Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Land der Stadt Babylon
Band II,2 (1896) S. 27002718
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Babylonia (ἡ Βαβυλωνία, mit oder ohne χώρα, γῆ oder μοῖρα, d. h. ,das Land der Stadt Babylon‘; bei Xen. anab. V 5, 4. VII 8, 25. Theophr. h. plant. II 2, 2. 8. 6, 2. 4. VIII 6, 6. 7, 4 und Späteren z. B. Dion. Hal. ant. Rom. I 36. App. Syr. 54. Dioscorid. IV 31. Hist. Aug. Ver. 7. Chron. pasch. 35 b. Exc. lat. barb. bei Frick Chronica minora I 272, 15 geradezu ἡ Βαβυλών, Babylon) bezeichnet von Haus aus weder einen ethnischen, noch einen geographischen, sondern ausschliesslich einen politisch-historischen Begriff. Dementsprechend wurde es weder von den Griechen noch von den Römern als geographischer Terminus mit fest begrenztem Inhalte gebraucht. Der ursprüngliche, einheitliche [2701] geographische Terminus für das gesamte Euphrat- und Tigrisgebiet ist den politischen Verhältnissen Vorderasiens in der Zeit der älteren griechischen Geschichte entsprechend ἡ Ἀσσυρία, so deutlich bei Herod. I 178. 185. III 92. IV 39. Xen. Cyrop. II 1, 5. VI 2, 10. B., das ihnen erst als Name einer bestimmten persischen Satrapie bekannt geworden zu sein scheint (s. unter II), bezeichnet den Griechen des 5. und 4. Jhdts. entweder eben diese Satrapie (z. B. Herod. I 192. Xen. anab. I 7, 1. II 2, 13 8, 25. [Aristobulos bei] Arrian. anab. VII 21, 5. [Hieronymos von Kardia bei] Diod. XVIII 6, 39. Ktesias bei Athen. XII 530 d) oder ganz im allgemeinen denjenigen Teil von Assyria, in welchem die Stadt Babylon liegt (z. B. Herod. I 106. 193. 198. Ktesias bei Diod. II 7. Aristot. oecon. II 1352b). Über diese vagen Vorstellungen von dem Verhältnis zwischen Assyria und B. ist die allgemeine Litteratur beider klassischer Völker wesentlich nie hinausgekommen. Genau die herodoteïsch-xenophonteïsche Auffassung begegnet uns wieder bei Tac. hist. V 2. Arrian. Bithyn. frg. 48. App. Syr. 56; b. c. II 153. Amm. Marcell. XXIII 6, 23. Vollends der späteren, namentlich lateinischen, Poesie sind assyrisch und babylonisch geradezu Synonyma. Vgl. z. B. Nonn. XL 301ff. Verg. Georg. II 465. Hor. od. II 11, 16. Tib. III 6, 63. Lucan. VI 429. Claud. phoen. 86. Die Lexikographie (vgl. Etym. M. 157, 51) erklärt gelegentlich sogar Ἀσσυρία durch ἡ Βαβυλωνία, und noch ein Spätling wie Cyrill. Alex. ad Zachar. 3 merkt ausdrücklich das regellose Schwanken des Sprachgebrauches an. Dagegen ergab sich seit dem grossartigen Aufschwung der geographischen Wissenschaft und Litteratur in der Zeit nach Alexandros d. Gr. für diese das Bedürfnis, die einzelnen der griechischen Welt jetzt so unvergleichlich näher gerückten Euphrat-Tigrisländer genauer zu scheiden. Bezüglich der Befriedigung dieses Bedürfnisses lassen sich noch deutlich vier verschiedene Richtungen erkennen. Die erste, der Strab. XVI c. 1 im allgemeinen folgt, behält Assyria als Gesamtbezeichnung des Zweistromgebietes bei und unterscheidet innerhalb dieses Grossassyriens neben oder über zahlreichen kleineren vor allem drei grosse Landschaften, B., Aturia (mit aramaeischer Aussprache, so auch Arrian. anab. III 7, 7) oder Assyria im engeren Sinne und Mesopotamia. Eine zweite (Eratosthenes?), auf welche Strab. XVI 745 (indem er Adiabene als τῆς Βαβυλωνίας μέρος bezeichnet) und Plin. n. h. VI 121 (bezw. ihm folgend Solin. 56, 1) Bezug nimmt, gebraucht, ausgehend von der historischen Bedeutung der Stadt Babylon, in demselben umfassenden Sinne vielmehr B. und subordiniert diesem Gesamtbegriff Mesopotamia, Assyria und B. im engeren Sinne. Eine dritte geht einerseits von dem Gesichtspunkt der physikalischen Geographie, andererseits von demjenigen sprachlicher Accuratesse aus und bezeichnet alles Land zwischen Euphrat und Tigris einheitlich als Mesopotamia, so dass Assyria links des Tigris zu Media und B. rechts des Euphrat zu Syria fällt, nach der cosmogr. Iul. Honor. 5f. zu schliessen, vielleicht ersteres unter Beibehaltung des Namens Assyria, letzteres unter dem Namen Chaldaia. Ihr Hauptvertreter ist Agrippa (bei Plin. n. h. VI 137), dem sich Plinius n. h. VI 130 anzuschliessen [2702] scheint. Später finden wir sie wieder in der dimensur. provinc. 3, der divis. orb. terr. 22 und wenigstens andeutungsweise bei Dion. Perieg. 992f. und Eustath. z. St. Die vierte Richtung endlich, welcher die von Strabon der Specialbeschreibung B.s XVI 739ff. hauptsächlich zu Grunde gelegte hellenistische Quelle (Artemidoros?) und die Mehrzahl der späteren geographischen Handbücher (Pomp. Mel. I 14. Ptol. Dion. Perieg. Isid. Char. 1. Marc. Heracl. stad. m. exter. I 20. Oros. I 2, 20f. Anonym. διάγνωσις ἐν ἐπιτομῇ τῆς ἐν σφαίρᾳ γεωγραφίας 20, 22) angehört, stellt unter Verzicht auf jede systematische Einheit der Euphrat- und Tigrisländer Mesopotamia, Assyria, B. (vereinzelt auch noch Chaldaia) als selbständige geographische Begriffe nebeneinander. Aber auch die einzelnen Vertreter dieser Richtung gehen bezüglich der Grenzen B.s nicht unmerklich auseinander. Ptol. V 20, 1 giebt als Nordgrenze den Südrand von Mesopotamia, als Westgrenze den Ostrand von Arabia deserta, als Südgrenze den persischen Meerbusen, als Ostgrenze den Tigris an. Strabon lässt XVI 739 B. im Osten an Susiana, Elymaïs und Paraitakene, im Süden an den persischen Meerbusen und Chaldaia, im Westen an Arabia deserta, im Norden an Armenia und Media, dagegen XVI 744 nach einer andern Quelle im Norden an Armenia und Media, im Osten an das Gebiet der Kossaioi, an Susiana, Paraitakene, Elymaïs, Sagapene und Silakene, im Westen an Adiabene und Mesopotamia grenzen. Die Südgrenze müssen in der zweiten Quelle das Meer und Arabia deserta gebildet haben, da Strab. XVI 739, wie es scheint, nach ihr die χώρα τῶν Χαλδαίων als einen Teil von B. bezeichnet. Dagegen coordiniert auch Oros. a. a. O. Mesopotamia, B. und Chaldaea als selbständige Länder. Als Ostgrenze wird, wie von Ptolemaios, der Tigris genannt von Marc. Heracl. a. a. O. und im lib. gener. bei Frick Chron. min. I 9, 25ff., als Nordgrenze von Dion. Perieg. 1005 das Gebiet der Kissier, der Messabaten und Chaloniten. Über die Identificierung von B. und Chaldaia s. unter II und den Artikel Chaldaia.

