Geschichte der im Jahre 1586 zu Durlach eröffneten und 1724 nach Karlsruhe verpflanzten Mittelschule/§. 35–44

§. 17–34 Geschichte der im Jahre 1586 zu Durlach eröffneten und 1724 nach Karlsruhe verpflanzten Mittelschule (1859)
von Karl Friedrich Vierordt
§. 45-64
[123]
A. Aeußere Geschichte.

§. 35. Betrachten wir die Schicksale unserer Anstalt vom Jahre 1724 an, wo wir sie am Schlusse der Durlacher Periode verlassen haben; so bietet das Gymnasium auch im Anfange seiner Karlsruher Zeit während der 14 letzten Regierungsjahre des Markgrafen Karl Wilhelm noch immer ein Bild dar, das im Vergleich mit dem Zustande der Schule unter seinen 3 Vorgängern vor dem Jahre 1689 ein unerfreuliches genannt werden muß.

In der vorjährigen Programmbeilage Seite 42 ff. haben wir erzählt, wie der größere Theil der Anstalt auf seinen Befehl vom 12. Juni 1724 aus Durlach in die 9 Jahre zuvor gegründete Residenzstadt Karlsruhe wandern mußte. Aber schon vor dieser Verlegung hatte er die Lehrerzahl bis auf 6 vermindert; davon blieben im Herbst 1724 2 an dem Durlacher Pädagogium, so daß nur 4 für den Unterricht an dem im Karlsruhe zu eröffnenden Gymnasium übrig waren, nämlich Rector Boye, Professor Malsch und 2 Präceptoren[1].

In Karlsruhe lag das Gymnasialgebäude, wie auf der [124] im vorigen Jahre beigefügten lithographirten Planzeichnung zu ersehen ist, auf der Südseite der Langen Straße östlich von dem Marktplatze. Es bildete auf seinem westlichen Flügel das Rectorathaus, war in der jener Hauptstraße zugewandten Fronte 180 neubadische Fuß lang, aber wie die übrigen Häuser der neuen Stadt aus Holz gebaut. Von seinen zwei Stockwerken zählte das obere 21 nach der Langen Straße schauende Fenster und enthielt Wohnungen für alle Lehrer; das untere hatte 17 Fenster nach der Vorderseite nebst zwei großen Hofthoren, durch deren Einfahrten die Lehrzimmer von einander getrennt wurden. An der Südseite des Gymnasiums bot der gleichfalls 180 Fuß lange und 70 Fuß tiefe, sonnige Hof für die Schuljugend einen trefflichen Spielplatz, der ohne allen Vergleich viel geeigneter als die zwei jetzigen engen und von hohen Gebäuden umschlossenen Lyceumshöfe war. Von dem Südende jenes Hofes an bis zu der Linie, durch welche heut zu Tage die Südseite der damals noch lange nicht vorhandenen Zähringerstraße gebildet wird, reichten die vier Gärten der Gymnasiallehrer.

Als Rector Boye angewiesen wurde, nach Karlsruhe zu ziehen, gab er noch im Juni 1724 ein Gutachten ein, wie dort das Biennium der Exemten und außerdem drei Klassen eingerichtet werden könnten. Von Letzteren kamen aber blos zwei zu Stande. Bei den Exemten (unseren jetzigen Sextanern), deren Zahl bis auf 5 herabgesunken war, wolle er selbst, so schlug er vor, Religion, Philosophie und Mathematik lehren, während Latein, Beredsamkeit und Geschichte durch Malsch, den Lehrer der Prima (heutigen Quinta), der griechische und hebräische Unterricht aber durch Wasmuth, welcher zugleich Praeceptor Secundae war, zu ertheilen sei. – Doch bald nach seiner Ankunft in Karlsruhe und noch beschäftigt mit der Ausarbeitung eines gelehrten Programms de Theologia in genere, mit welchem er zur Inauguration des Gymnasiums einladen wollte, fiel Boye in ein hitziges Fieber und starb an demselben den 16. September des gleichen Jahres 1724. – Die auch im Druck erschienene lateinische Parentation hat bei seiner Leichenfeier in sehr anerkennendem [125] Sinne sein bisheriger Gegner, Prof. Malsch, gehalten, welcher nun abermals, wie vor 12 Jahren (Seite 39 ff. des vorigen Programms), nicht zum Rectorate befördert wurde.

