Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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deutsches Volk im nordwestlichen Küstenstrich
Band VII,1 (1910) S. 105108
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Frisii, deutsches Volk in dem nordwestlichen Küstenstrich von der Insel der Bataver bis zur Ems, südlich an die Brukterer, östlich an Chauken grenzend. In diesen angestammten Sitzen haben sie sich behauptet; da, wo die Römer sie kannten, saßen sie auch im Mittelalter und sitzen sie noch heute (Friesland). In der Literatur begegnet ihr Name zuerst bei Plinius n. h. IV 101 (s. Frisiavones). Tacitus (Germ. 34) scheidet sie in große und kleine F. (maioribus minoribusque Frisiis [106] vocabulum est ex modo virium. utraeque nationes usque ad oceanum Rheno praetexuntur ambiuntque immensos insuper lacus et Romanis classibus navigatos; vgl. 35 und ann. I 60, Nachbarn der Chauken), eine Scheidung, von welcher Ptolem. II 11, 7 (Φρίσιοι, Φρίσσιοι, angesetzt am Ozean ὑπὲρ τοὺς Βρουκτέρους μέχρι τοῦ Ἀμισίου ποταμοῦ) nichts weiß. Es ist möglich, daß die ,kleinen‘ Friesen, wie schon Zeuss (Die Deutschen 138) vermutet hat, mit den Frisiavones (s. d.) identisch sind. In die Geschichte treten sie gleichzeitig mit den ihnen stammverwandten Chauci ein. Von Drusus im J. 12 v. Chr. den Römern zinsbar gemacht (Tac. ann. IV 72 tributum iis Drusus iusserat modicum, pro angustia rerum, ut in usus militares coria boum penderent) waren sie ihm selbst behilflich für seine weiteren Züge (Dio LIV 32 ἔς τε τὸν ὠκεανὸν διὰ τοῦ Ῥήνου καταπλεύσας τούς τε Φρισίους ᾠκειώσατο καὶ ἐς τὴν Χαυκίδα διὰ τῆς λίμνης ἐμβαλὼν ἐκινδύνενσε, τῶν πλοίων ὑπὸ τῆς τοῦ ὠκεανοῦ παλιρροίας ἐπὶ τοῦ ξηροῦ γενομένων, καὶ τότε μὲν ὑπὸ τῶν Φρισίων πεζῇ συνεστρατευκότων αὐτῷ σωθεὶς ἀνεχώρησε; vgl. Plin. n. h. XXV 21, der die Friesen im Rückblick auf die Zeit des Germanicus gens tum fida nennt). Da sie schlecht behandelt wurden, empörten sie sich (im J. 28) und schlugen die Römer (Tac. ann. IV 72–74). Cn. Domitius Corbulo, Statthalter in Germania inferior, brachte sie 47 zum Gehorsam zurück; aber bald darauf wurden auf Befehl des Claudius alle römischen Besatzungen vom rechten Ufer des Rheins zurückgezogen (Tac. ann. XI 19. 20. Mommsen R. G. V 113ff.). Ein Teil der Friesen blieb aber nach wie vor reichsuntertänig, wahrscheinlich die westliche kleinere Abteilung (Μommsen R. G. V 115, 2). Übergriffe der freien Friesen auf römisches Gebiet unter Nero wurden im J. 58 zurückgewiesen (Tac. ann. XII 54; als ihre ,Könige‘ werden hier Verritus und Malorix genannt, vgl. Müllenhoff Deutsche Altertk. IV 185). Später finden wir sie am Aufstand des Civilis beteiligt (Tac. hist. IV 15 Frisiis – transrhenana gens est. 16. 18. 56. 79). Damit verschwindet ihr Name aus der römischen Geschichte (vgl. noch Tac. Agr. 28). Daß Clodius Albinus im J. 186 gegen die F. gekämpft haben soll (Schiller Gesch. d. röm. Kais. I 665), beruht auf einer fragwürdigen Konjektur, Hist. Aug. Clod. Alb. 6, 3 (wo bereits Zeuss a. O. 400 gentibus für fugientibus vorschlug); die Stelle im Panegyr. auf Constantius 9 (p. 138, 18 Bährens) bietet auch nicht mehr als den Namen (arat ergo nunc mihi Chamavus et Frisius, hierzu Zeuss a. O. 400. 