Textdaten
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Autor: Rudolf Gottschall
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Titel: Literaturbriefe an eine Dame. XXV.
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 50, S. 826–827
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Literaturbriefe an eine Dame.

Von Rudolf von Gottschall.
XXV.


Die deutschen Lyriker, verehrte Freundin, aus allen ihren Verschanzungen getrieben, haben sich unter den Schutz des Christbaums geflüchtet; das Christkind ist ihr letzter guter Genius, aber es verlangt von seinen Schützlingen Eleganz und Glanz der äußern Erscheinung, und so ist es denn eine schmucke Schaar von Gedichten, spielend in allen Farben von Unschuldweiß und Himmelblau bis zum brennenden Roth und dem traurigen Schwarz, alle aber funkelnd von Gold, welche unter den goldenen Aepfeln und silbernen Nüssen und den frommen Wachskerzen des Weihnachtsbaumes zur Schau ausliegen wird.

Sie kommen in allen Farben, allen Trachten; die Muse der einen ist mit dem Turban, die der andern mit dem Ritterhelm geschmückt: Sie haben die Wahl, verehrte Freundin.

Unter dem Turban grüßt Sie zuerst ein bekanntes Gesicht: das ist ja die Muse Mirza-Schaffy's, und Sie zögern nicht, sich ihr, der so anmuthig plaudernden, zuzuwenden. In der That, Friedrich Bodenstedt hat eine Sammlung westöstlicher Lyrik herausgegeben; wir werden eingeladen, auf dem Divan eines persischen Poeten Platz zu nehmen: der Dichter des Mirza-Schaffy hat die „Lieder und Sprüche des Omar Chajjam unserer Literatur angeeignet. Das war ein Stern- und Herzenskundiger, der im elften Jahrhundert nach Christus lebte und die orientalischen Forscher, sowie neue poetische Uebersetzer bereits mehrfach beschäftigt hat; Bodenstedt meint, daß viele der Verse des Omar Chajjam, die nicht in localen Beziehungen wurzeln, ebenbürtig verdeutscht und unbefangenen Hörern ohne Nennung des Namens vorgetragen, eher für unentdeckte Goethe’sche Verse würden genommen werden, als für diejenigen eines alten Persers, der achthundert Jahre vor uns lebte. Unser Perser unterscheidet sich von seinem Landgenossen Hafis und auch von dem neuen Weisheitslehrer in Tiflis durch eine etwas ernstere Miene; er ist mehr Philosoph als Verkünder einer heitern Lebensweisheit; er singt auch von „Lenz und Liebe“, doch es steht ihm nicht sonderlich zu Gesicht; er hat hierüber etwas alltägliche Gedanken; besser behagt er sich schon beim Pokale; er feiert bisweilen den Trunk mit Begeisterung und ertheilt weise Rathschläge, z. B. nur zu trinken in Gesellschaft kluger Köpfe und schöner reizvoller Geschöpfe. Doch ganz in seinem Elemente ist der Denker, wenn er sich tiefsinnig über Schein und Wesen, über die Gottheit, über menschliches Schicksal, über Welt und Leben ausspricht. Er schlägt oft Töne herben Zweifels an; nicht blos das Wissen der Menschen erscheint ihm gering, auch ihr Loos dünkt ihm beklagenswerth.

„Wo ist der Gewinn unsres Kommens und Scheidens?
Was bleibt von der Bürde unsres Hoffens und Leidens?“

Und dann sagt er wieder:

„Darf ich Dir sagen mit leisem Munde,
Als was ich den Menschen betrachte im Grunde?
Als ein elendes Geschöpf, das geknetet aus Staub lebt,
Und so lange es lebt, nur dem Kummer zum Raub lebt.“

Tapfer setzt sich der Dichter zur Wehr gegen seine Gegner; er rühmt sich seiner Lebenslust, seines freien Sinns. Sie werden sich, verehrte Freundin, gewiß an dieser Perlenschnur orientalischer Weisheit erfreuen, wenn Sie Strophe auf Strophe vorübergleiten lassen. Die Gedanken haben oft ein originelles Gepräge; die Phantasie giebt dem Poeten stets neue Bilder an die Hand, alles ist scharf, bestimmt, ohne Ueberschwenglichkeit, ohne ermüdende Wiederholungen. Die gefällige Muse Bodenstedt’s vermeidet bei der Uebertragung alles Schwerfällige und credenzt auch Tiefsinniges mit freundlicher Anmuth.

