Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Alexander König und Consular z. Zt. Traians
Band X,1 (1918) S. 150153
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57) Iulius Alexander, König und Consular zur Zeit Traians, durch zwei Inschriften bekannt, deren eine in Ephesos seinem Sohne C. Iulius Agrippa, Quaestor von Asia, gesetzt ist (im Wortlaut angeführt bei Nr. 50). Der andere Text ist ein Ehrendekret des vornehmen Galaters C. Iulius Severus aus Ankyra (Cagnat IGR III 173 = Dittenberger Or. gr. II 544), das diesen als [ἀν]ε[ψ]ιὸν ὑπατικῶν Ἰουλίου τε Κοδράτου καὶ βασιλέως Ἀλεξάνδρου καὶ Ἰουλίου Ἀκύλου καὶ Κ[λ.] Σεουήρου bezeichnet (vgl. Mommsen S.–Ber. Akad. Berl. 1901, 28. Schürer Gesch. d. jüd. V. I⁴ 561, 41; Näheres s. Iulius Severus). Daraus [151] geht hervor, daß Alexander in der Zeit zwischen 114 und 117 n. Chr., in welche dieses Denkmal gehört, consularischen Rang und zugleich das Recht auf den Königstitel besaß und daß er im Alter zwischen A. Iulius Quadratus, Consul 98 und 105, und Ti. Iulius Aquila Polemaeanus, Consul nicht lange vor 111, gestanden hat. Sein Name, der vollständig C. Iulius Alexander gelautet haben wird, sowie die Cognomina seines Sohnes Agrippa und des C. Iulius Alexander Berenicianus (Nr. 60), der ersichtlich derselben Familie angehört (s. u.), machen es wahrscheinlich, daß er dem Königshause Herodes’ ,des Großen‘ entstammte. In dem weitverzweigten Familienkreis der Herodeer, die als römische Bürger den iulischen Gentilnamen führten, dürfte (nach den Namen zu urteilen) am ehesten die Nachkommenschaft des Alexander in Betracht kommen, der dem Herodes von der Hasmonäerin Mariamme geboren wurde und im J. 7 v. Chr. als Opfer des väterlichen Argwohns ein frühes Ende fand (Otto Suppl.-Heft II S. 128f.; vgl. die genealogische Tabelle ebd. zu S. 15). Alexander hatte von Glaphyra, der Tochter Archelaos’ IV., des letzten Königs von Kappadokien, zwei Söhne: Alexander (II.) und Tigranes V., der von Augustus den Armeniern zum König gesetzt wurde (Pros. imp. R. III 318 n. 149; Augustus sagt von ihm Tigranem, qui erat ex regio genere Armeniorum oriundus, in id regnum misi, Mon. Anc. 5, 31; Mommsen Res g. d. Aug.² 115f. und Dessau a. a. O. vermuten, daß die erste Gattin des Archelaos und Mutter der Glaphyra eine armenische Königstochter gewesen sei; vgl. Asdourian Polit. Bez. zw. Arm. und Rom 1911, 77f., der mit Recht gegen die abweichenden Aufstellungen Gardthausens Aug. II 3, 751 polemisiert). Auch der Sohn Alexanders II., Tigranes VI. (Cappadocum ex nobilitate, regis Archelai nepos, Tac. ann. XIV 26), trug unter Nero vorübergehend die Krone Armeniens (Pros. a. a. O. n. 150); sein Sohn, der wieder Alexander (III.) hieß, dürfte mit unserem Iulius Alexander zu identifizieren sein, wofür zuerst Mommsen (Herm. IV 191) und ihm folgend Waddington (Bull. hell. VI 290), Dittenberger Or. gr. I 429, 1, Klebs (Pros. I 47 n. 362), Homolle (Compt. rend. Ac. d. inscr. 1900, 707) u. a. sich entschieden haben (Mommsens Bemerkung. S.-Ber. a. a. O. 28, er habe ,früher an das armenische Königsgeschlecht gedacht, wahrscheinlicher aber, wegen der Namen Agrippa und Berenicianus, Dessau an das jüdische‘ [ähnlich Stech Klio Beiheft X 174J, scheint auf einem Mißverständnis zu beruhen, da Dessau [Pros. II 162f. n. 87. 94. III 318 n. 150; Herm. XLV 1910, 20] offenbar gleichfalls den ,armenischen‘ Zweig der jüdischen Dynastie im Auge hat). Dem jüdischen Glauben hatte diese Linie des Herodianischen Hauses längst entsagt (Joseph. ant. XVIII 5, 4 = 141 N.).

