RE:Ἀσφόδελος

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Asphodelos, Pflanze, Affodillgewächse
Band II,2 (1896) S. 17301733
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Ἀσφόδελος, asphodelus, selten asphodilus, rein lateinisch albutium (Isid. orig. XVII 9, 84), albucum oder albucus, auch hastula regia (quod regii sceptri effigiem, dum floret, referat Plin. n. h. XXI 109. Scrib. Larg. comp. 254) oder heroum (Plin. XXII 67), — Etymologie unsicher, denn mit σφόνδυλος hängt es schwerlich zusammen; neugriechisch ἀσφόδελω, σπερδοῦκλα, σφερδουλάκα, σπούρδακλα, σπουρδάκυλα, auch καραβούκι (vgl. Billerbeck Fl. cl. 92), italienisch asfodillo — ist sicherlich als eine Asphodelusart zu deuten, nach der gewöhnlichen Annahme als Asphodelus ramosus L., ästiger Affodil (Affodill) oder Asphodil (abgebildet bei Plenck Icones [1731] plantarum medic. Taf. 267. Reichenbach Icones florae Germ. et Helvet. 10 Taf. 514. Sturm Deutschlds. Flora 2 Taf. 6), eine bekannte lilienähnliche Gartenzierpflanze (Liliacee) Südeuropas, doch auch in unseren Gärten vorkommend, mit schmalen, dicken, langzugespitzten, gräulichen, etwas klebrigen Blättern (vgl. Theophr. h. pl. VII 13, 1), einem sehr (1 bis 2 Ellen) hohen, runden, glatten, oben ästigen Stengel und wohlriechenden (Paus. X 38, 2), in Rispen stehenden, gelblichweissen bezw. violetten Blütenähren; vgl. die Pflanzenbeschreibung bei Dioskorides II 199 und Plin. XXI 109. Ein besonderer Name für Stengel und Blüte war ἀνθερικόν oder ἀνθέρικος, auch ἀνθερίσκος, Theophr. VII 13, 2. Schol. Nic. Ther. 534. Diosc. a. O. Bekk. Anecd. 403. Nach Leunis Synops. II. Teil³ II § 719, 16 kommt Asphodelus ramosus (s. microcarpus, vgl. v. Heldreich Nutzpfl. Gr. 7; Pfl. d. att. Ebene 514) in Griechenland allenthalben, auf Hügeln, trockenen Ebenen und Vorbergen, selbst in feuchten Niederungen, von der Meeresküste bis 1000 m. Höhe vor, ist angeblich insbesondere bei Athen gemein und wächst auch in Italien, ferner in Spanien, Portugal und auf Corsica, besonders an den Meeresufern und auf Wiesen üppig. Da indes Nyman (Syll. fl. Eur. 368) die genannte Art für Griechenland nicht mit anführt, so erscheint die Annahme Murrs (Die Pflanzenw. i. d. gr. Myth. 240) beachtenswert, der auf eine ganz ähnliche Art hinweist, deren ungleich häufigeres Vorkommen in Attika fest verbürgt ist, nämlich auf Asphodelus fistulosus L. (vgl. ausser Billerbeck a. O. v. Heldreich Pflanzen d. att. Ebene 527. 568). Nach v. Heldreich ist diese Pflanze besonders häufig auf den Phryganahügeln, aber auch sonst im ganzen Gebiete in grosser Menge, vom Meeresstrande bis über 3000’ Höhe in den Gebirgen ansteigend. Zuerst erscheinen im Winter und frühesten Frühjahr die Blätterbüschel, sehr bald auch die Blütentriebe und in günstigen Lagen oft schon im Januar die ersten Blüten. Die meist gesellig in grosser Zahl zusammengescharten Individuen, stattliche, bis 1 m. hohe Pflanzen mit reichblütigen, vielverzweigten (von den Bienen gern aufgesuchten, vgl. Arist. hist. an. IX 40. Colum. IX 4, 4) Blütenrispen gewähren im vollen, langanhaltenden Blütenflor (März bis April) einen herrlichen Anblick und sind ein charakteristischer Schmuck der attischen Flora. Die Wurzel (Theophr. h. pl. I 6, 7. VII 9, 4) hat kleine längliche, Eicheln