Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Enyo, die Göttin des Krieges
Band V,2 (1905) S. 26542655
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Enyo (Ἐνυώ. 1) Die Göttin des Krieges, bei den Römern ausgebildeter als Bellona (s. d.). Homer Il. V 333 heißt E. der Städte Geißel (πολίπορθος, vgl. πολίπορθον ἐνυώ Nonn. Dion. XXXVII 131) und wird da als Walterin des Krieges neben Athene genannt, worauf sich bezieht Paus. IV 30, 5. Dagegen Il. V 592f. erscheint die [πότνι’ Ἐνυώ, wie sonst gewöhnlich, in Gesellschaft des Ares, dessen weibliches Gegenstück sie ist, der Schlachtenjungfrau Athene verwandt (vgl. Ἐνυάλιος zunächst Beiname des Ares, später auch von Ares gesondert gedacht). Mit Ares führt E. die Troer und hat bei sich den Kydoimos, den Daimon des Schlachtgetümmels, wie eine Art Waffe (vgl. Schol. Il. V 593. Eustath. z. St. p. 585, 1ff.), der Aigis vergleichbar. Nach den jüngern Dichtern galt Ares als Sohn der E., deshalb heiße er metronymisch Enyalios, Schol. Hom. Il. V 333; Ares ein Sohn der E. von Zeus, Etym. Gud. s. ἐνέρειν p. 188, 16f.; wiederum ist nach den einen E. die Mutter, nach andern die Tochter, nach dritten die Amme des Ares, Cornut. de nat. deor. 21. Ps.-Eudokia 346 (p. 259 Flach); nach Schol. Aristoph. Fried. 457 war Enyalios nach den einen des Ares und der E. Sohn, nach andern der des Kronos und der Rhea, s. Enyalios; bei Quint. Smyrn. VIII 425f. heißt E. Schwester des Polemos. Bei Ares, E. und Phobos haben die Sieben gegen Theben ihren Eid getan, Aisch. Sept. 45. Zusammen mit Phobos und Deimos, Eris und den Erinyen usw. wird E. genannt bei Quint. Smyrn. V 29ff., vgl. auch I 365f. XI 8f.; beliebt ist der Versschluß: στονόεσσά τ’ Ἐνυώ, Quint. Smyrn. V 29. XI 8. XIII 85; E. schreit und frohlockt, Quint. Smyrn. XI 152. XII 437; vgl. noch II 525. VIII 186. 286. XI 237. Massenhaft auch ist E. in diesem Sinn verwendet in des Nonn. Dionysiaka, von II 419 bis XLVII 705, vgl. Ind. ed. Koechly, häufig appellativisch im Sinn von Schlacht. Für die zahlreichen Epitheta der E. bei Dichtern vgl. Bruchmann Epith. deor. 99ff. Carter Epith. deor. 34; für Bellona Carter 19. E. freut sich über die blutgetränkte Erde auf dem Schlachtfeld, Philostrat. imag. II 29. Zusammen mit Deimos, Kydoimos und den Keren nennt E. auch Themistios or. XV p. 194 a, vgl. außerdem Themist. or. V p. 65 d. VIII p. 105 d. XIII p. 177 a. XV p. 187 b. XXXIV c. 23. Im Arestempel auf dem Markt zu Athen stand das Bild der E., ein Werk der Söhne des Praxiteles (Kephisodotos d. J. und Timarchos), Paus. I 8, 4, vgl. Hitzig-Blümner z. St. I 162f. In einer Inschrift etwa hadrianischer Zeit wird der Archon T. Coponius Maximus als ἱερεὺς Ἄρεος Ἐνυαλίου καὶ Ἐνυοῦς καὶ Διὸς Γελέοντος bezeichnet. IG III 2; daraus schloß man, daß der an besagtem Ort zu Athen verehrte Ares den Beinamen Enyalios führte und die E. seine eigentliche σύνναος war, Ross Arch. Ztg. II 1844, 246f.; daß beide zusammen auf einer Basis standen, vermutet aus IG I 318f. Wachsmuth Stadt Athen II 422, 3, wogegen [2655] Köhler (Ann. d. Inst. 1865, 329) dies für Ares und Aphrodite angenommen hatte. Ein Priester Ἐνυοῦς καὶ Ἐνυαλίου auch zu Erythrai (Ionien), O. Rayet Rev. arch. n. s. XXXIII (1877 I) 109 Z. 34. Dittenberger Syll.