I. Physikalische Geographie. Physikalisch erscheint B. als die von Nord nach Süd und von West nach Ost geneigte Thalebene des unteren Euphrat und Tigris. Im Osten bildet der Abhang des Puschti-Kuh und der angrenzenden Vorhöhen des Kurdistanischen Gebirges östlich vom Tigris, im Süden der persische Meerbusen, im Südwesten und Westen die arabische und syrische Wüste die natürliche Grenze des durch die Anschwemmungen seiner beiden Ströme geschaffenen, heute zum grossen Teil von Marschen bedeckten Flachlandes. Im Norden trennt es eine etwa von Hit am Euphrat nach Samara am Tigris gezogene gerade Linie nicht scharf, aber doch erkennbar von dem mehr wellenförmigen mesopotamischen Gebiete. Der Umfang ist heute ein bedeutend grösserer als im höheren Altertum, in welchem Euphrat und Tigris sich noch vollständig getrennt in das bis an 130 englische Meilen weiter landeinwärts reichende Meer ergossen, und noch heute vermehrt sich die Masse des angeschwemmten Landes ständig, obgleich langsam. Schon in den späteren Jahrhunderten des Altertums [2703] schob sich die Küste nicht unmerklich nach Süden vor. Denn, wenn auch spätere Schriftsteller, wie Strab. XI 521. Plin. n. h. VI 130. Arrian. anab. VII 7, 5, offenbar nach Berichten aus einer bedeutend früheren Zeit (Hellanikos, Ktesias?) wieder von getrennten Mündungen des Euphrat und Tigris sprechen, welche nach Plin. a. a. O. 7 oder gar 25 Meilen auseinander liegen sollten, so stimmen doch die Berichte der griechischen Forschungsreisenden bereits der ältesten hellenistischen Zeit, so sehr sie in Einzelheiten auseinandergehen, dahin überein, dass beide Ströme ein gemeinsames sumpfiges Mündungsgebiet besitzen. Nearchos (bei Arrian. Ind. 41. Strab. XV 729 und ohne Nennung des Namens bei Amm. Marcell. XXIII 6, 11) lässt in unmittelbarer Nähe von einander bei Teredon Euphrat und Pasitigris ins Meer münden, während der eigentliche Tigris sich in einen Sumpfsee verliere. Genau mit seinem eigenen scheint der Bericht seines Begleiters Androsthenes übereingestimmt zu haben (vgl. Erat. bei Strab. XVI 765). Nach Onesikritos (bei Strab. XV 729. Philostorg. h. eccl. III 7, 8) dagegen hätte der Sumpfsee Euphrat und Tigris aufgenommen, der erstere aber sich aus demselben noch einmal einen gesonderten Ausgang nach dem Meere gebahnt. Polykleitos (bei Strab. XV 728) lässt Tigris, Eulaios und Choaspes in den Sumpfsee zusammenfliessen und scheint die Mündung des Euphrat völlig zu ignorieren. Spätere Beobachtungen (Strab. a. a. O. Plin. n. h. VI 130. 145. Pomp. Mel. III 77) kennen den Sumpfsee nicht mehr, sondern an seiner Stelle einen bei seiner Mündung 10 Meilen breiten gewaltigen Strom, in welchem sich vereint Tigris, Eulaios, Choaspes und ein bei Teredon in den Tigris mündender Euphratarm unter dem Namen Pasitigris dem Meere zu bewegen. Selbständig gebliebene Euphratarme hätten sich in der Nähe des heutigen Warka teils in Sümpfen, teils in einem künstlichen Canalnetz verloren. Nach Ptolem. V 6, 2 ergoss sich der mit dem Euphrat vereinigte Tigris in zwei 1,5° von einander entfernten Armen östlich und westlich von Teredon ins Meer.

Auch nördlich von dem eigentlichen Mündungsgebiete hat sich der Lauf des Euphrat, weniger derjenige des Tigris, im Verlaufe der Jahrhunderte vielfach geändert. Sind die Veränderungen im Mündungsgebiete durch die fortgesetzten Landanschwemmungen bedingt, so ist dieses Schwanken der Wasserläufe auch im oberen B. eine Folge des alljährlichen Frühlingshochwassers der beiden Ströme, das im Altertum, als es durch ein wohl instand gehaltenes Canalnetz den Zwecken der Landwirtschaft dienstbar gemacht war, eine beinahe wunderbare Fruchtbarkeit des Landes (vgl. z. B. Cic. de nat. deor. II 52. Lucan. III 260. Sext. Ruf. 20. Theophylact. V 6, 5) hervorrief, gegenwärtig dagegen bei der trostlosen Misswirtschaft unter türkischem Regime eine dauernde Versumpfung weiter Strecken bedingt. Mitte März beginnt der Euphrat zu steigen, erreicht Ende Mai oder Anfang Juni seinen höchsten Stand, in dem er heute zu Tage im oberen B. beide Ufer, im unteren wesentlich nur das rechte gleich einem See überflutet, verharrt in diesem bis Anfang Juli und fällt dann wieder fortgesetzt bis in den September. Das Hochwasser des Tigris ist vermöge [2704] des grösseren Gefälles und der tieferen Lage des Flussbettes ein minder starkes und rascher vorübergehendes. Es beginnt schon Anfang März, erreicht den Höchststand Anfang Mai und hat bereits Anfang Juni wieder dem normalen Wasserstand Platz gemacht. Die klassischen Völker hatten von dieser durch die Schneeschmelze des armenischen Gebirgslandes hervorgerufenen Naturerscheinung nur eine sich sehr im allgemeinen haltende Vorstellung, so dass z. B. Polykleitos nach Strab. XVI 742 sie wenigstens bezüglich des Euphrat geradezu leugnete. Vgl. Strab. XVI 739ff. Arrian. anab. VII 21, 2ff.

Die allgemeinen klimatischen Verhältnisse der Gegenwart bestanden wesentlich schon im Altertum. Die an Stelle eines eigentlichen Winters alljährlich eintretende Regenperiode fiel, wie die einheimischen Monatsnamen beweisen, von jeher in die nämliche Jahreszeit: Mitte November bis Mitte April (vgl. Hommel Geschichte Babyloniens und Assyriens, Berlin 1885, 187). Ihre mittlere Temperatur, trotz gelegentlicher plötzlicher und empfindlicher Abkühlungen auch heute keine eigentlich rauhe, scheint infolge der grösseren Meeresnähe noch etwas milder gewesen zu sein (Dio Chr. or. VI 1). Dagegen erscheinen für die übrigen sieben Zwölftel des Jahres schon im Altertum gänzlicher Regenmangel (Herod. I 193. Theophr. h. plant. VIII 6, 6. Arrian. anab. VII 7, 5) und beinahe unerträgliche Hitze (Theophr. de vent. 25. Ov. ex Pont. II 4, 27. Plut. Alex. 35), die gegenwärtig in Bagdad während der Sommermonate bis an 50° C. im Schatten steigt, als charakteristisch. Vollständig fehlten nur infolge der besseren Bewirtschaftung des Bodens namentlich im Südwesten und Westen die erschlaffende Fieberluft, die heutigen Tages über den einsamen Morästen und Sumpfwiesen brütet, und die Sandwehen aus der arabischen Wüste, die im Sommer häufig über sie hinfegen.

Die Mineralwelt B.s war nie eine besonders reiche oder abwechslungsvolle. Der ganze Boden ist ein junges Alluvium, das weder harte Gesteinmassen noch metallische Schätze birgt. Nur die äussersten Grenzgebiete nach Westen und noch in höherem Grade die nach Osten zu tragen einen durchaus abweichenden Charakter. Hier wurden Sandstein, Basalt, Porphyr, Diorit, im Osten vielleicht auch Zinn gewonnen. Hier wird auch die Heimat der zahlreichen Edelstein- und Halbedelsteinarten zu suchen sein, denen wir in den Inschriften als Zierde der babylonischen Heiligtümer, bei Griechen und Römern als Ausfuhrartikel des babylonischen Handels begegnen. Ausserdem muss nach der Thontafelinschrift Tiglathpilesars III. (26 = K. B. II 14f.) an der Küste des persischen Meerbusens sich Gold gefunden haben. Im übrigen beschränkten sich die mineralischen Schätze B.s auf die namentlich unter dem ganzen Norden des Landes sich hinziehenden grossen Asphaltlager (Herod. I 179. Eratosthenes bei Strab. XVI 743. Diod. II 12. Iust. I 2, 7. Dio Cass. LXVIII 27. Isid. Char. 1. Amm. Marcell. XXIII 6, 23. Plin. n. h. VI 129ff. 152. Zosim. III 15) und die mit ihnen in Verbindung stehenden Naphthaquellen (Strab. XVI 743 nach Poseidonios und Kleitarchos [oder Aristobulos?]. Plin. n. h. II 235. XXXI 82. Plut. Alex. 35. Dioscorid. I 101. Amm. [2705] Marcell. a. a. O. 16). Von letzteren lieferten nach Poseidonios a. a. O. die einen ein an leichtflüchtigen Anteilen reiches und deshalb im höchsten Grade feuergefährliches (νάφθας λευκός, angeblich flüssiger Schwefel), die anderen ein an leichtflüchtigen Bestandteilen ärmeres und deshalb weniger leicht entzündliches Product (νάφθας μέλας, flüssiger Asphalt). Einzelne ermöglichten nach Plin. n. h. XXXI 82 neben der Naphthagewinnung noch die Gewinnung von Kochsalz. Über die babylonische Pflanzenwelt s. unter VI.

Was die Tierwelt B.s anlangt, so erscheinen auf altbabylonischen Inschriften und plastischen Denkmälern an wilden Tieren Löwe, Pardel, Schakal, Fuchs, Wildschwein und Wildstier. Von Haustieren waren jedenfalls das Rind, das Schaf, die Ziege, der Esel und der Hund von jeher heimisch. Das Pferd scheint erst im Laufe der Zeit und zwar, wie seine sprachliche und ideographische Bezeichnung lehrt, aus Osten her, aus Susiana, eingeführt worden zu sein. Von Vögeln erscheinen seit alters Taube, Schwalbe, Rabe und Wildente. Geflügelzucht wurde aber vielleicht erst in der Zeit der assyrischen oder der persischen Herrschaft üblich. Später besassen namentlich babylonische Pfauen eine Art Weltruf. S. unter VIII.

