« Kap.16 William Penn
Ohne Kreuz keine Krone
Kap.18 »
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Siebzehntes Kapitel.

§. 1. Die Gebräuche, Moden, Unterhaltungen, etc. welche die anziehende Pracht und das Vergnügen der jetzigen Welt ausmachen, verhindern die Menschen, in sich selbst einzukehren. §. 2. Ihr Zweck ist bloß Befriedigung der Sinnlichkeit. §. 3. Gewährten sie wahre Freuden, so wären Adam und Eva, die sie nicht kannten, nicht vollkommen glücklich gewesen. §. 4. Die Dreistigkeit und Vermessenheit, womit sogenannte Christen sich ihnen hingeben, ist scheußlich. §. 5. Zu wissen, daß sie eine Erfindung leichtsinniger und eitler Menschen sind, ist schon ein hinreichender Grund, sie zu verwerfen. §. 6. Sie sind größtentheils von den Heiden entlehnt, die Gott nicht kannten. §. 7. Eine Einwendung, die man hinsichtlich ihrer Nuzbarkeit vorbringt, wird beleuchtet und beantwortet, und ihre Vertheidiger werden bestraft. §. 8. Die aufgeklärten Heiden verabscheueten, was die vorgeblichen Christen vertheidigen. §. 9. Die Aufnahme, welche dergleichen Thorheiten finden, dient den Erfindern derselben zur Aufmunterung, damit fortzufahren. §. 10. Beantwortung der Einwendung, daß viele Familien durch solche Dinge ihre Nahrung finden. – Man muß nicht Böses thun, damit Gutes daraus entstehe. Es lassen sich bessere Beschäftigungen auffinden, die der Menschheit mehr Nutzen bringen können. §. 11. Beantwortung einer andern Einwendung. Gott ist nicht der Urheber solcher eitlen Erfindungen; daher lassen sie sich auch nicht als von ihm herrührende Einrichtungen entschuldigen. §. 12. Wer solche Eitelkeiten in Schutz nimmt, zeigt, was er ist. – Ermahnung an alle Vernünftigdenkende und Ernsthaftgesinnte. – Es ist ein nothwendiger Schritt, zu der wahren Nachfolge Jesu zu gelangen, daß man die Schule der Ueppigkeit verlasse.


§. 1. Endlich sind jene üppigen Moden, Gebräuche und Belustigungen, welche die anziehende Pracht und beständige [322] Unterhaltung des gegenwärtigen Zeitalters ausmachen, ein mächtiges Hinderniß; der innern stillen Sammlung oder Einkehr des Gemüths, wodurch der Mensch zum Anschauen der Herrlichkeit ewiger Unsterblichkeit gelangen kann. Denn, anstatt daß die Menschen angewiesen werden sollten, „in ihrer Jugend an ihren Schöpfer zu denken, und zuerst nach dem Reiche Gottes zu trachten, alles übrige zur Nothdurft Gehörige aber, nach dem Befehle Gottes und unsers Herrn Jesu Christi, als eine Zugabe zu erwarten;“[1] werden sie, sobald sie nur etwas thun können, von diesen Erfindungen des Stolzes und der Ueppigkeit angezogen, und zu solchen Unterhaltungen angeleitet, die der Sinnlichkeit am mehrsten behagen, und welche dann hernach die Gegenstände ihres höchsten Vergnügens werden. Auf diese Weise werden offenbar unerlaubte Begierden erzeugt und üppige Gedanken erweckt, die zu leichtsinnigen Gesprächen, unzüchtigen Spielen und ausgelassenen, rauschenden Freuden, wo nicht endlich zu gottlosen Handlungen führen. Für die Menschen, welche von einer so ausschweifenden Lebensweise hingerissen sind, ist es langweilig und anstößig, vom Himmel oder von einem künftigen Leben zu hören. Sage ihnen, daß sie über ihre Handlungen nachdenken, den heiligen Geist nicht betrüben, ihr ewiges Loos beherzigen oder sich auf den Tag des gerechten Gerichtes Gottes vorbereiten möchten; so bestehet ihre Antwort, – wenn sie nicht grob ausfahren – gewöhnlich in spöttischen Scherzreden und leichtsinnigen Bemerkungen. Es sind ganz andere Gegenstände die ihre Gedanken beschäftigen. Ihre Morgenstunden reichen kaum zu, ihren Anzug zu besorgen, ihren Schmuck anzulegen, und ihren ganzen Putz in Ordnung zu bringen; und ihre [323] Nachmittage sind gewöhnlich Besuchen vorbehalten und dem Schauspiele gewidmet, wo einige aus den beliebtesten Romanen entlehnte Scenen zu ihrer Unterhaltung dienen. Da giebt es dann eine Menge Abwechselungen: seltsame Abenteuere; merkwürdige Liebesgeschichten; grausame Weigerungen, unübersteigliche Hindernisse; zudringliche Besuche; unglückliche Täuschungen; wunderbare Ueberraschungen; unerwartetes Zusammentreffen; überfallene Schlösser; gefangene und befreiete Liebende; plötzliche Erscheinungen todt geglaubter Personen; blutige Zweikämpfe; schmachtende Stimmen, die aus einsamen Grotten hervorhallen; leise vernommene Klagen; tiefe Seufzer, die sich aus wüsten Oertern vernehmen lassen; heimliche Ränke, die mit unerhörter Feinheit geschmiedet werden; und endlich, wenn Alles verloren zu seyn scheint, läßt man Todte wieder lebendig, Feinde wieder Freunde werden. Die Verzweiflung verwandelt sich in Entzücken, und alle Unmöglichkeiten gleichen sich aus. Da tragen sich dann Dinge zu, die nie gewesen sind, die auch jetzt nicht sind, und nie seyn werden, noch jemals seyn können. Und als wenn die Menschen zu langsam, oder nicht bereitwillig genug wären, den zügellosen Neigungen ihrer verderbten Naturen zu folgen, oder, als wenn Gefahr da wäre, daß ihre Gemüther sich zu sehr mit gottseligen Betrachtungen und himmlischen Gegenständen beschäftigen möchten, werden alle Kräfte des Witzes und der Erfindsamkeit aufgeboten, und nicht allein offenbare Lügen, sondern in der Natur ganz unmögliche Dinge vorgestellt, um schädliche Leidenschaften in ihren Herzen aufzuregen und ihre schwindelnde Einbildung mit schwellenden Bildern der [324] Sinnlichkeit zu erhitzen. So wird dann nicht allein ihre Zeit verschwendet, ihre Natur verweichlicht und ihre Vernunft entehrt, sondern auch nicht selten bei ihnen der Gedanke erzeugt, solche Dinge in der Wirklichkeit auszuführen und das eine oder andere Abenteuer nachzuahmen. Will dieses aber nicht gelingen, – wie sich denn von bloßen Hirngespinsten nicht anders erwarten läßt, - so scheint dem Abenteurer kein anderes Mittel übrig zu bleiben, als sich den lasterhaftesten Ausschweifungen in die Arme zu werfen. Dieses sind einige ihrer unschuldigsten Erhohlungen, die jedoch jeder wahre Christ nicht anders als gefährliche Schlingen des Feindes der menschlichen Glückseligkeit betrachtet, in welchen der Versucher die Gemüther der Unwachsamen um so leichter fangen und zu sich ziehen kann, da sie den natürlichen Schwachheiten der Menschen so angemessen sind, und sich ganz unmerklich ihrer Neigungen durch solche Dinge bemeistern, die den stärksten Eindruck auf ihre Sinnlichkeit machen und sie mit einer unwiderstehlich scheinenden Gewalt hinreißen. Bei solchen Gelegenheiten geschiehet es, daß ihre Seelen Eitelkeit brüten, ihre Augen die Dolmetscher ihrer Gedanken werden, und ihre Blicke die geheimen Flammen ihrer ausschweifenden Seelen verrathen, die so lange umherirren, bis die Nacht ihre Uebelthaten bedeckt, welche ihr Gewissen mit Schuld und ihren Ruf mit Schande beflecken.[2]