Philipp Jakob Bürcklin erhielt im October 1724 die Ernennung zu dieser Stelle und zwar wider seinen Willen. Er war 1719 bis 1721 Reiseprediger des Erbprinzen bei dessen Aufenthalt in Frankreich, Holland und England gewesen, und seitdem Pfarrer zu Binzen bei Lörrach geworden; jetzt 32 Jahre alt, trug der fromme und bescheidene Gelehrte große Bedenken, seinem 50jährigen Lehrer vorgesetzt zu werden, und ließ sich nur durch den Zuspruch des wiederum Uebergangenen beschwichtigen. Als Bürcklin sein Karlsruher Amt im Januar 1725 antrat, fand er 8 Exemten und 48 Schüler, wovon 10 der oberen und 38 in sehr verschiedenem Alter stehende der unteren Klasse angehörten; also eine Gesammtzahl von 56 Gymnasiasten. Eine 3. Klasse konnte aus Mangel an verwilligten Geldmitteln noch nicht errichtet werden und kam erst 1728, vier Jahre später auch eine vierte (Quarta) zu Stande. Bei den Exemten wurden zwar auch einzelne Vorlesungen zur Vorbereitung künftiger Theologen zeitweise durch den Stadtpfarrer übernommen; aber gedeihen konnte das ganze Gymnasium schon deßwegen nicht, weil die gering besoldeten Lehrer, zumal der unteren Klassen, möglichst bald einen Pfarrdienst zu erhalten suchten, daher häufig wechselten. Als auch Rector Bürcklin die von ihm erbetene Stadtpfarrei Pforzheim erhielt, kam endlich 1735 der 61jährige Johann Caspar Malsch an die Spitze der Anstalt, an welcher er schon seit 36 Jahren Unterricht ertheilte.

Unterdessen hatte aber der polnische Successionskrieg, welchen die Franzosen im October 1733 mit der Eroberung von Kehl eröffneten, neue Drangsale über das Land, somit auch in den öffentlichen Unterricht neue Störung gebracht. Zu Karlsruhe selbst befand sich im Anfang des Jahres 1734 das Hauptquartier der deutschen Truppen[2], welche hinter den zwischen [126] Ettlingen und Dachslanden längst bestehenden, nun wieder in Stand gesetzten Linien aufgestellt waren, sich jedoch, als der heimlich mit Frankreich verbündete pfälzische Kurfürst bei Mannheim das Herüberdringen des französischen Heeres auf das rechte Rheinufer erleichterte[3], im Mai 1734 nach dem Kraichgau zurückziehen mußten. Nachdem hierauf die Reichsfestung Philippsburg noch im gleichen Jahre eine Beute der Franzosen geworden war[4], wurden die Letzteren im April 1735 durch eine künstliche Ueberschwemmung der ganzen Gegend vom weiteren Vordringen abzuhalten gesucht, bis der Abschluß des Waffenstillstandes seine Beschleunigung fand durch das Eintreffen eines russischen Heerhaufens, des frühesten, der in Deutschland erschienen ist und damals sein Hauptquartier zu Grötzingen bei Durlach hatte.

Während dieser unruhvollen Zeit hatten blos 2 Gymnasiallehrer den Unterricht in Karlsruhe fortgesetzt, die meisten Schüler sich entfernt, und da der Weg, welcher durch den zu Durlach wohnenden Haupttheil der Zöglinge täglich zurückgelegt werden mußte und damals noch lange über Rindheim führte, zu unsicher war; so erhielt Malsch im November 1734 den Befehl, nach Durlach zu ziehen und sie dort bis zum Frieden zu unterrichten. Nach erfolgten Präliminarien kehrte der Markgraf im September 1736 aus Basel, wohin er sich vor 3 Jahren geflüchtet hatte, zurück, und nun wiederholte der Rector Malsch mit allem Nachdruck seine schon früher vergebens erhobene Bitte um ungeschmälerte Wiederherstellung dessen, was einst für die Schule und zu Stipendien für die Schüler gestiftet worden sei. Obwohl aber auch Geheimerath Christian Stadelmann den Muth [127] hatte, nachzuweisen, wie sehr es in Folge der seit Jahrzehenden dauernden Verkümmerung des Gymnasiums und der karg verwilligten Stipendien an brauchbaren jungen Männern im Lande fehle; so ließ doch Markgraf Karl Wilhelm im April 1737 sich nur dazu bewegen, die Gesammtsumme aller Lehrerbesoldungen um Einiges, und zwar auf 1318 fl., zu vermehren. Damit konnte die abermals auf zwei herabgesunkene Klassenzahl wiederum auf vier gehoben werden. Indessen der Eine der beiden im Jahr 1737 berufenen neuen Lehrer war ein 17jähriger Student, welcher zu Halle seine Studien begonnen, sich von dort wegen Kränklichkeit in seine Heimath Karlsruhe zurückbegeben hatte und nun die Tertia zu versehen anfing, ohne je wieder die Universität zu besuchen[5]; der Andere, Johann Christoph Daur, aus dem Hohenlohischen gebürtig, 27 Jahre alt, bekam zwar den Titel Professor, aber nur einen der kleinen Gehalte, welche, mit Ausnahme der Rectoratsbesoldung, trotz des allmählich gestiegenen Preises aller Lebensbedürfnisse, noch fortwährend dem Regulative des 17. Jahrhunderts unterlagen. Daher versicherte dieser Professor schon am 9. April 1738, er würde es für einen ökonomischen Vortheil ansehen, wenn er seine Karlsruher Stelle vertauschen dürfte mit irgend einer geringen Landpfarrei, um die er sofort, aber vergebens, bat[6]. – Fünf Wochen später starb Markgraf Karl Wilhelm, dessen Erbprinz Friedrich schon vor ihm gestorben war, so daß nun für seinen 10jährigen Enkel Karl Friedrich eine vormundschaftliche Regierung eintrat.