ähnliche, stärkemehlhaltige, scharf schmeckende, geniessbare (Theophr. VII 12, 1) Knollen (bis zu 80, vgl. Plin. XXI 109), die nach Art der Kartoffeln von den Alten (z. B. vom Philosophen Pythagoras, vgl. Porphyr. vit. Pyth. 34), wenigstens in den älteren Zeiten, thatsächlich gegessen wurden. Sie lieferten in Verbindung mit Malven oder Feigen (vgl. Hes. op. 41. Theophr. h. pl. VII 13, 3. Plin. XXI 108. Gell. XVIII 2, 13. Suid.) wohl schon den alten Pelasgern eine bescheidene Mahlzeit (die Kartoffel der Alten! Spiritusherstellung aus den Wurzelknollen gegenwärtig in Languedoc umfangreich betrieben; auch auf dem königlichen Gute Heptalophos bei Athen hat man diesbezügliche Versuche angestellt, doch behielt der gewonnene Branntwein einen unangenehmen Geruch und scharfen Geschmack, v. Heldreich Nutzpfl. Griechenl. 8; im Orient werden [1732] die vorher gedörrten Knollen zu Pulver gemahlen und unter dem Namen Τσιρίσσι in den Handel gebracht; dieses Pulver wird mit Wasser angerührt und giebt einen äusserst haltbaren, sehr dextrinreichen Kleister). Im grossen Ganzen scheinen aber die (jetzt in Griechenland nicht mehr gegessenen) Affodilwurzeln immer mehr als eine Art Notgericht armer Leute gegolten zu haben, zu dem sie ihre Zuflucht nahmen, wenn sie nichts Besseres hatten, vgl. Hes. a. O., wo Malve und Affodil als zwar reichliche Nahrung (vgl. Plin. XXII 67) gebende, aber wenig benutzte Pflanzen genannt werden. Malve und Affodil (ἀνθέρικος) wurden dem delischen Apollon als die Sinnbilder der ersten Nahrung (τῆς πρώτης ὑπομνήματα τροφῆς) feierlich im Tempel geweiht; Plut. symp. VII sap. 14 vgl. mit Ael. v. h. IV 17. Übrigens soll ein aus den Wurzeln bereitetes Mehl thatsächlich als Nahrung verwendbar sein. Die gedörrten und zu Pulver gemahlenen Knollen werden noch jetzt aus dem Oriente in den Handel gebracht. Der ganze traurigernste Eindruck, den die Pflanze macht, mochte schon die alten Beschauer unwillkürlich an den bleichen Tod, an das halbdüstere Dämmerlicht des Hades erinnern, vgl. Welcker Götterl. I 800f. So kann es nicht Wunder nehmen, wenn die .-Pflanze zur Unterwelt in vielfache Beziehung gesetzt wurde. Erstlich hiess eine Wiese in der Unterwelt ἀσφοδελὸς λειμών (so betont, vgl. Hesych.; Hexameterschluss bei Homer: κατ’ ἀσφοδελὸν λειμῶνα, vgl. Od. XI 539. 573. XXIV 13. Lucian. Char. 22; ähnlich Hymn. in Merc. 221. 344). Das war die bekannte mit Affodil bewachsene Wiese, der Tummelplatz der Schatten, wo Minos die Verstorbenen richtete, vgl. Luc. Necyom. 11; Philops. 24; Catapl. 2. Hier, im Lande der Träume, wo auch grosse Jagden abgehalten werden, grünt der Affodil als Blume der elysischen Gefilde, umschwebt von den Luftgebilden der Manen. Wie die Malve, galt auch die .-Wurzel als kümmerliche Speise der Toten in der Unterwelt, vgl. Buchholz Hom. Realien I 2, 214. Sodann war der . überhaupt den chthonischen Gottheiten heilig (Murr 242). Wichtig sind in dieser Beziehung die Worte des Suidas: Περσεφόνης καὶ Χθονίων ἱερόν. Καὶ Ῥόδιοι τὴν Κόρην καὶ τὴν Ἄρτεμιν ἀσφοδέλῳ στέφουσιν, vgl. Bekk. Anecd. 