine am Schwarzwald, das andere am Fuß der Vogesen, das dritte in der Mitte, oder daß der Neckar sich noch in historischer Zeit erst bei Trebur in den Rhein ergossen habe, so sind doch kleinere Veränderungen sicher. Der Mons Brisiacus (Breisach) z. B. lag in römischer Zeit auf dem linken Ufer, wie wiederum heute, aber er lag auch zu Zeiten auf dem rechten Ufer oder auf einer Insel (CIL XIII 2[1] p. 62). Die Mündung des Neckars lag nicht immer wie jetzt, sondern früher weiter südlich gegenüber von Altrip (Alta ripa); das beweist der Name und die Lage des Dorfes Neckarau, d. h. Neckarinsel (ebd. p. 231). Von ähnlichen Veränderungen des Stromlaufs am Niederrhein, wo die Regulierung erst seit 1880 begonnen hat, berichtet Chambalu Die Stromveränderungen des Niederrheins seit der vorrömischen Zeit, Progr. des Apostelgymn. Köln 1892. Vgl. auch die Karten bei Siebourg Bonner Jahrb. CVII, Taf. IX 2 und bei Koepp Die Römer in Deutschland2 XV. Ferner waren am Mittelrhein zwischen Bingen und Koblenz früher mehrere für die Schiffahrt störende Stellen, die ebenfalls erst in der Zeit von 1830–1887 durch Sprengungen ungefährlich gemacht wurden.

Noch viel größer aber sind die Veränderungen, welche im Mündungsgebiet des Rheins seit der römischen Zeit teils durch die Natur selbst, teils durch Menschenhand hervorgebracht worden sind. Vielbesprochen war immer die Mehrheit der Mündungen, aber über deren Zahl waren die Meinungen im Altertum geteilt. Die einen sprachen von mehr als zwei Mündungen; so heißt es bei Caesar in einer freilich als unecht angefochtenen Stelle (bell. Gall. IV 10): in plures defluit partes – multisque capitibus in Oceanum influit. Asinius Pollio aber wollte nur zwei gelten lassen (Strab. IV 193 φησὶ δίστομον εἶναι μεμψάμενος τοὺς πλείω λέγοντας), und so hat nach der Ansicht seines Gönners auch Vergil (Aen. VIII 727) den von Späteren oft wiederholten Ausdruck Rhenus bicornis geprägt, [737] der sogar zu dem Eigennamen Bicornis wurde (Paneg. Constant. 11. Symmach. Paneg. Valent. II 2; Grat. III 9. Auson. Mosella 437). Ebenso reden auch Mela III 24 und Tacitus ann. II 6 nur von zwei Strömen, aber beide meinen nicht dieselben. Mela nennt den Strom rechts, der sich allmählich zu einem großen See erweitere, Flevo, während der zur linken bis zu seiner Mündung den Namen R. behalte. Tacitus aber sagt, der eine Strom auf der germanischen Seite behalte seinen Namen, der andere auf der gallischen Seite bekomme den Namen Vahalis und vertausche diesen dann mit dem Namen Mosa. Nehmen wir beide Berichte zusammen, so ergeben sich die drei Mündungen, welche Plinius n. h. IV 99 angibt: im Norden (genauer Nordosten) Flevus, effusus in lacus, in der Mitte der eigentliche Rhein, modicum nomini suo custodiens alveum, und im Westen (genauer Südwesten) Helinius, [qui] in amnem Mosam se spargit. Man bemerke hier den treffenden Ausdruck für die vielen Verästelungen der Gewässer zwischen den Inseln; der Name Helinius ist aber wohl der römische Ausdruck, für welchen nach Tac. a. a. O. die accolae damals den Namen Vahalis gebrauchten und heute noch in der Form Waal anwenden. Wenn aber später Ptolemaios II 9, 1f. offenbar vier Mündungen annimmt, so hat er wohl die südliche Mündung der Maas von der nördlichen unterschieden.

Nun berichten aber die römischen Historiker auch über Eingriffe durch Menschenhand. Erstens baute der ältere Drusus nach Sueton (v. Claudii 1) jenseits des Rheins gewaltige Kanäle, welche fossae Drusinae genannt wurden, und Tacitus ann. II 8 spricht von einer fossa Drusiana, auf der Germanicus seine Flotte aus dem Rhein durch ,die Seen‘ in den Ozean und dann in die Ems führte. Nach der gewöhnlichen Ansicht verband dieser Kanal den Rhein oberhalb von Arnheim mit der Yssel und durch diese mit dem Flevosee; so nach Clüver Germ. ant., Leyde 1616, besonders Desjardins Géogr. de la Gaule Romaine I 118ff. und Gardthausen Augustus II 683ff. Nach einer Vermutung Ritterlings aber (Bonner Jahrb. CXIV 179f.), an welche Holwerda d. J. (IV. Bericht d. Röm. germ. Komm. 86ff.) sich anschließt, lief der Seeweg des Drusus vom Rhein erst bei Vechten (Fectio), wo sich frühe römische Spuren finden, unweit von Utrecht durch die Vecht in den Flevosee. Wie dieser mit seiner Mündung in die Nordsee im 12. und 13. Jhdt. infolge von Sturmfluten durch gewaltige Einbrüche des Meeres allmählich (nicht auf einmal) zur Zuydersee erweitert wurde, zeigt Norlind Die geogr. Entwicklung des Rheindeltas (1912) 245ff. Zweitens baute unter Claudius im J. 47 nach Tac. ann. XI 20 der Legat Corbulo einen Kanal zwischen Maas und Rhein, 23 römische Meilen lang (nach Dio LX 30 nur etwa 170 Stadien), qua incerta Oceani vitarentur, aber auch um die müßigen Soldaten zu beschäftigen. Dieser Kanal, der noch in der heutigen Vliet erhalten ist (Holwerda a. a. O. 88ff.), führte von der Maas unterhalb Rotterdam am Haag vorbei bis in die Gegend von Leiden zum Rhein. An demselben lag bei Vorburg [738] eine wichtige römische Flottenstation (CIL XIII 2[2] p. 637). Der Kanal sollte offenbar zur Erleichterung der Operationen für die Eroberung Britanniens dienen. Während hierüber in der Hauptsache volle Einmütigkeit herrscht, gehen die Ansichten weit auseinander bei der von Drusus nach Tac. ann. XIII 53 begonnenen, von Pompeius Paulinus im J. 55 vollendeten Dammanlage (agger oder moles genannt), welche im J. 71 von Civilis wieder zerstört worden sein soll (Tac. hist. V 19). Wenn die Absicht des Drusus offenbar dahin ging, dem nördlichen über Fectio in den Flevosee fließenden Hauptarm die notwendige Wasserfülle zu sichern und dem zu starken Abfluß des Wassers in die Waal zu wehren, so ging die Absicht des Civilis gerade umgekehrt dahin, den südlichen Rheinarm zu verstärken, um auf der Insula Batavorum besseren Schutz vor den Römern zu finden und andererseits diese Insel mit dem germanischen Gebiet zu verbinden, so daß sie nur durch einen tenuis alveus davon geschieden war (Hοlwerda a. a. O. 86. Norlind a. a. O. 64ff.). Die älteren Forscher, vor allem Clüver (De tribus Rheni alveis et ostiis 1611), dann Dederich (Gesch. d. Römer und d. Deutschen am Niederrhein 1854) und Desjardins (Géogr. de la Gaule I 114ff.) sind so weit gegangen, den ganzen mächtigen, Leck genannten Rheinarm, der wie vorher die Waal nach links hin zur Maas sich abzweigt, auf die Tätigkeit des Civilis zurückzuführen. Dies wird aber von den Neueren für ganz unglaublich gehalten (Norlind 67f. 86ff., ebenso Holwerda nach schriftl. Mitteilung). Es ist sicher kein menschliches Werk, sondern ein Werk der Natur, daß die Wasser des Rheins sich im Lauf der Jahrhunderte immer mehr nach links drängten. Diesen Naturprozeß hatte Drusus zu hemmen gesucht, um nach Norden hin eine sichere Wasserstraße in den Ozean für die Eroberung Germaniens vom Meere her zu gewinnen, und es ist auch später und bis heute dem von ihm bevorzugten Rheinarm der Name ,Rhein‘ noch geblieben. Aber schon Plinius nennt ihn nur modicus alveus (s. o.), und er wurde immer ärmer an Wasser, so daß der ,alte Rhein‘ kaum noch das Meer erreicht und der ,krumme Rhein‘ mit seiner Fortsetzung, der Vecht, durch die Erstarkung des seit dem 8. Jhdt. bekannten Lecks schwer beeinträchtigt ist (Norlind 74ff. 145ff.). So hat also Civilis mit der Durchstechung des Drususdamms wahrscheinlich den natürlichen Lauf der Dinge befördert.