[128] §. 36. Die Vormundschaft während Karl Friedrich’s Minderjährigkeit 1738 bis 1746 führten die zwei nächsten Verwandten des verstorbenen Landesherrn, erstens die Wittwe des Letzteren, Magdalene Wilhelmine, geborene Prinzessin von Würtemberg, welche durch treffliche Erziehung ihres Enkels Karl Friedrich Verdienste um unser ganzes Land und durch Stiftung eines Stipendienkapitals von 1500 fl. auch Anspruch auf unsere besondere Dankbarkeit erworben hat; zweitens des verstorbenen Markgrafen Bruder, Karl August, welcher aber als österreichischer General sehr häufig ferne von seiner Heimath lebte. Auch sein jüngerer Bruder, Eugen, welcher seit dem Tode jener verwittweten Markgräfin 1742 Theil an der vormundschaftlichen Regierung bekam, brachte, da er in sardinischem Kriegsdienste stand, die meiste Zeit in der Ferne zu.

Die Vormundschaft bereitete dem Gymnasium gleichfalls die finanzielle Verbesserung nicht, deren es so sehr bedurfte, hielt sich nicht für berechtigt, von der im Jahre 1737 fixirten Besoldungssumme abzugehen, fand im December 1738 sogar hinsichtlich der Beibehaltung jener 1318 fl. ein Widerstreben von Seiten des zur Minderung solcher Ausgaben stets geneigten Rentkammerkollegiums, wies jedoch die Einwürfe desselben von der Hand und gelangte, da der ganze Schwäbische Kreis sich an dem 1741 ausgebrochenen österreichischen Suecessionskriege nicht betheiligte, sogar zu der Möglichkeit, die vier Gymnasialclassen mit einer fünften und 1743 mit einer sechsten zu vermehren, welche seit 29 Jahren aufgehört hatte. Aber auch die Vormundschaft genehmigte den Vorschlag der Rentkammer, das Rectorat, als Malsch 1742 starb, unbesetzt zu lassen, seinen Nachfolger Johann Wasmuth blos zum Prorector mit einem geringeren Gehalte zu ernennen[7] und ließ den im vorigen §. erwähnten, sehr brauchbaren [129] Professor Daur, statt dessen kleine Besoldung zu erhöhen, 1744 auf die Pfarrei Tegernau ziehen.

Ungern, aber der Pflicht gemäß, erkenne ich das Wahre der Schilderung an, welche in einer damals sehr viel gelesenen, zu Weimar erschienenen Zeitschrift[8] die Nachwehen der Regierung des Erbauers von Karlsruhe auch hinsichtlich der wissenschaftlichen Kultur scharf in’s Auge faßte; für das Gymnasium, das unter seinen Vorgängern geglänzt habe, sei die Sorgfalt erloschen; sogar die unentbehrliche Professur der Beredsamkeit nun unbesetzt. Kaum finde man ein anderes evangelisches Land, in welchem gelehrte Kenntniß weniger gelte als in der Markgrafschaft Baden-Durlach; daraus erkläre es sich hinreichend, warum die Heimath eines Johann Reuchlin, eines Nicolaus Gerbel, eines Johann Fecht und ihrer zahlreichen gelehrten Zeitgenossen jetzt so arm an ausgezeichneten Männern sei.

