Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Thalsperre“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 620
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Wiktionary: Talsperre
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Thalsperre. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 620. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Thalsperre (Version vom 12.12.2024)

[620] Thalsperre, ein Damm von sehr widerstandsfähiger Bauart, quer über den Lauf eines Wildbachs angelegt, zur Zurückhaltung des Geschiebes und Ausfüllung tief eingeschnittener Rinnen (Runsen). Zur Verbauung der Wildbäche dient zumeist eine größere Anzahl von Thalsperren in angemessenem Abstand voneinander. Dieselben verhindern das Verwildern des Gebirgsbaches in der Thalebene durch Zurückhalten der Geschiebsmassen, müssen aber, wenn sie diese Aufgabe sicher erfüllen sollen, bei allen in den Fluß einmündenden Wildbächen angelegt werden. Hand in Hand damit ist häufig eine Aufforstung kahler Hänge zu bewerkstelligen. Vgl. v. Seckendorff, Verbauung der Wildbäche etc. (Wien 1884).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 791792
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[791]  Thalsperre (Staubecken, Stausee, Sammelteich), die künstliche Absperrung eines Thals durch eine Erdschüttung oder durch Mauerwerk zum Zweck der Aufstauung fließender Gewässer, besonders behufs Gewinnung von Nutzwasser für die Landwirtschaft oder die Gewerbe, für Wasserversorgung der Städte und für die Speisung von Schiffahrtskanälen, ausnahmsweise zur Abwehr von Überschwemmungsgefahren. Zur Anlage von Thalsperren eignen sich am besten hinreichend geräumige, thalabwärts sich verengernde, unbebaute Thalbecken mit hohen Ufern, deren Sohle und Wände gleichartig und hinreichend fest sind, um sowohl die Last der Sperrmauer oder des Sperrdammes zu tragen, als auch Durchquellungen und Unterspülungen zu verhindern. Die Sperrwerke erfordern außer einer sehr sorgfältigen Herstellung eine gewissenhafte Unterhaltung, damit durch Beschädigung oder Bruch derselben nicht eine plötzliche Entleerung des Staubeckens eintreten kann, welche für die thalabwärts gelegenen Ländereien und Ortschaften mehr oder minder verhängnisvoll werden müßte. Die Sperrwerke werden bis zu Höhen von 50 m als Erdschüttungen mit flachen Böschungen und Steinbekleidung, als Mauern mit verbreitertem Fuß oder als Erdschüttungen mit Kernmauern ausgeführt. In Amerika sind etwa zwei Drittel aller Sperrwerke mit Erde hergestellt, welche sich zum Teil mitten in den Städten befinden, wie das große Wasserbecken im Zentralpark in New York und das Becken der Wasserwerke in Buffalo. Der größte bekannte Stausee ist der von den Ägyptern um 2000 v. Chr. zur Bewässerung der Nilebene angelegte, unter dem Hochwasser des Nils gelegene Mörissee mit 3000 Mill. cbm Fassungsraum, welcher im 3. Jahrh. v. Chr. zerstört wurde und hierbei furchtbare Verheerungen anrichtete. Im J. 1802 brach die 50 m hohe, 240 m lange T. bei Puentes in Spanien infolge Auswaschens der als Grundbau dienenden Felsschichten, wobei 800 Häuser vernichtet und 600 Menschen getötet wurden, im J. 1864 die 28 m hohe T. bei Sheffield mit einem Fassungsraum von 3,4 Mill. cbm, wobei 240 Menschen das Leben verloren und große Verwüstungen angerichtet wurden. Auch der im J. 1881 eingetretene Bruch der in der Provinz Oran in Algerien für 35 m Wassertiefe erbauten T. bei L’Habra verursachte große Verheerungen an Leben und Eigentum, während der im Mai 1889, wahrscheinlich infolge Überströmung der Dammkrone, erfolgte Bruch des Staudammes im South Fork-Thal oberhalb Johnstown in Pennsylvanien von 284 m Länge und 22 m größter Höhe bei 22 Mill. cbm Fassungsraum des Staubeckens ganze Teile dieser Stadt zerstörte, wobei etwa 4000 Menschen in den Fluten und Trümmern umkamen. Unter den in neuerer Zeit ausgeführten gemauerten Thalsperren ist unter andern die für 33 m Wassertiefe erbaute bei Ternay in Frankreich und die im Thal der Gileppe für 47 m Wassertiefe erbaute bei Dolhain in Belgien zu erwähnen, wovon die letztere die Fabriken der Stadt Verviers mit Wasser versorgt, geschweift ist und bei einer Kronenbreite von 15 m eine Fußbreite von 65,82 m besitzt. Unter den neuern Anlagen von Thalsperren im Gebirge sind diejenigen hervorzuheben, welche im Elsaß teils zur Nutzbarmachung des Wassers, teils zur Minderung der Hochwassergefahren hergestellt worden sind. Das größere dieser Staubecken, welches in erster Linie Meliorationszwecken des Thalgebiets, in zweiter Linie der im Thal angesessenen Industrie (welche sich mit 100,000 Mk. an den 430,000 Mk. Gesamtkosten beteiligt hat) dienen soll, ist bei Sewen hergestellt und besitzt bei 549 km Niederschlagsgebiet 22 m größte Tiefe und 1,100,000 cbm Fassungsraum. Die Sperrmauer ist aus kyklopischem Granitmauerwerk mittels Zementkalkmörtel aufgeführt. Die Stauanlage im Schießrotried faßt 360,000 cbm bei 10 m größter Tiefe und hat ein Niederschlagsgebiet von 1,429 km. Der Sperrdamm ist aus Erde geschüttet und wird, wenn er sich während eines Jahrs gesetzt hat, an der Wasserseite [792] bis zum festen Felsen mit Steinen bekleidet, während Krone und Luftseite dann abgepflastert werden. Ähnliche kleinere Anlagen daselbst sind: das Fischbödle, der Altenweiher, der Forellenweiher, der Danensee, der Schwarze und Weiße See. Von ältern, durch Industrielle daselbst angelegten Staubecken sind zu erwähnen der Sternsee und Neuweiher im Dolbethal und der Belchensee im Gebweilerthal. Im Gebiet der obern Wupper sind im Bau begriffen, bez. in Aussicht genommen eine T. im Brucherthal mit 2,5 Mill. cbm Inhalt und 69 km Niederschlagsgebiet, im Beverthal mit 2,88 Mill. cbm Inhalt und 149 km Niederschlagsgebiet und im Nelsethal mit 3,1 Mill. cbm Inhalt und 119 km Niederschlagsgebiet. Die so gebildeten Sammelbecken sollen das in den wasserreichsten Monaten Oktober, November, Dezember, Januar gesammelte überschüssige Wasser zum Gebrauch während der trocknen Jahreszeit, Februar bis September, aufspeichern. Die Gesamtkosten dieser drei Sammelteiche sind zu 1,5–1,6 Mill. Mk. veranschlagt. Vgl. „Handbuch der Ingenieurwissenschaften“, Bd. 3 (Leipz. 1883).