Die Maas (Mosa) wurde schon von den Alten nicht als Nebenfluß des Rheins, sondern als kleinerer Zwillingsstrom angesehen, in dessen Mündung sich die zwei südlichen größeren Rheinarme, die Waal und der Leck, ergießen (Caes. bell. Gall. IV 10. 15. Plin. n. h. IV 101. Tac. ann. II 6. XI 20; hist. V 23. Ptolem. II 9, 1), eine Anschauung, die heute noch gilt, indem man sagt, daß Rotterdam an der Maas liege und nicht am Rhein. Weiter aufwärts ist die ,kleine Maas’ (Mosella), d. h. die Mosel, bekannt durch den von dem Legaten Antistius Vetus geplanten Kanal, der sie mit der Saone und so den Rhein mit der Rhone verbinden sollte (Tac. ann. XIII 53). Ein gefeierter Fluß [739] wurde sie später durch die glänzende Schilderung des Ausonius. Militärische Bedeutung hatte sie in der Geschichte des batavischen Aufstands (Tac. hist. IV 71. 77), wie weiter oben die Nahe (Nava, ebd. 70). Die Grenze von Unter- und Obergermanien bildete etwa seit 90 n. Chr. der Vinxtbach, dessen Name von Fines abzuleiten ist (CIL XIII 7731f.).[3] Welchen Fluß aber Ptolem. II 9, 2. 8 mit Abrinkas oder Obrinkos als Grenzfluß gemeint hat, ist bis jetzt wenigstens nicht klargestellt. Vgl. übrigens Th. Bergk Bonner Jahrb. LVIII 120ff. Wohlbekannt war den Römern die schweizerische Aare (Arura, vgl. CIL XIII 5096.[4] 5161. Riese Das rheinische German. XIII 141). Von den Nebenflüssen der rechten Seite werden in der ersten Kaiserzeit genannt die Lippe (Lupia) und der Main (Moenus), deren Mündungen gegenüber die großen Legionslager bei Xanten und Mainz lagen, und an deren Ufer hinauf die Römer ins Innere von Germanien eindrangen. So stellt Mela III 25 beide zusammen. Die Lippe spielt bei Tacitus in den Feldzügen des Drusus und Germanicus (ann. I 60. II 7) und in der Geschichte des batavischen Aufstandes (hist. V 22) eine Rolle; der Main wird weniger genannt (Plin. n. h. IX 45. Tac. Germ. 28), wurde aber wichtig für die Okkupation des rechtsrheinischen Gebiets (s. u.). Aus demselben Grund gewann auch der Neckar (Nicer oder Niger) Bedeutung zur Zeit der flavischen Kaiser in seinem Oberlauf bei Rottweil (Arae Flaviae CIL XIII 2[5] p. 211f.) und in seinem Unterlauf bei Lopodunum, dem Vorort der von Traian gegründeten Civitas Ulpia Sueborum Nicretum (ebd. p. 229f.). Sodann bildeten Neckar und Main in den südnördlichen Abschnitten ihres Laufs die nasse Grenze des Reiches (s. u.). Erst spät wird genannt die Lahn (Laugona oder Logna, vgl. Riese a. a. O. 147. 150), nicht dagegen Sieg und Ruhr, wie auf der linken Seite Ahr und Erft.

Mit diesen Bemerkungen sind wir schon eingetreten in die Darstellung der Rolle, welche der Rhein in der Geschichte der angrenzenden Völker mit seinem Lauf als Grenze und mit seinen Ufern als Streitobjekt gespielt hat. Schon Jahrhunderte vor Caesar waren keltische Stämme aus dem mittleren Gallien über den Oberrhein nach Südwestdeutschland gewandert, Helvetier, Boier, Tektosagische Völker (Caes. bell. Gall. VI 24. Tac. Germ. 28). Andererseits waren schon vor langer Zeit (antiquitus) Germanen in das nordöstliche Gallien eingewandert (Caes. bell. Gall. II 4); besonders die Nervier und Treverer wollten als Germanen gelten und waren stolz darauf. Caesar selbst mußte beobachten, daß allmählich die Germanen sich immer mehr daran gewöhnten, über den Rhein zu gehen, wie einige Jahrzehnte vor ihm die Cimbern und Teutonen (bell. Gall. I 33), und daß am Niederrhein die Belgen, am Oberrhein die Helvetier in fortwährenden Kämpfen um die Rheingrenze standen (ebd. 1). Besonders war um 71 v. Chr. der Suebenkönig Ariovist aus dem Maingebiet mit verschiedenen deutschen Stämmen über den Rhein gekommen und zog immer weitere Scharen nach sich bis [740] ins südliche Elsaß (ebd. 31). Zwar schlug ihn nun Caesar völlig aufs Haupt und trieb nicht nur ihn selbst und seine Scharen über den Rhein zurück (ebd. 53), sondern schreckte dadurch auch weiter nördlich die Sueben vom Überschreiten des Stromes ab (ebd. 54). Wenn wir aber später Triboker, Nemeten und Vangionen, die zu Ariovists Scharen gehörten (ebd. 51), im unteren Elsaß, in Rheinbayern und Rheinhessen finden, so spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß Caesar sie auf dem linken Rheinufer ansiedelte, mit der Aufgabe, dasselbe gegen ihre etwa nachdrängenden Landsleute zu bewachen. Am Unterrhein aber gingen bald darauf die Usipeter und Tenkterer, gedrängt von den Sueben, über den Rhein und dehnten ihre Streifzüge weithin aus (Caes. bell. Gall. IV 1. 4. 6). Wie Caesar sich ihrer durch schmählichen Verrat entledigte, ist bekannt; daß aber sein grausames Verfahren die gewünschte abschreckende Wirkung trotz der Bemühungen der Treverer ausübte, zeigt die Stelle V 55. Überdies ging er selbst, um die Germanen dauernd abzuhalten (IV 16), zweimal über den Rhein (s. u.) und setzte es so durch, daß vorerst der Rhein, abgesehen von den schon bestehenden Ausnahmen, als Grenze zwischen Gallien und Germanien statuiert wurde. Auf die Länge kamen aber die römischen Feldherrn mit dieser Politik nicht durch. Die schon in Caesars Zeit von den Sueben hart bedrängten Ubier (IV 8) mußte Agrippa ums J. 38 über den Rhein verpflanzen, ut arcerent, non ut custodirentur (Strab. IV 194. Tac. Germ. 28), und so war am Unterrhein eine weitere Ausnahme gemacht. Im J. 29 warf C. Carinas die eingefallenen Sueben wieder über den Rhein zurück (Dio LI 21, 6); dagegen endete der Einfall der Sugambrer, Usipeter und Tenkterer im J. 17 mit einer schweren Niederlage des Lollius (Dio LIV 20, 4. Vell. II 97, 1), und wenn dann Tiberius bald darauf zwar angeblich die Sugambrer besiegte (Hor. carm. IV 2, 34ff. 14, 51f.), aber 40 000 sogenannte dediticii auf der westlichen Rheinseite ansiedelte, so war nun fast das ganze linke Rheinufer von germanischen Stämmen besetzt, die allerdings gallisch-römische Kultur annahmen, wie dies Tacitus Germ. 28 besonders von den Ubiern bezeugt. Bald darauf aber ließ Augustus seine beiden Stiefsöhne im Süden über die Rheingrenze hinausgreifen, indem er im J. 15 v. Chr. nach Besiegung der Raeter und Vindeliker das Land rechts des Hochrheins und Bodensees bis zur Donau einverleibte. Wenn auch diese Eroberung durch die Einfälle der Raeter in Italien und Gallien genügend motiviert war, so erscheint sie doch schon als der Anfang des bald immer klarer hervortretenden Plans, die römische Herrschaft über den Rhein bis zur Elbe und Donau auszudehnen. Die Eroberung Germaniens von den Rheinmündungen aus bereitete Drusus vor, indem er die Bataver auf ihrer Insel dem Reich einverleibte, aber nur zur Stellung von Hilfstruppen verpflichtete (Tac. Germ. 29; hist. IV 12), den nördlich des Rheins wohnenden Friesen eine kleine Steuer auferlegte (Tac. ann. IV 72) und [741] die oben erwähnten Arbeiten zur Korrektur des Rheins ausführte. In einem vierjährigen Offensivkrieg (i. J. 12ff.) drang er dann teils auf dem erwähnten Kanal von der Nordsee aus, teils zu Lande über den Rhein bis an die Weser, ja bis zur Elbe vor. Diese Eroberungspolitik wurde nach seinem Tode fortgesetzt von Tiberius und mit noch größerem Erfolge von Domitius, der im J. 2 v. Chr. sogar die Elbe überschritt (Tac. ann. IV 44), und später im J. 4ff. n. Chr. nochmals von Tiberius (Vell. II 106). Wie diese großartigen Pläne zunichte wurden durch den furchtbaren pannonischen Aufstand (im J. 6–9 n. Chr.) und durch die unmittelbar nach Bezwingung desselben erfolgte Varianische Katastrophe, ist bekannt und hier nicht zu erzählen. Die Folge aber war die, wenn auch nicht unmittelbar, aber doch bald eintretende Aufgebung des großen Eroberungsplans (Flor. II 30: hae clade factum est, ut imperium – in ripa fluminis staret). Nur an der Nordsee bis zur Elbe im Gebiet der Chauken dauerte eine Art von Oberherrschaft Roms fort (Monum. Anc. 26. Tac. ann. I 38. 60). Auch zu Lande stellte Tiberius in vorsichtigem, aber glücklichem Vordringen die Ehre Roms wieder her (Dio LVI 25. Suet. Tib. 18f.). In jugendlicher Begeisterung versuchte aber später Germanicus im J. 14–16 n. Chr. wieder die Bahnen seines Vaters zu verfolgen. Teils zu Lande von Mainz (Tac. ann. I 56) oder von Castra Vetera aus (ebd. 50), teils zu Wasser von der Insel der Bataver aus (ebd. 60 und II 6) drang er in Deutschland ein. Da jedoch die Verluste durch feindliche Überfälle und besonders durch die Stürme auf dem Meer größer waren, als der Gewinn, so berief Tiberius (proferendi imperii incuriosus Tac. ann. IV 32) den jungen Helden ab, beschränkte sich von da an wieder auf die Festhaltung der Rheingrenze und ließ sogar einen Aufstand der Friesen und Plünderungszüge der Germanen in Gallien ungestraft (ebd. 72ff. Suet. Tib. 41). Claudius hielt sich, da er mit der Eroberung Britanniens beschäftigt war, am Niederrhein in derselben Defensivstellung, indem er dem tapferen Corbulo verbot, die aufständischen Friesen und Chauken zu züchtigen (Tac. ann. XI 18ff.). Die römische Politik beschränkte sich auch weiterhin auf eine scharfe Grenzpolizei, über welche nach Tac. hist. IV 64 die Tenkterer sich beschwerten; wir lesen von dispositae per ripam stationes (ebd. 26) und einem praefectus ripae Rheni (ebd. 56). Als Grenze galt aber nicht die Mitte des Stromlaufs, sondern die Römer betrachteten es als selbstverständlich, daß auch das jenseitige Ufer ihnen gehörte (Mommsen R. G. V 111ff); ja es waren auf dem rechten Rheinufer sogar Viehweiden für die Truppen (Tac. ann. XIII 55) und Militärziegeleien (Lehner Bonner Jahrb. CXI–CXII 291ff.). Die früher aufgestellte Vermutung von einer förmlichen Grenzwehr, einem Limes jenseits des Rheins wird zurückgewiesen von Lehner (Bonner Jahrb. CXIII 60). Der Aufstand der Bataver unter Claudius Civilis im J. 69f. und der sich daran anschließende furchtbare Krieg mit der Zerstörung der römischen Lager auf dem linken Rheinufer ist für unsere Betrachtung [742] nur eine Episode, denn das Ergebnis war zuletzt nur eine vollständige Ruhe am Niederrhein, der gegen 200 Jahre lang ohne Kampf als Grenze behauptet wurde.