§. 2. Hier sehen wir, daß der Zweck aller weltlichen Moden und Erhohlungen kein anderer ist, als die sinnlichen Begierden des Menschen: „die Augenlust, die Fleischeslust, und den Hochmuth des Lebens zu befriedigen.“[3] [325] Und darin hat man es so weit getrieben, daß in der That die Kleidung, die einst bloß zur Bedeckung der Blöße eingeführt ward, jetzt wohl noch einer Bedeckung bedürfte, um ihre schamlose Pracht zu verhüllen, indem der Mensch Das, was ihn an den Verlust seiner Unschuld erinnern sollte, als ein Mittel zur Befriedigung seines Stolzes und seiner Prachtliebe gebraucht. Gewiß schon der hundertste Theil der Dinge, welche jetzt das angenehmste Vergnügen der Menschen ausmachen, ja, in unsern Tagen durchaus zum guten Tone gehören, würden unsern ersten Eltern den Verlust des Paradieses gekostet haben. Denn so wie Adams Uebertretung darin bestand, daß er einen andern Genuß suchte, als Gott ihm angewiesen hatte, so ist es auch der Fehler der jetzt lebenden Menschen, daß sie unerlaubten Vergnügungen nachgehen und den größten Theil ihrer Zeit mit eitlen Dingen zubringen, die so weit entfernt sind, dem Zwecke ihres Daseyns, einem Gott wohlgefälligen Leben, zu entsprechen, daß sie vielmehr sehr nachtheilig und zerstörend auf dasselbe wirken.

§. 3. Wären die Freuden der Menschen unserer Zeit ächter und wahrer Art, so würden Adam und Eva in dem Stande ihrer Unschuld nicht glücklich gewesen seyn; da sie dieselben nicht kannten. Allein es machte vielmehr einen großen Theil ihrer Glückseligkeit aus, sie nicht zu kennen; und eben so bestehet auch ein hoher Grad der Seligkeit Derer, die Christum wirklich kennen, darin, daß sie durch seine ewige Kraft von jenen Thorheiten erlöset und zur Liebe eines unvergänglichen [326] Lebens erwecket sind. Dieses ist noch Denen ein Geheimniß, deren Lebensgenuß und höchstes Vergnügen in ausgesuchten prächtigen Kleidern; in Schmuck und Putz; in Erfindungen und Nachahmungen neuer Moden, gezierten Stellungen, Biegungen, Haltungen und Bewegungen des Körpers und der lüsternen Blicke und der Wendungen der Augen; in Romanlesen, Besuchen, Spielen, Lustpartien, Schauspielen, Bällen, Festen, Gastmählern und andern so genannten Erhohlungen bestehet. Denn, da alle dergleichen Dinge nie erstanden seyn würden, wenn der Mensch seinen Schöpfer nicht verlassen und sein Gemüth nur mit den edlen Zwecken seiner Erschaffung beschäftigt hätte; so leuchtet es klar ein, daß Diejenigen, welche solchen Eitelkeiten ergeben sind, die höheren himmlischen Freuden, den Genuß des göttlichen Friedens und der wahren Ruhe der Seele, noch nicht kennen, weil eben diese Dinge sie von der stillen Einkehr in ihr Inneres und vom ernsten Trachten nach ewigen Gütern beständig abhalten. Ach! mit was für Mühe, Anstrengung und Unruhe, mit welchem Erfindungsgeiste und Kunstfleiße, und mit wie vielem Zeit- und Kostenaufwande ist der Mensch so beständig bestrebt, für die vorübergehenden Genüsse seiner Sinne zu sorgen, und wie wenig ziehet er seine unsterbliche Seele, das Bild der Gottheit, in Betrachtung! Gewiß, es bedarf keiner stärkern Beweise, keiner deutlichern Merkmale, um die Menschen zu überführen, daß es nur der sinnliche Leib, ein mit Fleisch und Haut überzogenes Knochengerippe ist, wofür sie so viel Tand und Flitterstaat anschaffen; und daß es die nichtigsten Thorheiten und Eitelkeiten sind, die ihre Gemüther so sehr eingenommen [327] haben, daß sie nicht Liebe, Zeit und Geld genug darauf verwenden zu können glauben.