II. Name. Der vorsemitische Landesname ist Kingi d. h. ,Land, Ebene‘ schlechthin. Die semitische Bevölkerung gebrauchte hiefür ein Wort, das auf den assyrisch-babylonischen Inschriften semitischer Sprache Schumeru, dagegen gewiss in Anlehnung an eine ältere Aussprache im alten Testament Schineʿar (LXX Σενάαρ) und auf ägyptischen Skarabeen aus der Zeit Thutmes III. und Amenhoteps III. Sangara lautete. Ob, wie gelegentlich angenommen wurde, beide Namen in einem lautlichen Zusammenhange stehen, muss dahingestellt bleiben. Die officielle einheimische Bezeichnung in den Inschriften aller späteren Beherrscher B.s bis auf Kyros ist mât Schumeri u Akkadî d. h. ,Land von Sumer und der Akkadier‘. Die Assyrier nannten dagegen B., indem sie den zuerst im Titel der babylonischen Könige kassitischen Stammes (s. unter III) erscheinenden Namen einer einzelnen Landschaft auf den ganzen Nachbarstaat übertrugen, Kardunjasch, später auch mât Akkadî oder mit Rücksicht auf den immer mehr die Oberhand gewinnenden chaldaeischen Einfluss auch mât Kaldi d. h. ,Chaldaeerland‘, während die Völkerschaften Syriens, wie der Sprachgebrauch des Alten Testamentes (Genes. 10, 10. 11, 2. 14, 1. 9. Jos. 7, 21. Jes. 11, 11. Zachar. 5, 11) zeigt, noch bis in die Mitte des ersten Jahrtausends altertümliche Bezeichnungen wie das hebraeische Schineʿar gebrauchten. Erst nachdem mit Nabopalassar und Nebukadnezar II. eine chaldaeische Dynastie den Thron des neuen babylonischen Reiches bestiegen hatte, wurde die Bezeichnung B.s als eines ,Chaldaeerlandes‘ eine allgemeinere. Bei den Israeliten ist seit dem Anfange des 7. Jhdt. erez Kasdim d. h. eben ,Chaldaeerland‘ der meist angewendete Name B.s, und auch bei Griechen findet sich häufig Χαλδαῖα oder Χαλδία als Bezeichnung des gesamten B., ebenso bei den Römern Chaldaea.

Am spätesten kam der von der Hauptstadt abgeleitete Landesname zu allgemeiner Geltung. Der [2706] Ausdruck mât Bâbîli d. h. ‚Land (der Stadt) Babylon‘ erscheint zwar erstmals schon etwa um die Wende des dritten zum zweiten Jahrtausend in dem Titel eines kassitischen Beherrschers von Babylon (K. B. III 136f.), doch bleibt fraglich, ob es hier bereits eine Bezeichnung Gesamtbabyloniens sein soll. Dauernd wurde er erst in der Zeit der persischen Herrschaft üblich, als die aus dem südlichen Teile des Zweistromlandes gebildete Satrapie officiell den Namen Bâbîlu bezw. persisch Bâbirus führte (vgl. die Satrapienlisten Inschr. Persepolis J. 2, Naqsi Rustam 3 bei Kossowicz Inscriptiones Palaeo-Persicae Achaemenidarum 73. 77 und Herodot. I 192. Xen. anab. VII 8, 25. Arrian. anab. III 6, 14. VII 21, 5). Aus dieser Zeit erst datiert der Gebrauch des Namens B. bei den Griechen, ebenso wie im Alten Testament die Bezeichnung erez Bâbel d. h. ,Land Babel‘ oder blos Bâbel für B. den jüngeren Stücken angehört. Von den Griechen empfingen die Römer auch den Namen B. Dagegen sind die ihm entsprechenden syrischen und arabischen Benennungen des Landes unmittelbar aus dem Namen der persischen bezw. der makedonisch-syrischen und später parthischen Satrapie zu erklären. Seit der Eroberung des Landes durch die Araber kam statt ihrer der bis heute üblich gebliebene Name el irâq el ʿArabî d. h. ,das arabische Iraq‘ (im Gegensatze zu dem östlich angrenzenden ,persischen Iraq‘) in Gebrauch.

III. Ältere Geschichte. Die Urbevölkerung B.s bildeten die nach dem von ihnen gebrauchten Landesnamen so genannten Sumerer. Über den ethnographischen Charakter dieses ältesten Kulturvolkes Vorderasiens lässt sich bis heute nur das Negative mit Bestimmtheit sagen, dass sie keine Semiten waren. Ob es durch die Bezeichnung Nimrods als Sohnes des Chamiten Kûsch, eines Bruders von Mizrajim, Genesis 10, 8 (nach J₂, vgl. Art. Babylon S. 2668f.) als ein chamitisches, den Ägyptern und der vorsemitischen Bevölkerung Abessyniens verwandtes, gekennzeichnet werden sollte, oder ob diese Bezeichnung ein Niederschlag der kassitischen Fremdherrschaft über B. war, bleibt fraglich. In neuerer Zeit hat man die Sumerer sowohl für die arische als für die turanische Völkerfamilie in Anspruch zu nehmen versucht, ersteres bei der absoluten Verschiedenheit ihrer Sprache von allen indogermanischen ohne jeden, letzteres bisher wenigstens ohne durchschlagenden Erfolg. Auch mit den von den Griechen des 5. und 4. Jhdts. als Skythen bezeichneten Volksstämmen dürfen sie nicht ohne weiteres in Verbindung gebracht werden, obwohl vielleicht eine dunkle Kunde von ihrer einstigen Bedeutung in der Angabe von einer alten skythischen Oberherrschaft in Vorderasien bei Iustin. II 3, 8–18 sich verbirgt. Schon etwa zu Anfang des 4. Jahrtausends muss von Südwesten aus Arabien (so E. Meyer Geschichte des Altertums I 207f.) oder von Nordosten durch die Pässe des kurdistanischen Gebirges (so Guidi Della sede primitiva dei popoli Semitici, Memorie della classe di sc. mor. R. Accademia dei Lincei, Rom III 1879, 566ff. und Hommel nach mehreren früheren dort aufgeführten Arbeiten Geschichte 267) ein ganz fremdartiger Volksstamm in das Flachland des Euphrat und Tigris eingewandert sein. Es waren Semiten, [2707] nächste Verwandte der späteren Assyrier und wohl auch der späteren Chaldaeer, die sich selbst als Akkadier (Akkadû) bezeichneten und mit der sumerischen Urbevölkerung, gewiss erst nach Jahrhunderte dauernden schweren Kämpfen, zu einem neuen einheitlichen Volkstum verschmolzen, dessen äusserer Typus durchaus der semitische war, während in Mythologie, Kultus, Litteratur und lange Zeit sogar auch in der Sprache das sumerische Element sich als das stärkere erwies. So scheint richtig das vielfach noch heute strittige Verhältnis zwischen Sumerern und Akkadiern gefasst werden zu müssen, nicht so, dass man in beiden gleichmässig vorsemitische Bevölkerungen verschiedener geographischer Districte B.s sieht, eine Auffassung, welche die sumero-akkadische Frage vorschnell mit der zuerst von P. Haupt gemachten Entdeckung dialektischer Verschiedenheiten innerhalb des vorsemitischen Sprachidioms in Verbindung bringt.

Über die Geschichte und die politische Gestaltung B.s in vorsemitischer Zeit wissen wir schlechterdings nichts. Das älteste Staatengebilde, dem wir in B. begegnen, ist ein durch semitische Eroberer geschaffenes, das Reich der Könige Sargon und Naram-Sin von Aganê, das dauernd mindestens von der Nordgrenze des späteren B. bis südlich über Nippur hinaus sich erstreckte, vorübergehend aber sogar bis nach Susiana und bis an das mittelländische Meer durch glückliche Kriegszüge ausgedehnt wurde. Die Blütezeit dieses Reiches unter den genannten Königen fällt in das 38. Jhdt. Wie und wann es unterging, wissen wir nicht.