² 600, 34. Auch die Göttin des kappadokischen Komana, die Μᾶ (s. d.), ward von den Griechen mit dem Namen E. belegt, Strab. XII 535, vgl. auch Hirt. bell. Alex. 66. Cic. ad fam. XV 4. Plut. Sulla 9 (εἴτε Σελήνη εἴτε Ἀθηνᾶ εἴτε Ἐνυώ ); eine kataonische Inschrift nennt einen ἱερέα τῆς Νικηφόρου θεᾶς, und bei dieser νικηφόρος θεά denkt man wiederum an die große Göttin von Komana, die E. oder Ma, die vielleicht auch auf Silbermünzen der kappadokischen Könige dargestellt ist mit kleiner Nike auf der Rechten, auf die Lanze gestützt und behelmt, wie die Athene Nikephoros der Griechen, vgl. W. H. Waddington Bull. hell. VII 1883, 127f. Imhoof-Blumer Griech. Münzen 184f.; für E. auf Münzen von Komana im Pontos vgl. Head HN 426. Brit. Mus. Catal. of Pontus etc. 28, 3 (pl. V 6), 29, 4. 5; vgl. Drexler bei Roscher Myth. Lex. II 2217ff. 2221ff. Bei den Römern entspricht der E. die Bellona, deren Kult deutlich asiatische Einflüsse verrät; immerhin findet sich vereinzelt die griechische Benennung E. auch bei römischen Dichtern, namentlich in des Statius Thebais, s. Carter a. O. 34, wo beizufügen ist Petron. sat. 120, 62; Ἐνυεῖον heißt der Tempel der Bellona zu Rom, z. B. Cass. Dio XLII 20. L 4. LXIX 15. LXXI 33, vgl. Plut. Sulla 7. 30; Cic. 13. Für die E. oder Bellona auf Münzen der Bruttier und Mamertiner vgl. Panofka Arch. Ztg. VI 1848, 100*. Brit. Mus. Catal. of Italy 323ff., 37–56. 327, 66–68; ferner Athene oder Bellona auf Kupfermünzen der Lucaner, Brit. Mus. Catal. of Italy 224, 1 (mit Areskopf). 224, 5 (mit Kopf des jugendlichen Herakles). Die Etymologie des doch wohl griechischen Wortes E. ist dunkel, die Zusammengehörigkeit aber von E. und Enyalios nicht zu bezweifeln, vgl. Fick-Bechtel Die griech. Personennamen 451. Leo Meyer Handb. d. griech. Etym. I 413. Die alten Grammatiker leiteten E. her von ἐναΰειν = ἐκφωνεῖν (offenbar vom Geschrei der Kämpfenden) oder von ἔνω = φένω, φονεύω, oder von ἐνίημι (ἐνιεῖσα θυμὸν καὶ ἀλκὴν τοῖς μαχομένοις); vgl. Schol. Hom. Il. V 333 und Eustath. z. St. p. 552, 14f. Etym. M. p. 337, 35ff. 345, 52ff. 346, 2f. Etym. Gud. p. 66. 54. 191, 16f. 44ff. Cramer Anecd. Gr. II 434. Cornut. 21. Ps.-Eudokia 346 (ἢ κατ’ εὐφημισμὸν ἀπὸ τοῦ ἥκιστα ἐνηὴς καὶ ἐπιεικὴς εἶναι). Nach Buttmann Lexilogus I 271 kommt E. mit dem Begriff Getümmel von ἔνω, ἐνόω, wovon ἔνοσις (z. B. Hesiod. theog. 681. 849), ἐνοσίχθων usw. Vgl. Tiesler De Bellonae cultu et sacris, Berl. 1842; ferner vgl. Welcker Griech. Götterl. I 706f., der u. a. die von K. O. Müller Orchomenos² 229 eruierte E. der Homoloϊen zu Theben und Orchomenos, die E. Homoloϊa oder Homoloϊs, zurückweist, für die wiederum eintritt Tümpel Ares u. Aphrodite, Jahrb. f. Philol. Suppl. XI (1880) 705f.