Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Kirchenschriftsteller
Band I,2 (1894) S. 2842 (IA)–2844 (IA)
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Apollinarios von Laodikeia, einer der gescheitesten, einflussreichsten und fruchtbarsten Kirchenschriftsteller des 4. Jhdts. Sein Vater, gleichen Namens, Christ, war aus seiner Vaterstadt Alexandrien als Lehrer der Grammatik nach Berytos, von da nach Laodikeia in Syrien gegangen, wo er sich eine Familie gründete, Presbyter wurde und – vielleicht um 360 – gestorben ist. Was Sokrates hist. eccl. III 16 von seinen poetischen Arbeiten, Versification der alttestamentlichen Geschichte berichtet, dürfte auf Verwechslung mit dem Sohne beruhen. Dieser, in Laodikeia geboren, wurde daselbst früh Lector und gefeierter Lehrer der Rhetorik. Der arianische Bischof der Stadt hat ihn excommuniciert hauptsächlich wohl wegen seines entschiedenen Anschlusses an Athanasius. 362 finden wir ihn als Bischof seiner Heimatstadt, gestorben ist er zwischen 383 und 392. Seine zahlreichen Schriften sind zum grössten Teile der Verteidigung des Glaubens gegen Heiden und Ketzer gewidmet. Namentlich scheint seine dichterische Thätigkeit solchen Tendenzen ihren Ursprung zu verdanken. Als Iulian durch das Edict vom Sommer 362 den Christen die schulmässige Beschäftigung mit der klassischen Litteratur untersagte, suchte A. (Sozomen. hist. eccl. V 18) dies Verbot unwirksam zu machen durch Schaffung einer gleichartigen christlichen Litteratur. Er brachte die alttestamentliche Geschichte bis auf Saul – in 24 nach den Buchstaben des Alphabets benannten Büchern – in homerische Verse, dichtete Komödien im Stile des Menander, Tragödien in der Weise des Euripides und ahmte auch die Lyrik Pindars nach. Nach Sokrates a. a. O. hätte er auch den Inhalt der Evangelien und die apostolischen Dogmen in platonischen Dialogen expliciert. Von dem allem [2843] ist nichts erhalten, wenigstens bisher nichts veröffentlicht; ob zwei Epigramme der griechischen Anthologie (Anth. Pal. XI 399. 421) mit dem Namen A. von dem Laodicener herrühren, ist ungewiss. Dagegen ist zum erstenmal 1552 (Paris) durch Turnebus eine Metaphrase des Psalters in heroischem Versmass, mit möglichstem Anschluss an den LXX-Text, gedruckt worden, zu der eine Widmung (προθεωρία) an einen gewissen Markianos gehört. Neuerdings hat A. Ludwich diesem Werke besondere Aufmerksamkeit gewidmet, seine metrischen Eigentümlichkeiten untersucht und auf Grund derselben (Herm. XIII 1878, 335ff.) den Verfasser für einen Schüler des Nonnos, wahrscheinlich um 455, erklärt. Doch in den Königsberger Studien I 1887 hat Ludwich jene Behauptung zurückgenommen, und nach J. Dräsekes Aufsatz in Ztschr. f. wiss. Theol. XXXI 1888, 477ff. ist die Abfassung durch A. von Laodikeia ganz sicher. Um so weniger das Jahr der Abfassung; denn die Angaben des Sozomenos hist. eccl. VI 25 über die Kunst des alten A., durch seine einschmeichelnde Muse den gemeinen Mann für seine Sonderlehren zu gewinnen, beweisen nichts bezüglich einer Psalmenmetaphrase.

Eine Apologie des Christentums gegenüber den Philosophen, ὑπὲρ ἀληθείας betitelt, hat A. nach Sozom. V 18 unter Iulian geschrieben. J. Dräseke hat Ztschr. f. Kirchengesch. VII 260ff. sie wiederfinden wollen in dem ps.-iustinischen λόγος παραινετικὸς πρὸς Ἕλληνας (s. auch unter Claudius Apollinaris). Den Neuplatoniker Porphyrios hat A. bekämpft in einem grossen Werke von 30 Büchern, nach der Meinung von Zeitgenossen die geschickteste christliche Gegenschrift. Sie ist vollständig verloren, ebenso die Streitschrift gegen Marcellus von Ancyra. Eine andere gegen den Arianer Eunomios soll nach Dräseke in dem sog. 4. und 5. Buche der Streitschrift des Basileios gegen Eunomios erhalten sein, ihr ursprünglicher Titel ἀντιῤῥητικὸς κατ` Εὐνομίου.