§. 37. Wenden wir uns zu einem erfreulicheren Anblick! Ihn gewährt die Regierung Karl Friedrich’s schon in ihren 18 ersten Jahren von 1746 bis 1764. Diese Zeit bildete für unsere Schule, soweit die damals nöthige Heilung der dem Lande in vergangenen Jahrzehenden geschlagenen Wunden es erlaubte, den allmählichen Uebergang zu einer größeren [130] Freigebigkeit, ohne welche keine wissenschaftliche Anstalt zu gedeihen vermag, und öffnete auch in Betreff der Unterrichtsweise den durch norddeutsche Pädagogen nach und nach verbesserten Ansichten ihren Weg zu uns.

Am 22. November 1746 trat Karl Friedrich mit vollendetem 18. Lebensjahre seine Regierung an, welche während ihrer 65jährigen Dauer dem Lande überhaupt, dem Gymnasium insbesondere zum Segen gereichte. Die Verwirklichung seiner Plane zum Vortheil unserer Schule wurde zwar noch ziemlich lange durch die Schulden erschwert, die der junge Regent vorfand, aber andererseits durch günstige politische Umstände erleichtert. Schon 1745, in der Mitte des im vorigen §. berührten österreichischen Successionskrieges, hatten die Franzosen Deutschland räumen müssen und vom Juni 1745 an, der sie zum Abzuge aus dem Breisgau in das Elsaß nöthigte, bis zum September 1795, wo sie auf’s neue, und zwar zuerst in die Pfalz, einbrachen, also 50 Jahre lang, sah das so oft mißhandelte rechte Ufer des Oberrheins keine feindlichen Truppen mehr, denn der beklagenswerthe, für Norddeutschland verheerende siebenjährige Krieg blieb ferne von unseren Grenzen.

Nur in langsamen Schritten konnte der Markgraf den zur Besoldung der Gymnasiallehrer seit 1737 fixirten Jahresbetrag von 1318 Gulden verbessern; doch betrug diese Summe im Jahre 1751 bereits 1859 fl. und in ähnlichem Verhältnisse stieg sie nach und nach auch später. – Als das Privilegium für Druck und Verkauf der kirchlichen und Schulbücher, so wie das Kalender-Privilegium, 1750 mit dem Tode eines Druckereibesitzers zu Karlsruhe, der es seit 30 Jahren für das ganze Land genoß, erloschen war; bat der so eben nach Wasmuth’s Ableben Gymnasiumsvorstand gewordene Jacob Friedrich Maler, dieses Privilegium unserer Anstalt zuzuwenden. Sie erhielt es 1750 auf eine Reihe von Jahren, 1760 auf immer, gab es einem Buchdrucker in zeitweisen Pacht und bezog daraus jährlich im Durchschnitt 500 fl., später mehr als das Doppelte.

Den Kapitalfond des Gymnasiums hat gleichfalls erst [131] Karl Friedrich gegründet und auch von dieser Pflanzung des verehrten Fürsten genießt unsere Anstalt noch jetzt sehr reichliche Früchte. Vor seiner Regierungszeit ging die Einnahme der Schule jährlich in ihren Ausgaben auf, und was die Vormundschaft 1739 blos im Sinne gehabt hatte, die kurz zuvor für Lehrerbesoldungen ausgeworfene Summe von 1318 fl., ferner die ohngefähr im gleichen Betrage für Baukosten und Stipendien verwilligten Bezüge zu kapitalisiren, damit die Schule künftig vor neuen Schmälerungen behütet und ihre etwa mögliche Ersparniß ihrem eigenen Vermögen gesichert würde, das verwirklichte Karl Friedrich 1754 insofern, als er einen Kapitalfond des Gymnasiums mit sehr gedeihlichem Ernste zu sammeln anfing und diejenigen Einkünfte beträchtlich vermehrte, welche schon in den Jahren 1626 und 1650[9] unter dem Titel: Antheil an Straf- und Dispensationsgeldern aus den verschiedenen Landestheilen – dem Gymnasium zugewiesen worden waren. Er fügte ihnen nämlich 1754 und in den folgenden Jahren mancherlei Strafansätze zur Beschränkung des Luxus, ferner Taxen für Bürgerannahmen und dergleichen bei. Diese älteren und neueren Bezüge[10], welche das 19. Jahrhundert in jährlich aus der Staatskasse zu schöpfende Aversalbeträge verwandelt hat, machten schon im Rechnungsjahre 1759 auf 1760 904 Gulden, in der nächstfolgenden Zeit noch mehr aus. Auch die Taxe für Ertheilung einer leeren Titulatur, welche allerdings damals selten vorkam, gehörte seit 1756 dazu; so lese ich in der Rechnung von 1801, daß der bekannte Dichter Matthisson für den [132] erbetenen Titel eines badischen Legationsrathes 10 fl. an die Gymnasiumskasse zu zahlen hatte. – Mittelst genauer Verwaltung wuchs übrigens jenes durch Karl Friedrich gegründete Capitalvermögen rasch genug und war bei seinem Tode 80,000 fl. stark; jetzt beträgt es 120,000 fl. und liefert durch den daraus fließenden Zins mehr als den fünften Theil aller Einkünfte unserer Schule.