§. 4. Auf diese Weise sind ihre Gemüther unaufhörlich beschäftigt; und dabei sind sie so sehr von sich selbst eingenommen, oder vielmehr so verfinstert in ihrem Verstande, daß sie nicht allein alle jene eitlen Thorheiten für ganz unschuldig halten, sondern sich auch einbilden, sie könnten bei dem Gebrauche derselben nichtsdestoweniger gute Christen seyn. Ihnen Vorwürfe darüber zu machen, würde die ärgste Ketzerei seyn. So entfernt sind sie von dem innern göttlichen Leben; – da ihre immerwährenden Zerstreuungen ihnen keine ernste Selbstprüfung erlauben, – daß sie bei ihrem Gottesdienste sich damit begnügen, mit einem erzwungenen Eifer eine halbe Stunde lang die Worte eines Andern herzusagen, womit sie auch weiter keinen Sinn verbinden. Denn das, was sie sagen, hat so wenig Beziehung auf ihren eigenen Zustand, oder sie haben, – wie ihre Handlungen beweisen, – eben so wenig die Absicht, darnach zu thun, als jener Jüngling im Evangelio, welcher sagte, „er wolle gehen, und doch nicht ging.“ – Aber ach! warum thun sie es nicht? – Sie sind mit andern Gästen beschäftigt. Und wer sind diese? Pharamund, Cleopatra, Cassandra, Clelia, ein Schauspiel, ein Ball, ein Lustgarten, ein Park, ein Verehrer, die Börse, mit einem Worte, die Welt. Diese hält sie ab, diese erwartet, ruft, sucht, quält sie; und da müssen sie ihr ja Gehör geben, und können sich unmöglich ihrer Gesellschaft entziehen. So werden ihre Herzen gefangen genommen und von der Betrachtung göttlicher Dinge, ja, oft selbst von der Wahrnehmung solcher äußern [328] Angelegenheiten abgehalten, die mit ihrem eigenen Vortheile oder mit der Wohlfahrt ihres Nächsten in unmittelbarer Verbindung stehen. Sie finden nur Geschmack an den Vorstellungen, die jene thörichten Tändeleien ihren Gemüthern einflößen, und wenn sie diese auch nicht alle mitmachen, weil es ihnen an den Mitteln dazu fehlt, so sind sie doch so sehr davon eingenommen, daß sie mit Vergnügen ihren Gedanken freien Spielraum lassen, ihnen beständig nachzuhängen. Dadurch werden dann natürlich ihre Gemüther gänzlich abgeneigt gemacht, das göttliche Leben und die heiligen Lehren Jesu zu betrachten. Vornehmlich ist dieses aber, – wie schon öfter bemerkt ist, – der Fall mit jungen Gemüthern, denen solche Vergnügungen, die ihre Sinne mit neuen, ihren Neigungen angemessenen Reitzen ansprechen, und nie zuvor gekannte Gefühle der Eitelkeit in ihnen erwecken, viel lieber und schätzbarer sind, als Alles, was ihnen von der Furcht Gottes, von einem eingekehrten gottseligen Leben, von ewigen Belohnungen und unaussprechlich herrlichen Freuden gesagt werden kann. So sehr kann die Eitelkeit die Menschen verblenden, und so unempfindlich macht dieselbe sie gegen Alles, was zur wahren Nachfolge Christi gehört! O! Möchten sie es doch ernstlich erwägen! Möchten sie, „um der Zukunft des Herrn“ willen, gegen die eitlen Thorheiten der Welt auf ihrer Hut stehen und ihnen gänzlich entsagen! damit sie nicht, unvorbereitet und mit fremden Gästen beschäftigt, von seiner ewigen Ruhe ausgeschlossen würden.

§. 5. Was ferner noch die Unerlaubtheit der zahlreichen Moden, Gebräuche und Ergötzungen der Welt klar beweiset, ist ihr Ursprung und ihr Zweck; da sie entweder von eitlen, müßigen und ausschweifenden Menschen erfunden [329] werden, die mit ihrer Einführung keinen andern Zweck verbinden, als ihre eigene Sinnlichkeit zu befriedigen und Andere zur Nachahmung solcher strafbaren Neuheiten zu reitzen, die zur Beförderung der Ueppigkeit und Thorheit dienen, oder bloß erzwungene Produkte verarmter Witzlinge sind, die zu solchen Erfindungen und Erdichtungen ihre Zuflucht nehmen, um sich ihren Unterhalt zu verschaffen. In beiden Fällen aber verdienen sie Verabscheuung. Denn in der ersten Hinsicht bahnen sie den Weg zu offenbaren Lastern, und in der andern unterstützen sie einen schändlichen Broderwerb, und halten fähige Menschen von erlaubten, nützlichen und nothwendigen Beschäftigungen zurück.

Daß die jetzt in der Welt üblichen Moden, Gebräuche und Ergötzungen im Anfange nicht bekannt waren, sondern eine Erfindung eitler Menschen neuerer Zeiten sind, wird uns leicht von selbst einleuchten, wenn wir erwägen, wie Adam und Eva gekleidet waren, denen, wie wir lesen, Gott selbst Kleider von Thierfellen machte, und wenn wir in der Schrift nachsuchen, was von allen diesen Eitelkeiten und Thorheiten unter den heiligen Männern und Weibern der Vorzeit anzutreffen war. Ich möchte wohl fragen, wieviel Band, was für Federn, Spitzen und andere Zierrathen Adam und Eva im Paradiese, und auch nach ihrer Vertreibung aus demselben, an sich trugen? Und was für reiche, prachtvoll gestickte und besetzte Kleider hatten Abel, Enoch, Noah und der gute alte Abraham? Pflegten Eva, Sara, Susanna, Elisabeth und die Jungfrau Maria sich zu frisiren, zu pudern, zu schminken? Trugen sie schönfarbige falsche Locken, kostbare Spitzen, künstlich gezierte Hauben, gestickte Kleider [330] mit langen Schleppen? Schmückten sie ihren Leib mit vielen Ellen oder ganzen Stücken Band, und ihre Schuh mit goldenen und silbernen Flittern, Schleifen u. s. w.? Bei welchen Schauspielen oder andern Ergötzungen waren Jesus und seine Jünger zugegen, um Erhohlung zu suchen? Was für Mährchen, Romane, Komödien, und ähnliche Werke haben die Apostel und Heiligen geschrieben, oder gelesen, um sich die Zeit zu vertreiben? – So viel ich weiß, ermahnten sie Alle und Jeden, „die Zeit zu erkaufen, und schändliche Worte, Possen, Scherz, leeres Geschwätz, erdichtete Erzählungen, u. dgl. zu meiden,“ weil diese Dinge zu einem ungottseligen Leben führen. Sie empfahlen vielmehr allen Menschen, „zu wachen; ihre Seligkeit mit Furcht und Zittern zu schaffen; die thörichten Lüste der Jugend zu fliehen; der Gerechtigkeit, dem Frieden, der Sanftmuth der Liebe und Barmherzigkeit nachzustreben, und nach Dem, was droben im Himmel ist, zu trachten, wenn sie Ehre, Ruhm, unsterbliches Wesen und ewiges Leben erlangen wollten.“[4]