A. zählt jetzt zu den Ketzern. Epiphanios widmet ihm cap. 77 seines Ketzerkatalogs, eine römische Synode in den siebziger Jahren hat ihn excommuniciert, die grosse Synode von Constantinopel 381 hat das Urteil definitiv gemacht, der Kaiser Theodosius es feierlich bestätigt. Ein energischer, consequenter Denker, hatte A. in einer Zeit, wo man sonst fast nur die trinitarische Frage behandelte, das christologische Problem ernsthaft vorgenommen und glaubte Gottheit, Menschheit und Einpersönlichkeit des Gottmenschen nur so zu ihrem Recht bringen zu können, dass er den Logos, die zweite Person der Gottheit, im Menschen Jesus die Stelle des νοῦς einnehmen liess. Die Kirche fand damit die volle Menschheit des Erlösers geleugnet, Basileios sagte sich von dem ehemals verehrten Freunde los, und A. gründete eine Nebenkirche, die 100 Jahre lang der Grosskirche viel zu schaffen gemacht und über bedeutende geistige Kräfte, wie Polenios, Timotheos von Berytos, Valentinus, verfügt hat. Von der Hauptschrift des A. ἀπόδειξις περὶ τῆς θείας σαρκώσεως τῆς καθ` ὁμοίωσιν ἀνθρώπου hat uns Gregor von Nyssa in seinem Ἀντιῤῥητικὸς πρὸς τὰ Ἀπολλιναρίου erhebliche Fragmente aufbewahrt; aus anderen Briefen, Reden, Bekenntnissen, Streitschriften u. dgl. finden sich verstreute Überreste [2844] in der griechischen Litteratur bis zu Photios herab, das Meiste bei Leontios adv. fraudes Apollinaristarum (Mai Spicileg. Romanum X 2). Ziemlich vollständig gesammelt hat diese Reste nebst mehreren von ihm zuerst für A. in Anspruch genommenen Werken, dem schon erwähnten ἀντιῤῥητικὸς κατ` Εὐνομίου, den drei unter Theodorets Namen verbreiteten διάλογοι περὶ τῆς ἁγίας τριάδος und einem ps.-iustinischen Tractat, den der Herausgeber περὶ τριάδος betitelt, J. Dräseke Apoll. von Laodicea, sein Leben u. seine Schriften. Nebst einem Anhang: Apollinarii Laodiceni quae supersunt dogmatica, in Texte und Untersuchungen von O. v. Gebhardt und A. Harnack VII 3. 4, 1892. Dort sind auch zahlreiche frühere Abhandlungen Dräsekes, die sich auf A. beziehen, genannt und verwertet; vgl. übrigens Gött. Gel. Anz. 1893, 73–86.

Als Schriftausleger muss A. für seine Zeit Grosses geleistet haben; Nüchternheit und ein gewisser exegetischer Tact zeichnen ihn aus; die Reste seiner ὑπομνήματα liegen aber noch, wenig beachtet, in Catenen zerstreut, die bedeutendsten wohl aus seinem Commentar zum Römerbrief in Cramer Catenae graec. patrum in Nov. Test. IV 1844.

Die Anhänger des A. haben es verstanden, trotz des Zornes der kirchlichen Kreise über den abgefallenen Meister einen Teil seiner Werke auf die Nachwelt zu bringen, indem sie sie systematisch falsch etikettierten, z. B. mit dem Namen des Iustinus Martyr, Iulius von Rom, Athanasius versahen; vgl. C. P. Caspari Alte und neue Quellen zur Gesch. des Taufsymbols 1879, 65ff. Aus den Streitschriften gegen A. ist – von der Gregors von Nyssa abgesehen – fast nichts sonst Unbekanntes über ihn zu lernen; die beiden dem Athanasius zugeschriebenen Bücher κατὰ Ἀπολλινάρίου sind trotz des Widerspruchs der Benedictiner unecht.

Vgl. ausser den im Text genannten Stellen noch Hieron. vir. ill. 86. 104. 120; epist. 48, 13. 49, 3. 70, 3. 84, 2. 3. Basil. ep. 131. 224. 226. 244. Gregor. Naz. epist. ad Cledonium. Socr. hist. eccl. II 46. Theodoret. hist. eccl. V 3. 4. Philostorg. hist. eccl. VIII 11–15, aus dem der Artikel bei Suidas entnommen ist. Cod. Iust. I 1, 5–7. 5, 8. 7, 6. Nov. Iust. 42. 109. Über die richtige Schreibung des Namens vgl. Ph. Zahn Forschungen z. Gesch. d. neutestam. Kanons V 1893, 99–109.

Anmerkungen (Wikisource)

  • Siehe auch Apollinarios 2 im Supplementband XI, 62, von Hans-Joachim Diesner († 1994).