Seit 1754 ließ Karl Friedrich auch die schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts für die Gymnasiums-Bibliothek jährlich ausgeworfenen und nun seit mehr als 6 Decennien nicht mehr abgelieferten 30 fl.[11] wieder auszahlen; zugleich wies er der nämlichen Sammlung alle Dubletten der Hofbibliothek zu. Zwei Jahre später schenkte er unserer Schule eine Orgel, der sie seit 1689 entbehrt hatte. Ueberhaupt fing er mit dem Jahre 1754 an, das Gymnasium alljährlich mit einem Geschenke zu erfreuen. Die Verbesserung der inneren Einrichtung des Gymnasiums betrieb er theils durch Johann Jacob Reinhard, der wegen seiner reformirten Konfession zwar während der Vormundschaft, aber nicht unter Karl Friedrich vom Eintritt in das Geheimerathskollegium ausgeschlossen war; theils durch Jacob Friedrich Maler, welcher früher den Markgrafen selbst unterrichtet hatte und nun 1750 bis 1764 an der Spitze der Anstalt stand[12], theils durch den aus Jena berufenen Kameralisten Johann August Schlettwein. Namentlich wurden Mathematik und Physik, ferner die Muttersprache und Geschichte, zumal die vaterländische, besser als zuvor bedacht. Unter den Vorträgen der Zöglinge bei öffentlichen Schulfeierlichkeiten bemerken wir im Jahre 1753 vier, später zuweilen fünf in deutscher Sprache[13]. In letzterer erschienen seit 1754 nicht selten auch [133] die Programme des Gymnasiums, die früher immer lateinisch geschrieben waren, und gleichzeitig begann der Gymnasialprofessor Johann Christian Sachs Einzelnes aus der Geschichte unserer speciellen Heimath durch eine ganze Reihe von Programmen zur Kenntniß eines größeren Lesekreises zu bringen[14], also noch ehe Schöpflin (gebürtig aus Sulzburg und früherer Zögling unserer Anstalt, aber schon längst Lehrer der Geschichte an der Straßburger Universität und 1746 Historiograph von Frankreich geworden) im Auftrage Karl Friedrich’s seine Historia Zaringo-Badensis 1763 herauszugeben anfing. Während Sachs den Stoff theils für jene Programme, theils für seine Vorträge über deutsche, namentlich über badische Geschichte sammelte, faßte er den Plan, über letzteren Gegenstand sein fünf Bände starkes Werk, von 1764 an, bekannt zu machen, welches dem Markgrafen nicht 11,000 fl., wie das Schöpflin’sche, sondern Nichts kostete und nach dem Urtheile des gleichzeitigen Spittler wesentliche Vorzüge vor dem Schöpflin’schen besitzt. – Mit der erhöhten Sorgfalt für den historischen Unterricht hängt übrigens auch das zusammen, daß seit 1745 die römischen Alterthümer eine besondere Lection ausmachten und daß seit 1750 Livius endlich in die Reihe der im Gymnasium zu lesenden Autoren trat[15].

