Doctor. 1) Doctores (scil, gladiatorum) hiessen bei den Römern die Lehrmeister, die die Gladiatoren in der Kunst des Fechtens unterwiesen, Quintil. declam. 302 (in ludo) fuerunt doctores. Sie standen, wie es scheint, im Dienste der lanistae (s. d.), die zwar ebenfalls zumeist selbst Fechtmeister waren, aber sich auch vornehmlich mit dem Ankaufe und der Anwerbung von Recruten (tirones) befassten, was wohl niemals das Geschäft der D. war. Man muss sich vielmehr vorstellen, dass ein lanista, wenn seine Truppe (familia) so gross war, dass er den Fechtunterricht nicht allein bewältigen konnte, mehrere D. in seine Dienste nahm. Dass diese in der Regel Specialisten für eine besondere Waffengattung waren, hat man aus den inschriftlichen Erwähnungen zu schliessen. So finden wir CIL VI 10 192 einen d. Thraec(um) Namens Threption, ebd. 10 181 einen d. oplomachor(um) Namens C. Cassius Gemel(l)us und besonders häufig den d. myrmillonum, wie z. B. ebd. 10 174 einen Namens Gratus, 10 175 einen Namens A. Postumius Acoemetus; vermutlich ist auch ebd. 10 198 ein solcher Namens [Phil]adespotus gemeint, diese sämtlich in Rom; dazu ein ,lascivus‘ doctor myrmi(llonum) aus Concordia in Venetia, CIL V 1907. Einem d. secutorum begegnen wir bei Fabretti 234, 613. Wo die Bezeichnung D. für sich allein ohne Hinzufügung der Waffengattung vorkommt, ist es nicht immer ausgemacht, dass auch wirklieh ein Gladiatorenfechtmeister gemeint sei; so CIL VI 10 199 Felix doctor; 4442 P. Cicereius Onomastus doctor, während wir ebd. 10 183 den Ael(ius) Marcion doctor wohl als einen Fechtmeister ansprechen dürfen, weil die Ergänzung palus hinter der Fortsetzung et primus viel für sich hat. Auch in der Inschrift aus Bergomum CIL V 5124 mögen die Schlussworte docet Faustus nach dem Zusammenhange soviel sagen wollen wie: d. Thraecum est. Der Fechtunterricht wurde nach ganz bestimmten überlieferten Vorschriften erteilt und bediente sich einer Menge von festgeprägten Kunstausdrücken und Commandos, den sog. dictata, die auch dem gewohnheitsmässigen Arenabesucher geläufig waren, ähnlich wie unsere modernen Sports ihre eigene Sprache ausgebildet haben, Varro de l. l. VI 61. Iuven. V 122, vgl. mit XI 8. Hieron. epist. 48, 113; Praef. in Comm. Ezechiel. 13. Tertull. ad martyr. 1. Ad dictata pugnare heisst demnach soviel wie commentmässig fechten, Petron.
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sat. 45; dictata dare in der Fechtkunst unterweisen, Suet. Caes. 26, wo berichtet wird, dass Caesar bei einem Feste zum Gedächtnis seiner verstorbenen Tochter die Recruten für die Arena nicht durch berufsmässige Fechtmeister in der Gladiatorenschule, sondern durch waffenkundige römische Ritter und Senatoren in Häusern einüben liess. Dass auch die Athleten und die Wagenlenker ihre D. hatten, beweist die Inschrift
bei Fabretti 143, 160. Wie die armaturae (s. d.), so haben auch die Fechtkünste der Arena die Waffenübungen des römischen Heeres beeinflusst (vgl. das schulmässige Fechten früher mit dem Floret, jetzt mit dem bajonnettierten Gewehr in der sächsischen Armee). Es geschah dies zuerst im J. 105 v. Chr., wohl unter dem Eindrucke der furchtbaren Niederlage des römischen Heeres bei Arausio. Das Zeugnis bei Val. Max. II 3, 2 lautet: Armorum tractandorum meditatio (kunstgerechte Einübung) a P. Rutilio consule, Cn. Malli collega, militibus est tradita. Is enim nullius ante se imperatoris exemplum secutus ex ludo C. Aureli Scauri doctoribus armorum arcessitis vitandi atque inferendi ictus subtiliorem rationem legibus (legionibus Vorst, vgl. aber Iuven. XI 8) ingeneravit virtutemque arti et cursus artem virtuti miscuit, ut illa impetu huius fortior, haec illius scientia cautior fieret. Die militärischen D. hiessen doctores armorum (s. Nr. 2). Vgl. auch Art. Magister gladiatorum, was mit doctor gladiatorum gleichbedeutend ist, und Ludus Gladiatorius. Friedländer S.-G. II⁶ 381. Schulze Die Schauspiele zur Unterh. d. röm. Volkes (Gymn.-Bibl. XXIII) 80f.