RE:Frauenhaar
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Pflanzenart Farn | |||
Band VII,1 (1910) S. 87–91 | |||
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Frauenhaar. So genannt wird sowohl Adiantum capillus Veneris L. als Asplenium trichomanes L. Jenes heißt heute ngr. πολυτρίχι, ital. capelvenere, frz. capillaire de Montpellier, von diesem die Varietät microphyllum Tin. ital. erbarugginina. Die alten Griechen sagten für beide Pflanzen ἀδίαντον, doch meist und vielleicht ursprünglich dies nur für Adiantum capillus Veneris, während sie Asplenium trichomanes gewöhnlich τριχομανές nannten. Dieselben Benennungen mit gleicher Bedeutung finden sich denn auch bei den Römern, doch scheint bei diesen Adiantum capillus Veneris auch mit lateinischem Namen (herba) saxifraga geheißen zu haben (Seren. Samm. 595. Claud. Herm. mulom. 197 = Veget. I 16, 5. 289 = Veget. III 12, 4. 346 = Veget. I 13, 5. Veget. VI 11, 1. Ps.-Apul. 48. 97, womit Corp. gloss. lat. VII 1 p. 236 zu vergleichen. Antid. Brux. 200 ed. V. Rose. Corp. gloss. lat. III 538, 25. 543, 24), nämlich nach Plinius (XXII 64) eher deshalb, weil es die medizinische Eigenschaft hat, Steine zu zerbröckeln und auszutreiben, als weil es auf Steinen wächst. Mitunter wird auch πολύτριχον mit ἀδίαντον (Schol. Nic. ther. 846. Diosc. IV 134. Ps.-Galen. XIV 503. Ps.-Apul. 52. Alex. Trall. I 451 Puschm. Hesych. Phot. Bekker anecd. p. 343, 1. Corp. gloss. lat. III 627, 62) oder τριχομανές (Schol. Nic. Diosc. Ps.-Apul. aa. OO. Plin. XXII 63), ebenso καλλίτριχον mit ἀδίαντον (Schol. Nic. Diosc. Plin. ebd. 62. Aelian. nat. an. I 35. Marc. Emp. 6, 1. Ps.-ApuL 48; vgl. Geop. II 5, 4) und τριχομανές [88] (meist ebd.) identifiziert. Für Adiantum capillus Veneris wird auch das vereinzelte καλλίφυλλον gehalten, welches bei akutem und besonders mit Harnzwang verbundenem Fieber im Getränk genommen wurde (Ps.-Hipp. III 676 K.). Außerdem sind noch andere griechische, auch ägyptische, dakische und punische Benennungen erhalten (Diosc. noth. IV 134. Ps.-Apul. 48. 52. 97), wie z. B. auch ἀμίαντον (Geop. XV 1, 19) oder amianthon (Ps.-Apul. 48). Von späteren lateinischen Namen sind hervorzuheben capillus Veneris (Cael. Aurel. chron. 76. Ps.-Apul. 48. Corp. gloss. lat. III 632, 47), terrae capillus (Diosc. noth. ebd. Ps.-Apul. 52) und herba capillaris (Diosc. noth. ebd. Ps.-Apul. 48. Orib. cup. vers. lat. tom. VI p. 428 Dar.). Auch mag mitunter filicula gesagt worden sein (Diosc. noth. ebd.), womit sonst das Engelsüß, Polypodium vulgare L., bezeichnet wurde (Plin. XXVI 58. Diosc. noth. IV 185). Im Corp. gloss. lat. III wird adiantus, wenn man so statt des sinnlosen aganteos (549, 5) und achantus (616, 2) liest, mit polytrichon, ferner (586, 4. 607, 3. 616, 5) mit filicula, freilich auch (627, 62) wie polytrichon mit filix = Nephrodium filix mas Rich. und Asplenium filix femina Bernh. (vgl. H. O. Lenz Bot. d. alten Griech. und Röm. 1859, 739f.) geglichen, außerdem übrigens noch von adiantus behauptet, daß die Pflanze (mitunter) auf Baumstämmen wachse.