Das Hauptinteresse wendet sich seit dieser Zeit dem Oberrhein zu. Daß Wiesbaden schon in augusteischer Zeit besetzt war, Hofheim in der letzten Zeit Caligulas, haben die eindringenden Forschungen Ritterlings bewiesen (I. Bericht der Römisch-germ. Komm. 29f. ORL B 31, Kastell Wiesbaden 1909. Nass. Ann. 1912). Unter Claudius hatten die Römer ein Silberbergwerk im Lande der Mattiaker rechts vom Main und Rhein (Tac. ann. XI 20), so daß man annehmen darf, daß schon damals dieser Stamm in dem Verhältnis friedlicher Untertänigkeit zu Rom stand, das Tacitus später (Germ. 29) mit obsequium bezeichnet. Ob die römische Okkupation weiter südlich vom Main schon unter Caligula über den Rhein hinausgriff, steht noch dahin (Barthel VI. Bericht der Röm.-germ. Komm. 125). Weitere Fortschritte unter Claudius und Nero sind zwar in diesen Gegenden wahrscheinlich, zumal da sie seit dem Abzug der Markomannen nur schwach bewohnt waren; aber das Vordringen der Römer ist wohl ganz allmählich und friedlich erfolgt, zuerst in der oberrheinischen Ebene und von dem unter Tiberius erbauten Legionslager Vindonissa aus bis zu den Quellen der Donau. Entschiedenere Schritte geschahen unter den flavischen Kaisern. Diese bewirkten eine zweimalige Erweiterung der Grenze über den Rhein hinaus, die zugleich eine wesentliche Verkürzung der Reichsgrenze vom Mittelrhein zur oberen Donau, von Hönningen bei Andernach bis Hienheim oberhalb Regensburg, mit sich brachte. Unter Vespasian legte Cn. Cornelius Pinarius Clemens im J. 73/74 eine Straße an, die mit Vermeidung des großen Umwegs über Basel direkt von Straßburg nach Tuttlingen führte (Zangemeister N. Heidelb. Jahrb. III 9ff.). Damit war der Rhein von Straßburg aufwärts nicht mehr die Reichsgrenze. Domitian ging noch einen Schritt weiter und legte nach Besiegung der Chatten im J. 83 und nach einer durch den Aufstand des Antonius Saturninus im J. 89 veranlaßten Unterbrechung eine eigentliche Grenzlinie an (limite acto Tac. Germ. 29), welche über den Taunus um die Wetterau herum an den Main, von da durch den Odenwald an den Neckar und dann wahrscheinlich über die Alb zur Donau lief, später aber südlich vom Main noch etwas weiter hinausgerückt wurde (Fabricius Besitznahme Badens durch die Römer 1905). So war der Rhein auf beiden Seiten römisch von seinen Quellen an bis über das Becken von Neuwied hinaus.

Wie aber dieses Gebiet das letzte am Rhein war, welches dem Reich einverleibt wurde, so war es auch das erste, welches wieder verloren ging. Schon unter M. Aurel drangen im J. 162 die Chatten und Markomannen in Raetien und Gallien ein, und von Caracalla an folgte am Oberrhein seitens der Alamannen und später am Mittel- und Unterrhein seitens der Franken ein Angriff auf den andern. Maximin erfocht noch [743] einmal im J. 237 einen Sieg in der Gegend des schwäbisch-fränkischen Limes, ebenso mehrere der folgenden Kaiser, aber unter Gallienus ging das rechtsrheinische Land verloren; das zeigt am deutlichsten das Abbrechen der Münzreihen in einigen Kastellen, namentlich in dem nördlichsten Limeskastell Niederbieber (Ritterling Bonner Jahrb. CXX 276). Die Grenze wurde seit etwa 260 wieder der Rhein. Nur wenige Punkte rechts vom Rhein wurden noch bis ins 4. Jhdt. gehalten, so Wiesbaden und Ladenburg.

Durch die im vorhergehenden in kurzen Zügen geschilderte wechselnde militärisch-politische Bedeutung des Rheins als Völker- oder Herrschaftsgrenze war nun auch wesentlich bedingt der Verkehr über den Fluß von einem Ufer zum andern. Vgl. hierüber besonders Jak. Becker Nass. Ann. X 1870. Die Germanen und Kelten behielten bei ihren Stromübergängen die primitive, einfach-natürliche Art und Weise bei, nämlich die Benutzung von kleineren Fahrzeugen verschiedener Art, Nachen oder Kähnen (naves, lintres), darunter auch Einbäume (Vell. II 107. Plin. n. h. XVI 203: singulis arboribus cavatis navigant), und Flößen (rates); vgl. Caes. bell. Gall. VI 35 transeunt Rhenum navibus ratibusque. Daneben versuchten sie auch das Durchwaten an seichten Stellen (vada) und das Schwimmen (ebd. I 8. 54). Daß die Germanen im Schwimmen sehr geübt waren, bezeugt Dio LX 20 in der Geschichte der Eroberung Britanniens; aber auch für den Rhein bestätigt es Tacitus hist. IV 12. V 14 in der Geschichte des Batavischen Aufstands von der Reiterei der Bataver, und für die Zeit Domitians Plinius (Paneg. Trai. 82), für die Zeit Maximins Herodian (hist. VII 2, 6). In der Winterzeit benützten sie aber auch die natürliche Brücke, welche öfters das Eis über den Rhein schlug, eine dem Südländer befremdliche Erscheinung, welche Herodian VI 7 besonders hervorhebt. Namentlich aus der späteren Kaiserzeit werden solche Übergänge von Germanenscharen über den zugefrorenen Rhein berichtet, so aus der Zeit des Constantius Chlorus (Paneg. lat. VII 6) und Valentiniane I. (Ammian. XXVII 1, 1 und XXXI 10, 4). Freilich machte ihnen dann hie und da ein plötzliches Auftauen des Eises Verlegenheit (Suet. Dom. 6), oder störte man die Eisbildung durch hin- und herfahrende Schiffe (naves lusoriae, Ammian, XVII 2, 3).