§. 6. Fragt man mich, woher alle jene Thorheiten zuerst kamen? so bin ich bereit zu antworten: Sie entsprangen zuerst unter solchen Heiden, die Gott gar nicht kannten; denn Einige derselben verabscheueten sie, wie wir hernach hören werden. Sie gehörten zu den Vergnügungen eines wollüstigen Sardanapals, eines phantastischen Mirakles, eines komischen Aristophanes, [331] eines verschwenderischen Charaxus, eines üppigen Aristippus und zu den Gebräuchen solcher Weiber, wie die schändliche Clytemnestra , die geschminkte Isabel, die unzüchtige Campaspe, die freche Posthumia, die berüchtigte Lais von Korinth, die unverschämte Flora, die prachtliebende ägyptische Kleopatra, und die schamlose Messalina. Männer und Weiber wie diese, die, mit unauslöschlicher Schande gebrandmarkt, einen bösen Geruch durch alle Zeitalter verbreitet haben; aber nicht die heiligen, sich selbst verleugnenden Männer und Weiber der Vorzeit, waren solchen eitlen Belustigungen ergeben. Ja, selbst die aufgeklärten Heiden verabscheueten sie, und zwar – wie allgemein zugestanden wird, – aus sehr edlen, moralischen Beweggründen. Wir finden keine Begünstigung derselben in Plato’s oder in Seneka’s Werken. Pythagoras, Sokrates, Phocion, Zeno und Andere, hatten sich an solche Erhohlungen nicht gewöhnt. Die tugendhafte Penelope, die keusche Lucretia, die ernste Kornelia und mehrere ihres Gleichen, fanden angenehme Beschäftigungen genug unter ihren Kindern, Dienstboten und Nachbarn; und wiewohl sie von hoher Abkunft waren, so bestand dennoch, nächst ihren Andachtsübungen, ihr größtes Vergnügen in Spinnen, Weben, Nähen, oder andern häuslichen Arbeiten und lobenswerthen Verrichtungen. Diese, welche Heiden genannt werden, zeigten in ihren Handlungen mehr wahres Christenthum, als die jetzigen Verehrer und Vertheidiger der eitlen Moden, üppigen Gebräuche und sinnlichen Ergötzungen, die, aller ihrer Thorheiten ungeachtet, sich dennoch Christen nennen.

[332] Aber vor Allen, ihr Theaterliebhaber! Woher, glaubt ihr, daß die Lustspiele, die euch so sehr ergötzen, entstanden sind? da sie doch, – obgleich sie unter allen erdachten Erfindungen die verderblichsten sind, – von euch so sehr geschätzt und so gern und häufig besucht werden! Ich will es euch sagen: ihr Stammvater war ein Heide; und zwar keiner der bessern Klasse. Er hieß Epicharmus. Man nennt ihn freilich einen Philosophen, oder einen Verehrer der Weisheit; er war es aber nur dem Namen nach, und eben so wenig in der Wirklichkeit, als die heutigen Schauspieler wahre Christen sind. Suidas, ein griechischer Geschichtschreiber, erzählt von ihm, er sei der erste gewesen, der Komödien erfand, und habe auch mit Hülfe eines gewissen Phormus funfzig Fabeln gemacht. Wollt ihr auch sein Vaterland und die Veranlassung zu seiner Erfindung kennen? – Seine Vaterstadt war Syrakus, die (ehemalige) Hauptstadt Siciliens, welche wegen der schändlichen Handlungen vieler ihrer Tyrannen merkwürdig war. Diesen durch Ergötzung ihrer Sinne zu gefallen, strengte Epicharmus seinen Witz an, und erfand die Komödien. Ist dieses nun aber nicht ein böser und verwerflicher Ursprung derselben? Und ist es daher nicht eben so tadelnswerth, wenn Jemand solche Dinge nachahmt, oder zu rechtfertigen sucht, welche schon die Tugendhaften unter den Heiden verwarfen? Ja, ist es nicht entsetzlich, wenn Diejenigen, die sich Christen nennen, an solchen Erfindungen Vergnügen finden, sie unterstützen und in Schutz nehmen? – Auch können die traurigen Trauerspiele sich keiner bessern Abkunft rühmen. Ihr Erfinder war ein gewisser atheniensischer Dichter, Namens Thespis, [333] dem man auch die Einführung des unverschämten Gebrauchs, das Gesicht anzumalen, und andere Personen, mittelst Nachahmung ihrer Kleidung, Gebehrden, Sprache etc. vorzustellen, zuschreibt. Diesen beiden Erfindern muß ich aber noch einen verliebten Dichter an die Seite setzen, den seine unbändige Leidenschaft so hingerissen hatte, daß er sie in Versen laut werden ließ, welche die schmutzigsten und niedrigsten Gesinnungen, wo nicht gar Abgötterei verriethen. Er hieß Alcman oder Alcina, und war ein Lydier. Von ihm sagt man, daß er der erste gewesen sei, der die Welt mit der Thorheit: Liebesgeschichten und Liebesgedanken in Liedern vorzutragen, beschenkte, welche hernach alle Nationen in ihren Romanzen so eifrig nachgeahmt haben.