Botanisches. Theophrast (h. pl. VII 14, 1) sagt: Unter den krautigen Pflanzen zeichnet sich das ἀδίαντον dadurch aus, daß das Blatt, wenn es mit Wasser besprengt wird (wegen des Wachsüberzuges der Cuticula), die Feuchtigkeit nicht aufnimmt, ebensowenig wie den Tau, weil die Feuchtigkeit nicht daran haftet, wovon es auch den Namen erhalten hat (ἀ privativum und διαίνω = benetze); es gibt zwei Arten: 1) das weiße, welches auch τριχομανές genannt wird, 2) das schwarze; beide wachsen an feuchten Stellen; der Stiel des τριχομανές ist ähnlich dem des schwarzen ἀδίαντον, seine Blättchen sind sehr klein, stehen gedrängt und einander gegenüber; unten ist keine Wurzel (d. h. nur ein kleiner faseriger Wurzelstock); es liebt schattige Stellen. Die Beschreibung des τριχομανές weist offenbar auf Asplenium trichomanes; nur der auf der Farbe basierte Unterschied bleibt unklar. Die Bemerkung über die mangelnde Netzbarkeit der Wedel, welche sich auch bei andern Schriftstellern findet (Nic. ther. 846 und Schol. Plin. XXII 62. Hesych. u. Phot. s. ἀδίαντον. Bekker anecd. 343, 1. Eustath. Il. 1231, 27), läßt sich dagegen schwerlich auf Asplenium trichomanes mitbeziehen, sondern nur auf Adiantum capillus Veneris, wenn diese Eigenschaft auch nicht gerade nur für diesen Farn charakteristisch ist. Anstoß erregt die Behauptung (Theophr. h. pl. VII 10, 5 = Plin. XXI 100, vgl. XXII 62 u. I ind. XXI 60. Plut. symp. III 2, 2), daß das ἀδίαντον immer grüne Blätter habe, zumal dasselbe auch von πόλιον, Teucrium polium L., und ἡλιοτρόπιον, Heliotropium europaeum L.?, gesagt wird und die betreffende Stelle bei Theophrast auch dem Vorhergehenden sich nicht anpassen läßt. Wenigstens ist nur von Asplenium trichomanes bekannt, daß die Blätter immergrün sind. Auf Adiantum capillus Veneris gehen folgende Worte des Dioskurides (IV 134; [89] vgl. Ps.-Apul. 48. 52. 97): Ἀδίαντον wird auch πολύτριχον, καλλίτριχον, τριχομανές und ἐβενότριχον genannt; seine Blätter sind (wegen der Fiederlappen) denen des Korianders ähnlich und an der Spitze eingeschnitten; die Stiele sind schwarz, sehr dünn, eine Spanne lang und glänzend; es hat weder einen (eigentlichen) Stengel noch Blüte und Frucht und wächst an schattigen Stellen, feuchten Mauern und Quellen. Von Asplenium trichomanes sagt er (ebd. 135): Auch das τριχομανές nennen einige ἀδίαντον; es wächst an denselben Stellen, ist der πτέρις (dem Wurmfarn, Nephrodium filix mas Rich.) ähnlich, zierlich und glatt; die Blättchen sind dünn und denen der Linse ähnlich, (nämlich) reihenweise auf beiden Seiten einander gegenübergestellt auf gleichfalls dünnem, glänzendem, starrem (vgl. Ps.-Apul. 52, 1) und schwärzlichem Stiel. Die Beschreibung des Plinius ist verworren. Zuerst (XXII 63) unterscheidet er z. B. beim adiantum ein helleres und ein schwärzliches niedrigeres, hinzufügend, daß das größere (oder hellere) auch polytrichon und trichomanes genannt werde; dann aber (XXVII 138) sagt er, daß das trichomanes dem adiantum ähnlich, nur schwächer (exilius) und schwärzer sei. Was das Vorkommen betrifft, so erfahren wir noch, daß sich da unter dem Boden Feuchtigkeit befinde, wo καλλίτριχος wachse (Geop. II 5, 4), die herba saxifraga an feuchten Stellen wachse (Claud. Herm. mul. 289), grünes ἀδίαντον an den Quellen Mysiens (Theocr. 13, 41) und wohlriechender (?) ἀδίαντος in einem heiligen Haine von Kolchis (Orph. Argon. 915) vorkomme. Man pflanzte ἀδίαντον in Ziergärten (Plin. XXII 62) und wegen seiner Nützlichkeit für die Schafe an deren Ställe (Diosc. IV 134).