Diesen unvollkommenen und unsicheren Mitteln und Wegen stellte sich schon seit Caesar die überlegene Technik der Römer in dem Bau von Brücken siegreich gegenüber. Wie am Arar die Helvetier staunend sahen, daß das, was sie in 20 Tagen mit Mühe und Not erreichten, von Caesar in einem Tag vollbracht wurde (bell. Gall. I 13), so verschmähte dieser auch das Anerbieten von Schiffen zu einem Rheinübergang seitens der Ubier, da er es nicht für sicher noch der Würde des römischen Volkes entsprechend ansah, und baute trotz der großen Schwierigkeit, welche in der Breite, Tiefe und reißenden Gewalt des Flusses lag, in zehn Tagen eine Bock- oder Pfahlbrücke, um die Germanen einzuschüchtern, zog sich aber nach einem Verheerungszug [744] im Lande der Sugambrer wieder zurück und brach die Brücke dann ab (bell. Gall. IV 16–19). Zu demselben Zweck wiederholte er im J. 53 etwas weiter oberhalb (paulum supra) den Rheinübergang auf einer neuen Brücke (VI 9); als aber die Sueben sich in ihre Wälder zurückzogen, kehrte er wegen der Schwierigkeit der Verpflegung seines Heeres ebenfalls bald wieder um, brach jedoch diesmal nur den östlichen Teil der Brücke ab, ließ am Ende des stehen gebliebenen Teils einen vierstöckigen Turm bauen, ,den Ort‘ (d. h. wohl den linksrheinischen Brückenkopf) stark befestigen und legte eine ansehnliche Besatzung hinein (VI 29). Wir haben sonst von keinem römischen Brückenbau am Rhein eine so genaue Beschreibung, wie bei Caesar IV 17; aber die Stellen der beiden Brücken zu bestimmen, ist bis jetzt trotz einer reichen darüber vorhandenen Literatur nicht gelungen. Die wichtigsten Arbeiten sind wohl folgende: Clüver Germania antiqua (1616) II 54ff. Minola Beiträge z. Übersicht d. römisch-deutschen Gesch. (1818) 226ff. Hauptmann Hoffmann Über d. Zerstörung der Römerstädte zwischen Lahn und Wied2 (1823). General v. Goeler Caesars gall. Krieg (1858) General v. Peucker Das deutsche Kriegswesen der Urzeiten III (1864). Kaiser Napoléon Hist. de Jules César II (1866). Oberst v. Cohausen Cäsars Rheinbrücken philol., milit. u. technisch untersucht (1867). Direktor aus’m Weerth Bonner Jahrb. LVIII. LXVI. LXXIV (1876–1882). General v. Veith Picks Monatsschrift VI (1880) und Winckelmanns-Programm (1888). Prof. H. J. Heller Philol. Anz. XIV (1884). Prof. Hübner Bonner Jahrb. LXXX (1885) und LXXXVIII (1889). General Wolf ebd. LXXXVII (1889). Prof. Nissen ebd. CIV (1899). Wie man sieht, sind besonders Militärs in dieser Literatur vertreten. In Bezug auf die Baukonstruktion der Brücke wird nach Hübner und Nissen die Interpretation der fibulae als eiserner Bolzen (Heller) richtig sein gegen die Anschauung v. Cohausens und Napoleons, daß die Befestigung nur mit Weidenbändern oder Holzlatten geschehen sei. Was aber die Plätze der beiden Brücken betrifft, so hat der Lokalpatriotismus bei dieser Frage einen ungebührlichen Einfluß geübt; allein weder Caesars Angaben, noch technische oder militärische oder historische Erwägungen, noch tatsächliche Funde haben bis jetzt eine sichere Entscheidung zwischen den zwei möglichen Gegenden, dem Neuwieder Becken oder der Landschaft unterhalb des Siebengebirgs, möglich gemacht. Nach Nissens Übersicht galt der erstere Platz mehr als ein halbes Jahrhundert lang (noch bei Mommsen R.-G. III 255 und bei v. Goe1er) als Schauplatz der beiden Übergänge; zum Teil wurden auch zwei Orte gewählt, die viel weiter auseinander liegen, als Caesars Worte erlauben, wie Xanten und Neuwied oder Bonn und Neuwied. Dann aber wendete sich das Blatt, und den Kaiser Napoleon an der Spitze traten die Bonner Professoren und Militärs mit aller Wucht für die Gegend von Köln und Bonn ein. Nachher schien es wieder eine Zeitlang, als ob nach den Entdeckungen, welche [745] Isphording (Bonner Jahrb. LXXXII), Koenen (ebd. LXXXVI) und Nissen (ebd. CIV) an einer großen Festung bei Urmitz oberhalb Neuwied und einem Kastell des Drusus innerhalb derselben machten, diese letztere Gegend ganz sicher der Schauplatz von Caesars Brückenbauten gewesen wäre. Allein durch die weiteren Nachgrabungen Lehners und Koenens (ebd. CVII 203ff. CVIII/CIX 351f. CX 131ff. CXIV/CXV 330ff.) ist erwiesen worden, daß die Festung bei Urmitz der prähistorischen Zeit angehört; das Kastell des Drusus wurde bestätigt und noch eine dritte Befestigung gefunden, die vielleicht der Zeit Caesars angehören könnte. Aber über eine bloße Möglichkeit ist man dabei nicht hinausgekommen. Wie lange die von Caesar angelegte Befestigung bestanden hat, wissen wir auch nicht.

Von den weiteren Brücken, über welche die römischen Historiker berichten, ist meistens die Konstruktion nicht näher bekannt. Es handelt sich um Schiffbrücken, Pfahlbrücken, Brücken mit Steinpfeilern und darüber gelegtem Holzbau oder ganz steinerne Brücken, und hiemit hängt auch das kürzere oder längere Fortbestehen der einzelnen Brücken zusammen. An feste und dauernde Steinbauten darf man am ehesten denken auf der Strecke von Stein bis Basel, wo der Fluß noch schmal ist, und sodann bei den zwei großen Städten Mainz und Köln, denen gegenüber die zwei Brückenköpfe Kastel und Deutz bestanden. Daß Agrippa und später Drusus und Tiberius bei ihren Feldzügen Brücken bauten, ist wahrscheinlich, ob auf die Dauer, zweifelhaft; nach der Niederlage des Varus wurden sie sicher abgebrochen. Germanicus baute wieder eine Brücke im J. 14 (Tac. ann. I 49), wahrscheinlich bei Vetera (CIL XIII 2[6] p. 302), und Agrippina verhinderte ihre Zerstörung (ebd. 69). Auch Strabon erwähnt bald darauf (ums J. 17) im Gebiet der Treverer eine damals bestehende Brücke, deren Ort sich aber nicht sicher bestimmen läßt (CIL a. a. O.). Caligula benützte bei seinem Feldzug gegen die Germanen eine Brücke (Suet. Calig. 51 pontes), also wohl eine Schiffbrücke, wahrscheinlich bei Mainz, das nun überhaupt in den Vordergrund tritt. Vgl. besonders Jak. Becker Die Rheinübergänge der Römer bei Mainz, Nass. Ann. X (1870). Hübner Bonner Jahrb. LXXX (1885). Schumacher Mainzer Ztschr. I (1906). Funde im Strome selbst weisen nach den eingehenden Forschungen von Heim und Velke [ältere] Mainzer Ztschr. III 4 (1887) bis in die augusteische Zeit zurück; jedenfalls aber wird seit der Zeit des Claudius eine dauernde Holzbrücke zur Verbindung der Stadt mit dem rechten Ufer, wo sich das Castellum Mattiacorum als Brückenkopf entwickelte, bestanden haben; vgl. jetzt besonders E. Schmidt ORL B 30 (1912), wo die ältere Literatur vollständig verzeichnet ist. Aber auch weiter oben am Rhein, bei Tasgaetium (CIL XIII 2[7] p. 50), Tenedo (ebd. 44, vgl. Wagner Fundstätten und Funde im Großh. Baden I 140f.) und Augusta Rauricorum (Stehlin Korr.-Bl. d. Gesamtvereins 1911, 417) sind dauernde Brücken schon in jener Zeit wahrscheinlich, dagegen keine zwischen Basel und [746] Mainz. Für die Zeit des Chattenkriegs im J. 83/84 und der sich anschließenden weitergehenden Annexion des rechtsrheinischen Landes unter Domitian und Traian darf man wohl in Mainz an eine stehende Holzbrücke mit Steinpfeilern denken, ähnlich der großen Brücke Traians bei Turn Severin an der Donau (Hübner a. a. O. 104ff. Koepp a. a. O. 141f.), nach Schumacher noch an eine zweite Brücke nach der Südseite des Mains. Von dem Übergang eines römischen Heeres über eine Brücke gibt ein anschauliches Bild das schon von Becker a. a. O. Taf. I 5 abgebildete Relief der Traianssäule. Von da an ist mehr als ein Jahrhundert lang nichts von einer Rheinbrücke am Oberrhein überliefert. Caracalla ging bei seinem Feldzug gegen die Alamannen von Raetien aus, also über die Donau; Severus Alexander traf zwar in Mainz Maßregeln für die Erbauung einer Schiffbrücke (Herodian. VI 7), aber erst Maximin vollendete den Bau, traf Anstalten zu seiner Sicherung und ,überschritt die Brücke ohne Furcht‘ (ebd. VII 1f.; vgl. Becker a. a. O. 18ff.). Dies setzt voraus, daß die frühere feste Brücke nicht mehr bestand. Unter Maximian, etwa 50 Jahre später (vgl. Becker ebd. 29ff.), wird wieder eine Rheinbrücke erwähnt von Eumenius (Paneg. Constant. 2), und das ist wohl diejenige, welche auf dem merkwürdigen Lyoner Bleimedaillon von Diocletian und Maximian dargestellt ist und über einem Unterbau von Stein einen Oberbau von Holz trägt (Abb. bei Schumacher a. a. O. 25. Koepp a. a. O. 140f.), mit den Namen Mogontiacum – Castel(lum) – fl(umen) Renus. Wenn aber im Rhein bei Mainz ein Rost von starken Eichenpfählen gefunden worden ist (Abb. bei Schumacher und Koepp a. a. O.), so trug dieser wohl die steinernen Pfeiler. Aber auch weiter oben am Rhein, zwischen dem Bodensee und dem Rheinknie bei Basel, wurden in dieser Zeit nicht bloß die alten Kastelle linke vom Rhein durch neue ersetzt, so bei Tasgaetium (Burg bei Eschenz), wahrscheinlich bei Tenedo (Zurzach) und besonders bei Augusta Rauricorum (Kaiseraugst, s. den Art. Raurici), sondern auch die alten Brücken wieder erneuert, welche nach Stein, bezw. nach Rheinheim und Wyhlen auf die rechte Rheinseite hinüberführten und dort durch Brückenköpfe gesichert waren. Vgl. Keller Mitt. der antiq. Ges. in Zürich XII 279f. (Stein). E. Wagner a. a. O. (Rheinheim) und 162, nach Westd. Ztschr. 1890, 150ff. (Wyhlen).