Josephus berichtet von Alexander: υἱός τε Ἀλέξανδρος αὐτῷ (dem Tigranes) γίνεται. γαμεῖ δ’ οὗτος Ἀντιόχου τοῦ Κομμαγηνῶν βασιλέως θυγατέρα Ἰωτάπην, ἡσίοδός τε τῆς ἐν Κιλικίᾳ Οὐεστπασιανὸς αὐτὸν ἵσταται βασιλέα (ant. Iud. XVIII 5, 4 = 140 N.). Statt des unverständlichen ἡσίοδος hat Harduin νησιάδος, Ernesti νησῖδος eingesetzt, und in der Regel wird angenommen, daß [152] damit die (heute mit dem Festland verbundene) Insel Elaiussa-Sebaste bezeichnet sei (Marquardt St.-V. I² 385. Mommsen Herm. IV 191. Dittenberger Or. gr. I 429, 1 u. a.). Aber Wilhelm hat (Arch.-epigr. Mitt. XVII 1894, 5f.) überzeugend nachgewiesen, daß diese Konjektur unhaltbar und bei Josephus vielmehr Κιητίδος zu lesen ist. Wilhelm nimmt an, daß Vespasian, als er dem König Antiochos IV. Epiphanes von Kommagene im J. 72 sein Reich entzog (vgl. o. Bd. VI S. 2654f.), unserem Alexander von den Ländern seines Schwiegervaters die Kietis (den Hauptteil von Westkilikien, wo einst auch sein Ahne, Archelaos IV. von Kappadokien, geboten hatte) überlassen habe. Wie lange Alexander – der damals noch recht jung gewesen sein muß (er erlebte noch die letzten Zeiten Traians) – im Besitze seines Kleinkönigtums blieb, wissen wir nicht. Vielleicht war es Domitian, der dieses Gebiet zur kilikischen Provinz schlug und Alexander zum Entgelt dafür in den Reichssenat (wohl in die Rangklasse der Praetorier) aufnahm. Entweder noch von dem letzten Flavier oder von einem seiner beiden Nachfolger wurde dieser sogar durch Verleihung des (Suffect-) Consulates ausgezeichnet (der früheste Termin dafür ist das J. 93, in dem A. Iulius Quadratus Consul war, s. o. zu IGR III 173; als sein Sohn Agrippa die Quaestur in Asia verwaltete, hatte er den consularischen Rang anscheinend noch nicht erlangt, da ihm die Ehreninschrift seines Sohnes den Titel ὑπατικός sonst nicht versagt hätte). Die vorhin zitierten Inschriften lehren, daß er auch als Senator – wenigstens für den griechischen Reichsteil – das Recht auf den Königstitel behielt, ebenso wie seine Verwandten, die entthronten Fürsten von Kommagene (vgl. Mommsen Ges. Schr. IV 88ff.). Während sich jedoch der Titel bei diesen weiter vererbte, war dies in der Familie Alexanders nicht der Fall. Sein Sohn Agrippa wird nicht mehr βασιλεύς genannt, der Enkel des letzten Herrschers von Kommagene dagegen, C. Iulius Antiochus Epiphanes Philopappus, Alexanders jüngerer Zeitgenosse und – zuletzt gleichfalls als Consular – sein Kollege im Senat, führt auf griechischen Denkmälern und im Privatverkehr den königlichen Namen (Mommsen a. a. O. Pros. imp. R. II 166 n. 99).

Durch die Inschrift des C. Iulius Severus (s. o.) lernen wir noch eine Reihe von illustren Repräsentanten des asiatischen Hellenentums kennen, die dem weiteren Verwandtschaftskreise Alexanders angehörten: die Consulare C. Antius A. Iulius Quadratus, den bekannten reichen und angesehenen Pergamener (o. Bd. I S. 2564), Ti. Iulius Aquila Polemaeanus aus Sardes oder Ephesos (Nr. 83) und C. Claudius Severus aus Phrygien (s. o. Bd. III S. 2868f. Suppl. I S. 320f.), endlich den galatischem Fürstengeschlechte entsprossenen C. Iulius Severus selbst, der erst unter Hadrian in den Senat eintrat (s. d.).

C. Iulius Alexander Berenicianus (Nr. 60) war entweder ein Enkel Alexanders (Waddington Bull. hell. VI 1882, 290. Dessau Pros. II 165) oder sein Sohn, demnach ein Bruder des C. Iulius Agrippa; dies erscheint aus chronologischen Gründen eher glaublich, da Berenicianus zu einer Zeit zum Consulat gelangte, als I. noch lebte, nämlich [153] gegen Ende der traianischen Regierung; Mommsen S.-Ber. 28 denkt daran, Berenicianus mit dem Vater des Agrippa und Vetter des Iulius Severus zu identifizieren (vgl. auch Dittenberger Or. gr. II 544, 8), wogegen allein schon das Fehlen des Königstitels in den Denkmälern desselben spricht. War Berenicianus ein Sohn Alexanders, so ließe sein Cognomen vielleicht die Folgerung zu, daß der König-Consular in zweiter Ehe mit einer Berenike (aus dem jüdischen Königshause?) vermählt war; denn nach dem Namen der uns bekannten Gemahlin Alexanders, Iotape, wäre zu erwarten, daß er seinen Sohn Iotapianus genannt hätte.