[134] Als Karl Friedrich 1753 befahl, mit der Prüfung der Kandidaten für den Staats- und Kirchendienst künftig strenger als bisher zu verfahren, verlangte er zugleich, daß auch bei den Gymnasiasten eine strengere Disciplin gehandhabt werde. Damals, 1753, wurde in Karlsruhe der erste Carcer gebaut, an welchem es hier seit 29 Jahren, aber in Durlach früher nicht, gefehlt hatte[16]. – Andererseits sah der Fleiß sich ermuntert durch eine 1754 geprägte und seitdem bei jeder Schulprüfung als Prämium vertheilte Silbermünze, welche die Inschrift trägt: Merenti dabitur. – Zwar auch mit dem Gedanken an den seit 1689 eingegangenen und nun in vergrößertem Maßstabe wiederherzustellenden Convict beschäftigte sich der Markgraf und beabsichtigte dabei eine sorgfältigere Sittenaufsicht und eine zweckmäßigere Leitung des häuslichen Fleißes; aber dieser Plan unterblieb theils wegen der sehr verschiedenen Ansichten über die Einrichtung des südlich vom Gymnasium und parallel mit ihm zu erbauenden Convicthauses, theils wegen des mittlerweile ausgebrochenen siebenjährigen Krieges, dessen Schauplatz sich möglicherweise bis zum Oberrhein erstrecken konnte, wenn er ihn auch niemals wirklich erreicht hat.

Nach einem damaligen Lieblingsgedanken des jungen Regenten, die Lehrgegenstände des Gymnasiums auf einen größeren Kreis von „schönen und nützlichen Wissenschaften“ auszudehnen, sollte die Mittelschule den Forderungen des practischen Lebens näher gebracht werden. Dabei wurde einerseits der französische Sprachunterricht zwar noch lange nicht förmlich vorgeschrieben, aber doch angelegentlicher als früher wenigstens den älteren Schülern empfohlen und seit 1754 bei den öffentlichen Redeübungen auch ein französischer Vortrag zugelassen; andererseits wollte Karl Friedrich den Realstudien, die ihm schon damals eine zeitgemäße Nothwendigkeit schienen, Eingang eröffnen, ohne neben ihrer Pflege tiefere Bedürfnisse in der Seele [135] der Zöglinge verkümmern zu lassen. Darum wies er den oben genannten Reinhard an, bei dem Entwurfe, wie die „schönen und nützlichen Wissenschaften“ bei der Jugend zu fördern seien, sich auch an aufstrebende junge Dichter jener Zeit zu wenden. Der bald darauf so berühmt gewordene, damals erst 22jährige Wieland, mit welchem Reinhard 1755 auf einer Reise in Zürich mündlich verkehrte, sandte in diesem und in dem folgenden Jahre seine Gedanken über die projectirte Erweiterung des Gymnasiums schriftlich ein; ebenso nicht viel später der 25jährige Pfeffel in Colmar. Letzterer, welcher 1761 die erste Sammlung seiner Gedichte herausgab, beruft sich in der mit Reinhard geführten Korrespondenz vom September des gleichen Jahres zwar darauf, sein Vater sei ein geborener Badener[17] gewesen, bedauert aber, daß ein schweres Augenleiden den ihm zugedachten Ruf an die „akademische Mittelschule in Karlsruhe“ unmöglich mache. Die nächste Zeit bewies, wie gegründet diese Entschuldigung war[18]. – Drei Jahre darauf hatte der fragliche Plan vor der Hand wenigstens die Folge, daß, nach Maler’s Tod 1764, für den philosophischen und für den mathematisch-physikalischen Unterricht wieder zwei besondere Lehrstellen gegründet wurden. An sie berief Karl Friedrich zwei junge, durch den oben erwähnten Physiocraten Schlettwein ihm empfohlene Männer, welche bisher an der Universität Jena Privatdocenten gewesen waren, Gottlob August Tittel, aus Pirna in Sachsen, und Johann Lorenz Böckmann, gebürtig aus Lübeck[19].

[136] §. 38. Die 25 nächstfolgenden Regierungsjahre Karl Friedrich’s von 1764 bis 1789 fuhren in dem preiswürdigen Bestreben fort, das Gedeihen des Gymnasiums zu fördern, dem jugendlichen Fleiße weitere Bildungsmittel und neue Ermunterungen darzubieten. Während dieser ganzen Zeit führte Maler’s Nachfolger, Johann Christian Sachs, 1764 bis 1789 das Rectorat.