Medizinisches. Da Asplenium trichomanes dieselbe Wirkung haben soll wie Adiantum capillus Veneris (Diosc. IV 135. Galen. XII 145. Orib. coll. med. XV 1, 19, 24), z. B. beide in Öl zerrieben gegen das Ausfallen des Kopfhaares gebraucht wurden (Theophr. h. pl. VII 14, 1), und beide, wie erwähnt, verschieden benannt wurden, so ist nicht ganz sicher, welcher der beiden Farne jedesmal gemeint ist. Meist ist jedoch vom ἀδίαντον die Rede und dann auch in erster Linie an Adiantum capillus Veneris zu denken, wenn auch z. B. Theophrast (a. a. O.) gerade vom τριχομανές, hier = Asplenium trichomanes, hervorhebt, daß es nach der Ansicht einiger gegen Harnzwang wirksam sei. Nur da Dioskurides (IV 134) die Wurzel des ἀδίαντον, d. h. des Adiantum capillus Veneris, für unbrauchbar erklärt, so könnte doch vielleicht unter dem ἀδίαντον, dessen Wurzel zu einem Arzneitrank wider Mutterblutfluß empfohlen wird (Ps.-Hipp. II 855 K.) und harntreibend sein soll (Alex. Trall. I 371 Puschm.), Asplenium trichomanes zu verstehen sein, zumal Galenos (XIX 694) von der Wurzel des τριχομανές sagt, daß ein Dekokt davon getrunken Steine in den Nieren zerbröckle.
Zunächst wandten die Hippokratiker das Kraut des ἀδίαντον im Getränk für die Gebärmutter an (Ps.-Hipp. II 559 K.), zur Reinigung derselben (ebd. 552), bei schwerer Geburt (ebd. 719), bei Ausfluß aus den weiblichen Geschlechtsteilen (ebd. 778) und bei Entzündung der Gebärmutter (ebd. 841). Als Räucherungsmittel für eine Frau, die [90] nicht schwanger wird, dient eine Räucherung mit Stierurin, ἀδίαντον und andern Substanzen (ebd. 602). Bei Brennfieber wird Gerstengraupe mit ἀδίαντον als kühlendes Getränk empfohlen (ebd. 322); bei Gelbsucht ein Getränk von ἀδίαντον und anderem (ebd. 492; vgl. unten Diosc. IV 134); wenn aus dem Mastdarm Jauche abfließt, wird er mit gerösteter Weinhefe und Myrtenwasscr ringsum abgewaschen und mit getrocknetem und zerriebenem ἀδίαντον bestreut (ebd. III 337). Nicht nur mit andern Mitteln im Getränk genommen befördert dieses Kraut die Harnausscheidung (ebd. II 323), sondern auch sein Saft allein (ebd. I 688), eine Vorschrift, die auch später gegeben wird (Diosc. IV 134. Aret. p. 205 K. Aët. IX 37; vgl. trichomanes Plin. XXVII 138), einmal mit Bezug auf beide Arten des adiantum (Plin. XXII 64); auch wurde das Kraut bei eitriger Harnabsonderung genommen (Ruf. Ephes. p. 413 Dar.). Wenn das harntreibende Mittel, welchem das Kraut beigemischt ist, auch abführen soll (Ps.-Hipp. II 323), so beruht diese Wirkung offenbar auf den anderen Bestandteilen dieses Mittels (ähnlich Alex. Trall. I 309 Puschm.), da von den Alten dem ἀδίαντον (Diosc. IV 134. Plin. XXII 64. Gal. XI 815. Orib. eup. II 1, 1, 7. Paul. Aeg. VII 3), wie heute dem Kraut des Adiantum capillus Veneris, eine astringierende Wirkung zugeschrieben wurde. Später ist oft die Rede von dem günstigen Einfluß auf das Wachstum des Kopfhaars. Beide Farne in Öl zerrieben verhindern das Ausfallen desselben (Theophr. h. pl. VII 14, 1. Plin. XXII 26. 64; vgl. trichomanes ebd. XXVII 138 und polytrichon Ps.-Apul. 52), das ἀδίαντον besonders mit ladanum, dem Gummiharz von Cistus creticus L., in Myrtenöl (Diosc. IV 134. Alex. Trall. I 451; vgl. Ps.-Galen. XIV 503. Aet. VI 56) oder in Bärenfett (Plin. XXVIII 163. Theod. Prisc. I 8) oder mit andern Substanzen in diesem (Kriton bei Aët. ebd.); bei Kahlköpfigkeit ruft das ἀδίαντον wieder den Haarwuchs hervor (Diosc. ebd. Galen. XI 814. Orib. eup. II 1, 1, 7. Marc. Emp. 6, 1. Paul. Aeg. VII 3; trichomanes Plin. XXVII 138). Es wurde nach Plinius (XXII 62) callitrichon und polytrichon genannt, da es das Kopfhaar färbt (eine daraus und aus andern Mitteln mit Öl bereitete Salbe färbt es schwarz nach Aët. VI 56; vgl. auch Ps.