582). Auf der Tab. Peut. fehlt derselbe; denn daß Fresii in dem verderbten Crhepstini stecke, bleibt unsichere Vermutung (O. Bremer Ethnogr. d. germ. Stämme § 162). Ebenso ist zweifelhaft, ob Veget. mulomed. VI (III) 6, 3 ,friesische‘ Pferde erwähnt (Müllenhoff Deutsche Altk. IV 171), überliefert ist Frigiscos. Nach Procop. b. G. IV 20 sollen sich Φρίσσονες an der Besiedelung Britanniens beteiligt haben, eine Notiz, die schwerlich Glauben verdient (Zeuss a. O. 400. O. Bremer a. O. § 125). Venantius Fortun. carm. IX 1, 75 spricht von ihrem Verhältnis zum Frankenkönig Chilperich: terror es extremis Fresonibus (var. Frisonibus) atque Suebis, qui neque bella [107] parant, sed tua frena rogant. ,Der erste Kampf der Franken gegen die Friesen wurde von Pippin dem Älteren geführt (J. 689), in der Gegend von Dorstat, gegen den König Ratbod. Dem Frankenreiche wurde dadurch das westliche Friesland einverleibt, das östliche ist erst durch Karl d. Gr. hinzugekommen‘ (Zeuss a. O.). In späterer Zeit heißt das Volk Frisones (z. B. Geogr. Rav. IV 46 p. 324, 14 = Guido 126 p. 553, 8), Frisiones (Lex Frisionum), Fresones (Ven. Fort. carm. IX 1, 75), Fresi, auch Frigones (Geogr. Rav. IV 23 p. 225, 8. 11. 14. p. 226, 1. IV 24 p. 226, 7. p. 228, 17) und Frixones (I 11 p. 27, 15; vgl. Frixos V 28 p. 417, 10). Vgl. Frisiavones. Von inschriftlichen Zeugnissen für den Namen wären noch folgende zu erwähnen: CIL VI 3230[1] (= Orelli 172) Aur(elio) Vero eq(uiti) sing. Aug. nat(ione) Friseo (vgl. die unter Frisiavones angeführten Inschriften). 4342 Bassus Neronis Caesaris corpore custos natione Frisius. III p. 879 (Militärdiplom nr. XXXVII) Frisio. VII 427 ex c(uneo) Fris(iorum, nicht -iavonum). Ephem. epigr. VII 1041 (vgl. Bonn. Jahrb. LXXXIII 173 nr. 460, Zeit des Severus Alexander) Ger(mani) cives Tuihanti cunei Frisiorum. CIL VII 415[2] (= Ephem. epigr. III p. 130, 3. Jhdt.) c[u]neum Frisionum (ob Frisiorum?) Aballavensium. Ein civis Frisiaus (= Frisiavus), Soldat der ala I Thracum, erscheint CIL VII 68[3] (saec. I–II), womit die Frisiavi des Laterculus Veronensis XIII 11 zu vergleichen sind, falls dieser Name von Müllenhoff richtig für das überlieferte Crinsiani (s. d.) hergestellt ist (vgl. auch die Matres Frisavae). Die Not. Tiron. endlich verzeichnen Frisius (86, 46), Frisia (86, 47; das Land? Zeuss a. O. 398. 399) und Frisicus (86, 48). Eine sichere Deutung des Namens ist noch nicht gefunden. Zeuss 136 vermutet als ursprünglichen Sinn ,die Wagenden, Mutigen‘ (got. fraisan), ebenso Jac. Grimm (vgl. Geogr. Rav. IV 23 audaces homines eandem patriam proferre asserunt). Andere vergleichen ags. frise (crispus, comatus), wonach die F. criniti, comati wären (Müllenhoff Deutsche Altertk. IV 428. Schweizer-Sidler zu Tac. Germ. 34).

Literatur: Zeuss Die Deutschen 136–138. 397–400. 582. J. Grimm Gesch. der deutschen Sprache cap. XXIV. C. Volckmar Stammesgeschichte der Friesen und Chauken (Aurich 1867). Much Deutsche Stammsitze 147. 149ff. Müllenhoff Deutsche Altertumskunde IV 428f. 598. O. Bremer Ethnographie der germanischen Stämme (in Pauls Grundriß der german. Philologie 1900) 845ff. (hier weitere Literatur).

[Ihm. ]

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 3230.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum VII, 415.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum VII, 68.