Ihm folgte eine Periode, in welcher in echt semitischer Weise je eine Stadt als Sitz einer bestimmten Gottheit und ihres Kultus mit einem grösseren oder kleineren Landgebiete eine Art theokratischen Kleinstaates bildete, dessen Beherrscher als Statthalter oder Stellvertreter der Stadtgottheit (patischu) erschien. Wir kennen seit den französischen Ausgrabungen in Telloh noch einen der jüngeren von diesen Einzelstaaten, das Reich von Sirburla (oder Sirgulla), dem semitischen Lagasch, das unter seinem grössten Fürsten Gudêa schon wieder erobernd namentlich gegen Norden sich ausdehnte. Die letzten Beherrscher von Sirburla erscheinen nicht mehr als unabhängige Herrn ihres Gebietes, sondern als Vasallen eines wieder wenigstens zum grössten Teil über ganz B. gebietenden Königtums. Dieser zweite babylonische Einheitsstaat, das ältere ,Reich von Sumer und Akkad‘, ist im Gegensatze zu dem ersten von Aganê von Hause aus ein südbabylonischer. Sein Mittelpunkt war ursprünglich Ur, später Uruk, Isin, nochmals Ur und endlich Larsa, sein bedeutendster Herrscher, wo nicht sein Begründer, Ur-Gur. Die Zeit seiner Gründung lässt sich ebensowenig bestimmen wie seine Ausdehnung nach Norden. Chattische (chititische) und elamitische Invasionen unterbrachen die Zeiten seiner Blüte. Namentlich eine Periode elamitischer Fremdherrschaft, während welcher Uruk Reichshauptstadt war, hat in der epischen Sage von [Izdubar-] Gilgamisch (s. Art. Assyria) tiefe Spuren zurückgelassen.

Unabhängig von diesem Reiche war mindestens seit ca. 2400 ein nordbabylonisches mit der Hauptstadt [2708] Babylon. Von diesem ging im Verlaufe des 23. Jhdts. die Gründung eines dritten grossbabylonischen, des jüngeren ‚Reiches von Sumer und Akkad‘, aus, indem Chammurabi, der fünfte Nachfolger des ersten bekannten Königs des Nordreiches, nach Niederwerfung des letzten Königs des Südreiches Rim-Sin, eines Elamiten, Nord und Süd unter seinem Scepter vereinigte. Das Reich von Sirburla scheint noch ein wesentlich sumerisches gewesen zu sein. In demjenigen der älteren Könige ,von Sumer und Akkad‘ kam der semitische Einfluss immer mächtiger zur Geltung, obwohl die officielle Sprache dieser Könige noch wie diejenige der Herrn und Statthalter von Sirburla die sumerische ist. Das Reich Chammurabis war wie dasjenige Sargons ein solches, in welchem das semitische Element die herrschende Rolle spielte. Vorübergehend scheint später auch in ihm das Sumerische mit der Dynastie von Schêsch-kû noch einmal das Übergewicht gewonnen zu haben. Dann folgt eine Jahrhunderte dauernde Fremdherrschaft, deren Träger die aus dem östlichen Gebirgslande stammenden Kassiten, die Kaschschu der Inschriften, Κίσσιοι der Griechen (nicht Κοσσαῖοι, wie vor allem Fr. Delitzsch Die Sprache der Kossaeer, Leipzig 1884 annahm; diese sind vielmehr identisch mit dem gleichfalls keilschriftlich erwähnten Volke der Kussu; vgl. Oppert Ztschr. f. Assyriol. III 421ff. Lehmann ebd. VII 328ff.), waren und in deren Zeit die ersten Beispiele des immer häufiger und nachdrücklicher werdenden Eingreifens assyrischer Herrscher in die Angelegenheiten B.s fallen. Die Abwerfung des fremden Joches scheint das Werk der Dynastie Paschê gewesen zu sein, deren ruhmvollster Vertreter Nebukadnezar I. (ca. 1150) siegreich bis in das elamitische Gebirgsland, die Heimat der kassitischen Eroberer, selbst vordrang. Aber bald folgte eine Periode neuer Fremdherrschaft. Im Süden an der Meeresküste hatte sich ein selbständiges, von Kassiten beherrschtes Reich mât tamdi d. h. ,Seeland‘ gebildet. Drei seiner Könige bestiegen auch wieder den babylonischen Thron, ihnen folgten ebenso viele aus dem Hause Bazi d. h. vielleicht (vgl. Winckler Untersuchungen zur altorientalischen Geschichte, Leipzig 1889, 5) Araber, diesen endlich ein Elamit in der Herrschaft über B. Erst mit dem Ende des 11. Jhdts. beginnt noch einmal eine ununterbrochene Reihe einheimischer Könige von Babylon. Aber nun erneuerte sich in veränderter Weise der alte Gegensatz zwischen dem Norden und dem Süden B.s. Der Süden wurde von den Chaldaeern erobert, welche zunächst das flache Land besetzend immer weiter gegen Norden vordrangen, und so von der Centralgewalt in B. mehr und mehr losgerissen. Der Norden, auf welchen sich so mit der Zeit die babylonischen Könige beschränkt sahen, trat immer vollständiger in ein Verhältnis der Abhängigkeit Assyrien gegenüber, bis 732 mit Nabûschumukîn das einheimische Königtum erlosch und er nach einem ein halbes Jahrhundert dauernden Kampfe der Assyrier, Elamiten und Chaldaeer um das Erbe der Herrscher von ,Sumer und Akkad‘ assyrische Provinz wurde.

IV. Spätere Geschichte. S. Assyria, Babylon Nr. 1, Chaldaia.

V. Bevölkerung, Landschaften, Städte. [2709] Die Bevölkerung B.s bildete im Altertum seit der Einwanderung der ersten Semiten keine wirkliche ethnische Einheit mehr. Kaum hatten sich die nichtsemitische Urbevölkerung und die semitischen Eroberer, Sumerer und Akkadier verschmolzen, erfolgte die Besetzung des Landes durch die Kassiten. Später drangen neue semitische Elemente von Süden und von Westen aus ein, die Chaldaeer (s. Chaldaia) und aramaeische Stämme. Nebukadnezar II. siedelte namentlich in der Hauptstadt und nördlich von derselben die deportierten Juden an, welche nur teilweise nach der Eroberung B.s durch Kyros in die Heimat zurückkehrten. Die hellenistische Zeit führte zahlreiche Griechen ins Land. Endlich begann schon in sehr früher nachchristlicher Zeit das Eindringen arabischer Stämme im Südwesten.

Auch geographisch zerfiel B. stets in eine Mehrzahl einzelner Landschaften. Die Unterscheidung assyrischer Inschriften zwischen mât Akkadî und mât Kaldi, ,Akkadierland‘ und ,Chaldaeerland‘, ist zwar eine lediglich ethnographisch-politische. Wirkliche geographische Districte sind dagegen Kardunjasch, nach Delitzsch Wo lag das Paradies, Leipzig 1881, 45ff. 133ff. ,Garten des Gottes Dunjasch‘, der alttestamentliche gan ʿeden, ein Gebiet zwischen Euphrat und Tigris in der Umgebung von Babylon, nach Tiele Geschichte I 79 und Ztschr. f. Assyriol. IV 421. Winckler a. a. O. 135f. Lehmann Šamaššumukîn, König von Babylonien. Inschriftliches Material über den Beginn seiner Regierung, Leipzig 1892, I 79 ,Chaldaeerland‘ ein Gebiet im äussersten Süden, Iamutbâl und Guzummanu Grenzdistricte im Südosten, Ammanu, vielleicht das Gebiet um die Stadt Uruk, endlich Makân und Melucha, von denjenigen, welche auch in Sumer und Akkad ursprünglich geographische Begriffe sehen, vielfach mit diesen und also mit dem Norden und dem Süden B.s identificiert, thatsächlich wohl Grenzgebiete, möglicherweise das erste gegen Westen, das zweite gegen Osten, beide bis an gebirgige Bodenerhebungen, andererseits aber auch entweder an das Meer oder an den Euphrat bezw. Tigris reichend. Von den klassischen Schriftstellern wird am häufigsten eine Landschaft Mesene erwähnt (z. B. Strab. II 84. Plin. n. h. VI 187. Cass. Dio LXVIII 23. Amm. Marcell. XXIV 3, 12. Philostorg. h. eccl. III 7. Eutrop. 6). Ptolemaios teilt das ganze Land in drei Bezirke Αὐχανῖτις, Ἀμορδοκαία und Χαλδαία. Eine babylonische Landschaft Chaldaia kennt auch Strab. XVI 739.

