MKL1888:Campagna di Roma

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Campagna di Roma“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 763
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Campagna di Roma. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 763. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Campagna_di_Roma (Version vom 24.11.2024)

[763] Campagna di Roma (spr. -pánja), Landstrich in Mittelitalien, Provinz Rom, begreift im engern Sinn die Umgebung von Rom oder den Unterlauf des Tiber nebst dem des Anio und wird in diesem Sinn östlich vom Albaner- und Sabinergebirge, im N. von den Bergzügen zwischen dem Soracte und Civitavecchia, im W. von der Meeresküste an der Tibermündung begrenzt. Im weitern Sinn rechnet man zur C. noch die Ebene, welche zwischen den Albaner und Volsker Bergen und dem Meer bis nach Terracina verläuft, und das Thal des Saccoflusses, der dem Garigliano zufließt. In dieser Ausdehnung hat die Landschaft eine Länge von ca. 185 km und eine größte Breite von 70 km. Die C. ist wegen ihrer historischen Bedeutsamkeit das wichtigste Flachland Italiens. Der Boden, unzweifelhaft ein ehemaliger Meeresgrund, ist aus horizontalen, zahlreiche Muscheln umschließenden Schichten zusammengesetzt und dehnt sich in weit geschwungenen Hügelreihen hin. Die Meteorwasser haben tiefe Rinnen gegraben und steile Böschungen gebrochen; sie haben Berge stehen gelassen, Bänke und Schichten Sandes abgesetzt und aufgetürmt; die Quellen und Flüsse haben ungeheure Travertindecken abgelagert. Hauptsächlich aber besteht die ganze Bedeckung der Ebene (bis nach Acquapendente im N. sowie auf einem schmalen Strich zwischen den Bergen und Pontinischen Sümpfen fast bis Terracina) aus Tuff, Lapilli, Puzzolanerde und zerriebenen Schlacken, welche die submarinen Vulkane der Ebene, die hier thätig gewesen, darübergebreitet haben. Der Tiber schlängelt sich in einem breiten, eingenagten Thal hindurch. In die Ränder der Tuffschicht zu beiden Seiten sind Seitenthäler eingeschnitten, und einzelne kleine Tuffhügel (darunter die sieben Hügel Roms) sind im Thal selbst isoliert stehen geblieben.

Die C. ist ein öder, bisher großenteils kulturloser und meist ungesunder Landstrich, durchzogen von den erwähnten Hügelketten, die in den verschiedensten Richtungen laufen und hier und da steil eingeschnitten sind, mit unzähligen Thälern und Schluchten, ohne alle Bäume, mit Ruinen bedeckt und von „böser Luft“ (Malaria) überlagert. Schon in alter Zeit scheint zwar die nächste Umgebung von Rom für ungesund gehalten worden zu sein; außerdem aber war die C. zur Zeit der Römer erfüllt von den prachtvollsten Villen und Gärten, und noch in den ersten Zeiten der Republik standen hier auch bedeutendere Städte, wie Gabii, Fidenä, Veji, unzählige kleine Ortschaften aber bis tief ins Mittelalter hinein. Die unaufhörlichen Verwüstungen der C., im 5. bis 8. Jahrh. durch Goten, Vandalen und Langobarden, später noch durch die Normannen und Sarazenen, sowie die Bürgerkriege der Barone brachten die Landschaft allmählich ins tiefste Elend, und die Auswanderung der Päpste nach Avignon beschleunigte die völlige Verödung. Alle Anstrengungen der spätern Päpste, Kanalisation, Drainierung, Kolonisation, vermochten die C. nicht wieder zu heben, und noch jetzt ist mehrere Meilen um Rom keine Stadt und kein Dorf zu erblicken. Das wellenförmige Land ist, mit Ruinen, zahlreichen Wasserleitungen, Grabmälern und andern Bauresten bedeckt, fast unbewohnt. Nur wenige Schenken (Osterien), Hirtenwohnungen (häufig notdürftig eingerichtete alte Baureste), Winzerhäuser und Pachthöfe unterbrechen die unabsehbare Einöde, auf der vereinzelt halbwilde Rinderherden, von Hirten zu Pferde bewacht, weiden. Den Boden bedeckt rötlichbraunes Heidekraut, hier und da mannshoch aufgeschossener Schierling oder Gruppen von Farnkraut; in den Thalsenkungen steht dichtes Wacholdergesträuch, auf den Höhenrücken wogender Ginster. In den kältern Monaten gewinnt die C. etwas mehr Leben; nach den ersten Regengüssen im Oktober schießt schnell das üppigste Gras hervor und bedeckt alle Höhenzüge. Dann kommen aus den sich mit Schnee bedeckenden Abruzzen und vom Hochland Umbriens und der Sabina die Hirten mit ihren Herden in diese Ebene herab. Viermal im Jahr, vom Frühling bis Oktober, pflügen hier die Bewohner der Gebirgsstädtchen den schwarzen, fruchtbaren Acker, aber nur etwa ein Zehntel des gesamten Bodens ist bis jetzt bepflanzt. Auch die Ernte besorgen Leute aus den Abruzzen, aus den Marken und aus Umbrien, so daß anfangs 20,000, vom Juli an 30,000 Menschen in der C. arbeiten, welche die Pachter anwerben lassen. Außer Getreide wird etwas Wein gebaut; dazu werden Häute, Wolle, Käse ausgeführt. Dichte Pinienwälder ziehen sich an der Küste hin. Der größte Teil der Ländereien ist Eigentum der Kirche, ein Drittel ist im Besitz von 71 fürstlichen Familien, der Rest wird als Eigentum von etwa 1700 kleinen Besitzern bewirtschaftet. Einen Teil der südlichen C. nehmen die Pontinischen Sümpfe (s. d.) ein, die von der Küste bei Nettuno bis nach Terracina reichen. Seitdem Rom Hauptstadt des Königreichs Italien geworden ist, sind zahlreiche Projekte entworfen worden, um die C. und zunächst namentlich die nähere Umgebung von Rom, den sogen. Agro romano, wieder urbar und bewohnbar zu machen. Auch Garibaldi beschäftigte sich in seinen letzten Lebensjahren lebhaft mit dieser Frage. Doch konnte bisher der großen Schwierigkeiten wegen noch wenig geschehen. Erste Bedingung ist Regulierung der Wasserläufe, namentlich des Tiber, um Überschwemmungen und Stagnation des Wassers zu verhindern, was infolge der Waldverwüstung immer häufiger vorkommt. Eukalyptuspflanzungen, mit denen man an der Abtei Tre Fontane einen vielversprechenden Anfang gemacht hat, werden dazu beitragen, das Land von der Malaria zu befreien. Vgl. Westphal, Die römische Kampagne topographisch und antiquarisch dargestellt (Berl. 1829); Mantovani, Descrizione geologica della Campagna Romana (Turin 1875); Gregorovius, Lateinische Sommer (4. Aufl., Leipz. 1878); Gsell-Fels, Rom und Mittelitalien (2. Aufl., das. 1885); F. Giordano, Cenni sulle condizioni fisico-economiche di Roma e suo territorio (Rom 1874).