§. 7. Einige werden vermuthlich hiergegen einwenden, daß es doch auch viele Lustspiele, Trauerspiele, Sonnetten, Lieder etc. gäbe, welche durchaus eine Tendenz haben, das Laster zu bestrafen, und aus denen man viel Gutes lernen können. So nichtig dieser Einwurf auch ist, so haben ihn Einige, entweder aus Mangel an Einsicht oder aus Unverschämtheit, mir doch schon gemacht. Ich gebe auch zu, daß dergleichen Vorstellungen unter den Heiden, nächst dem Lesen ihrer ernsten Moral-Philosophen, dienliche Heilmittel gegen die im Schwange gehenden Laster waren. Unter diesen will ich zwei Beispiele ausheben: Euripides, dem Suidas die Benennung eines tragischen Dichters beilegt, und Eupolis, den derselbe Schriftsteller einen komischen Poeten nennt. Der Erstere führte ein so keusches Leben, – und war also von der größern Anzahl unserer jetzigen Männer so sehr verschieden, – daß man ihn einen Weiberfeind nannte; [334] wiewohl er nur die ausschweifenden Weiber haßte; denn er war zweimal verheirathet. Den Andern beschreibt Suidas als einen scharfen Tadler der Laster. Hieraus schließe ich, daß es nicht die Absicht dieser Männer war, die Eitelkeit und Thorheit der Menschen zu nähren, oder mit ihren Arbeiten sich Geld zu verdienen; sondern daß sie vielmehr, da das Volk durch die frechen Ausschweifungen seiner Vorgänger verführt worden war, dasselbe von seinen Thorheiten wirklich dadurch wieder zurückzuführen suchten, daß sie das Laster lächerlich machten und die Macht ihres Witzes gegen die Zügellosigkeit der Menschen spielen ließen. Dieses wird auch aus der Beschreibung, die wir von ihnen haben, um so wahrscheinlicher, da man von Euripides erzählt, er sei von unzüchtigen Weibern in Stücken zerrissen worden; ohne Zweifel darum, weil er gegen ihre Frechheit und Schamlosigkeit eiferte. Und von Eupolis sagt man, er sei, als er in einer Schlacht zwischen den Atheniensern und Lacedämoniern umgekommen war, so sehr bedauert worden, daß man ein Gesetz gemacht habe, welches solchen Dichtern nicht mehr erlaubte, die Waffen zu ergreifen; ohne Zweifel aus keiner andern Ursache, als weil sonst mit ihnen die Bestrafer des Lasters verloren gingen. Demnach hatten also die bessern komischen und tragischen Dichter jener Zeit keinen andern Zweck, als das Volk dadurch zu bessern, daß sie das Laster verhaßt machten; und zwar nicht so sehr durch vernünftige Beweisgründe, wie es bei ihren Philosophen üblich war, sondern durch beißenden Spott und empfindliche Rügen, oder durch bildliche Vorstellungen, die ihre lasterhaften Handlungen in ein lächerliches und abscheuliches [335] Licht stellten; damit sie dadurch gezwungen würden, um ihres guten Rufes willen sich derselben nicht mehr schuldig zu machen. Indessen sind alle diese Mittel, meiner Ansicht nach, doch nicht viel gelinder als die Geißel oder das Zuchthaus. – Wollt ihr jedoch, die ihr dieselben vertheidigt, es euch gefallen lassen, daß man euch als Heiden, und zwar als Solche betrachte und behandle, die eher durch die Geißel des Spottes, als durch überredende Vernunftgründe, von bösen Dingen abzubringen sind, dann wollen wir euch einräumen, daß eure Lust- und Trauerspiele einigen Nutzen für euch haben können. Aber dann auch, wenn eure verderbten Neigungen so stark sind, daß ihr zu den elenden Hülfsmitteln der Heiden eure Zuflucht nehmen müsset, um sie zu zügeln und einzuschränken; wenn ihr eure bösen Wege nicht aus Liebe zur Tugend verlassen, dem Laster nur aus Furcht vor der Schande oder des schlechten Rufes wegen entsagen wollet; o! dann schämt euch doch auch, den Namen Jesu Christi so offenbar zu mißbrauchen, daß ihr euch Christen nennt. – Stehet es so mit eurer Liebe zu Jesu? Beweiset dieses eure Hochachtung vor der heiligen Schrift, die den Menschen Gottes durch den Glauben an Christum vollkommen machen kann? Ist es mit allen euren schönen Reden von göttlichen Anordnungen, vom Gebete, von den Sakramenten, vom Christenthume, u. s. w. dahin gekommen, daß ihr euch solcher Belehrungsmittel bedienen müsset, welche die tugendhaften Heiden zuließen, damit die Verworfensten unter ihnen von ihren Lastern abgeschreckt werden möchten? ja, solcher Mittel, die nicht viel mehr als körperliche Züchtigungen ausrichten können?

[336] §. 8. Diese Dinge stimmen in der That nicht mit einem wahrhaft christlichen Charakter überein; da es unter den edlern Heiden schon Männer und Frauen gegeben hat, die besser unterrichtet waren und erhabenere Gesinnungen hegten. Diese kannten Gegenstände von höherer Art und ewig dauernder Beschaffenheit, denen sie ihre Betrachtungen und ihr Nachdenken widmeten. Ja, Viele von ihnen übertrafen die Christen unserer Zeit, indem sie sich durch ein ernstes, gesetztes Betragen auszeichneten. Die Athenienser ernannten die Gynaecosmi, oder zwanzig Männer, die auf die Kleidung und das Betragen des Volks ein wachsames Auge haben mußten, und das Recht hatten, Jeden, der sich unbscheiden oder unanständig aufführte, darüber zu bestrafen. Jetzt steht die Sache ganz anders. Wer solchen Leuten Vorwürfe macht, wird strafbar, oder setzt sich wenigstens dem bittersten Tadel und der größten Verhöhnung aus. Einige sind so ruchlos und treiben ihre Unverschämtheit so weit, daß sie nicht allein religiöse Personen, sondern sogar die heiligsten Sachen zu Gegenständen ihres elenden Gespöttes machen, und, nicht damit zufrieden, ihre Geringachtung aller religiösen Grundsätze durch die Ungebundenheit ihres eigenen Lebens an den Tag zu legen, ihre gänzliche Verachtung der Religion auch dadurch beweisen, daß sie dieselbe durch komische und niedrige Späße auf der öffentlichen Bühne zu entwürdigen und lächerlich zu machen suchen. Wie gefährlich dieses ist, und wie leicht es die Wirkung hat, die Religion in den Augen des Volkes herabzusetzen, beweiset das Beispiel des Aristophanes, der kein geschickteres Mittel wußte, den Ruf des Sokrates bei dem Volke, das ihn seiner ernsten Lehren und seines tugendhaften Lebens [337] wegen hochschätzte, verdächtig zu machen, als daß er ihn in einem Schauspiele von einer lächerlichen Seite darstellte; welches denn auch die Folge hatte, daß der leichtsinnige, ausgelassene und unbändige Pöbel lieber dem ernsten, als dem lächerlich gemachten Sokrates den Rücken zukehrte. Auch kann man leicht einsehen, daß die wahre Ursache, warum die sogenannten Quaker von leichtsinnigen und ausschweifenden Menschen so sehr verspottet werden, bloß darin liegt, daß sie das sündliche und eitle Leben der Menschen so ernstlich rügen, und ihrer Unmäßigkeit in allen Arten weltlicher Vergnügungen durch ein enthaltsames Leben der Selbstverleugnung beständig widersprechen. Denn alle jene Freigeister wollen, ihres wüsten Lebens ungeachtet, für gute Christen gelten, während man uns für eigensinnige, eingebildete, tiefsinnige und finstere Sonderlinge, ja, für Ketzer, Betrüger, und wer weiß, für was noch mehr hält. O! der großen Verblendung und pharisäischen Heuchelei! Als wenn solche Menschen im Stande wären, religiöse Gegenstände zu beurtheilen, oder als wenn es möglich wäre, daß sie einen richtigen Begriff und ein inneres Gefühl von wahrer Religion haben könnten, während ihr Verstand von dem Gotte der Weltfreuden verfinstert und ihre Seele in äußern Genüssen ganz versunken ist. Nein! ich sage euch im Namen des ewigen Gottes: Ihr spottet seiner und betrüget eure eigenen Seelen! Denn der Zorn des Allmächtigen ist gegen euch Alle gekehret, so lange ihr in einem solchen Geiste und Zustande verharret! Umsonst sind alle eure leeren Worte und eitlen Beobachtungen! Gott lacht und spottet eurer! Sein Zorn ist über eure Untugend entbrannt! Darum laßt euch warnen und zur Mäßigkeit ermahnen; bereuet eure Abweichungen und bessert euren Lebenswandel!