Und nun vom Turban zum Ritterhelm! Mit diesem geschmückt tritt Julius Wolff’s „Tannhäuser“ vor uns hin. Das ist ein Dichter, der sich rasch durch seine volksthümlichen Gedichte: „Der Rattenfänger von Hameln“, „Der wilde Jäger“ and andere, besonders durch die reizenden Lieder, die er in seine poetischen Texte verwebte, einen Namen gemacht hat. In seiner neuen, höchst umfangreichen Dichtung nimmt er einen höheren Anlauf: er selbst nennt sie einen Minnesang, und ihr großes Thema ist die Liebe in ihren immer wechselnden Gestalten. Dieser „Tannhäuser“ ist ein Liebesritter und die Dichtung die Chronik seiner Abenteuer, von der ersten schüchternen Jugendliebe, vom Rausch eines deutschen Minnehofes und der etwas kecken Nachahmung provençalischer Sitten bis zum Aufenthalt bei der Venus im Hörselberg. Wolff macht von dem Recht kühner Erfindung und der Verschmelzung der Sagen vollen Gebrauch: sein „Tannhäuser“ ist Niemand anders als Heinrich von Ofterdingen und zugleich der Verfasser des Nibelungenliedes. Darüber mag eine eingehende Kritik sich näher aussprechen; der Dichter brauchte zum Abschluß irgend eine entscheidende That seines Helden, und so war ihm die veraltete Meinung willkommen, welche den sagenhaften Ofterdingen zum Verfasser dieses großen Nationalepos machte.

Auch diese Dichtung, die sich bisweilen in alterthümelnden Formen gefällt, enthält einen Schatz von Liedern in allen Tonarten: einzelne naiv und jovial, wie das Spottlied auf den Kellermeister, andere sinnig und schwunghaft, die Mehrzahl Gesänge der Liebe, sanfter Schwärmerei, glühender Hingebung. Besonders schön sind die Gesänge des Sängerkrieges auf der Wartburg. Und so schlägt auch die Schilderung selbst, deren melodische Form zwischen gereimten Jamben und reimlosen Trochäen wechselt, die verschiedensten Töne an, von denen der naiv muntere dem Dichter besonders zu Gesicht steht. Es fehlt auch nicht an üppigen Bildern, besonders an dem Liebeshof; der Dichter selbst sagt in dem einleitenden Minnegruß:

„Und malt’ ich auch zu glühend seine Minne,
So denkt: was wäre Kunst wohl ohne Sinne?“

Es versteht sich überdies von selbst, daß der Hörselberg kein Vesta-Tempel ist; auch hat der Minnesang das Recht, ein Bild der Minnezeit und ihrer oft sehr freien Sitten zu entrollen.

Meine kritischen Bedenken, verehrte Freundin, treffen mehr den allzubreiten Erguß der Schilderung, die biographische Chronik, die eines „ganzen Lebens Bild“ entrollt und so die dichterische Prägnanz allzusehr vermissen läßt. Die gleichzeitigen geschichtlichen Ereignisse, an denen, wie an dem Kreuzzug und den innern Kämpfen in Deutschland, sich der Held betheiligt, werden oft mit der Trockenheit einer Reimchronik erzählt und führen uns durch poetisch öde Steppen. Und gerade durch diesen historischen Rahmen, dadurch, daß der Held, thätig und leidend, in die Mitte der Ereignisse gestellt wird, die sich im glaubwürdigen und natürlichen Zusammenhang vor uns entwickeln, werden wir dem sagenhaften Duft und Dämmer so entfremdet, daß das Wunder des Hörselberges und die ganze eigentliche Tannhäusermythe uns nicht in der rechte Stimmung finden und wir diesen so spät in die Dichtung verwebten Unbegreiflichkeiten mit berechtigtem Zweifel gegenübertreten. Der Dichter ist eben vorher zu ausführlich gewesen, und diese Breite thut auch oft der Prägnanz des dichterischen Ausdrucks Eintrag, die an andern Stellen zu voller Schönheit aufblüht.