Kehren wir wieder nach dem Unterrhein zurück, so ist in der Geschichte des Bataverkriegs nirgends von einer Rheinbrücke die Rede. Man hat nun an eine dauernde Brücke unter den Flaviern gedacht, welche die colonia Agrippinensis (Köln) mit der gegenüber liegenden Station Divitia (Deutz) ganz ähnlich verband wie Mainz mit dem Castellum Mattiacorum (Hübner Bonner Jahrb. LXXX 128ff. und Westd. Ztschr. V 238ff. Koepp a. a. O. 140f.); aber das wird von andern bestritten (Düntzer Bonner Jahrb. LXXXI 7. Hettner Westd. Ztschr. V 244. Klinkenberg Das römische Köln 341ff.). Etwas Sicheres wird erst aus der Zeit Constantins d. Gr. berichtet, der nach Eumenius (Paneg. [747] VII 22) im J. 310 eine neue steinerne Brücke baute (pons Agrippinensis), mehr zum Ruhm und Schmuck, als für die Möglichkeit, den Rhein zu überschreiten; es wird von gewaltigen Fundamenten geredet, die in die Tiefe der Strudel versenkt wurden und dem Werk ewige Dauer versprachen (Becker a. a. O. 48ff. Hübner a. a. O.). Dem entsprechend sind schon um 1570 zahlreiche Stümpfe und Fundamente mit mächtigen Werkstücken gefunden worden, und ebenso fand Schwörbel im J. 1893 (Westd. Korr.-Bl. XII nr. 29) und dann das städtische Tiefbauamt 1894 im Strombett mehrere ziemlich ausgedehnte Erhöhungen aus Steinen (Bonner Jahrb. XCVIII 139ff.). Zwei derselben erwiesen sich als Fundierungen von Brückenpfeilern auf Eichenpfahlrosten, zwischen denen noch Bruchsteine lagen, und die von dem Bauamt herausgezogenen Pfähle hatten zum Teil eiserne Schuhe. Bei dieser Übereinstimmung tatsächlicher Funde und historischer Berichte scheint es auffallend, daß Schwörbel und nach ihm Klingenberg a. a. O. nur an eine mit Steinen beschwerte Bockbrücke denken wollen. Aus der späteren Zeit haben wir keine Nachrichten über eine dauernde Steinbrücke, von Köln überhaupt keine und sonst nur Berichte über Schiffbrücken, die geplant wurden von Constantius II. und Iulian (Ammian. XIV 10, 6 bei Rauracum; XVI 11, 8 oberhalb von Mainz) oder auch wirklich gebaut von Iulian bei Mainz (ebd. XVII 1, 2ff.) oder sonst am Oberrhein (ebd. XVII 10, 1. XVIII 2, 7ff. XXIX 4, 2. Symm. orat. II 26, vgl. Riese XI 18), aber auch am Unterrhein (Libanius Epit. p. 551, vgl. Riese X 43), was dann endlich der Vandalenkönig Chrocus (im J. 406) bei Mainz den Römern nachmachte (Fredeg. Chron. II 60, vgl. Riese XII 56).

Bei Koblenz (Confluentes) war eine stehende Steinbrücke über die Mosel (Bodewig Westd. Ztschr. XVII 251. Abb. 57 bei Koepp a. a. O.), dagegen ist über den Rhein nur eine Übergangsstelle, mit der Insel Oberwerth als Stützpunkt, sicher (ebd. 253). Bei Bonn (Bonna) hat namentlich General v. Veith Winckelmannsfestschrift 1888, 25f. eine schon von Drusus angelegte Rheinbrücke, vom Jesuitenhof zur Schwarzrheindorfer Kirche hinüber, vermutet. Nach Prof. aus’m Weerth wurden Reste einer Pfahlbrücke weiter unten gefunden (Westd. Korr.-Bl. V nr. 95); aber diese scheinen späteren Schutzwehren anzugehören (ebd. nr. 134). Vgl. dazu noch Lehner Bonn. Jahrb. CXVIII 121ff. Die vielbesprochene Stelle Florus II 30: (Drusus) Bormam et Caesoriacum pontibus iunxit auf Bonn zu beziehen wagt jetzt kaum noch jemand. Von den andern niederrheinischen Plätzen kommt namentlich noch Xanten (Castra Vetera) in Betracht (Hübner Bonner Jahrb. LXXX 134f.), wo jedenfalls in der ersten Kaiserzeit eine Brücke vorhanden war (s. o.), und wo Oberstleutnant F. W. Schmidt im J. 1828 eisenbeschuhte Eichenpfähle von über 2' Durchmesser gesehen hat (ebd. XXXI 103ff.).

Obgleich aber nach all dem in römischer Zeit nur wenige Brücken über den Rhein vorhanden waren, so dürfen wir doch annehmen, daß der friedliche Handels-Verkehr über den Strom [748] allmählich sich stärker entwickelte. Wenn auch zu Caesars Zeit die Sueben gegen fremde Einfuhr sich ablehnend verhielten und ihre Ländereien mit einer breiten Einöde zu umgeben suchten (Caes. bell. Gall. IV 1ff.), so ließen die Ubier gern auswärtige Kaufleute und Produkte zu, nahmen teil an dem lebhaften Handel der Gallier (ebd. 3) und waren imstande, Caesar eine große Menge von Schiffen zur Verfügung zu stellen (ebd. 16). Wir haben allen Grund anzunehmen, daß in der Folgezeit durch Steigerung der Zivilisation bei den Germanen der Handelsverkehr über den Rhein allmählich zunahm. Belege hiefür sind die bekannten Klagen der Tenkterer (Tac. hist. IV 64) über die strenge Grenzpolizei am Rhein und andererseits der lebhafte Grenzverkehr der Hermunduren an der Donau, wo diesen der Übergang ganz freigegeben war (Tac. Germ. 41). Am meisten mußte sich der Handel über den Oberrhein entwickeln in der Zeit, als die römische Grenze bis an den Limes vorgeschoben war. Der Handelsartikel, welcher am massenhaftesten aus Südgallien und später aus Mittelgallien und der linksrheinischen Ebene über den Rhein kam, waren die Töpferwaren, besonders die feineren Gefäße aus Terra sigillata. Vgl. Koepp a. a. O. 147ff. m. Abb. Dragendorff Westdeutschland zur Römerzeit 60ff. m. Abb. Die Glasfabrikation dagegen hat sich bald am Rhein selbst, besonders in Köln, reich entwickelt (Koepp 153f. Dragendorff 63f.).