[338] §. 9. Ueberdies werden die leichtsinnigen und ausschweifenden Erfinder der weltlichen Thorheiten durch den Beifall, womit ihre Erfindungen und Darstellungen aufgenommen werden, in ihren Unternehmungen sehr bestärkt und aufgemuntert, und folglich von ehrenvollen und nützlichen Beschäftigungen zurückgehalten. Auch sind aus keiner andern Ursache viele nothwendige Lebensbedürfnisse in so hohem Preise, als weil die Arbeit so theuer ist; und dieses ist offenbar nur darum der Fall, weil so viele Hände mit den Anschaffungen und Besorgungen eitler Ueberflüssigkeiten beschäftigt werden. Ja, wie häufig geschiehet es nicht, daß jene Erfinder und Besorger der menschlichen Thorheiten, wenn sie um Geld verlegen sind, dem Publikum eine neue Mode anheften, die, ihrem Vorgehen nach, mehr als eine andere auf Bequemlichkeit und Putz berechnet ist, und welche oft schon dann eingeführt werden muß, wenn die vorigen Sachen kaum zur Hälfte verbraucht sind, die hernach weggegeben oder mit neuen Kosten nach der neuesten Mode zugestutzt werden müssen. O! der verschwenderischen, und doch so allgemein üblichen Thorheit!

§. 10. Hier erwarte ich einer der scheinbarsten Einwendungen zu begegnen, welche die Vertheidiger dieser Dinge gewöhnlich vorbringen, wenn sie sich in die Enge getrieben sehen. Sie sagen nämlich: Wovon sollen denn die vielen Familien leben, die ihren Unterhalt in der Besorgung der Moden, Gebräuche und Ergötzungen der Welt finden, gegen welche ihr so ernstlich eure Stimme erhebt? Ich erwiedere: es ist ein schlechter Behelf, wenn man etwas Böses, sei es auch noch so gering, darum vertheidigt, weil ein guter Zweck dadurch erreicht wird. Findet [339] ihr an sündlichen Eitelkeiten ein Vergnügen, und ziehen Jene aus der Besorgung derselben einen Vortheil, so müßt ihr euch auch gefallen lassen, daß sie euch beiden zur Pein und Strafe dienen, bis der Eine ohne solche Thorheiten zu leben gelernt, und der Andere eine ehrlichere Beschäftigung gefunden hat. Es ist die Eitelkeit der wenigen Großen, welche den vielen Kleinen so viel zu schaffen macht; denn wenn jene nicht alle Schranken überschritten, so würden diese nicht nöthig haben, so hart für sie zu arbeiten. Wollten daher nur die Menschen mit Wenigem, oder mit dem Unentbehrlichen sich begnügen, wie die ersten Christen thaten, so würde Manches bei weitem nicht so theuer und das Leben überhaupt viel leichter zu erhalten seyn. Hätten die Gutsbesitzer nicht so Viel zur Befriedigung ihrer Leidenschaften nöthig, so brauchten ihre Pächter keine so hohe Pacht zu bezahlen, könnten aus einem unbemittelten Stande sich zur Wohlhabenheit hinauf arbeiten, und ihren Kindern ehrliche, häusliche Beschäftigungen geben; wohingegen diese oft genöthigt sind, sich auf Nebenwegen in der Welt durchzuschlagen, und daher nicht selten zu unerlaubten oder lasterhaften Erwerbsmitteln greifen.

Wenn wir einsichtsvollen Landwirthen Glauben beimessen wollen, so ließe sich der Ertrag sehr vieler Ländereien noch bis aufs Doppelte vermehren, wenn es nicht an thätigen Menschen dazu fehlte. Eben so könnten auch noch mehrere Hände bei dem Betriebe erlaubter und nützlicher Manufakturen angebracht werden. Das würde die Fabrikate billiger im Preise machen, ihren Absatz vermehren und der ganzen Welt Vortheil bringen. Dadurch aber, daß die Unterhaltung der städtischen Eitelkeit dem Ackerbaue [340] und andern nützlichen Gewerben so viele Hände entziehet, fällt die Last um so viel schwerer auf den Landmann und arbeitsamen Fabrikanten. Wenn die Menschen sich nie für reich genug halten, so fehlt es ihnen auch niemals an Sorgen und Mühe. Wer aber den ursprünglichen Zustand der Schöpfung Gottes zu seiner Richtschnur nimmt, der lernt sich mit Wenigem begnügen, indem er einsiehet, daß der Durst nach Reichthum nicht allein den wahren Glauben untergräbt und zerstöret, sondern auch Denen, die zu seinem Besitze gelangt sind, zum Fallstricke und zu einer Quelle vieler Unruhe dient. Es ist nicht unrecht, Unrecht zu bereuen; doch kann es nicht eher dahin kommen, bis die Menschen aufhören, Das, was sie bereuen sollten, zu rechtfertigen. Auch ist es in der That ein schlechter Beweggrund, wenn Jemand darum keine Maßigkeit übt, und die Unmäßigkeit in Schutz nimmt, weil dadurch Viele sich ihren Unterhalt erwerben und die Erfinder und Verbreiter der üppigen Moden und Gebräuche sonst keine Nahrung haben würden. Menschen auf diese Weise erhalten, heißt, das Laster füttern und nähren, statt ihm seine Nahrung zu entziehen. Würde es nicht wohlgethan seyn, wenn die reichen Besorger und Beförderer der Eitelkeit, die sich schon viel mehr erworben haben, als sie brauchen, aus ihren Geschäften sich zurückzögen, und anfingen, ihr Vermögen besser anzuwenden, als sie es erwarben; indem sie wirkliche Arme damit unterstützten und ihnen zu bessern Beschäftigungen behülflich wären? Gewiß dieses wäre klüger, edler und auch christlicher, als die Menschen zu Ausgaben für Tand und Thorheiten zu verleiten. Oeffentliche Arbeitshäuser würden treffliche Heilmittel gegen die Ausbrüche dieses so ansteckenden Uebels [341] der Ueppigkeit seyn, wobei auch Jeder sowohl in seiner Kasse als in seinem Gewissen sich besser stehen würde.

Nach solchen Ansichten und Grundsätzen können und dürfen wir in unserm Lebenswandel unter den Menschen uns nicht nach den herrschenden Gebräuchen der Welt bequemen. Wir müssen vielmehr durch unsere Einfachheit und Mäßigkeit gegen ihre eitle Verschwendung zeugen, und durch unser ernsten und bestimmtes Betragen zur Ehre Gottes an den Tag legen, wie sehr wir die verschwenderische Prachtliebe und das zügellose Leben der Menschen mißbilligen; ja, wir müssen Manches, was wir sonst wohl als erlaubt betrachten würden, und mit völliger Gleichgültigkeit, oft selbst mit Vergnügen gebrauchen könnten, bloß um des Mißbrauchs willen uns versagen, der so allgemein damit getrieben wird.