Die wichtigsten Städte B.s zerfallen in zwei Gruppen, solche, welche in die sumerisch-semitische Urzeit zurückreichen, und Neugründungen aus historischer Zeit. Zur ersten Gruppe gehören die beiden ältesten religiösen Mittelpunkte des Landes, Nippur, die heilige Stadt des sumerischen Himmelsgottes In-lil, des semitischen Bêl, des ,Herrn der Geister‘ (heute Niffer), und Eridu, diejenige des von den Semiten in ihr Pantheon herübergenommenen Erd- und Meergottes Êa (heute Abû schahrein), die südbabylonischen Königsstädte Ur (Ur Kasdîm Genes. 11, 28. 31. 15, 7. Nehem. 9, 7; Οὐρίη Χαλδαίων πόλις oder Καμαρίνη Eupolem. bei Euseb. pr. ev. IX 418 d, heute el-Muqajjar), die Stadt des Mondgottes Sin, Larsa (vielleicht [2710] Ellâsâr Genes. 14, 1, heute Senkereh), die Stadt des Sonnengottes, Isin (vielleicht das heutige Hammâm; vgl. Hommel Die semitischen Völker und Sprachen I 229f.), Uruk (Erek(h) Genes. 10, 10; Ὀρχόη Ptolem. V 20, 7 [vgl. Ὀρχηνοί Strab. XVI 739; Orcheni Plin. n. h. VI 123], heute Warka), die Stadt der Ischtar, und Lagasch oder sumerisch Sirpurla (heute Tell-Loh), sowie die minder bekannten Mar (heute Tell Ede) und Kulunu (Kalnêh Genes. 10, 10. Amos 6, 2. Jes. 10, 9, heute noch nicht mit Sicherheit wiedergefunden), die nordbabylonischen Königsstädte Sippar (Hipparenum Plin. n. h. VI 123; Σίσπαρα Beros. bei Sync. 30 a; Σιππαρηνῶν πόλις Abyd. bei Euseb. chron. I 37; pr. ev. IX 457 c, heute Abû Habba), dem, wie es scheint, hier mit dem Kriegsgotte Adar identificierten Sonnengotte, und Aganê (Agranis Plin. n. h. VI 120), der Königin des Himmels Anunit geweiht, auf beiden Ufern eines hier aus dem Euphrat abzweigenden Canals einander gegenübergelegen (Sep(h)arvajim d. h. ,die beiden Sippar‘ II Kö. 17, 24. 31. 18, 34. 19, 13. Jes. 36, 19. 37, 13, auch inschriftlich gelegentlich Sippar des Schamasch und Sippar der Anunit), Babylon, Kisch, Borsippa (s. Art. Babylon Nr. 1), Kutha (heute Tell Ibrahîm) und Marad (vgl. Ἀμορδοκαία bei Ptolem.), ersteres dem Kriegs- und Unterweltsgott Nergal, letzteres dem Schutzgotte des epischen Helden [Izdubar-]Gilgamisch heilig, endlich die für Handel und Industrie wichtigen nördlichen Grenzstädte Upiê (Ὦπις Herod. I 189. Xen. anab. II 4, 25. Strab. II 80. XI 529. XVI 739f. Arrian. anab. VII 7, 7) am Tigris, der nördlichst gelegene Stapelplatz des babylonischen Handels mit indischen und südarabischen Waren, und Ἴς (das heutige Hit, Herod. I 179. Steph. Byz. s. v. Isid. Char. 1, wo statt εἶτα Ἀείπολις zu lesen ist εἶτα Ἴς πόλις), das Centrum des babylonischen Asphalt- und Naphthahandels am Euphrat. Aus der zweiten Gruppe verdienen hervorgehoben zu werden Dûr Kurigalzu (heute Tell Nimrud oder Akkarkuf), eine kassitische Gründung, Τερηδών (Strab. II 80. XVI 765. Ptol. V 20, 5. Ael. hist. anim. V 14. Dionys. Perieg. 980. Plin. n. h. VI 28. 32. Amm. Marcell. XXIII 6, 11. 23) oder Διρίδωτις (Arrian. Ind. 41), von Nebukadnezar II. angelegt (Abyd. bei Euseb. chron. I 37; pr. ev. IX 457 c), Seleukeia, die neue hellenistische Hauptstadt, endlich eine parthische Gründung Οὐολογεσία (Ptol. V 20, 6), Βολογεσίας (Steph. Byz.) oder Vologesocerta (Plin. n. h. VI 123).

VI. Wasserbauten, medische Mauer. Das gesamte B. war in seiner Blütezeit durchzogen von einem Netz fast zahlloser grösserer und kleinerer Canäle, die bestimmt waren, indem sie den Euphrat einerseits mit dem tieferliegenden Tigris, andererseits mit dem Meere verbanden, eine eigentliche Überschwemmung des Landes in der alljährlichen Hochwasserperiode zu verhindern und gleichzeitig eine allseitige und gleichmässige Bewässerung desselben zu ermöglichen (Herod. I 193. Xen. anab. I 7, 15. Strab. XVI 740f. Arrian. anab. VII 7, 3ff. Theophyl. V 6, 4ff.). Wo dieses Canalnetz nicht ausreichte, um den erstrebten Zweck zu erfüllen, waren grosse Bassins angelegt, in welche das Wasser des Euphrat abgeleitet werden konnte, um zu Bewässerungszwecken für die Zeit vom Ende des Hochwassers bis zum Eintritt [2711] des Winterregens, Anfang September bis Mitte November, angesammelt zu werden (Herod. I 186. Abyd. bei Euseb. chron. I 37f.; pr. ev. IX 457 c). Die Anfänge dieses grossartigen Systemes von Wasserbauten reichen bis in die älteste sumerische Zeit zurück. Alle späteren kraftvollen Herrscher B.s liessen sich seine Erweiterung und Verbesserung vor allem angelegen sein. Ganz besonders Chammurabi und Nebukadnezar II. sehen wir auch auf diesem Gebiete eine segensreiche Thätigkeit entfalten. Ihrem Beispiele folgte Alexandros d. Gr. durch eine gründliche Reinigung und teilweise Neuregelung des Canalnetzes, nachdem während der zwei Jahrhunderte der persischen Herrschaft eine gewisse Vernachlässigung eingerissen war (Aristobul. bei Strab. XVI 741. Arrian. anab. VII 21). Noch die römischen Kaiser Traianus (Cass. Dio exc. LXVIII 28. Amm. Marcell. XXIV 6, 1), Severus Alexander (Amm. Marcell. a. a. O.) und Iulianus (Lib. ἐπιτάφ. Amm. Marcell. a. a. O.) unternahmen, als sie erobernd in B. eindrangen, teilweise Wiederherstellungsarbeiten. Im einzelnen besitzen wir über diese künstlichen Wasserstrassen eine beinahe erdrückende Fülle von Nachrichten einerseits in mehreren in gelehrtem Neusumerisch abgefassten Keilschriftlisten geographischen Inhaltes (vgl. über drei derselben Delitzsch a. a. O. 189ff.) und den historischen Keilschrifttexten, welch letztere besonders den nâr Chammurabi, den Ostcanal von Babylon Libilchegalla, den Arachtu und die Canäle von Borsippa und Aganê erwähnen, andererseits in der Form beiläufiger Notizen im Alten Testament, bei klassischen Schriftstellern, im Talmud und bei arabischen Historikern und Geographen. Gleichwohl ist es unmöglich, auch nur einen grösseren Teil derselben in den heute das Land durchziehenden Canälen und Canalresten wiederzuerkennen. Die klassischen Schriftsteller kennen im wesentlichen nur vier der bedeutendsten babylonischen Canäle, und gerade bei diesen gelingt es auch noch Lage und Lauf mit einiger Bestimmtheit zu erkennen. Es sind: 1) der Νααρμάλχας oder Νααρμάλχης (Isid. Char 1. Plin. n. h. VI 120. Amm. Marcell. XXIV 6, 1. Zosim. III 24), aramaeisch nahar malkâ d. h. ,Königsfluss‘ (so z. B. Talm. babl. Kidduschin 70 b; Gittin 73 a; Sabbath 108 a) und entsprechend arabisch nahr el-malik, auch in Übersetzung des einheimischen Namens als ὁ βασίλειος ποταμός (Strab. XVI 747. Ptol. V 18, 8. 20, 2), ἡ βασιλικὴ διώρυξ (Polyb. V 51, 6), regium flumen (Plin. a. a. O. Amm. Marcell. XXIII 6, 25) bezeichnet, der bei Sippar-Aganê vom Euphrat abzweigte (Plin. a. a. O.) und in der Nähe von Seleukeia den Tigris erreichte (Theophyl. V 6, 6), also wohl identisch mit dem nâr Aganê der Inschriften; 2) der im Grunde mit ihm gleichnamige, aber keineswegs identische Νααρσάρης (verdorben in Μααρσάρης Ptol. V 20, 2, 6 und Marses Amm. Marcell. a. a. O.), assyrisch nâr scharri, ein Name der noch in dem arabischen en-Narsi zu Grunde liegen könnte, vielleicht der nâr Chammurabi, der im Altertum den Euphrat entweder mit dem Meere oder mit dem Pallakopas verbindend südwestlich von Babylon an Borsippa vorbeifloss (Ptol. a. a. O.), gegenwärtig wahrscheinlich durch den in den Sümpfen von Abû-Nedschm sich verlierenden breiten Nahr Hindîjeh bezeichnet wird; [2712] 3) der Παλλακόπας (Arrian. anab. VII 21, 1ff., verdorben in Παλλακότας Appian. b. c. II 153, Pallaconta Plin. n. h. VI 118), der 800 Stadien stromabwärts von Babylon nach rechts aus dem Euphrat abzweigte und den Alexandros d. Gr., weil er drohte die gesamte Wassermasse des Hauptflusses in die an seinen Ufern sich bildenden Sumpfseen abzuführen, durch Anlage eines Quercanals nach dem Euphrat zu trocken legte (Arrian. anab. VII 21, 6), vielleicht der Pîschôn der alttestamentlichen Paradieseserzählung (Genes. 2, 11; vgl. Jes. Sir. 24, 25. Jos. antiqu. Iud. I 38) und endlich 4) ὁ διὰ Βαβυλῶνος ῥέων ποταμός (Ptol. a. a. O., Babylonia fossa Plin. n. h. VI 122, hier jedoch wie von dem Interpolator des Ptolemaios mit dem Naarmalcha verwechselt), der in der keilschriftlichen Litteratur analog neben dem Euphrat als die Hauptwasserader Babylons erscheinende Arachtu, sumerisch Gugʿâna, vielleicht der Paradiesesstrom Gîchôn (Genes. 2, 13; vgl. Jes. Sir. und Jos. a. a. O.), der noch gegenwärtig unter dem Namen Schatt-en-Nîl am Nordrande des alten Stadtgebietes von Babylon aus dem Euphrat abgeht, zunächst unter ziemlicher Einhaltung seines alten Laufes nach Ostsüdost fliesst und weiterhin sich in zwei Arme spaltet, von welchen der eine bei Kûd-el-ʿAmâra den Tigris erreicht, der andere nördlich von der Ruinenstätte el-Muqajjar in den Euphrat zurückkehrt.