Nach dem Verkehr über den Rhein haben wir nun aber auch den Verkehr auf dem Rhein zu besprechen, stehen jedoch hier vor der auffallenden Tatsache, daß über friedlichen Schiffahrtsverkehr stromauf und -ab nur weniges nachweisbar ist. Während auf der Rhone und dem Arar, der Loire und Seine angesehene Korporationen von Schiffern (collegia, contubernia, corpora nautarum) mehrfach genannt werden (s. den Art. Rhodanus), auch im Decumatland auf dem Neckar (Marbach CIL XIII 6450)[8] und der Alb (Ettlingen ebd. 6324), sowie in der Schweiz auf der Aare (ebd. 5096), sind uns vom Rhein nur bekannt die Votivinschrift von nautae qui Fectione consistunt (ebd. 8815) und die Grabschrift eines einzelnen Schiffers in Mainz (ebd. 7067). Die Gründe mögen verschiedene sein: Mangel an Tauschwaren, die Grenzsperre seitens der Römer, die Gefahr von Überfällen seitens der Germanen, auch natürliche Hindernisse (s. o.); wir können hierüber nur Vermutungen hegen. Für lebhaften Einfuhrhandel mit Wein zeugen übrigens die Amphoreninschriften von Köln und Mainz, wobei man mit Dressel an Einfuhr aus Spanien zur See denken kann (Bonner Jahrb. XCV 66), aber auch an Einfuhr aus Südgallien zu Lande (s. den Art. Rhodanus). Ferner hat man in den üppiger eingerichteten Villen bis in die Schweiz hinein Schalen von Austern aus der Nordsee gefunden, die wohl auch zu Wasser den Rhein herauf befördert wurden (ebd. LX 158. XC 211). Über eine starke Einfuhr von Getreide aus Britannien in der Zeit Iulians siehe verschiedene Berichte bei Riese a. a. O. X 42f. 48. 51, und mit diesen sind wohl auch [749] der neg(otiator) fru(mentarius) in Nymwegen (CIL XIII 8725)[9] und der negotiator Britannicianus in Köln (ebd. 8164 a) in Verbindung zu bringen. Unter den Produkten des Rheins selbst sind hervorzuheben die Fische, von welchen Plinius (n. h. IX 44) den esox oder isox (Hecht) besonders nennt, und das Gold, das aus dem Rheinsand wie aus andern gallischen und germanischen Flüssen herausgewaschen wurde (vgl. Nissen Bonner Jahrb. XCVI/XCVII 3f. 13, auch den Art. Helvetii) und den Goldreichtum der Kelten sowie ihre goldenen Münzen erklärt. Endlich erwähnen wir noch die Niedermendiger Lavasteine, welche weithin zu Handmühlen verwendet vorkommen.

Stärker als den Verkehr auf dem Rhein haben wir uns wohl den Verkehr auf der Straße zu denken, die das linke Rheinufer teils in unmittelbarer Nähe wie zwischen Bingen und Bonn, teils in kleiner Entfernung begleitete. Sie lief von Chur bis Rheineck am Bodensee (ad Rhenum), von da westlich über Arbon nach Windisch und Augst, dann nördlich nach Straßburg, Speier, Worms, Mainz, Bingen, Koblenz, Andernach, Remagen, Bonn, Köln, Neuß, Nymwegen. Vgl. dazu die Karte XXIV bei Koepp nach Schumacher und die Meilensäulen, die besonders von Straßburg bis Mainz (CIL XIII 2[10] p. 700f.) und dann von Mainz bis Köln (ebd. 708f.) ziemlich zahlreich erhalten sind. Auch auf der rechten Seite des Flusses, aber meist weiter entfernt, am Fuß des Schwarzwaldes, lief seit Traian (ebd. nr. 9120, vgl. Zangemeister Westd. Ztschr. III 239) eine Straße von Augst über Offenburg, Steinbach (Baden), Heidelberg, Ladenburg nach Mainz, ebenfalls durch viele Meilensäulen bezeugt (ebd. p. 702ff.). Auf dieser Straße bewegten sich vor allem die römischen Legionen und Hilfstruppen, welche vielfach verschoben wurden, hin und her, soweit nicht hiezu die Rheinflotte, classis germanica genannt, in Anspruch genommen wurde.

Schon Drusus fuhr im J. 12ff. v. Chr. mit einer wohl von ihm selbst geschaffenen Flotte auf dem von ihm erbauten und nach ihm benannten Kanal (s. o.) in den Flevosee und in die Nordsee; er unterwarf die Friesen und gelangte in das Land der Chauken (Dio LIV 32, 1); auch unterwarf er die Insel Byrchanis (Borkum?; vgl. Plin. n. h. IV 97) und besiegte in der Ems die Brukterer im Schiffskampf (Strab. VII 290f.). Ebenso fuhr im J. 5 n. Chr. Tiberius von der Mündung des Rheins an bis an die Küste der Cimbern und sogar die Elbe hinauf (Mon. Anc. V 14f. Vell. II 106. Plin. n. h. II 167). Germanicus führte bei seinem ersten Einfall in Norddeutschland im J. 14 nur die Hälfte seiner Legionen auf dem Seeweg zur Ems (Tac. ann. I 60) und auf dem Rückzug nur den vierten Teil (ebd. 70); bei seinem zweiten Feldzug aber, der von Tacitus mit einer gewissen Feierlichkeit eingeleitet wird (ebd. II 5f.), sammelte er an der Insel der Bataver 1000 Schiffe von verschiedener und sorgfältig berechneter Bauart und fuhr dann auf dem Kanal seines Vaters Drusus durch den Flevosee in den Ozean und in die Ems hinein. Daß freilich auch der Ozean seine Tücken und Gefahren hat, mußte [750] Germanicus auf dem Rückweg bitter erfahren (ebd. 23f.). Bei einem Aufstand der Friesen (im J. 28) führte L. Apronius das germanische Heer auf dem Rhein hinunter (ebd. IV 73). Auch Caligula rüstete Flotten auf dem Rhein aus, aber nach Suetons mißgünstiger Darstellung als subsidia fugae (Calig. 51). Unter Claudius im J. 47 kämpfte Corbulo mit Dreiruderern auf dem Rhein und mit kleineren Schiffen in den Kanälen und Lagunen (aestuaria) glücklich gegen die Kähne (lintres) der Chauken (Tac. ann. XI 18). Eine nicht unwichtige Rolle spielte die Rheinflotte in dem Bataverkrieg, aber freilich in einem für die Römer nicht günstigen Sinn, da ihre Bemannung und Bedienung großenteils aus Batavern bestand und daher sich unzuverlässig zeigte und in wichtigen Momenten versagte (Tac. hist. IV 16. 79. V 18–23). Dagegen blieb sie bei dem Aufstande des Legaten Antonius Saturninus im J. 89 treu wie das übrige untergermanische Heer und erhielt daher die Beinamen pia fidelis Domitiana.

In der folgender Zeit, während der am Unterrhein Frieden herrschte (s. o.), tritt die römische Rheinflotte kaum hervor; sie diente wohl nur der Grenzbewachung. Erst als die Angriffe der Franken (seit etwa 250) häufiger und stürmischer wurden, betraute Gallienus den tapfern Postumus speziell mit der ,Bewachung des Rheinstroms‘ (Zonar. XII 24) und nachher Maximian den Carausius mit der Herstellung einer Flotte, zumal da nun (seit etwa 280) außer den Franken auch die Sachsen das Meer und die Rheinmündungen mit ihren Schiffen unsicher machten (Aurel. Vict. Caes. 39, 16. Zosim. III 6. Eutr. IX 21). Unter Constantin I. war nach Paneg. 22 ,das ganze Rheinbett mit Kriegsschiffen bedeckt‘, und auch Iulian bediente sich später bei seinen erfolgreichen Feldzügen mehrfach der Rheinflotte (Ammian. XVII 1. XVIII 2); nach seinem Brief an die Athener (p. 360 H.) baute er 400 Schiffe und führte sie in den Rhein. Diese Flotte war deswegen besonders wichtig, weil sie die Zufuhr von Getreide aus Britannien in die durch die Kriege verheerten und verödeten Rheinlande zu sichern hatte (s. o.). Doch war es auf die Dauer nicht mehr möglich, die Herrschaft über die Küsten und den Rheinstrom zu behaupten. In der Not. Dign. wird die Rheinflotte gar nicht mehr erwähnt.

Unter der ohne Zweifel kleineren Anzahl der eigentlichen Kriegsschiffe (naves armatae) waren am wichtigsten die Trieren (triremes), deren Kommandanten (trierarchi) mehrfach genannt wurden. Der Oberkommandant hieß praefectus cl. Germ. und hatte den Rang eines Procurator centenarius (v. Domaszewski Bonner Jahrb. CXVII 160); sein Schiff hieß triremis praetoria (Tac. hist. V 23). Die Flotte des Germanicus (Tac. ann. II 6) wird nur als Transportflotte geschildert; dagegen Corbulo (ebd. XI 18) führte Dreiruderer den Rhein hinab, von denen die ceterae naves, offenbar Frachtschiffe, unterschieden werden; auch die im Bataverkrieg genannten 24 Schiffe waren wohl Kriegsschiffe (hist. IV 16). Sonst werden, namentlich in späterer Zeit, auch lembi (Fischerboote?) und naves lusoriae (Ammian. XVII 2, 3. XVIII 2, 12) als gelegentlich verwendete [751] Fahrzeuge genannt. Als Standorte sind bezeugt Mainz, wo in der Zeit des Commodus navalia, Schiffswerften, vorkommen (CIL XIII 6712.[11] 6714), sodann die Alte Burg bei Köln, wo (ebd. 8198) ein praefectus cl. Germ. genannt ist, ferner die Arentsburg bei Vorburg, wo Ziegelstempel der Flotte gefunden worden sind (Holwerda IV. Bericht der Röm.-germ. Komm. 88). Auch finden wir die Flottensoldaten mehrfach in den Steinbrüchen bei Brohl beschäftigt (CIL XIII 2[12] p. 489ff.), und zu gleichem Zweck stand eine vexillatio (ein Detachement) der Flotte bei Bonn (ebd. nr. 8036). Vgl. nach Schuermanns Vorgang Bone Bonner Jahrb. LXXI 107ff. und den Art. C1assis o. Bd. III S. 2645f.