Seit 1764 befahl Karl Friedrich, den Schreib-Unterricht nicht mehr blos in den untersten Jahreskursen zu ertheilen, sondern ihn bis in unsere jetzige Oberquinta, anfänglich sogar bis in unsere jetzige Sexta, auszudehnen, und da er auf schöne Schrift keinen geringen Werth legte, so verordnete er im folgenden Jahre, daß, außer den in jeder öffentlichen Prüfung bisher regelmäßig vertheilten allgemeinen Prämienmünzen, eine weitere Summe [137] von 15 Gulden im Laufe des Schuljahres „zu mehrerer Anfrischung der Lernenden“ verabfolgt und die eine Hälfte dieses Geldes für die schönsten Schriftproben bestimmt werden solle. Die andere Hälfte blieb den besten Uebersetzungen in’s Lateinische. – Die zu diesem Zwecke gefertigten „specimina calligraphica“ und die „stili probatorii“ wurden, durch die Lehrerconferenz geprüft, dem Ephorate vorgelegt.

Im November 1766 gründete der oben erwähnte Professor Tittel aus Zöglingen der zwei obersten Jahreskurse eine „lateinische Societät“. Sie versammelte sich unter seinem Vorsitze an jedem Samstag Nachmittage von 3 Uhr an, nahm zu ordentlichen Mitgliedern blos solche Exemten (unsere jetzigen Sextaner) auf, welche sich schriftlich mittelst lateinischer Eingaben um die Aufnahme bewarben, und hatte den Zweck, die Jugend nicht nur an selbstgewählte Beschäftigung ernsterer Art zu gewöhnen, sondern auch ihrem lateinischen Ausdrucke größere mündliche und schriftliche Fertigkeit zu verschaffen. Zu den frühesten dieser ordentlichen Mitglieder gehörten theils Jünglinge aus unserer engeren Heimath wie Johann Gottfried Stösser, welcher später lange Zeit juristische Vorbereitungscollegien am Gymnasium las; Johann Friedrich Nüßlin aus Britzingen, welcher 1807 als Decan in Emmendingen starb, Vater des verehrten Mannes, der die Blüthe des Mannheimer Lyceums begründete; Max Wilhelm Reinhard, der 1812 als Staatsrath verstorbene Sohn des oben genannten, um unser Gymnasium verdienten Johann Jacob Reinhard; theils solche Jünglinge, welche, aus andern deutschen Ländern gebürtig, damals in Karlsruhe sich zur Universität vorbereiteten, namentlich Philipp von Plönnies aus Erbach, Carl von Palm aus Neustadt an der Linde, Carl von Göllniz aus Metzingen im Herzogthum Würtemberg und Friedrich von Nauendorf aus Altenburg. Die Geschäftsordnung schrieb vor, daß zuerst der vom Turnus bezeichnete Redner über ein ihm beliebiges Thema vortrug und dadurch Anlaß zur näheren Besprechung des Gegenstandes gab; ein Zweiter commentirte hierauf, versteht sich gleichfalls in lateinischer [138] Sprache, irgend eine merkwürdige klassische Stelle und bat die Anwesenden um Zustimmung oder Belehrung; ein Dritter und Vierter brachte aus einer Literatur-Zeitung oder aus einem politischen Blatte beachtungswerthe Nova zur Diskussion. – Einige der frühesten Arbeiten, nicht durch Studiosen, sondern durch Tittel selbst oder durch andere, zu Ehrenmitgliedern ernannte Gelehrte verfaßt, namentlich durch Hofrath Friedrich Ring in Karlsruhe und durch den rühmlich bekannten Historiker Andreas Lamey in Mannheim, erschienen 1767 und 1769 in zwei gedruckten Bänden unter dem Titel Acta Societatis Latinae Marchica-Badensis; aber alle sehr zahlreichen Abhandlungen und Reden der Studiosen wurden durch ihre Verfasser in eine beträchtliche Reihe von Quartbänden vollständig eingeschrieben. Sie sind in unserer Lyceumsbibliothek aufbewahrt und viele dieser Arbeiten tragen an ihrer Spitze, außer den bereits aufgezählten, noch andere Namen, die in der Folgezeit zu hoher Achtung gelangten, z. B. Johann Peter Hebel, Ernst Ludwig Posselt, Carl August Seubert, Ludwig von Liebenstein, August Böckh, Friedrich Nebenius und Andere. – Von Seiten des alles Gute fördernden Markgrafen wurde die lateinische Societät dem besondern Schutze seines Erbprinzen übergeben, nicht blos mit Lobsprüchen, sondern auch durch Geldmittel ermuntert, und unter den Studiosen, denen er 1776 je 25 fl. als Zeichen seines Wohlgefallens an ihrem in dieser Societät bewiesenen Fleiße auszahlen ließ, sonden wir auch den vorhin genannten 16½jährigen Hebel[20].