Wie gegen die Naturgewalt der Überschwemmung suchten ferner die alten babylonischen Herrscher ihr Land auch gegen Feindeseinfall durch mächtige Bauwerke zu schützen. Hierher gehört ausser den von Nebukadnezar II. angelegten Vorwerken der Hauptstadt nach Westen und Osten zu (s. S. 2675f.) vor allem die sog. Medische Mauer (τὸ Μηδίας καλούμενον τεῖχος Xen. anab. II 4, 12, τὸ Σεμιράμιδος διατείχισμα Strab. II 80; vgl. Xen. anab. I 5, 5. 7, 15. Steph. Byz. s. Χαρμάνδη), die nahe derjenigen Stelle, an welcher beide Flüsse sich am meisten einander nähern, vom Euphrat zum Tigris sich hinziehend das ganze Land gegen Norden hin absperrte. Ob man dagegen in den Σεμιράμιδος χώματα, unter welchen nach Ktesias bei Sync. 64 b Semiramis die Männer, welche ihre Liebe genossen, lebendig begraben hatte, gleichfalls Befestigungsbauten oder mit den Chronographen, Euseb. chron. II 12. Ioann. Antioch. frg. 1, 22 (FHG IV 539). Dionys. v. Telmahar 21. Michaël d. Gr. 41. Bar-Hebr. hist. 14. Chron. Syr. 12 Dämme von Canälen zu sehen habe, steht dahin.

VII. Bodenkultur. Neben Ägypten erscheint B. als erstes Agrikulturland des Altertums. Zwar ist auch in den besten Zeiten schwerlich die Urbarmachung des gesamten Bodens erreicht worden. Nicht einmal die Marschenbildung scheint jemals trotz der grossartigen Wasserbauten völlig haben verhindert werden zu können. Nach Ktesias bei Diod. II 7 hätte man schon bei der Verteilung der πύργοι über die Stadtmauern von Babylon auf Sümpfe Rücksicht genommen, welche bis an die Hauptstadt heranreichend diese auf einzelnen Seiten unnahbar machten. Jedenfalls boten in der persischen, hellenistischen und parthischen Zeit weite Strecken namentlich auf dem rechten Ufer südwärts von Borsippa bereits wie heute den Anblick ausgedehnter, während der [2713] Sommermonate vollständig unter Wasser gesetzter Sumpfgebiete. Vgl. z. B. Eratosth. bei Strab. XVI 741. Pomp. Mel. III 77. Arrian. anab. VII 21, 3f. Ptol. V 20, 7. Hier gedieh dann das gelegentlich auch auf Monumenten gleichsam als charakteristisch für die landschaftliche Physiognomie B.s angedeutete Schilf- und Papyrusröhricht, das der babylonischen Korbflechterei Material lieferte (Strab. XVI 740. Plin n. h. XIII 73. Arrian. anab. VII 22, 2. Dioscorid. IV 31). Dagegen zeigte das durch die Canalanlagen dauernd zu Acker- und Gartenland umgeschaffene Gebiet eine beinahe beispiellose Üppigkeit der Vegetation. Vor allem wurde hier Brotfrucht gebaut, sowohl Weizen (Herod. I 193. Theophr. h. plant. VIII 11, 7. Beros. bei Sync. 28 b. Strab. XVI 742) als Gerste (Herod. Theophr. Beros. Strab. a. a. O. Plut. Alex. 35). B. galt den Griechen geradezu als das erste Getreideland der Erde. Dem Kornbau an Bedeutung zunächst stand die Kultur der weltberühmten babylonischen Dattelpalmen (Herod. a. a. O. Xen. Cyrop. VII 5, 11. Theophr. h. plant. II 2, 8. 6, 2. III 3, 5. Beros. a. a. O. Diod. II 53. Strab. XVI 738. 742. Plin. n. h. XVII 68. Dion. Perieg. 1009f. Plut. qu. conv. VIII 4, 5. Ael. v. h. XVII 29. Amm. Marcell. XXIV 3, 12), über deren Grundsätze wir zum Teile noch im einzelnen unterrichtet sind. Vgl. φύτευσις ἀπὸ τῶν ῥάβδων Theophr. h. plant. II 2, 2; de caus. plant. I 2, 1, Versetzung περὶ τὸ ἄστρον h. plant. III 5, 4; de caus. plant. I 2, 1, Düngung des Bodens mit Salz de caus. plant. III 17, 4, Conservierung der Frucht durch das Insect ψήν Herod. I 193. Auch die meisten übrigen vegetativen Producte B.s, von denen wir hören, scheinen in plantagenartigen landwirtschaftlichen Betrieben rationell gebaut worden zu sein. Ausdrücklich bezeugt ist es von Sesam (Theophr. h. plant. VIII 7, 4; vgl. Herod. I 193. Beros. bei Sync. 28 b. Strab. XVI 742) und einer ἄκανθα-Art (Theophr. de caus. plant. II 17, 3), so gut als gewiss von Hirse (Herod. a. a. O.) und ὦχρος (Beros. a. a. O.) sowie von der Cypresse (Strab. XVI 741. Arrian. anab. VII 19, 4), dem einzigen Baume ausser der Palme, der in älterer Zeit in dem holzarmen Lande heimisch war (Herod. a. a. O. Strab. XVI 738. 742. Arrian. a. a. O.), sehr wahrscheinlich ferner auch von Gewächsen, welche Rohstoffe für die Parfümeriefabrication lieferten, wie bdellium (Plin. n. h. XII 35), iuncus odoratus (ebd. XXI 20) und Narde (Poll. VI 104), minder wahrscheinlich oder geradezu unwahrscheinlich nur von Wermut (Philostr. v. Apoll. I 21, 3), nasturtium (Plin. n. h. XX 130) und der theangelis herba (ebd. XXIV 164).

Neben der eigentlichen Landwirtschaft blühte seit alters der Gartenbau. Park- und Gartenanlagen umgaben überall die königlichen Paläste (schon im [Izdubar-] Gilgamischepos Taf. 4, I 1ff., bei den assyrischen Königen jedenfalls nach dem Vorbilde der babylonischen; vgl. Delitzsch a. a. O. 95ff.). Hier wurden auch sonst im Lande nicht heimische Pflanzen angebaut. So hören wir in den Gärten assyrischer Könige von Cedern, Obstbäumen und Weinreben. Entsprechend werden auch die Gärten B.s seit früher Zeit mit exotischen Pflanzen geschmückt gewesen sein. Einen neuen Aufschwung nahm die babylonische Gartenkultur in der Zeit Alexandros d. Gr., als Harpalos [2714] es unternahm, griechische Gewächse in den babylonischen Parks anzupflanzen, ein Versuch, der mit einziger Ausnahme des Epheus vollkommen gelang (Theophr. h. plant. IV 4, 1. Plut. Alex. 35). Seitdem waren namentlich Buchshecken und Lindengehölze ein beliebter Parkschmuck (Theophr. a. a. O.). Auch über die Grenzen der Gartenkultur hinaus scheint sich bald diese Bereicherung der babylonischen Pflanzenwelt geltend gemacht zu haben. Schon rund ein halbes Jahrhundert später gediehen auch auf dem flachen Lande in üppiger Fülle Apfel- und andere Obstbäume (Beros. a. a. O.). Auch die Rebe, welche schon in der epischen Sage vom Pestgotte Dibbarra als einheimisches Gewächs erscheint, im 5. Jhdt. aber ebenso wie Feige und Olive der babylonischen Vegetation fehlte, scheint sich seit dieser Zeit aus den Hofgärten heraus das offene Land wieder erobert zu haben (vgl. Herod. a. a. O.). Bereits in der Zeit des zweiten punischen Krieges kennt Chaireas eine babylonische Weinmarke νέκταρ (Athen. I 32 b), und bis in die spätere nachchristliche Zeit hören wir gelegentlich von babylonischen Reben und babylonischem Wein (Philostr. v. Apoll. I 21. Amm. Marcell. XXIV 3, 12).

