Pomologische Monatshefte:1. Band:4. Heft:Ueber mehrere Kirschen aus einem aus Belgien neu bezogenen Sortimente

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 4, Seite 117–121
Franz Jahn
fortgesetzt als:
Pomologische Monatshefte:1. Band:5. Heft:Ueber mehrere Kirschen aus einem aus Belgien neu bezogenen Sortimente
fertig
<<<
Ueber den Werth mehrerer Obstfrüchte
>>>
Ueber den Unterschied zwischen Apfel, Birne und Quitte, besonders in pomologischer Hinsicht
[117]
Ueber mehrere Kirschen aus einem aus Belgien neu bezogenen Sortimente.
Vom Herrn Medizinalassessor Franz Jahn in Meiningen.

Es sind zwar seit der Herausgabe des Kirschenwerkes des Freiherrn von Truchseß sehr viele Kirschensorten neu genannt und bekannt geworden, in welcher Hinsicht man nur das Handbuch der Obstkunde von Dittrich zu vergleichen braucht, allein nach mancherlei Erfahrungen über diese neueren, besonders Dittrich’schen Sorten macht den eigentlichen Kern von allen edlen Kirschen doch immer noch das von Truchseß’sche Sortiment aus.

Dieses letztere hat sich wohl am längsten unter allen Orten, wohin es von Truchseß nach seinem Buche S. 107. gab, auf dem Jerusalem bei Meiningen, dem Sommersitze des früheren Staatsministers von Könitz, durch die Vorsorge von dessen Gärtner Herrn Egers erhalten und dieser hatte zuletzt in Folge davon, daß er unter den ihm zugegangenen neueren Kirschen so wenig Gutes fand, für die Reinerhaltung dieser Sammlung so große Aufmerksamkeit, daß er ganze ihm im Tausche oder als Geschenke dargebrachte neuere Sortiments ohne alle weitere Prüfung über Bord geworfen hat. Allein diese von ihm so sehr gehaltene Pflanzung besteht in neueren Zeiten auch nicht mehr. Das Grundstück ging nach des Herrn von Könitz Tode durch mehrere Hände und unter den neueren Besitzern, die diesen adeligen Sommersitz in eine öffentliche Schenkwirthschaft verwandelt haben, sind viele jener edlen Kirschenbäume gefällt worden, um Brennholz davon zu machen.

Die Mitglieder des hiesigen pomologischen Vereins haben indessen schon zu Lebzeiten des jetzt auch verstorbenen Herrn Gärtner Egers die vorzüglichsten Sorten in ihre Gärten aufgenommen und ich selbst bin noch zu rechter Zeit, in einer gewissen Vorahnung der Verhältnisse, bestrebt gewesen, das betreffende Sortiment möglichst vollständig in meinen Garten überzusiedeln. Obgleich von Truchseß an seinen pomologischen Freund von Könitz nur die bereits hinlänglich geprüften und selbstständigen [118] Sorten seiner Kirschen gab, so sind doch mehrere davon, bei aller Schönheit, wegen geringerer Güte, besonders aber wegen der geringen Tragbarkeit (wenigstens unter den hiesigen klimatischen Verhältnissen), vom Gärtner Egers zwar noch beibehalten, doch schon nicht sehr geachtet worden und sie sind allerdings aus diesem Grunde nicht werth, noch weiter gepflanzt zu werden, jedoch aus Liebhaberei habe ich sie zu erhalten gesucht.