Zu den schönsten Stellen rechnen wir die Wechselrede zwischen Heinrich von Ofterdingen und Wolfram von Eschenbach, in welcher die Poesie der Lebensfreude und diejenige des brütenden Tiefsinns in ihrem Gegensatz einen begeisterten Ausdruck finden. Dem nach den Räthseln des Daseins fragenden Wolfram erwidert Tannhäuser, daß er nicht in Gottes Heimlichkeiten dringen wolle:

„An allem haft’ ich, was die Erde
Schmückt und umkränzet lebensvoll,
Und frage nicht, woher das Werde
Am ersten aller Tage scholl.
Hier mit gewachs’nen Wurzeln stehen
Die Blumen, wo die Quelle springt;
Hier mit geschwinden Schritten gehen
Die Menschen, wo der Vogel singt.
Hier trägt mich hochgemuth zum Streite
Mein Roß, hier winkt mir Dank und Lohn,
Hier klirrt und klingt mir an der Seite
Des Schwertes Wucht, der Harfe Ton.
Ich freue mich der goldnen Siegel,
Die auf das dunkle Blau gedrückt,
Wie ihres Glanzes holder Spiegel
In schönen Augen mich entzückt.
Und jedes freundliche Begegnen,
Womit das Glück die Stunde ziert,
Und jede Freude will ich segnen,
Die mir ein Erdentag gebiert.

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Hier wo die Bäume Schatten geben,
Und nicht auf luft’gen Wolkensteig,
Ruft mich die Kunst, grüßt mich das Leben
Und grünet in der Sinne Zweig.“

Naiv und humoristisch sind die Schilderungen aus dem „Stift zu Adamunt“; der Minnehof zu Avellenz und das Minnegericht athmen den leichtfertigen Ton französischer Sitte. Auf Burg Seben werden uns die Bilder deutscher Häuslichkeit vorgeführt, in den Lagunen ein Liebesabenteuer im italienischen Stil. Der Sängerkrieg auf der Wartburg, die Liebe zu Irmgard, die Begegnung zwischen dem Tannhäuser und dem Papste sind die Glanzpunkte des zweiten Theils der Dichtung. Sie werden sich an denselben sehr erfreuen, aber gewiß auch, gleich mir, bisweilen an dem manierirt altdeutschen Ton und einzelnen gänzlich unverständlichen Wendungen Anstoß nehmen.

Haben Sie einmal, verehrte Freundin, etwas von A. Fitger’s Trauerspiel „Die Hexe“ gehört? Das Stück ist über viele Bühnen mit Beifall gegangen; es verräth ohne Frage ein markiges Talent, dem nur eine gewisse herausfordernde Renommage der Freigeisterei, wie besonders in der Hauptsituation, in welcher die Heldin die Bibel zerreißt, nicht gut zu Gesichte steht. Dieser dramatische Dichter hat jetzt auch eine Sammlung lyrischer Gedichte herausgegeben: „Winternächte“. Schon der Titel derselben macht einen etwas frostigen Eindruck, und manche sind in der That von einer frierenden Gemüthsstimmung eingegeben; es herrscht in ihnen das Zähneklappern des menschlichen Elends, eine Vorliebe für die Darstellung von Existenzen, die gleichsam im Wintersturm des Lebens verweht sind. Dies tritt besonders in den „Idyllen“ hervor, in denen wir vergebens das arkadische Glück der Beschränkung suchen würden. Der schmutzige, im Schnapsgenuß untergegangene Organist, der noch einmal die Orgel meisterhaft spielt, die achtzigjährige zerlumpte Hanna Mullfuß, die, von den Straßenjungen verhöhnt, sich in’s Wasser stürzt, der verlachte Erfinder des perpetuum mobile mit den Straßenscenen, von denen der Dichter sagt:

          „Schon damals wurmte der Hohn mich,
Den ein zerschellt Ideal wieherndem Pöbel entlockt –“

die alte und die junge Megäre, welche Lumpen auf der Straße sammeln, während diese von jener mit allerlei Flitter aufgeputzt wird: welche seltsamen Lebensbilder, die wie zum Hohn sich mit dem Namen der Idylle, einer den ländlichen Frieden und das behagliche Glück athmenden Dichtgattung schmücken!

Doch Arthur Fitger besitzt das Talent kräftiger Darstellung, das sich gerade dort am meisten bewährt, wo er spröde Stoffe wählt; denn er weiß auch ihnen eine poetische Leuchtkraft zu geben. Seine Dichtweise ist nicht glatt, nicht einschmeichelnd; sie ist schroff und herb, aber ihr Colorit ist markig und der Ausdruck der Gedanken oft von einer dem Gedächtniß sich einprägenden Schlagkraft.

Er liebt das Volksthümliche, wie die „Lieder vom Maurergesellen“ beweisen, und besonders die große Erzählung: „Der Meisterdieb“, die Behandlung einer alten Sage, in welcher die Kunst des genialen Diebstahls verherrlicht wird. Die Umdichtung der Sage erscheint uns aber etwas gekünstelt. Der Dieb stiehlt als das schönste Kleinod die Tochter des Königs und zuletzt den König selbst; das heißt doch die alte Ueberlieferung allzu sehr übertrumpfen.

Es geht ein eigenthümlich düsterer Zug durch diese Gedichte; schwunghaft verherrlicht der Dichter in einem Hymnus den Tod; in einer Ballade erscheint er als der dunkle Kämpe, der des zweifelnden Jünglings Fragen beantwortet, nachdem er ihn im Kampfe besiegt. Und wie den Tod, verherrlicht der Dichter die Vergessenheit:

„Du des Vergessens holde Blume,
Du schmückst, o Mohn, das Schlachtgefild,
Ein schön’rer Preis dem Heldenthume,
Als Marmelstein und Bronzebild.“

Es findet sich in den Balladen manche glückliche Pointe, in den anderen Gedichten manches originelle Bild, doch es schwebt über allem eine so aschfarbige Beleuchtung, daß auch bei dem Leser meistens eine triste Stimmung hervorgerufen wird: der Mangel an Lebensfreudigkeit, an jeder frischen Farbe wirkt ermüdend. Die Skepsis ist nicht immer edel gehalten; sie verirrt sich oft zu einem höhnischen Lachen. Manches Gedicht ist indeß tiefsinnig, manche Wendung wiederum drollig. So werden Sie, verehrte Freundin, aus den „Satanischen Fragmenten“ erfahren, wer eigentlich des Teufels Großvater gewesen ist, ein bisher unbekannter Herr, da immer nur von des Teufels Großmutter die Rede zu sein pflegt.

Einen großartigen Helden der Skepsis hat sich Gustav Kastropp in seiner umfassenden Dichtung „Kain“ gewählt, den Helden des Byron’schen dramatischen Mysteriums, den aber der neuere Dichter in einem großen epischen Gemälde behandelt hat. Die biblische Ueberlieferung ist von ihm wesentlich erweitert worden: zunächst erscheint eine Lieblingsheldin der neueren Dichter, die von Hermann Lingg, Adolf Böttger und Andern besungene Lilith, deren Taufschein nicht im alten Testament, sondern im Talmud zu suchen ist, welche als eine vorsündfluthliche „Valandinne“ in irgend einem vorzeitlichen Hörselberg den Helden in Liebesbanden hält. Nach der anderen Seite hin erstreckt sich die Dichtung bis zur Sündfluth; denn dem Brudermörder ist der Tod versagt; er irrt wie Ahasver umher, bis ihm die aufsteigenden Wasser den ersehnten Untergang bringen. Auch der Abfall Lucifer’s und der biblische Titanenkampf der höllischen Gewalten gegen den Himmel ist mit in die Dichtung verwebt.