Wir schließen mit einer Übersicht über die Völkerschaften am Rhein und ihre Hauptwohnplätze, sowie über die römischen Lager. Bis zum Bodensee floß der Rhein durch das Gebiet der Raeter (s. den Art. Raeti) mit Curia als Hauptort, wo die drei Quellflüsse sich vereinigen. Am Bodensee reihen sich an die keltischen Vindeliker als Anwohner des nordöstlichen Ufers mit Brigantium, die keltischen Helvetier, etwa seit Anfang des 1. Jhdts. v. Chr. (CIL XIII 2[13] p. 5ff. u. Art. Helvetii) als Anwohner des südwestlichen Seeufers und des weiteren Rheinlaufs bis zur Mündung der Aare, mit Vindonissa als exemtem Standort einer Legion von Tiberius bis Traian (ebd. 37ff. Koepp a. a. O. Karte XIX), und die keltischen Rauriker (s. den Art. Raurici) mit der Kolonie Augusta Rauricorum, wahrscheinlich von der Aare bis zum Mons Brisiacus im Oberelsaß (CIL a. a. O. 51ff.). Es folgen sodann auf dem linken Rheinufer drei germanische Stämme, wahrscheinlich seit Caesar (s. o.), nämlich die Triboker (ebd. 139ff.) mit dem exemten Lager der legio VIII Augusta Argentorate (oder -atum) und dem Hauptort Brocomagus (Brumath) im Unterelsaß, sodann die Nemeten (ebd. 161ff.) mit dem Hauptort Noviomagus (später Spira, Speyer) nebst Saletio (Selz), Tabernae (Rheinzabern) und Alta ripa (Altripp) in der bayrischen Rheinpfalz, und zuletzt die Vangionen (ebd. 178ff.) mit dem Hauptort Borbetomagus (Worms) nebst Bauconica (Nierstein bei Oppenheim), im heutigen Rheinhessen, wahrscheinlich bis zur Nahe bei Bingium (Bingen). Von ihrem Gebiet war also umgeben die militärische und politische Hauptstadt, seit Diocletian Metropolis, von Obergermanien, Mogontiacum, im 1. Jhdt. n. Chr. der Standort von zwei Legionen, im 2.–4. Jhdt. von einer Legion, der legio XXII primigenia (ebd. 296ff. mit der reichen älteren Literatur p. 303ff. Dazu Schumacher Mainzer Ztschr. I 19ff. mit Abb. u. Plänen. Koepp a. a. O. mit Karte IV). Gegen diese sicher bezeugten Tatsachen können die mancherlei abweichenden, ungenauen Berichte der alten Schriftsteller nicht aufkommen. Bei Caesar (bell. Gall. IV 10) werden als Anwohner des Rheins genannt Nantuates, Helvetii Sequani, Mediomatrici, Triboci, Treveri. Die Nantuaten aber wohnten nach Caes. bell. Gall. III 1 vielmehr südöstlich vom Genfersee in der Vallis Poenina; Mommsen [752] wollte (Hermes XVI 445) obige Nennung so erklären, daß Caesar irrtümlich den Oberlauf der Rhone für den des Rheins gehalten habe; aber jenes Kapitel bietet, wie andere geographische Abschnitte bei Caesar, auch sonst so viel Anstoß, daß diese Teile jetzt von kompetenter Seite (Meusel) als unecht verworfen werden. Die Anwohnerschaft der Sequaner im oberen Elsaß ist für die Zeit vor Caesar jedenfalls richtig (I 1. 31), wird aber auch für die spätere Zeit von manchen angenommen (s. den Art. Raurici). Auch die Mediomatriker reichten früher anscheinend bis zum Rhein, vom unteren Elsaß bis nach Rheinhessen, wo Caesar die Triboker, Nemeten und Vangionen ansiedelte (Strab. IV 193). Ebenso reichten die Treverer mit ihren Klienten an den Rhein, bis von Agrippa hier die Ubier angesiedelt wurden (s. o.). Unrichtig ist die Reihenfolge der linksrheinischen Stämme angegeben bei Caes. bell. Gall. VI 24. Plin. n. h. IV 105. Tac. Germ. 28. Ptolem. II 9, 9 (hier mit Zuteilung von Argentoratum an die Vangionen). Was aber die Anwohner der rechten Rheinseite anlangt, so ist nichts anzufangen mit den Völkernamen, die Ptolem. II 11, 6 anführt: Ἰνκρίονες, zwischen Rhein und Abnobagebirg, ferner Ἰντούεργοι, Οὐαργίωνες (entstellt aus Vangiones?), Καρίτ(α)νοι und Οὔισκοι (Usipi, Usipetes?). Die dann folgende ἔρημος Ἐλουητίων aber weist auf die Zeit hin, in der einst die Helvetier in Schwaben wohnten (Tac. Germ. 28), bis sie seit etwa 100 v. Chr. vor den von Norden her andringenden Germanen zurückwichen (s. den Art. Helvetii). Seitdem war Schwaben zwar nicht geradezu verödet, aber von keiner geschlossenen, organisierten Völkerschaft mehr bewohnt; nur am unteren Neckar behauptete sich, wahrscheinlich von dem Vordringen Ariovists her, während die Marcomannen zunächst ins Maingebiet und später nach Böhmen gezogen waren, ein Rest der Sueben, die nun Suebi Nicretes genannt und von Traian als Civitas Ulpia Sueborum Nicretum organisiert wurden, mit dem Hauptort Lopodunum (Ladenburg), vgl. CIL XIII 229ff.[14] und Haug bei Wagner Fundstätten und Funde in Baden II 212ff. Ähnlich wohnten nördlich des Rheins und Mains, am Südfuß des Taunus die Μattiaker, doch wohl ein Zweig der Chatten wie die Bataver, in eodem obsequio (Tac. Germ. 29), mit dem Hauptort Aquae Mattiacae (vgl. ORL B 31 Kastell Wiesbaden, von Ritterling) und mit dem Brückenkopf Kastel gegenüber von Mainz.

Es folgten dann weiter auf der rechten Rheinseite die Chatten, Usipier oder Usipeter, Tenkterer und Sugambrer, deren Wohnsitze verschiedentlich wechselten. Die Chatten (jetzt Hessen), von der Lahn bis zur Werra und Diemel reichend, sind von Caesar noch nicht erwähnt, aber wahrscheinlich unter den Sueben begriffen; sie werden zuerst bei den Feldzügen des Drusus und später des Germanicus viel genannt, von Claudius und von Domitian erfolgreich bekriegt, von Tacitus (Germ. 30f.) hoch gepriesen. Die engverbundenen Nachbarstämme der Usipier und Tenkterer saßen an der Sieg und Ruhr und sind besonders durch ihre unglücklichen Einfälle in Gallien und ihre Beteiligung [753] am Bataveraufstand bekannt. – Eine weitere Gruppe bilden weiter unten am rechten Ufer des Niederrheins die Brukterer und Chamaven, von der Lippe bis zur Ems. Die Brukterer, ein besonders kriegerischer Stamm, werden von Caesar noch nicht genannt, aber von Drusus und Germanicus bekriegt; in und nach dem Bataveraufstand kämpften sie unter dem Einfluß der Veleda (Tac. ann. IV 61) besonders hartnäckig (vgl. v. Domaszewski Altert. uns. heidn. Vorzeit V 81ff.); von Tacitus (Germ. 33) werden sie unrichtig als vernichtet bezeichnet, dagegen noch in spätrömischer Zeit neben den Chamaven genannt (Greg. Tur. hist. Franc. II 9). Diese letzteren kommen erst seit der neronischen Zeit vor (Tac. ann. XIII 55; Germ. 33); sie hängen vielleicht zusammen mit den von Germanicus schwer geschädigten Μarsern (ebd. I 50. 56. II 25), die zwischen Ruhr und Lippe wohnten, aber schon nach Strab. VII 290 sich ins Innere zurückzogen und von Tacitus in der Germania nicht mehr als fortbestehender Stamm aufgezählt werden. Im Gegensatz zu ihnen treten die Chamaven gerade später mehr hervor; sie wurden durch Iulian von der linken Rheinseite zurückgetrieben (Ammian. XVII 8, 5).