457. Die Rhodier bekränzten also ausser den Bildern der unterirdischen Persephone (vgl. De Gubernatis Myth. des plantes II 29. Creuzer Symb. IV 457) auch die der (chthonischen) Artemis mit . Da aber letztere wieder viele Züge mit Hekate gemein hat, wundern wir uns nicht, wenn im kolchischen Zaubergarten der Hekate auch der . seine Stelle hat, vgl. Orph. Arg. 915. Bei Theokrit (XXVI 4) schmücken Ino, Autonoë und Agaue die Altäre des (chthonischen) Dionysos und seiner Mutter Semele ausser mit Epheu auch mit . Mit der Thatsache, dass sich der Beschauer der durch ihre starre, düstere Schönheit auffallenden Pflanze eben durch diesen Anblick an den Hades gemahnt fühlte, mochte es wohl zusammenhängen, wenn man den . zur Gräberpflanze machte, vgl. Porphyr. bei Eustath. Odyss. XI 573f. Otto Jahn Beschreibung der Vasensammlung König Ludwigs in der Pinakothek zu München CXXIV. Heidemann Neapler Vasensammlung 2868: unteritalische Vase [1733] mit der Inschrift: νώτῳ μὲν μαλάχην τε καὶ ἀσφόδελον πολύριζον, κόλπῳ δ’ Οἰδιπόδαν Λαΐου υἱὸν ἔχω; vgl. Göttling zu Hes. op. 41. Fraas Syn. pl. fl. cl. 288. Der kindliche Glaube, dass man den Toten noch einige Nahrung mit auf den Weg geben müsse (vgl. Luc. de luctu 19), mag bei diesem Kultgebrauch mitgewirkt haben, der übrigens noch heutzutage in Griechenland vorkommen soll. Merkwürdig ist, sagt Dierbach (Flora myth. 144), dass auch die Japaner eine ganz ähnliche Art, den Asphodelus asiaticus Hawkins, auf ihre Grabhügel pflanzen und das blühende Gewächs in Töpfen auf Leichensteine stellen. Doch fehlt es auch nicht ganz an Beweisen, dass die Pflanze nicht durchgängig als Trauerblume betrachtet wurde, vgl. z. B. Theokr. VII 68. Affodil, dessen Stamme in Campanien die Schnecken sehr nachgingen, um ihn auszusaugen (Plin. XXII 68), diente im Altertum auch als Schutzmittel gegen Zauberei. So sollte er ein vorzügliches Mittel gegen Vergiftungsversuche sein, wenn man ihn vor das Thor der Villa pflanzte (Plin. XXI 108). Auch andere, zum Teil höchst wunderbare Eigenschaften und Wirkungen wurden an ihm gerühmt. Er galt, mit Gerstengrütze gekocht, als Heilmittel bei Auszehrung und Frauenkrankheiten, ferner als Präservativ gegen Mäuse, Schlangen, Scorpione u. s. w. Man legte ihn auch als Schutzmittel gegen allerhand giftige und schädliche Tiere unter das Kopfkissen; Diosk. II 199. Plin. XXII 67—72. XXVI 147. Nic. Ther. 73. 534. Pallad. I 37, 2. Lenz Bot. d. a. Gr. u. R. 302f. Weil ihn die Insecten mieden, eignete er sich gut als Gemengteil zur Streu in den Schafställen, Geopon. XVIII 2, 5. Seine Wurzeln, in die Tröge geworfen, bewahrten die Schweine vor Pestilenz (Geopon. XIX 6, 13), wie sie denn, unter das Schweinefutter gemengt, in dem Rufe standen, kranke Schweine gesund zu machen, Geopon. XIX 7, 3. Als Ziegenfutter erwähnt ihn Eupolis bei Plut. symp. IV 1, 3. Die Stengel des . wurden mit Binsen verbunden und daraus eine Art Heuschreckennetz gefertigt, Theokr. I 52. Nach Hellanikos fertigten die libyschen Nomaden, die Diodorus Siculus (XX 57) als sog. Ἀσφοδελώδεις bezeichnet, Hütten aus Stengeln des ., vgl. Herod. IV 190. Athen. XI 462 b (= FHG I 57), und in der Unterwelt (bei Tyroessa) lässt Rhadamanthys 50 Helden in ein Schiff steigen, das ganz aus .-Stengeln hergestellt ist, Luc. ver. hist. II 26. Ob Galen (VI 651. XI 842) unter . dieselbe Pflanze verstanden hat, wie Theophrast und Dioskorides, gilt als streitig; Näheres hierüber bei Sprengel zu Diosk. II 199.

[Wagler. ]