§. 11. Einige sind ferner mit einem andern Einwurfe bereit, indem sie sagen: Hat denn Gott uns diese Lebensgenüsse bloß gegeben, um uns zu verdammen, wenn wir sie gebrauchen? Solchen armen, unwissenden Menschen, die lieber dem allerhöchsten und heiligsten Gott die Erfindung oder Erschaffung ihrer thörichten Eitelkeiten zur Last legen, als daß es ihnen an Entschuldigungsgründen für den Gebrauch derselben mangeln sollte, die aus Furcht oder Scham, oder aus Anhänglichkeit an dieselben, nicht wissen, wie sie ihnen entsagen und sich davon losmachen sollen, – solchen Unglücklichen antworte ich: Alles, was Gott zum Gebrauche des Menschen schuf, war gut, und was unser Heiland Jesus Christus erlaubt, verordnet, oder durch sein eigenes Beispiel anempfohlen hat, muß beobachtet, geglaubt und geübt werden.[5] [342] Allein ich finde in dem ganzen Verzeichnisse seiner Lehren und Gebote, welches die heilige Schrift uns vorhält, keine solche Kleiderpracht, noch solche Ergötzungen, oder eine solche Lebensweise, als heutiges Tages unter den mehrsten Bekennern des Christenthumes üblich ist, weder geboten noch empfohlen. Nein, wahrlich! Gott schuf den Menschen zu einem heiligen, weisen, mäßigen und ernsten Wesen, und begabte ihn mit Vernunft und Fähigkeit, sich selbst und die Welt zu beherrschen. Damals war die Erkenntniß Gottes der große Gegenstand seiner Betrachtung, seines Nachdenkens und seiner Freuden; alle seine äußern Genüsse, die Gott ihm gab, waren der Nothwendigkeit, der Bequemlichkeit und der Erlaubtheit des Vergnügens mit dem Vorbehalte untergeordnet, daß er in Allem den Allmächtigen sehen, fühlen, genießen und verehren sollte. Aber ach! wie weit sind die mehrsten Christen von dieser ursprünglichen Verordnung abgewichen, die dessenungeachtet so hohe Ansprüche auf das Leben, das Verdienst und den Tod eines heiligen Jesus machen, der nicht allein durch seine Erscheinung der Welt einen sichern Beweis von der Möglichkeit einer glücklichen Wiederherstellung des Menschen gegeben hat, sondern auch Allen seinen gnädigen Beistand verheißt, die ihm auf dem Wege des heiligen Kreuzes und der Selbstverleugnung nachfolgen wollen, den er ihnen als den einzigen Pfad zu ihrer ewigen Seligkeit vorgezeichnet hat. Ob nun aber die Gemüther jener Menschen, beides Geschlechts, nicht so tief in Thorheiten und Eitelkeiten versunken sind, daß sie den Herrn des Lebens nicht weiter als vom Hörensagen kennen; und ob ihr begieriges Trachten nach niedrigen Dingen dieser Welt nicht die Ursache ist, [343] daß sie, des Genusses der Gegenwart Gottes beraubt, allen Geschmack an göttlichen Freuden verloren haben, und daher sich eingebildete Vergnügungen und immer neue Zerstreuungen ersinnen, um die anklagende Stimme in ihrem Innern nicht zu vernehmen, oder dieselbe zu übertäuben, und so ihre Tage und Nächte ohne jene störenden Gefühle der Angst und Unruhe, welche die unvermeidlichen Folgen ihrer Uebertretungen sind, gemächlicher und sicherer in dieser Welt zubringen zu können, – ob dieses nicht mit ihnen der Fall ist, möge ihr eigenes Gewissen ihnen beantworten.[6]

Die Versuchung Adams wird dadurch vorgestellt, daß er gereitzt ward, von der Frucht eines Baumes zu essen.[7] Dieses zeigt uns, was für einen mächtigen Einfluß äußere schöne oder reitzende Gegenstände auf unsere Sinne haben. Ja, die Macht der sichtbaren Dinge ist in der That so hinreißend, daß Jeder, der nicht beständig in seinem Gemüthe dagegen wacht, sehr leicht von ihnen gefangen genommen wird. Und ist er erst einmal von ihnen überwunden und zum Sklaven gemacht, so verbreiten sie einen so dichten und finstern Schleier über seine Seele, daß er sich selbst nicht mehr erkennet, und nicht allein die Fesseln des üppigen und eitlen Lebens mit Vergnügen trägt, sondern sogar auf seinen Sklavenstand so stolz ist, daß er Andere, die sich demselben entziehen, mit seinem Tadel überhäuft, indem er ihn als einen nützlichen und angenehmen Stand vertheidigt. Eine so sonderbare Leidenschaft erzeuget die Liebe zu den vergänglichen Gegenständen des Vergnügens der Welt in den Herzen Derer, die ihr Eingang verstatten und Nahrung [344] gewähren! „Wir wissen aber, daß Jesus Christus, der Sohn Gottes, gekommen und in uns geoffenbaret ist, und er hat uns einen Sinn gegeben, und unsern Verstand erleuchtet, daß wir ihn, den Wahrhaftigen, erkennen.“[8] Und Er hat Allen ein hinreichendes Maß seines guten Geistes verliehen, welches, wenn sie ihm nur Gehorsam leisten wollen, vermögend ist, ihre Seelen aus der Sklaverei der Eitelkeit zu erretten, und von der Herrschaft aller sinnlichen Gegenstände, welche die Augenlust, die Fleischeslust und das hoffärtige Leben nähren, gänzlich zu befreien; so daß ihre Herzen erneuert und wiedergeboren werden, ihre Neigungen eine andere Richtung bekommen und ihre ganze Seele sich mit den Dingen beschäftiget, die droben sind, wo weder Rost noch Motten eindringen, und ihre Schätze nicht zerstören können.