An den Mündungen des Rheins wohnten drei Stämme, die Friesen (Frisii und Frisiavones) wie noch heute im Norden, vom Flevosee bis zur Ems, die Bataver im Süden auf der insula Batavorum, später Batavia, jetzt ,Betuwe‘, zwischen Rhein-Leck und Waal und nach Tac. hist. V 19 noch südlich davon, und der kleine Stamm der Canni(a, e)nefaten westlich am Ozean im eigentlichen Holland (CIL XIII 2[15] p. 618ff.). Daß die Friesen eine gens transrhenana waren (Tac. ann. I 60. IV 72. XI 19; Germ. 34), ist im CIL XIII 2[16] p. 639 mit Unrecht bezweifelt; die Inseln, welche sie nach Plin. n. h. IV 101. 106 bewohnten, sind die an der Nordküste gelegenen von Texel bis Borkum. Die Bataver waren nach Tac. (Germ. 29; hist. IV 12) ein Stamm der Chatten, domestica seditione pulsi; da sie von Caesar nur in der wahrscheinlich unechten Stelle bell. Gall. IV 10 (s. o.) und bei den Flottenexpeditionen des Drusus noch gar nicht genannt werden, sondern erst bei dem zweiten Zug des Germanicus (Tac. ann. II 8. 11), so fällt ihre Einwanderung vielleicht erst in die Zeit des Augustus; daß das Land vorher keltisch war, zeigen die Ortsnamen (s. den Art. Batavi): Noviomagus (Nymwegen), von Vespasian bis Traian Standort einer Legion, Lugdunum Batavorum (Leiden?), Batavodurum. Über die Fixierung dieser und anderer Stationen vgl. Hοlwerda IV. Bericht der Röm.-germ. Komm. 82ff. und Röm.-germ. Korr.-Bl. 1912, 71ff. Unter allen am Rhein wohnenden Völkerschaften war der besonders im Reiten und Schwimmen hervorragend tüchtige Stamm der Bataver am zahlreichsten in den römischen Hilfstruppen vertreten.

Früher zu beiden Seiten des Rheins wohnten die keltischen Μenapier (Caes. bell. Gall. IV 4. Strab. IV 194), aber wahrscheinlich durch die Bataver abgedrängt reichten sie in der Kaiserzeit östlich nur noch bis zur Maas (CIL XIII 1[17] p. 567f.). Ihnen nahe saßen die Eburonen [754] (Caes. bell. Gall. VI 5), die aber von Caesar fast völlig vernichtet wurden (ebd. 34f.). Den Raum zwischen Batavern und Ubiern füllten nun wohl die Cugerner aus (Tac. hist. IV 26), bei Plinius (n. h. IV 106) Guberni genannt (CIL XIII 2[18] p. 598). Von ihrem Gebiet waren die Castra Vetera (bei Birten) umschlossen, im 1. Jhdt. n. Chr. der Hauptwaffenplatz der Römer am Unterrhein gegenüber der Lippemündung, mit zwei Legionen belegt, seit Traian oder Hadrian bis zum Ende der römischen Herrschaft noch mit einer, der legio XXX Ulpia victrix. Etwas nördlich von den Legionslagern, bei Xanten, lag die colonia Ulpia Traiana. Vgl. CIL XIII 2[19] p. 602. Lehner Bonner Jahrb. CXIV/CXV 318ff. CXVI 302ff. CXIX 230ff. Röm.-germ. Korr.-Bl. IV 49ff. Koepp a. a. O. Karte II.

Weiter südlich folgte das weit ausgedehnte Gebiet der Ubier, welche früher (Caes. bell. Gall. I 54) rechts vom Rhein gesessen hatten, aber von den Sueben bedrängt auf ihren Wunsch durch Agrippa aufs linke Ufer versetzt wurden (s. o.). Ihr Gebiet reichte von Gelduba (Gellep) im Norden bis zur Grenze von Unter- und Obergermanien am Vinxtbach; es hatte wohl früher den Eburonen und Treverern gehört (Nissen Bonner Jahrb. XCVIII 147). Bei ihrem Hauptort, dem oppidum Ubiorum, stand die bedeutsame ara Ubiorum und neben ihr auf der ,Alten Burg‘ das Lager für zwei Legionen (Tac. ann. I 37. 39. Lehner Bonner Jahrb. CXIV/CXV 205ff. 244ff.). Seit Claudius war keine Legion mehr dort. Dafür aber wurde von ihm der Ort zur Colonia Claudia Ara Agrippinensis erhoben (Tac. ann. XII 27), die als die einzige vollberechtigte römische Bürgerkolonie in den Rheinlanden sich glänzend entwickelte und schließlich unter Diokletian die Metropolis von Untergermanien wurde. Von ihr aus wurden die Ubier so romanisiert, daß sie sich lieber Agrippinenses nannten (Tac. Germ. 28; hist. IV 28). Vgl. CIL XIII 2[20] p. 505ff. 554ff. und Klinkenberg Das römische Köln (Kunstdenkmale der Rheinprovinz VI 2, 1900), mit der ganzen reichen Literatur und vielen Abb. Gegenüber lag als Brückenkopf Divitia (Deutz), vgl. CIL XIII 2[21] p. 587; weiter unten am Rhein Novaesium (Neuß), wo von Tiberius bis Domitian eine Legion stand (Tac. hist. IV vielfach. CIL a. a. O. 593. Nissen, Koenen, Lehner Bonner Jahrb. CXI/CXII); etwa ebensoweit oberhalb von Köln Bonna, von Claudius im J. 44 mit einer Legion, der legio I Minervia, und einer Ala belegt, die bis zum Ende des Reiches dort blieben (CIL a. a. O. 537ff. Lehner Bonner Jahrb. CVII 213ff. CX 152ff.); noch weiter oben Rigomagus (Remagen) an der Mündung der Ahr, von Augustus bis zum Ende der römischen Herrschaft mit kleinerer Besatzung (CIL a. a. O. 511ff.). Nun bleibt aber noch eine Lücke am linken Rheinufer vom Vinxtbach bis zur Nahe mit den Städten Antunnacum, jetzt Andernach (CIL a. a. O. 487. Lehner Bonner Jahrb. CVII 1ff.), Confluentes, jetzt Koblenz (CIL a. a. O. 480. Bodewig Westd. Ztschr. XVII 223ff.) und Baudobriga, jetzt Boppard (CIL a. a. O. 467). Diese Uferstrecke gehörte früher [755] ohne Zweifel zu dem großen Gebiet der mächtigen und stolzen Treverer und ihrer Klienten, die nach Caesar (bell. Gall. III 11) und noch nach Strabon (IV 194) bis zum Rhein reichten, aber den am Rhein liegenden Teil ihres Gebiets größtenteils an die Ubier abtraten. Daß die fragliche Uferstrecke auch noch später zu dem Gebiete der Ubier oder der Treverer gehörte, läßt sich nicht annehmen, weil die Treverer zur Provinz Belgica, die Ubier zu Germania inferior, jene Strecke aber zu Germania superior gerechnet wurde. Vielleicht war dort das Gebiet der Caeracates, welche von Tacitus hist. IV 70 neben den Vangionen genannt werden. Anders freilich Th. Bergk Bonner Jahrb. LVII 7ff.

Aus der großen Zahl unabhängiger deutscher Stämme bildeten sich im 3. Jhdt. die Völkerbünde heraus, welche ungestüm an die verschlossenen Pforten der Rheingrenze pochten, besonders seit etwa 210 die Alamannen am Oberrhein und seit 250 die Franken am Unterrhein. Nach fast 200jährigen Kämpfen hörte der Rhein auf, Grenzstrom zu sein; im J. 406 ergoßen sich unaufhaltsam die wilden Scharen der verschiedensten Völkerschaften verheerend und zerstörend nach Gallien, Spanien, Italien hinein (Hieron. epist. 123, bei Riese XII 60). Während aber diese Hochflut sich wieder verlief, blieben die Alamannen im Besitz des oberrheinischen Landes rechts und links von dem Strom (mit Ausnahme des rätischen Hochrheins in Graubünden), und die Franken im Besitze des unterrheinischen Gebiets. Weil aber die Alamannen sich ablehnend, ja feindselig gegen die römische Kultur verhielten und die römischen Städte wie Gräber oder Gefängnisse mieden (Ammian. XVI 2, 12), ja ihren Stolz ins Zerstören setzten (Greg. Tur. hist. Franc. I 32), gelang ihnen auch nicht die Gründung eines selbständigen Staats; sie wurden von den Franken weiter nach Süden zurückgedrängt und endlich unterworfen. Diese aber übernahmen die Herrschaft der Römer, ihre Städte und ihre Kultur mit der neuen Religion. Daß jene linksrheinischen Römerstädte bestehen blieben, sicherte dem linken Rheinufer die Überlegenheit über das rechte bis tief ins Mittelalter herein. Es war eine Nachwirkung der römischen Herrschaft und Kultur, daß das linksrheinische Gebiet die Wiege der deutschen Reichsgeschichte wurde und politisch wie kulturell die Führung hatte bis an die Schwelle der neuen Zeit (Buchner Der Rhein, Sammlung wiss. Vorträge von Virchow und Holtzendorf XI 387ff. Dragendorff a. a. O. 40).

Anmerkungen (Wikisource) Bearbeiten

  1. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 7731.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 5096.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  6. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  7. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  8. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 6450.
  9. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 8725.
  10. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  11. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 6712.
  12. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  13. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  14. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 229.
  15. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  16. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  17. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 1.
  18. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  19. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  20. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  21. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.