Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Schriftsteller
Band II,1 (1895) S. 13321334
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35) Von Parion, ein nur von Seneca nat. quaest. [1333] I 4 und (mit dem blossen Namen) VII 13 erwähnter Schriftsteller. Er könnte etwa περὶ μετεώρων geschrieben haben, denn Regenbogen und Kometen, worüber Seneca seine Ansichten anführt, sind Erscheinungen, die die Alten beide zu den μετέωρα rechneten. An der zweiten Stelle macht Seneca ausserdem einige Mitteilungen über die kosmischen Anschauungen des A. Diese stehen aber in unmittelbarem Zusammenhange mit der Kometenhypothese desselben, zu deren Stütze sie dienen sollen. Quelle Senecas wird auch hier Poseidonios (oder dessen Bearbeiter) gewesen sein. Denn die Definition des Regenbogens, wie sie Seneca I 5, 13 (vgl. 8, 4. 5, 10) mit Berufung auf Poseidonios giebt (etwas genauer als die griechische Überlieferung Diog. Laert. VII 152. Ps.-Aristot. περὶ κόσμου 4 p. 395 a. Areios Didymos b. Diels Dox. 455, 15), zeigt deutlich den Einfluss des A., der I 4, 3. 4 die alte Erklärung des Regenbogens als Spiegelung der Sonne auf einer gegenüberliegenden Wolke (vgl. Anaxagoras Doxogr. 373, nähere Übereinstimmung mit der aristotelischen Ansicht zeigt sich nicht) vom Standpunkte der Katoptrik aus näher ausführt, s. Iris. Und im siebenten Buche (s. unter Kometen) macht sich, wie hier nicht weiter ausgeführt werden kann (doch vgl. über Senecas Art der Quellenbenützung Joh. Müller im Festgruss aus Innsbruck a. d. 42. Philol. Versamml. S. 10ff.), in der Kritik der von A. vertretenen Erklärung der Kometen (c. 12–16, noch deutlicher in dem gegen Apollonios von Myndos gerichteten c. 18) neben Einwürfen von Senecas Standpunkt aus (nach ihm sind die Kometen wirkliche Sterne, die Zahl der Wandelsterne unbeschränkt) vielfach eine Anschauung geltend, die mit der des Seneca in Widerspruch steht und vielmehr von der aristotelisch-poseidonianischen Auffassung der Kometen als atmosphärischer Producte ausgeht. So liegt es schon aus diesem Grunde nahe, als Hauptquelle auch hierfür den Poseidonios anzunehmen. A.s Erklärung ist nun dieselbe, die Doxogr. 366, 13 (vgl. Sen. a. a. O. 12, 1) dem Anaxagoras und Demokrit zugeschrieben wird: die Kometen seien blos optische Erscheinungen, hervorgerufen durch das Zusammenfliessen des Lichtes einander nahe kommender Sterne. Und aus Sen. 16 möchte man schliessen, dass A. durch den Bericht des Ephoros über eine Teilung des vielgenannten Kometen vom J. 373 zur Erneuerung jener älteren Hypothese gekommen sei (wie schon auf Demokrit nach Aristot. meteor. I 6, 11 Ähnliches eingewirkt zu haben scheint). A. begründete diese Annahme näher durch den Hinweis auf die Möglichkeit einer unbestimmt grossen Zahl von Nichtfixsternen (wie schon Demokrit? Sen. VII 3) mit eigentümlichen zum grossen Teil unbekannten Bahnen oder mit zu schwachem Lichte (Anlehnung an Anaxagoras Annahme von dunklen Himmelskörpern? Doxogr. 562, 16). Diese Sterne vereinigten ihr Licht mit bekannten und brächten so das Bild von Kometen hervor. Dem A. ganz eigentümlich ist nun die Art, wie er sich diese nur mitunter auftretenden Sterne entstanden denkt. Nach ihm ist die Welt umgeben von einer festen und dicken Atomhülle. Ob sie Kugelgestalt hat, ist nicht gesagt, aber nach 14, 2. 3 wahrscheinlich (G. Müller De L. Sen. quaest. nat. diss. Bonn. 1886, 44 liest 13, 2 testu statt des auffallenden tecti; [1334] dieses ist aber durch lacunaria 14, 1 hinreichend geschützt, abgesehen von Analogien wie der Mauer des Parmenides, den flammantia moenia mundi des Lucrez). Der Atomhülle zunächst liege eine gleichfalls compacte Feuerschicht. Aber es bestehe eine Verbindung zwischen dem Kosmos und dem Raume ausserhalb (auch diese Stelle ist nicht klar, Usener bei Müller a. a. O. liest habent statt habet) durch spiramenta quaedam et quasi fenestras. Durch diese strömten von aussen Feuerteile herein und wieder hinaus: jene neuen Sterne. Als demokritisch erscheint hier wieder die grundlegende Annahme einer die Welt umgebenden dichteren Atomhülle und wohl auch die allgemeine Vorstellung eines Zusammenhanges zwischen dem Kosmos und dem Raume (Zeller Philos. d. Griech. I⁵ 890. 894). Andererseits aber wird man ausser an jene ἐκπνοαί Anaximanders an pythagoreische Vorstellungen vom Atmen der Welt aus dem Unendlichen erinnert (Doxogr. 316. Zeller 436), wie auch die (äussere?) Feuerschicht vielleicht mit dem philolaischen die Welt begrenzenden Feuer zusammenhängt. So finden sich atomistische und vielleicht spät-pythagoreische Anschauungen in A. wie in anderen (Zeller a. a. O.) vereint (auch seine Erklärung der Farben des Regenbogens Sen. I 4, 4 berührt sich mit der des Demokriteers Metrodor, Doxogr. 374. Schol. Arat. 940). Dies wäre aber auch dann möglich, wenn A. Epikureer gewesen wäre (als solcher wird er ohne Begründung bezeichnet bei Müller a. a. O.). Abweichungen von sonstigen Lehren der Schule würden dem bei der Gleichgültigkeit der epikureischen Physik gegen bestimmte Aufstellungen nicht gerade widersprechen. Und bemerkenswert ist – abgesehen von dem Atomismus A.s und der hieraus hervorgehenden Auffassung der Schwere, gegen die sich die stoische Polemik c. 14 richtet –, die Übereinstimmung gerade jener altertümlichen Annahme von spiramenta mit den epikureischen Vorstellungen (Diels Dox. 25) bei Lucrez VI 483–494, nur dass hier von den Elementen gesagt wird, was bei A. vom Feuer allein gilt. Eine Untersuchung über den Mann fehlt.