§. 12. Es ist leicht einzusehen, was für Menschen es seyn müssen, welche sich den irdischen Freuden hingeben, und jene Ueberbleibsel der ägyptischen Zierrathen in Schutz nehmen. Sie müssen das demüthige, sanfte, einfache, heilige und musterhafte Leben der Selbstverleugnung,[9] wozu der heilige Geist alle ihm gehorsame Herzen anleitet und fähig macht, entweder nie gekannt oder sich von demselben wieder entfernt haben. Ja, es leidet keinen Zweifel, daß alle solche Menschen dieses gute Land, dieses himmlische Vaterland und selige Erbtheil niemals recht sahen, oder, wenn sie auch einen entfernten schwachen Blick davon hatten, doch wieder ganz aus dem Gesichte verloren haben. O! möchten sie sich doch einmal ruhig niedersetzen, in sich selbst einkehren und ernstlich erwägen, wo sie sind, und wessen Werk und Willen sie thun! [345] Möchten sie doch einsehen, daß unter allen listigen Kunstgriffen des Feindes ihrer wahren Glückseligkeit keiner für ihre unsterblichen Seelen so gefährlich ist, als dieser, daß er ihre Sinne und Gedanken unaufhörlich mit den thörichten Moden und üppigen Vergnügungen der eitlen Welt beschäftigt! Grobe, in die Augen fallende Laster, erregen gewöhnlich bei Denen, die eine gute Erziehung genossen haben, und welche auf einen guten Ruf etwas halten, den größten Abscheu. Daher greift der schlaue Feind, da er wohl einsiehet, daß er mit seinen Versuchungen zu denselben bei Vielen nichts ausrichten kann, zu feinern und verfänglichern Mitteln, indem er die Gemüther der Menschen zu Zerstreuungen und Erhohlungen verleitet, die beim ersten Anblicke nicht so schädlich erscheinen, weil sie weniger mit Schande verbunden sind, und indem sie erlaubte Vergnügungen versprechen, auch stärker anziehen und desto sicherer zu seinem Zwecke führen, der kein anderer ist, als die Menschen durch immerwährede Beschäftigung mit sinnlichen Gegenständen von einem ernsten Forschen und Trachten nach Dem, was zu ihrem ewigen Frieden dienet, abzuhalten.[10] Auf solche Weise sucht der arge Feind die Menschen in Ansehung der himmlischen Dinge in beständiger Unwissenheit zu erhalten, damit sie das ewige Leben nicht kennen lernen, und folglich auch nicht darnach ringen, sondern sich mit den Beobachtungen leerer, von Menschen erfundenen und vorgeschriebenen Religionsgebräuchen begnügen, wobei sie ihren gewöhnlichen Vergnügungen ungestört nachgehen können, indem ihre Religion und ihr Lebenswandel größtentheils mit einander übereinstimmen. Daher wissen sie denn auch nicht, [346] was es heißt. „in der Erkenntniß Gottes wachsen, Gnade um Gnade empfangen, und zu dem vollkommnen Mannsalter Christi gelangen.“[11] Was daher Viele in ihrem siebenten Jahre waren, das sind sie noch in ihrem siebzigsten; nur nicht mehr so unschuldig; es sei denn daß das alte Sprichwort eintreffe, daß Greise wieder Kinder werden.

Wahrlich! das Geheimniß der Gottseligkeit, das göttliche Leben, das wahre Christenthum, sind Gegenstände von der höchsten Wichtigkeit! Und da wir sehen, daß der Feind, wenn er die Menschen nicht zu groben Lastern verleiten kann, allezeit geschäftig ist, ihre Gemüther mit anscheinend unschuldigen Unterhaltungen zu beschäftigen und an sich zu ziehen, damit er sie um so leichter an der Wahrnehmung ihrer Pflichten und an ihrem Wachsthume in der Erkenntniß des allein wahren Gottes, welche ewiges Leben ist,[12] verhindern, und ihre Gemüther von der Betrachtung himmlischer und unvergänglicher Dinge gänzlich abziehen könne; so müssen Alle, welche seinen Schlingen entgehen wollen, ihre Aufmerksamkeit auf die Erscheinung der göttlichen Gnade in ihrem Innern richten, die sie lehret und fähig macht, das ungöttliche Wesen zu verleugnen, und allen eitlen und bösen Dingen auf immer zu entsagen.[13] Dann wird ihr verbesserter Lebenswandel gegen das unmäßige und ausschweifende Leben der Welt zeugen; dann werden sie zu der Zahl der wahren sich selbst verleugnenden Jünger Jesu gehören. Thun sie dieses aber nicht, so werden sie die schrecklichen und verderblichen Folgen davon erfahren.

[347] Dadurch, daß die Menschen ein Verlangen nach immer neuen Unterhaltungen äußern, und so viel Zeit und Geld darauf verwenden, geben sie nicht allein den Erfindern und Verbreitern solcher Thorheiten, die bloß zur Befriedigung eitler und üppiger Neigungen dienen, große Aufmunterung, mit ihren Bemühungen fortzufahren, sondern machen sich auch des Bösen dieser Beförderer der Ueppigkeit theilhaft, die auf eine elende Art ihren Witz anstrengen und ihre eigene Zeit verschwenden, um neue Zeitvertreibe für Andere zu erfinden. Fänden hingegen solche Menschen nicht die Unterstützung und Aufmunterung, die ihnen so allgemein gewähret wird, so könnten Mangel und Dürftigkeit die Mittel werden, sie, wie den verlornen Sohn, an ihres Vaters Haus zu erinnern. Denn, was auch Einige davon halten mögen, so hatte doch der Feind der wahren menschlichen Glückseligkeit unter allen seinen Verführungsmitteln nie angenehmere Lockspeisen, anziehendere Gegenstände, gefälligere Unterhaltungen, listigere Abgesandte, einnehmendere Prediger, bezauberndere Vorträge und hinreißendere Redner, durch welche er die Menschen anlocken und in sein Netz ziehen, und so ganz von aller Betrachtung göttlicher Dinge entfernen könnte, als der Putz, die Ergötzungen, Schauspiele und üblichen Zeitvertreibe unsers verwilderten Zeitalters sind, welche, als wahre Schulen der Ueppigkeit und Werkstätte des Verderbens, diese gerechte Rüge verdienen.


  1. Pred. Sal. 12, 1. Luk. 12, 29–31.
  2. Sprichw. 7, 10–21.
  3. 1 Joh. 2, 15. 16.
  4. Epheser 5, 1–5. 15. 16. 2 Tim. 2, 16. 22. Matth. 25, 13. Phil. 2, 12. 13. Kol. 3, 1. 2. 5. Röm. 2, 6. 7.
  5. Luk. 8, 14. Kap. 12, 28–31.
  6. Röm. 2, 8. 9.
  7. 1 Mos. 3, 6.
  8. 1 Joh. 5, 20.
  9. Gal. 5, 22. 25. Eph. 5, 8–11. Kap. 15, 16.
  10. Eph. 6, 12–19.
  11. Eph. 1, 16–23. Kap. 4, 12. 13.
  12. Joh. 17, 3.
  13. Tit. 2, 11–15.
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