Diese v. Truchseß’schen Kirschen sind jedoch in ihrer Gesammtheit wirklich so schön, daß sie von vielen neueren und sehr gelobten Sorten, welche hieher gelangt sind, nicht übertroffen werden, und unser pomologischer Verein hat in seinen Verhandlungen mehrfach Nachricht über die besten und preiswürdigsten Varietäten darunter gegeben. Es wurde von demselben dann auch noch auf mehrere preiswürdige Sorten aufmerksam gemacht, die zwar Herr von Truchseß besaß, welche er aber nicht lange genug oder am unrichtigen Standorte beobachtete (in welcher Hinsicht z. B. die Straußweichsel zu nennen ist, die Truchseß als klein und wenig tragbar schildert, während gerade das Gegentheil Statt findet), oder deren von Truchseß vermutheten Werth wir bestätigen konnten (z. B. Krüger’s und Fromm’s schwarze Herzkirsche, Drogans weiße Knorpelkirsche, Guindoux de Provence). Dann ist von uns auch Dönissens gelbe Knorpelkirsche, die noch aus von Truchseß Hand nach seinem Erblinden an Herrn von Könitz kam und von Ersterem nicht mehr beschrieben werden konnte, als eine der Büttner’s gelben Knorpelkirsche sehr ähnliche, im Geschmack jedoch noch bessere und gegen die Angabe Dittrich’s auch recht tragbare Sorte empfohlen worden.

Unter den später hiehergekommenen, nicht zum erwähnten Sortimente gehörigen Kirschen sind es nun aber immer nur wenige, welche den älteren v. Truchseß’schen an die Seite gesetzt werden können. Die empfehlungswerthesten werden folgende seyn: 1) Cerise Montmorency; sie kam von Hrn. Lieutenant Donauer in Coburg hieher, aber ich bin noch ungewiß, ob sie nicht die Späte Herzogskirsche des Herrn von Truchseß ist. 2) Hybride von Laeken; wir erhielten sie durch die Gefälligkeit des Hrn. Reisse, Haushofmeister Sr. Majestät des Königs der Belgier und sie existirt, wie ich später erzählen werde, bereits unter mehrfachen Namen. 3) Eine recht schöne und gute Glaskirsche, die unter dem Namen Lemerçier von Noisette in Paris hieher gelangt ist. Von diesen Sorten ist im 5. Hefte der Verhandlungen unseres Vereins weitere Mittheilung gemacht worden.

Um das Beste unter den jetzt in Belgien cultivirten Sorten auszulesen, hat unser Verein vor einigen Jahren auf meinen Vorschlag etliche 40 verschiedene Kirschen aus dem Sortimente des Hrn. Adolph Papeleu in Wetteren (bei Gent), soweit sie uns dem Namen nach neu oder unbekannt waren, beigebracht. Man muß in dieser Baumschule, wie ich zugleich bemerken will, die Pfropfreiser ebenso theuer als junge Bäume bezahlen und es sind somit kleine Bäumchen hiehergelangt, von welchen besonders die Süßkirschen auf Prunus Mahaleb veredelt stehen, auf welcher Unterlage die Kirschenbäume, wie schon Dittrich (z. Bd. S. 270.) sagt, und auch Herr Alfred Topf in seinem Hauptverzeichniß anführt, angeblich am Harzflusse nicht leiden sollen – worüber mir selbst aber eigene Erfahrung abgeht. Die jungen Kirschenzwerge wurden mir zur Kultur übergeben [119] und ich habe viele davon in Töpfe gepflanzt. Da ich dieselben in solcher Weise gegen die Spätfröste schützen konnte, so haben sie schneller, als es unter unserem Klima sonst möglich gewesen seyn würde, Früchte geliefert. Manche trugen nun schon zum zweiten Male, einzelne recht reichlich und es haben mir auf diese Weise diese Bäumchen recht viele Freude gemacht. Da dieselben mit ihren Töpfen den ganzen Sommer (nach der Blüthe) im freien Lande eingegraben standen, in welches ihre Wurzeln von der Oberfläche aus eindringen konnten, so sind ihre Früchte stets recht vollkommen geworden und nur bei beginnender Reifzeit habe ich sie zum Schutze gegen Vögel hinter Glasfenster gebracht. Es kann in solcher Weise auch zwischen den unter solchen Verhältnissen und den ganz im Freien gereiften Kirschen ein wesentlicher Unterschied im Geschmack und besonders in der Reifzeit nicht Statt finden. Die einzelnen Sorten, welche ich auf diesem Wege bereits kennen lernte und welche ich (mich nicht an die oft unrichtig gebrauchten Belgischen Gattungsnamen bindend) nach der vom Freiherrn von Truchseß geschaffenen Reihenfolge aufzählen will, bestehen in folgenden:

A. Schwarze Herzkirschen.

Guigne Tabascon. (Sie ist im Papeleu’schen Verzeichniß blos dem Namen nach angezeigt.) Der Stiel dieser Kirsche ist mäßig lang, dünn, lichtgrau, ohne Roth. Die Frucht ist groß, fast kugelrund, kaum ein wenig auf der Furchenseite abgeplattet. Die Farbe ist braunschwarz, in voller Reife reinschwarz, stark glänzend. Ihr Fleisch ist dunkelroth, sehr weich, saftig, angenehm säuerlich-süß. Der Stein ist klein, rundlich eiförmig. Ihre Reife ist zu Ende Juni. Sie gleicht sehr, auch nach der Beschreibung im Kirschenwerke des Herrn von Truchseß, der Bettenburger schwarzen Herzkirsche, doch konnte ich sie, wegen der zwei vergangenen Obstmißjahre, z. Z. nicht mit der ebengenannten vergleichen. Die Sorte scheint übrigens nach dem zweimaligen Volltragen des Bäumchens recht fruchtbar zu seyn.

B. Schwarze Knorpelkirschen[WS 1].

Guigne Sauvigny. (Im Papeleu’schen Verzeichniß ebenfalls nur dem Namen nach aufgeführt.) Der Stiel ist mittellang, etwas dünn, grün. Die Frucht ist ansehnlich groß, stumpfherzförmig, auf beiden Seiten etwas gedrückt, auf der Furchenseite am meisten, doch ist die Furche selbst nur durch eine dunkler gefärbte Linie angedeutet, auf der gegenüberstehenden Seite hat die Kirsche eine kleine rinnenförmige Vertiefung. Die Stieleinsenkung ist ziemlich tief und geräumig. Der große braune Stempelpunkt steht etwas eingesenkt auf der Spitze der Frucht. Die Farbe ist röthlich-schwarz, das Fleisch dunkelblutroth, nicht so hart als an der hier bekannten Großen schwarzen Knorpelkirsche, der Saft ziemlich stark färbend. Der Geschmack ist süß und angenehm, doch war er z. Z. nicht gerade erhaben. Der Stein ist länglich-rund, ziemlich groß. Die Reife ist zu Ende Juli. – Sie will mit keiner der mir bekannten oder von v. Truchseß beschriebenen Sorten stimmen und da an schwarzen Knorpelkirschen gerade kein Ueberfluß ist, so kann man sie immer noch beibehalten, wenn sich nämlich ihre Tragbarkeit später noch herausstellt.

Cerise belle de Ribeaucourt. (Im Papeleu’schen Verzeichniß bezeichnet als Frucht ersten Ranges, groß, dunkelbraun, [120] im Juli zeitigend.) Es ist dies eine schöne, mittelgroße roth-braune (wahrscheinlich Knorpel-)Kirsche, ähnlich der Purpurrothen Knorpelkirsche, von angenehmem Geschmack und mit kleinem Steine, reif Mitte Juli, die ich indessen, weil sie z. Z. nur einzelne Früchte brachte, künftig auf die vermuthete Identität noch weiter prüfen muß.

Bigarreau Napoleon, (Papeleu beschreibt sie im Kataloge kurz als Frucht erster Qualität, sehr groß, im Juni zeitig, doch gibt er ihre Farbe nicht an.) Nach anderweitigen Nachrichten soll unter dieser Bezeichnung die Lauermann gehen, wie z. B. im Verzeichniß von Augustin Wilhelm in Clausen bei Luxemburg, die Namen Lauermann und Wellington als Synonyme von Bigarreau Napoleon angeführt sind. Das mit dieser Bezeichnung angelangte Bäumchen brachte etliche 20 Stück kleine runde, schwarze, sehr harte und ziemlich fade schmeckende Knorpelkirschen, deren einziges Verdienst in langer Dauer am Baume, ohne durch übles Wetter und Nässe zu leiden und in später Reife (Ende August) bestand. Es ist hiernach in der erwähnten Baumschule jedenfalls ein Irrthum untergelaufen.

