Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Insel im roten Meer
Band IX,1 (1914) S. 633636
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2) Insula Iambe, nur von Plin. n. h. VI 166 erwähnte Insel des Roten Meeres an der ägyptischen zur Troglodytike gehörigen Küste zwischen Myoshormos und Barenike. Die Lage des von Plinius genannten Südpunktes dieses Küstenstrichs [634] steht fest; die Ruinen von Berenike sind noch heute unter 23° 55’ nördl. Breite unweit von Sekket Bender el-Kebir sichtbar (vgl. die Literaturangaben bei K. Müller Geogr. Gr. min. I 257 und Ptolem. I 689). Der Nordpunkt dagegen, Myoshormos, ist strittig. Früher suchte man ihn fälschlich in el-Ḳoṣair (so Ritter Erdk. I 762, nach Gosselin. XII 122. XIII 216), Reichard (vgl. Kleine geograph. Schriften 391) in Sakara (beim Ṡerm Saiḫ in Moresbys Karte). Rüppell Reise 211 hat entsprechend der Lagebestimmung bei Ptolem. IV 5, 14 (IV 5, 8 M.) Myoshormos beim Ras Abū Ṡaʿr 27° 22’ nördl. Breite angesetzt, wo sich Ruinen finden (vgl. auch Wilkinson Journ. Geogr. soc. Lond. 1832, II 50), dagegen De Rozière Description de l’Égypte VI 346 mit Rücksicht auf die Beschreibung des Agatharchides 81 M. beim Ras Abū Sumer 26° 52’, wo nach Ptolemaios der Φιλωτέρας λιμήν anzunehmen wäre. Mit Rüppell hielt auch Sprenger Die alte Geographie Arabiens 1875, 16f., nur daß dieser, um des Ptolemaios Angabe über Myoshormos mit Agatharchides, Artemidor bei Strab. XVI 769 und Plinius in Einklang zu bringen, nebst dem Ras Abū Ṡaʿr, der nur als Myoshormos des Plinius und Ptolemaios betrachtet werden dürfe, noch einen zweiten Seehafen namens Myoshormos, bei el-Ḳoṣair 26° 7’, annahm, also an derselben Stelle, an welcher Ptolemaios seinen Λευκὸς λιμήν verzeichnet. Diese Annahme zweier gleichnamiger Hafenplätze ist jedoch höchst bedenklich; einen anderen Ausweg versuchte Müller Geogr. Gr. min. I LXIX 168. Taf. VI des Atlas, Ptolem. I 687f., Karte 25 des Atlas mit der Vermutung, daß bei Ptolemaios entgegen der von ihm eingehaltenen Reihenfolge der Φιλωτέρας λιμήν dem Μυὸς ὅρμος voranzustellen und unter dem ersteren der Ras Abū Ṡaʿr, dem letzteren der Ras Abū Sumer zu verstehen sei. Jedenfalls hat diese Lokalisierung von Myoshormos die größte Wahrscheinlichkeit für sich. In Plinius’ von Norden nach Süden verlaufender Beschreibung des bezeichneten ägyptischen Küstenstrichs, welche ziemlich dürftig ist und ärmer als die des Ptolemaios, aber doch noch reichhaltiger als die des Agatharchides oder gar des von letzterem abhängigen Artemidor bei Strabon, wird die Insel I. nach dem Mons Eos (var. Aeas) erwähnt, nach ihr nur noch portus multi, ein Ausdruck, hinter welchen Müller Ptolem. I 687 mit Unrecht ein Fragezeichen setzt, und darauf Berenice oppidum. Der Mons Eos ist mit dem von Ptolemaios unter 26° 10’ (var. 26° 45’) nördlicher Breite verzeichneten Αἴας ὄρος identisch; Sprenger, der übrigens 17 die Pliniusstelle mit unbrauchbaren Lesarten der Ortsnamen zitiert, suchte ihn in Konsequenz seiner früher erwähnten Meinung im ,Vorgebirge Br. 26° 51’, also dem Ras Abū Sumer östlich vom Philoterashafen in gleicher Höhe mit diesem, und bei dem gleichen Vorgebirge, wenn auch zweifelnd, Müller Geogr. Gr. min. I LXV; später identifizierte ihn dieser Ptolem. I 688 mit größerer Wahrscheinlichkeit mit dem Ras Gauas (ca. 300 Stadien weit vom Ras Abū Sumer). Von der Küste zwischen dem Mons Eos and Berenike führt Plinius nur noch die portus multi an, wozu die heutigen Punkte Mirsa [= Hafen] Abū Hamra, Mirsa Ḳoṣair el-Ḳadīm, Mirsa Ṡurum gehören, [635] Ptolemaios, dessen Beschreibung in einigen Details durch Agatharchides ergänzt wird, von Norden nach Süden fünf Küstenpunkte und eine Insel. Es sind dies Λευκὸς λιμήν (el-Ḳoṣair 26° 7’ nördlicher Breite), Ἀκάβη ὄρος (der Ğebel Abū Ṭiūr 25° 45’ oder der ihm südöstlich vorgelagerte Berg, die Cat-ears bei Moresby), Νεχεσία (ca. 24° 52’, nach Müller Ptolem. I 688 am Wādī Neza bei Mirsa Zebāra, ein Ansatz, der besser ist als sein früherer, Geogr. gr. min. a. a. O.), Σμάραγδος ὄρος (Ğebel Zebāra, 24° 46’; vgl. Müller Geogr. Gr. min. I, LXV. 169. Ptolem. I 688; nach Sprenger 16 