Textdaten
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Autor: J. G. B.
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Titel: Noch einmal die Colibri
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aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 480
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[480] Noch einmal die Colibri. Wenn in den „Colibri-Studien“ („Gartenlaube“ Nr. 6) gesagt wird, daß die so zierlichen Vögel sich hauptsächlich von kleinen Kerbthieren nähren, die sie in den Blumen aufsuchen, so mag es andererseits nicht ohne Interesse sein, zu erfahren, daß sie auch von Honig allein zu leben vermögen, es sogar, wenn eine kleine Mühe nicht gescheut wird, möglich ist, selbst ganz junge Thierchen, ohne Beihülfe der Alten, aufzuziehen, wie ich in den folgenden Zeilen zu schildern suchen werde.

In der Stadt Z. auf der Hochebene Mexicos begegnete ich eines Nachmittags einem Jungen, der ein auf einem gabelförmigen Zweige erbautes Nest, in dem sich zwei noch durchaus nackte Colibri befanden, in der Hand hielt. Ich bot dem Jungen einen Real (fünfzig Pfennig), und wir waren des Handels einig. Sofort eilte ich nach Hause, bohrte ein Loch in ein Brettchen, steckte den Zweig hinein und stellte das Ganze auf einen Tisch. Die erste Sorge war nun: wie und mit was füttern? Zuckerwasser verwarf ich als nicht geeignet, denn wenn, wie ich annehmen mußte, die Nahrung dieser Thierchen der Nektar der Blumen sei, so bot Zuckerwasser einen nur schwachen Ersatz dafür; ich kaufte deshalb etwas Honig, den ich mit Wasser verdünnte. Vermittelst eines dünnen Hölzchens, welches ich eintauchte, versuchte ich nun, an den Schnäbeln hinstreichend und dabei etwas aufdrückend, den kleinen Thieren ein wenig Nahrung beizubringen, denn sie wollten die Schnäbel nicht sperren. Nach wiederholten Versuchen gelang es mir, ihnen einige Tropfen einzuträufeln, und ich setzte auf diese Weise das Füttern fort. Um nun meinen so sehr zarten Pfleglingen die Wärme der fehlenden Eltern zu ersetzen, bedeckte ich sie mit gezupfter Baumwolle. Die Hoffnung, die Vögel am anderen Morgen noch lebend zu finden, war freilich eine nur kleine, um so größer aber meine Freude, als ich sie wirklich noch am Leben und munter fand.

Nach einigen Tagen ging das Geschäft des Fütterns schon besser, denn nun sperrten sie, wenn ich mich dem Tische näherte, ihre Schnäbel von selbst auf und fuhren an dem mit Honig bestrichenen Hölzchen, welches ich ihnen reichte, hin, mit ihren Zungen, dünn wie Nadeln, den Saft einführend.

Jedenfalls muß meinen Kleinen Kost und Pflege wohl bekommen sein, denn sie gediehen ganz hübsch; nur beging ich einmal den Fehler, ihnen zu viel Futter zu reichen, denn die noch ganz kahlen Kröpfchen waren durch die Ausdehnung fast durchsichtig geworden, was glücklicher Weise keine schlimmen Folgen hatte.

Mit vielem Vergnügen sah ich sie von Tag zu Tag sich mehr entwickeln, und nach zweiundzwanzig Tagen ward mir die Genugthuung zu Theil, die Thierchen mit schönem grün- und bronzeschillerndem Gefieder bedeckt und flügge zu sehen. Sie waren jetzt aber im Nest nicht mehr zu halten, und so oft ich sie auch vom Boden, wohin sie immer flogen, aufnahm und in ihr Nest zurücktrug, währte es nicht lange, so waren sie wieder unten. Als ich ihnen eines Morgens ihr Futter geben wollte, war eines meiner Kleinen verschwunden und blieb es auch, trotz allen Nachsuchens. Ob es nun davon geflogen oder von der Katze verspeist worden war, weiß ich nicht; nach weiteren zwei Tagen war das andere, wahrscheinlich aus Leid über den Verlust des Gefährten, todt.

J. G. B.