VIII. Industrie und Handel. Kaum weniger als durch seine Bodenkultur ragte B. im Altertum durch seine Industrie und seinen Handel hervor. Als charakteristische Zweige der babylonischen Industrie erscheinen in erster Linie, da der Backstein, wie die monumentalen Funde, die Inschriften und alle griechischen und römischen Nachrichten über babylonische Bauten übereinstimmend lehren, das regelmässige Baumaterial war, Backstein- und Ziegelbrennerei; ferner Rohrflechterei (Strab. XVI 740), Holz- und Elfenbeinschnitzerei (Herod. I 195. Strab. XVI 746), Herstellung cylinderförmiger geschnittener Siegel aus Thon, Halbedelsteinen und Edelsteinen (Herod. a. a. O. Theophr. de lap. 24. Strab. a. a. O.), Bronzebereitung (Inschr. Gudea B. VII 52ff. = K. B. III 1, 42f. und den von Hommel Geschichte 192 in Übersetzung mitgeteilten Zauberspruch), Waffenfabrication (vgl. z. B. Inschr. Gudea B. V 37ff. = K. B. III 2, 34f.), Möbelfabrication (Theophr. h. plant. II 6, 6), Fabrication wohlriechender Öle und Salben (Alexis bei Poll. VI 104. Posid. bei Athen. XV 692 c; vgl. Hor. c. II 11, 16. Tib. III 6, 63), Leinen-, Baumwoll- und Wollweberei (das erste λινουργεῖον des Landes in Borsippa Strab. XVI 739), Purpurfärberei (Philostr. ep. 54; imag. I 27, 4), Buntstickerei (Plin. n. h. VII 74. Mart. VIII 28, 17f.), Gewinnung von Leuchtpetroleum und Kochsalz aus den salzhaltigen Naphthaquellen (Plin. n. h. XXXI 82; vgl. Strab. XVI 743), endlich im Süden nahe der Meeresküste Goldgewinnung – ungewiss, ob aus den Flüssen oder durch Schürfung –, Herstellung kunstgewerblicher Erzeugnisse aus Gold und Perlenfischerei (Thontafelinschr. Tiglath Pilesers III. aus Nimrud 27f. = K. B. II 14ff.).

Für die Bedeutung und Ausdehnung des babylonischen Handels zeugt schon die Verbreitung und der Einfluss des auf dem Sexagesimalsystem beruhenden babylonischen Masses und Gewichtes. Vgl. im allgemeinen Brandis Münz-, Mass- und Gewichtswesen in Vorderasien bis auf Alexander d. Gr., Berlin 1866. Hultsch Heraion und Artemision, [2715] zwei Tempelbauten Ioniens, Berlin 1881, 25ff. 44ff.; Griechische und römische Metrologie². Berlin 1882, 380–528. Das babylonische Gewicht war bereits im Anfang des 16. Jhdts. v. Chr. bis nach Ägypten bekannt (Inschr. Thutmosis III. von Karnak; vgl. Brugsch Histoire d’Egypte, Leipzig 1875, 108f.). Das babylonische Hohlmasssystem lag bei den Phoinikiern, Syrern, Israeliten, Persern und den späteren Ägyptern zu Grunde. Die Proportion der babylonischen Doppelwährung wurde die Norm für die spätere lydische, persische, phoinikische und karthagische Münzprägung. Der wichtige sabaeische Handel bezeugt sein inniges Verhältnis zum babylonischen durch die Abhängigkeit der in ihm gebräuchlichen Masse von denjenigen B.s. Selbst die Griechen führten noch Errungenschaften ihrer materiellen Kultur wie die Sonnenuhr und die Zwölfstundeneinteilung des Tages auf eine Berührung mit der babylonischen zurück (Herod. II 109; vgl. Vitr. IX 9), die schwerlich anders als durch Vermittlung eines bis an die Ostküste des aegaeischen Meeres reichenden babylonischen Handelsverkehres gedacht werden kann. Aber auch an ausdrücklichen Zeugnissen für die hohe commercielle Bedeutung B.s fehlt es nicht. Der Prophet Ezechiel 17, 5 nennt B. geradezu ,Land des Handelsmannes‘ und die Hauptstadt eine ,Stadt von Kaufleuten‘, und Herod. I 194 und Aristob. bei Strab. XVI 766 lassen auf einen kaum zu überschätzenden Umsatz südlicher und nördlicher Waren in Babylon noch für das 5. und 4. Jhdt. schliessen. Importiert wurden im allgemeinen verschiedene Stein-, Holz-, Tier- und Pflanzenarten, Rohmetalle und verarbeitete Metallgegenstände, Weihrauch und andere wohlriechende Stoffe, Weine, Seide, Baumwolle und Porzellan, vgl. Tiele Geschichte II 694f. Im einzelnen bezog man Bauholz, namentlich Cedern-, Cypressen-, Pinien- und Eichenstämme vom Amanos, Libanon und anderen Gebirgen des Westens und Nordens (vgl. z. B. Inschr. Gudea B. V 28ff. 53ff. VI 45ff., Agum-kakrimê IV 9ff., Nebukadnezar II. E. I. H. III 21ff. = K. B. III 1, 32ff. 34f. 144ff. 2, 14f.), sowie von der Insel Dilmun, dem Τύλος der Griechen (Inschr. Gudea B. IV 9ff. = K. B. III 1, 52ff.; vgl. Theophr. h. plant. IV 4, 7), harte Steine besonders aus dem Gebiete Makân und weiter entfernten Höhenzügen des Westens (vgl. z. B. Inschr. Gudea B. VI 3ff. 13ff. = K. B. III 1, 34ff. 6f.), Metalle und zwar in erster Linie Gold, Kupfer und Zinn, später auch Eisen, weniger Silber und Blei, aus den Gebirgen des näheren und ferneren Ostens und Nordens, teilweise schon aus dem Bezirke Melucha (vgl. z. B. Inschr. Gudea B. VI 21ff. = K. B. III 2, 52ff.), Weine aus Armenien (Herod. I 194), Syrien und dem Kassitenlande (Inschr. G. C. I 22ff. = K. B. III 2, 32f.), Weihrauch und Rohstoffe für die babylonische Parfümeriefabrication aus Südarabien (Arrian. Ind. 41), Baumwolle von Dilmun-Τύλος (Theophr. h. plant. IV 7, 7) und vielleicht weiterher aus Indien. Exportiert wurden Edelsteine (Onyx Dioscorid. II 10, Carneol Plin. n. h. XXXVII 105, Beryll Dion. Perieg. 1111ff., bucardia gemma Plin. n. h. XXXVII 150), Asphalt (Plin. n. h. XXXV 178), Korb- und andere Rohrgeflechtewaren (vgl. lat. canna, griech. καννή, phoinik. kaneh = assyr.-babyl. kânu), Pfauen (Diod. II 53, 1. Publ. Syr. bei Petron. [2716] 55), Parfümerien (s. o.) und vor allem die in der ganzen alten Welt berühmten kostbaren gefärbten oder bestickten Stoffe. Den letztgenannten begegnen wir schon in verhältnismässig früher Zeit bei den Israeliten (Josua 7, 21), später auf dem Markte von Tyros (Ezechiel 27, 23f.) und bei den Persern (Aristob. bei Arrian. anab. VI 29, 6), besonders aber und bis in die späteste Zeit bei den Griechen (Jos. bell. Iud. V 5, 4. VII 5, 5. Dio Chrys. or. LXXIX 1. Philostr. ep. 54; imag. I 27, 4. Paus. V 12, 4. Nonn. XL 301ff. Xen. Eph. I 8, 2. II 7, 3. Charit. VI 4, 2. VIII 1, 4. 4, 7. 7, 3) und Römern (Plaut. Stich. 378. Lucr. IV 1026. Plin. n. h. VIII 74. Mart. epigr. 1, 2. VIII 28, 17f. Dig. XXXIV 2, 26. XXXIX 4, 16. ed. Diocl. 22). Endlich war B. naturgemäss auch der Träger des, nach dem Zeugnis des Propheten Ezechiel 27 zu schliessen, sehr bedeutenden Transithandels mit südarabischen und indischen Waren, nach den grossen Handelscentren der phoinikischen Küste.

Was die Wege des babylonischen Handels anlangt, so kamen nach weiter entfernten Ländern des Westens und Ostens von vornherein nur die grossen Karawanenstrassen Vorderasiens in Frage, die zuerst dem Euphrat entlang durch Mesopotamien, dann quer durch die syrische Wüste dem Mittelmeer zu und durch die nordwestlichen, nördlichen und nordöstlichen Randgebirge des iranischen Hochlandes nach Centralasien führten (Strab. XI 514 nach Eratosthenes und XVI 748. Isid. Char.). Dem Handel im Inneren des Landes und mit den Grenzgebieten dienten die aus dem Euphrat nach beiden Seiten abgezweigten Canäle als bequeme Wasserstrassen (vgl. Xen. anab. I 7, 15). Ebenso erfolgte der Import aus dem Norden auf Flössen den Euphrat herab bis Babylon (Herod. I 194). Nach Süden stand die Hauptstadt gleichfalls durch den Euphrat und weiterhin durch das Meer in unmittelbarer Verbindung mit Gerrha, einer angeblich chaldaeischen Colonie an der arabischen Küste (Strab. XVI 766; vgl. Assemanni Bibliotheca orientalis Clementino-Vaticana III 2, 558), dem Hauptstapelplatz indischer und arabischer Waren im persischen Meerbusen (Aristob. bei Strab. a. a. O. Suid. s. Σιτακτή; vgl. Agatharch. bei Phot. bibl. cod. 250. Diod. III 42. Strab. XVI 775).

