Poetische Erörterung der Frage / Ob die Liebe durch den Ehstand gemehret oder gemindert werde?

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Autor: Christian Knorr
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Titel: Poetische Erörterung der Frage / Ob die Liebe durch den Ehstand gemehret oder gemindert werde? in demselben ab- oder zunehme?
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: um 1700
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Drucker: Johann Günther Rörer, Baumannische Erben Druckerey
Erscheinungsort: Breßlau
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
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Quelle: im VD17 unter der Nummer 23:319584R Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Flugschriften des 17. Jahrhunderts
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[1]

Poetische Erörterung der Frage /
Ob die Liebe durch den Ehstand gemeh-
ret oder gemindert werde?
in demselben ab- oder zunehme?
Bey hoch-feyerlichst celebrirten
Schwanitz- und Gers-
dorffischen
Hochzeit-Festin,
Beyden Hoch-Adelichen Verlobten
Zu gehorsamen Ehren
in nachgesetzten Reimen vorgestellet
Von
Christian Knorren.
______________________________________________________________
Breßlau /
In der Baumannischen Erben Druckerey /
druckts Johann Günth. Rörer / Factor.


[2] *     *     *           *     *     *           *     *     *
IHr Seelen / die ihr euch der Libe Macht verschriben /
     Und unter ihrem Fahn eur höchstes Glücke sucht /
Die ihr durch den Magnet der Schönheit angetriben /
     Der Freyheit schweres Joch in Höll und Grab verflucht.
Glaubt nicht / daß dieser Reim werd’ eure Wahl beflecken /
     Nein sicher: Er begibt mit euch sich in die Reyh /
Und wird vor aller Welt gantz ungescheut entdecken /
     Daß auf der Erde nichts so süß als Liben sey.
Welch aufgeweckter Geist / welch feuriges Gemütte
     Wird sich der Libe Macht zu tadeln unterstehn?
Da manch erlauchtes Haupt und Königlich Geblütte
     In ihren Fesseln sich nicht scheut einherzugehn.
Man siht die Sternen selbst in süsser Libe brennen /
     Der Weinstock ist verlibt in seinen Ulmen-Baum /
Wer kan vom Agtstein Spreu / Magnet vom Eisen trennen?
     Sucht bey der Sonne nicht die Sonnenwende Raum?
Gewiß die Libe bleibt der Zucker dieses Lebens /
     Der Sinnen Mandelmilch / der Seele Paradeiß;
Wo Libe nicht der Zweck / ist alle Müh vergebens /
     Sie ists / die Hertz und Geist recht zuvergnügen weiß.
Dis ist die Gold-Tincktur / die stärckt und heilt viel besser /
     Flöst auch weit größre Krafft den schwachen Adern ein /
Als mit viel Bezoar und Perlen schwangre Wässer /
     Die Krancken oft mehr Gift als süsses Labsal seyn.
So ists: Wo aber ist ein festes Band zu finden?
     Wer hat ein solches Ertz der Welt bekant gemacht /
Das unzertrennlich ist und die kan ewig binden /
     Die Köder reiner Lust der Lib ins Garn gebracht?
Hir steckt die gröste Kunst / wer hir weiß vorzubauen /
     Daß Lib und Wechsel nicht in gleicher Reyhe gehn /
Und allzeit eine Kost nicht letzt erweck ein Grauen /
     Den mag man Sternen gleich mit höchstem Fug erhöhn.
Zwar weiß ich / werden viel mit vollem Halse sprechen /
     Die mehr der Sache Schein als wahren Grund besehn /
Der Ehstand sey dis Band / so keine Macht kan brechen /
     Dis Feuer / so kein Wind sey tüchtig auß-zu-wehn.
Ach aber! weit gefehlt! hir eben steckt die Klippe /
     An der so manches Schiff zu Grund und Drümmern fährt /
[3] Weil sie ein Englisch Bild in heßliches Gerippe /
     Den besten Honigseim in Drachen-Milch verkehrt.
Das Demant-feste Band / so man den Ehstand nennet /
     Reist ja viel eh als Stroh und dürres Garn entzwey;
Viel / welche lange Jahr in höchster Glutt gebrennet /
     Spricht meist der Hochzeit-Tag in einer Stunde frey /
Der Libe Braut-Rock krigt die erste Nacht offt Flecken /
     Und solche / die kein Talck mehr außzubringen weiß /
Ihr bunter Rosenstock verwandelt sich in Hecken /
     Der süsse Liebes-Brand in hart-gefrornes Eiß.
Des Ehstands bester Wein pflegt zeitlich zu versauren /
     Der Einschlag der Begir verschwefelt ihn zu bald /
Kaum daß die Flitterwoch und Küsse-Monden tauren /
     Dann wird er abgeschmackt und vor den Jahren alt.
Die Geilheits Flagge treibt uns auf verbotne Wässer /
     Und läst den klaren Strom des Hauses unberührt;
Und schmeckt von frembdem Stock ein saurer Heerling besser /
     Als Trauben / deren Glantz den eignen Garten zirt.
Wir leben leyder! nicht mehr in denselben Zeiten /
     Wo Mann und Buhler eins / wie Weib und Libste war;
Wer denckt die Neigungen durch Tugend zu bestreiten /
     Man libt sich allzusehr / und suchet die Gefahr.
Die Unvergnügligkeit umbnebelt unsre Sinnen /
     Daß man was uns gebricht / vor Gold und Demant hält /
Und diesen Augenblick / wenn wir es haben können /
     Wird es in grob Metall und schlechtes Glaß verstellt.
Wir nennen / weil wir noch in freyen Lüften fliegen /
     Das Braut-Bett einen Thron / so nichts als Lust gewehrt /
Doch eh der rechte Fuß kaum halb hinein gestigen /
     Wünscht mancher / daß es sey ins Leichentuch verkehrt.
Zu dem so ist die Lieb ein höchst subtiles Wesen /
     Sie schaut ein seiden Band wie Strick und Ketten an /
Wer scharffe Mittel braucht / wird nimmermehr genesen /
     Weil weder Ertz noch Stahl den Willen zwingen kan.
Genung: Ihr die ihr libt und euch wollt ewig liben /
     Ich rath euch und mit Fug: Sagt aller Heyrath ab /
Denckt daß ein kluger Geist nicht ohne Grund geschriben:
     Der Ehstand ist und bleibt nichts als der Libe Grab.