der Ğebel Sūmrud bei Niebuhr, 25° 54’, d. i. Ğebel Zumurtud 25° 42’, der jedoch zu nördlich gelegen ist), endlich Λεπτὴ ἄκρα (Ras el-Anf oder Ras Benās). In den nordwestlich von diesem Vorgebirge gelegenen Ṡowarit-Inseln erblickte Müller Geogr. Gr. min. I LXV. LXIX (so ist das Zitat im Art. Halonesi richtigzustellen) Taf. VI des Atlas die Halonesi des Plin. n. h. VI 169; doch vgl. ebd. 170, wo er die Swallow-Inseln anführt. Außerdem nennt Ptolem. IV 5, 77 (IV 5, 35 M.) die Ἀφροδίτης νῆσος mit den Maßen 65° 15’, 25°. Diese Insel ist jedenfalls, wie Lage und Name übereinstimmend lehren, Wādī el-Ğemāl, ,Schönheitstal‘, 24 ° 42’ nördlicher Breite (vgl. Vivien de St. Martin Le Nord de l’Afrique 1863, 317. Sprenger 16). Nach Müller Geogr. Gr. min. I LXV. LXIX, 169. Taf. VI. Ptolem. I 688. 728, der den arabischen Namen mit englischer Orthographie bald Jemaul, bald Jumaul, bald Somaul transkribiert, ist nun mit dieser Insel die I. des Plinius identisch, und dies ist bis heute die allgemein gültige Annahme. Früher, in den Geogr. Gr. min., berief sich Müller noch auf den Inselnamen Iambo, der sich in Berghaus’ Karte findet. Aber diese Inselbezeichnung hat denselben Wert wie die Namen Aeas und ,die drei Berge Akabe‘ bei Berghaus, welche einfach willkürlich aus der Karte der alten Welt nach Plinius und Ptolemaios in die moderne Karte eingetragen worden sind. Später, in seiner Ptolemaiosausgabe, ließ Müller auch mit Recht diese unbeglaubigten Namen unerwähnt, wenn er auch der früheren Identifikation selbst treu blieb. Eine Insel Iambo im Roten Meere existiert nicht, und die Annahme, daß I. und die Insel Wādī el-Ğemāl oder die Ἀφροδίτης νῆσος des Ptolemaios identisch seien, ist unbeweisbar und unwahrscheinlich. Aber auch zu anderen Inseln dieser Meeresgegend, so zur Insel Safāğe südlich vom Ras Abū Sumer, läßt sich keine Beziehung der I. des Plinius ermitteln und ebensowenig zu den südlich vom Wādī el-Ğemāl gelegenen Gulhān-Inseln, von den vereinzelten Riffen, zwischen Ras Abū Sumer und Ras el-Anf ganz zu schweigen. Aus dem Umstande, daß also zwischen dem Mons Eos und Berenike mehrere Inseln liegen, während Plinius nur eine anführt, müßte man gegen seine Küstenbeschreibung zunächst noch durchaus keinen Vorwurf der Lückenhaftigkeit ableiten. Jedenfalls blieb bisher die nur von Plinius genannte Insel I. eine ,sonst unbekannte Insel‘, wie es in der früheren Auflage dieses Werkes hieß. Aber zu der Tatsache, daß Plinius’ Nachricht von einer Insel I. an der ägyptischen Küste durch kein geographisches Zeugnis eine Bestätigung findet, kommt seltsamerweise der Umstand hinzu, daß [636] gerade in der geographischen Breite des fraglichen Küstenstriches der Troglodytike, bei welchem sich eine Insel I. nicht nachweisen läßt, an der gegenüberliegenden arabischen Küste des Roten Meeres der wohl bekannte Hafen Iamboʿ (24° 6’ nördlicher Breite) liegt, den bereits. Ptolem. VI 7, 3 als Ἰαμβία κώμη kennt mit den Maßen 68°, 23° 50’, also bis auf die Minute genau in der geographischen Breite seiner Berenike (s. den Art. Iambia). Die Gleichnamigkeit beider Örtlichkeiten, von denen die eine nach Plinius’ vereinzelter Meldung an der Westküste in nicht bestimmbarer Gegend, die andere bereits nach altem, best bestätigten Zeugnisse an der Ostküste des Roten Meeres liegt, sieht, schon für sich allein betrachtet, einem zufälligen Zusammentreffen von zwei Wahrheiten nicht eben gleich, zumal da der schon im Altertum wohlbekannte arabische Hafenplatz lamboʿ bei Plinius nicht genannt ist. Die erwähnte Schwierigkeit ist mit einem Schlage behoben durch unsere Annahme, daß die vor den portus multi angeführte I. des Plinius keine Insel, sondern eben mit Ἰαμβία des Ptolemaios, dem heutigen Hafen Iamboʿ, identisch ist, also nichts anderes als die Dublette eines bekannten Ortsnamens, entstanden durch mißverständliche Verlegung eines Ortes der Ostküste des Roten Meeres an seine Westküste. Die nur von Plinius genannte Insel I. erscheint also als Frucht eines Mißverständnisses, welches den in nicht geringer Anzahl nachgewiesenen Unrichtigkeiten der Plinianischen Geographie durchaus gleichsieht.