IX. Religion, Wissenschaft, Litteratur, Kunst. Vgl. Art. Assyria. Die Griechen standen wenigstens in historischer Zeit, die Römer natürlich von jeher der babylonischen Geistesbildung völlig fremd gegenüber. Dagegen hat gewiss in der Urzeit des Griechentums das Babyloniertum in Mythologie, Kunst und praktischer Verwertung mathematischen und astronomischen Wissens höchst befruchtend auf dasselbe gewirkt. Immerhin ist auch hier, besonders was die Mythologie anlangt, im Annehmen babylonischen Einflusses höchste Vorsicht geboten. Ischtars Höllenfahrt und Demeter-Kore, [Izdubar-] Gilgamisch und Herakles, Xisuthros und Deukalion, der Kampf der sieben bösen Geister gegen die Götter und der Titanen- bezw. Gigantenkampf, der Kampf Marduks gegen den Drachen des Chaos und der Kampf Apollons gegen Python sind allerdings verführerische, aber eben auch zu verführerische Parallelen. Späterhin beherrscht die gänzlich unhistorische [2717] Vorstellung von einer Priester- und Gelehrtenkaste der Chaldaioi alle Anschauungen der Griechen bezüglich B.s und seiner geistigen Kultur. Eine wirkliche Kenntnis der letzteren wurde weder gewonnen, noch auch nur erstrebt. Die griechisch abgefassten Werke des Berosos und einiger anderer babylonischer Gelehrten hellenistischer Zeit – Strab. XVI 739 nennt Kidenas, Naburianos, Sudinos und einen Seleukos aus Seleukeia, Chron. pasch. I 38 einen Semeronios, Michaël d. Gr. 35 einen Menandros, doch mag es sich bei solchen Namen vielfach um griechische Schwindelschriftsteller handeln – fanden nur bei griechischen μαθηματικοί, bei Alexandros Polyhistor und wesentlich durch dessen Vermittlung bei Juden und Christen, zuletzt bei Abydenos Beachtung. Die Angaben über eine Περσικὴ oder Βαβυλωνιακὴ ᾠδή, in welcher 360 ὠφέλειαι der babylonischen Palme gepriesen worden seien, bei Strab. XVI 742. Plut. quaest. conv. VIII 4, 5 können ebensogut auf eine wirklich persische oder eine parthische als auf eine babylonische Dichtung bezogen werden.

X. Wohnung, Kleidung, νόμιμα. Ebensowenig wie über die höhere geistige Kultur derselben zeigen sich die Griechen über das tägliche Leben der Babylonier und dessen Verhältnisse unterrichtet. Am ehesten lässt sich das Gegenteil noch bezüglich der Wohnung und Kleidung sagen. Die Wohnhäuser in Babylon waren nach Herod. I 180 drei und vierstöckig. Neben Wohnungen mit Backsteinmauern, bei welchen Asphalt an Stelle des Mörtels diente, wie solche Eratosthenes bei Strab. XVI 743 im Auge hat, kennt Strab. XVI 738 auch solche, deren Wände aus Rohrgeflechten bestanden, welche in ein System von Palmenholzbalken eingefügt und mit Asphalt bestrichen waren. Als charakteristisch für die babylonische Tracht werden Herod. I 195. Strab. XVI 746 angeführt ein bis zu den Füssen reichender, leinener χιτών, ein wollenes Überkleid, ein kleiner Mantel von weisser Farbe, den boiotischen ἐμβάδες ähnliche Schuhe, langes Haar, eine steife Mütze (μίτρη) als Kopfbedeckung und ein oben mit einem geschnitzten Aufsatze in Gestalt einer Rose, eines Apfels, eines Adlers u. s. w. geschmückter Stab. Als babylonische Waffe wird Poll. III 60 der καυνάκης erwähnt. Die assyrisch-babylonischen Bildwerke stimmen wohl zu dieser Schilderung des Kostüms. Auch dass man in B. sich häufig badete und reichlich mit wohlriechenden Salben einrieb (Strab. XVI 746), an Stelle des Olivenöls Sesamöl gebrauchte (Herod. I 193. Strab. a. a. O.), Erdöl zur Beleuchtung verwandte (Strab. XVI 743. Plin. n. h. XXXI 82), Fahrzeuge aus Tierhäuten (Herod. I 194) und solche aus mit Asphalt getränktem Rohrgeflechte benützte (Strab. XVI 743), hat gewiss seine Richtigkeit. Bedenklicher steht es um die Glaubwürdigkeit einiger anderer Angaben über babylonische νόμιμα bei Herod. I 196–199. Strab. a. a. O. Nicol. Damasc. bei Stob. Flor. XLIV 41. Ael. v. h. IV 1. Lucret. III 889. Varro bei Non. 230, die sich auf Eheschliessung, geschlechtliche Verbindung, Krankheit, Totenklage und Begräbnis beziehen. Eine Ausnahme macht die Angabe über sacrale Prostitution im Dienste der, wie Herodot behauptet, Μύλιττα genannten Aphrodite. Solche [2718] war thatsächlich in Uruk zu Ehren der Ischtar üblich, nur waren es nicht, wie die Griechen glaubten, ehrbare Frauen und Mädchen, sondern gewerbsmässige Hierodulen, die sich hier jedem Beliebigen hingaben; vgl. [Izdubar-] Gilgamisch-Epos Taf. II.

XI. Neuere Litteratur. Vgl. im allgemeinen die landläufigen Werke über alte Geographie und Geschichte und die am Schluss des Artikels Assyria zusammengestellten Specialwerke über assyrische und babylonische Geschichte, sowie G. Rawlinson The five great monarchies of the ancient Eastern World I 1–224. III 241–Schluss und Ménant Babylone et la Chaldée, Paris 1875; im einzelnen für Geographie B.s in vorchristlicher Zeit Schrader Keilschriften und Geschichtsforschung, Giessen 1878. F. Delitzsch Wo lag das Paradies? Leipzig 1881 an zahlreichen Stellen und G. Rawlinson On the geography of Mesopotamia and the adjacent countries, Essay IX in The history of Herodotus by G. Rawlinson I 531–583, in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten Neubauer La géographie de Talmud, Paris 1868, 320–368 und Berliner Beiträge zur Geographie und Ethnographie Babyloniens im Talmud und Midrasch, Berlin 1884, bezüglich der einzelnen Ruinenstätten, der Ausgrabungen und ihrer Ergebnisse (abgesehen von Babylon) Layard Discoveries among the ruins of Nineweh and Babylon, New York 1853. Loftus Travels and Researches in Chaldaea and Susiana, London 1858. Oppert Expédition scientifique en Mésopotamie, I. Paris 1862. Taylor Notes on the ruins of Muqeyer, Journal of the R. Asiatic Society XV 1855, 260–276; Notes on Abu Shahrein and Tel el Lahm ebd. 404–415. H. Rassam Recent Discoveries of ancient Babylonian Cities, Transactions of the Society of Biblical Archaeology VIII 1884, 172–197 und G. Pinches The antiquities found by Mr. H. Rassam at Abu-Habbah (Sippara) ebd. 164–171. E. de Sarzec Découvertes en Chaldée publ. par Heuzey, Paris 1884, 1887ff. Ménant L’expédition Wolfe en Mésopotamie, Revue archéologique VIII 1886, 233–238. W. Hayer Ward Report on the Wolfe expedition to Babylonia 1884–85, Boston 1886; On Recent Explorations in Babylonia, Johns Hopkins Univ. Circul. 1886 May. Fr. Brown The Wolfe Exploring Expedition to Babylonia, Presbyterian Review 1886, 155–9; The American Expedition to Mesopotamia, The Academy 1886, 421f. Koldewey Ztschr. f. Assyriol. II 403ff. Budge Ztschr. f. Assyriol. III 211ff. C. Adler A Babylonian Expedition, The American 1888. E. Meyer Ausgrabungen in Babylonien, Deutsche Rundschau XIII 1887, 33–49. Peters American Journal of Archeology X 13ff. 352ff. 439ff. R. F. Harper The Old and New Testament Student 1892 nr. 3. 4. 6. Hilprecht Sunday School Times 1895 nr. 25. 28. 1896 nr. 1. 3. 9. Allgem. Evang. Luther. Kirchenzeitung 1896 nr. 19.