*     *     *           *     *     *           *     *     *
Wie aber laß ich mich ein falsches Irrlicht blenden?
     Welch toller Aberwitz hat meinen Geist bethört?
Es fällt die Feder mir vor schrecken auß den Händen /
     Daß man dergleichen Traum auß meinem Munde hört.
[4] Verzeiht / ihr die ihr lest / ich hab’ es zwar geschriben /
     Doch sicher! Hertz und Geist hat nichts daran gemacht;
Ich weiß in Wahrheit nicht / was mich vor Wuth getriben /
     Daß ich so närrisch Ding hir auf die Bahn gebracht.
Wie? Sol der Ehstand nicht das Band der Libe heissen?
     Sol er der Zunder nicht zu stetem Brande seyn?
Kan die Vermählungs-Kett’ ein blauer Dunst zerreissen?
     Und fällt der Libs-Palast den Tag der Hochzeit ein?
Verflucht / wer dieses glaubt: Der Ehstand bleibt die Qvelle /
     Wo täglich neue Lust in vollen Röhren springt /
Ein von dem Himmel selbst gegebner Schlaff-Geselle
     Ist ein unschätzbar Gutt / so nichts als Freude bringt.
Das Brod der keuschen Eh kan keinen Eckel geben /
     Wenn frembde Schleckerey bald Uberdruß erweckt;
Ein himmlisches Confect verzuckert dieses Leben
     Und macht / daß Aloe wie süsses Honig schmeckt.
Hir muß der Lilgenstrauch im harten Winter blühen /
     Der Pomerantzen Baum ist nie von Früchten leer /
Kein Wasser kan das Oel von dieser Lamp’ entzihen;
     Die Eh hat Palmen-Art / ihr fället nichts zu schwer.
Gesetzt die Sonne wird mit Wolcken überzogen /
     Sie zeigt im Augenblick ein weit vollkommner Rad /
Ein süsser Zephir-Wind zertheilt die Wasserwogen /
     Die der Versuchungs-Sturm zur Prob erreget hat.
Wahr ists: Daß man nicht hir mit Seufzen / schertzen / küssen /
     Wie bey der Buhlerey verzehret Tag und Nacht /
Allein wo Geist in Geist und Hertz in Hertz zerfliessen /
     Wird solches Possenwerck und Kinderspiel verlacht.
Und was bemüh ich mich den Ehstand zu erheben?
     Ein jeder sehe nur die zwey Verlobten an /
Die werden aller Welt ein klares Zeugniß geben /
     Das in der Libe bloß die Eh vergnügen kan.
Genung: Ihr die ihr libt / und ewig denckt zu brennen /
     Itzt kommt mein rechter Rath / den ich zu geben weiß /
Sucht euch ein solches Band / so nur der Tod kan trennen /
     Und glaubt: Der Ehstand ist der Libe Paradeiß!