Den eigentlichen Mittelpunkt der Handlung bildet die Liebe der beiden Brüder Kain und Abel zu Ada; sie wird auch die Veranlassung des Brudermordes, der in dem Byron’schen Mysterium wohl tiefer durch den geistigen Gegensatz und hier, wie Goethe sagt, „auf das Köstlichste“ motivirt ist.

Sie sehen, verehrte Freundin, die Dichtung hat große gedankliche Dimensionen, phantasievolle Erfindung, in der Darstellung einen ernsten und würdigen Ton; sie enthält schöne Naturschilderungen und viele liebliche Bilder, wenn auch das Dämonische nicht mit Byron’scher Tiefe erfaßt ist, wenn auch überhaupt das Idyllische das geistig Bedeutende überwiegt und hier und dort eine etwas modern bürgerliche Moral gepredigt wird.

Zum Schlusse meines Briefes weise ich Sie auf einen Dichter hin, der Ihnen ja durch die „Gartenlaube“ längst bekannt und lieb geworden ist. Die „Gedichte“ von Ernst Ziel sind in neuer sehr vermehrter Auflage erschienen; es sind Ergüsse eines ernsten, edeln und schwunghaften Dichtergeistes, der sich nicht in den bequemen Geleisen der Alltagslyrik bewegt, sondern vorzugsweise die schwierigeren Formen der höheren Dichtung wählt und beherrscht. So weiß er sinnvolle Reflexionen in das verschlungene Strophengewand der Canzonen ohne Gewaltsamkeit zu kleiden; mit rhythmischem Tactgefühl sind seine freien Strophen gebildet, wie in den hymnenartigen „Phantasien aus einer Großstadt“; andere Gedichte wie „Die Götterdämmerung“ erinnern an die Schiller’sche Dichtweise; Platen’schen Schwung athmen die trochäischen Achtfüßler „In der Metropole“. Alle diese größeren Gedichte sind gedankenvoll, voll sittlicher Weihe und Würde, während in den Familiengedichten sich ein warmes Gefühl mit Innigkeit ausspricht und in den „Bildern und Gestalten“ sowie den Balladen anmuthende Anschaulichkeit herrscht.

Sie sehen, verehrte Freundin, das deutsche Publicum darf sich über den Mangel an guten Gedichten und Dichtungen nicht beklagen, wenn sich nur nicht die Gedichte und Dichtungen oft über den Mangel an Publicum zu beklagen hätten. Auch die bekanntesten Romandichter haben diesmal dem Weihnachtstische ihren Tribut gezollt; darüber plaudere ich mit Ihnen das nächste Mal. Außerdem sammeln sich unter dem Christbaume die verschiedenartigsten literarischen Gaben, Prachtwerke wie „Spanien“, „Hellas und Rom“, geschmackvolle Aneignungen fremder Dichter, wie die von Leopold Katscher herausgegebenen „Ausgewählten Werke“ des beliebten dänischen Märchendichters Andersen, auch Vieles, was der Feder von Frauen entstammt, wie das vierte, die Classiker behandelnde Bändchen der geschmackvollen und interessanten „Musikalischen Charakterköpfe“ von La Mara und die mit Kenntniß und Geschick ausgeführten „Frauengestalten der griechischen Sage und Dichtung“ von Lina Schneider; doch ich will Sie nicht mit der Fülle der literarischen Production ermüden. Vieles, was der Tag bringt und feiert, ist ja so vergänglich, wie das Wogenspiel Ihrer Ostsee, verehrte Freundin, das sich so lärmend verkündigt und von dem nicht einmal die hochspritzenden Schaumkronen übrig bleiben, nicht einmal die verlöschenden Spuren im Sande.