C. Bunte Herzkirschen.

Bigarreau d’Elton (als sehr große weiße Frucht erster Qualität, zu Anfang Juli zeitigend, mit sehr tragbarem Baume, von Papeleu bezeichnet). Sie ist jedenfalls mit der Flamentiner aus v. Truchseß’s Sammlung übereinstimmend oder hat doch wenigstens so große Aehnlichkeit, auch in der Reifzeit, damit, daß eine die andere ersetzen kann. Diese Sorte ist frühzeitig, gut und groß, doch keinesweges sehr groß.

Cerise Mazard blanc. (Im erwähnten Verzeichniß nur dem Namen nach aufgeführt.) Es ist dies eine kleine oder doch nur mittelgroße, rundliche, gelbe, rothschattirte (also bunte) Herzkirsche, reif zu Ende Juli. Sie hat große Aehnlichkeit mit der Türkine des Hrn. v. Truchseß, doch bietet ihr Geschmack mehr honigartige Süßigkeit dar, und die Blätter des Baumes sehen deren der gelben Herz- und Knorpelkirschen ähnlich, licht- oder gelblich grün aus, wie dies bei der Türkine nicht der Fall ist. Beim Nachschlagen in v. Truchseß’s Buch bin ich darauf gekommen, sie für die Dankelmann’s Kirsche zu halten, welche auch Agatkirsche, Cerise ambré, bei Grane, Weiße Zwieselbeere oder Schwefelkirsche, bei Christ, Kleine weiße Perlkirsche und Dankelmann’s weiße Herzkirsche heißt, mit deren Beschreibung sie ziemlich gut trifft, doch habe ich die Dankelmann’s Kirsche selbst nicht in meinem Sortimente. – Das Bäumchen trug sehr voll (67 Stück) und es verspricht also die betreffende Sorte, wenn sie auch sonst nichts Besonderes vorstellt, wenigstens große Tragbarkeit.

Bigarreau Lemercier. (Sie ist im Verzeichniß als sehr groß, dunkelschwarz, von erster Qualität, Mitte Juli reif angegeben.) Wie das Folgende lehrt, trifft diese Angabe nicht zu. Sie ist aber auch verschieden von jener aus Paris hieher gelangten Lemercier, denn letztere ist eine Glaskirsche ihrem Baume nach, wie nach ihrer Frucht. Der Stiel dieser angeblichen Süßkirsche Lemercier ist auffällig lang (bis zu 2¾″), dünn, grün, und hie und da, wahrscheinlich durch das Anschlagen der vom Winde bewegten Stiele an den Zweig, etwas braunfleckig. Die Kirsche ist groß, ziemlich regelmäßig herzförmig, auf der Furchenseite breitgedrückt, auf der anderen Seite flachbauchig, nach dem oberen Ende [121] hin (v. Truchseß unteres Ende) stumpfgespitzt mit einem kleinen, auf der Spitze der Frucht befindlichen, leicht eingesenkten Stempelpunkte. Die Farbe ist weißgelb, an der Sonnenseite schön rosenroth, in starker Reife sehr fein lichtblutroth gestrichelt. Fleisch weiß, saftig, Saft weiß und helle. Der Geschmack ist süß und angenehm, erhaben, ohne Bitterkeit. Der Stein ist mittelgroß, dicklich eirund, mit einer kleinen Spitze. Ihre Reife fiel gegen das Ende des Juli. Der lange Stiel dieser Sorte erinnerte mich schon, als ich sie blühen sah, an die schöne Winkler’s weiße Herzkirsche des v. Truchseß’schen Sortiments, mit welcher sie auch sonst nach der hier gelieferten weiteren Beschreibung stimmt und ich halte beide Kirschen für gleich. Zur völligen Gewißheit ist jedoch noch ein Kirschenjahr, um beide zusammen zu vergleichen, abzuwarten.

(Fortsetzung folgt.)

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schwarze Herzkirschen