-Apul. 48, 2) und in Wein mit Eppichsamen unter Zusatz von Öl gekocht jenes dicht und kraus macht. Von dem, was Dioskurides (IV 134) über seine Heilkraft sagt, ist noch nachzutragen: Ein Dekokt davon nützt getrunken bei Schwer- und Kurzatmigkeit (vgl. Plin. XXII 65; bei Verstopfung der Brust- und Atmungsorgane Alex. Trall. II 171), Gelbsucht (vgl. Ps.-Hipp. II 492. Plin. ebd. 65 und XXVII 49, wogegen aber Cael. Aurel, chron. III 76), Milzleiden (vgl. Plin. XXII 65, trichomanes XXVII 138; bei Auftreibung und Verhärtung der Milz das Kraut mit andern Mitteln nach Philum. vers. lat. p. 84 Puschm. oder allein nach Philagr. vers. lat. p. 118 Puschm. genommen); es zerbröckelt Blasensteine (ebenso Plin. XXII 64. Gal. XI 814. Orib. eup. II 1, 1, 7. Aët. XI 10. Paul. Aeg. VII 3; saxifraga Seren. Samm. 295. Ps.-Apul. 97) und hilft gegen den Biß giftiger Tiere (vgl. Nic. ther. 846. Plin ebd.); mit Wein getrunken hilft das Kraut bei [91] Magenfluß; es befördert die Menstruation und die Lochien (vgl. Plin. ebd. 65); es stillt Blutauswurf (vgl. ebd.); das rohe Kraut wird auf die Bisse giftiger Tiere gelegt (die der scolopendra, einer Asselart, Plin. ebd. 64), beseitigt Anschwellungen der Halsdrüsen (vgl. Plin. ebd. Gal. XI 814 = Orib. eup. II 1, 1, 7. Paul. Aeg. VII 3; callitrichon Ps.-Apul. 48, 1), in Aschenlauge Kopfgrind und Schorf. Nach Galenos (XI 814 = Orib. coll. med. XV 1, 1, 16; eup. II 1, 1, 7. Paul. Aeg. ebd.; vgl. Ruf. Ephes. p. 399 Dar. und Alex. Trall. II 471) hält das ἀδίαντον in Bezug auf die wärmende und kühlende Eigenschaft die Mitte, trocknet aber, verdünnt und verteilt. Außer in den bereits erwähnten Fällen gebrauchte er (ebd. = Orib. eup. und Paul. Aeg. ebd.) es auch zur Verteilung von Abszessen und im Getränk bei Auswurf von zähem und dickem Schleim aus Brust und Lunge. Außerdem finden sich noch vereinzelte Anwendungen des ἀδίαντον (Plin. XXII 64f. Aret. p. 205 K. Alex. Trall. II 843; polytrichon Ps.-Apul. 52, 1).
Die Tierärzte wandten die saxifraga (Adiantus capillus Veneris L.?) bei Unsinnigkeit der Zugtiere zerstoßen in Wassermet an (Claud. Herm. 289 = Veget. III 12, 4), bei Rotzkrankheiten mit andern Mitteln in Honig (ebd. 197 = Veget. I 16, 5) und im Getränk (ebd. 346 = Veget. I 13, 5) und gegen allerlei Krankheiten (Veget. VI 11, 1).
Verschiedenes. Wasser, in welchem ἀδίαντον wächst, wird durch dieses zum Trinken untauglich (Gal. XVI 363). Einige bestreuen den Fußboden mit einem Aufguß von Eisenkraut, Verbena officinalis L., und ἀδίαντον, um ihre Gäste fröhlich und aufgeräumt zu machen (Plut. symp. I 1, 4). Letzteres mischt man unter das Futter der Haushähne und der Wachteln (Diod. IV 134) oder jener und der Steinhühner (Plin. XXII 65), um sie kampflustiger zu machen. Um die Jungen vor Zauber zu schützen, legt der Wiedehopf ἀδίαντον ins Nest (Aelian. hist. an. I 35. Anatol. de antip. et symp. in Fabricius Bibl. gr. IV 298), oder er tut dies, um Schaben von dem Nest fernzuhalten (Geop. XV 1, 19), während der Adler deshalb καλλίτριχον hineinlegt (ebd.; vgl. jedoch Aelian. a. a. O.). Die Hieroglyphe, welche einen Wiedehopf darstellt, der, nachdem er sich durch den Genuß einer Weintraube (σταφυλή sowohl Weintraube als nach Arist. hist. an. I 51 das entzündete Zäpfchen im Munde) Schaden zugezogen hat, um wieder zu gesunden, ἀδίαντον in den Schnabel nimmt (Horapoll. hieroglyph. II 93), bringt die Heilkraft des Adiantum capillus Veneris gegen Bräune zum Ausdruck (vgl. Fr. Wönig D. Pflanzen im alt. Ägypten 1886, 396).