Zur bessern Vorbereitung auf den Eintritt in die Societas latina gründete Rector Sachs 1775 ein „lateinisches Redeinstitut“, das seine Uebungsstunden gleichfalls außerhalb der gewöhnlichen Unterrichtszeit hielt. Auch er nahm nur freiwillige [139] Theilnehmer und zwar aus der Zahl der Klassenschüler auf; auch er ohne alles Honorar. Unterstützt von Professor Bouginé, widmete er diesen lateinischen Unterhaltungen täglich eine Abendstunde und wählte zu ihrem Stoffe hauptsächlich Bilder aus dem Orbis pictus oder aus ähnlichen Büchern. Noch als Greis von 67 Jahren rühmte er 1787 „das Vergnügen, das er bei diesen kleinen Freunden zu empfinden pflege, wenn er ihnen recht viel Schönes von ihrem Schöpfer und Erlöser mit möglichster Heiterkeit erzähle, um sie zur freudigen Uebergabe ihrer jungen Herzen an ihn zu ermuntern“[21]. – Auch dem lateinischen Redeinstitut wendete Karl Friedrich mittelst einer Randbemerkung, die er dem Berichte der Prüfungscommissarien vom 15. September 1775 über das Herbst-Examen beifügte, jährlich 25 Gulden für Prämien zu. Ueberhaupt ließ er alle Prüfungsberichte sich selbst vorlegen und bei Manchen derselben stehen wohlwollende Winke, Wünsche und Befehle von seiner Hand. Die Prüfungs-Bescheide unterzeichnete er von 1756 an bis 1805 insgesammt eigenhändig[22]

Auch das Studium der griechischen Sprache wurde durch den neuen Lehrplan, welchen er am 3. April 1767 vorschrieb, wenigstens besser als zuvor bedacht. Nachdem Homer seit viel mehr als 100 Jahren von der Schule entfernt gewesen und erst seit 1761, aber nur mit Einer Stunde wöchentlich, wiedereingeführt worden war, fanden Ilias und Odyssee, von 1767 an, mit drei wöchentlichen Stunden bei den zwei obersten Jahreskursen Eingang. Die Kenntniß der griechischen Prosa freilich blieb theils wie bisher auf die Lectionen beschränkt, in welchen man das Neue Testament aus der Ursprache in’s Lateinische zu übersetzen pflegte, theils wurde sie nur durch Einführung einer Chrestomathie, der Geßner’schen, gefördert.

Da übrigens der Unterricht in manchen Lehrfächern, namentlich auch in den exacten oder, wie man sie damals prophetisch [140] nannte, nützlichen[23] Wissenschaften eine beträchtliche Erweiterung durch den erwähnten Lehrplan von 1767 erlebte; so verlängerte dieser Letztere zugleich die 2 obersten Jahreskurse oder das Biennium der Exemten in drei Jahre, und von 1767 an bis 1805 gab es zwischen den Novizen und Veteranen die sogenannten Medii. Auf die reine Mathematik, in welcher die Novizen wöchentlich 5 Lectionen erhielten, folgte die angewandte Mathematik bei den Mediern mit 3 und die Physik gleichfalls mit 3 Stunden bei den Veteranen. Durch Clais[24] und Böckmann hatte Karl Friedrich schon seit 1765 angefangen, eine Sammlung von Apparaten zu gründen, welche bald zu den ausgezeichnetsten jener Zeit in Deutschland gerechnet werden konnte. In einem Rescript vom 30. Sept. 1773 befahl er, 3500 Gulden auf neue Ankäufe zu verwenden und deßhalb jenen tüchtigen Techniker, Johann Sebastian Clais aus Badenweiler, nach Frankreich und England zu senden. – Zwei Jahre später erforderte die Aufbewahrung der für den physikalischen Unterricht angeschafften Werkzeuge bereits drei große Zimmer, welche außerhalb des Gymnasiums in Böckmann’s Wohnhaus um jährliche 150 fl. gemiethet wurden, bis der projectirte Neubau des Gymnasiums zu Stande komme[25]. – Für Naturgeschichte stellte Karl Friedrich seit 1775 einen eigenen Lehrer an, Heinrich Sander, und nach dem frühen Tode desselben den Dr. Medicinae Carl Christian Gmelin. Chemie wurde seit 1778 durch einen ausgezeichneten Arzt, Dr. Friedrich Andreas Schrickel, den nachmaligen [141] Geheimenrath und Leibarzt, den Exemten, zumal den zur Medicin bestimmten, vorgetragen, für die dazu nöthigen Versuche das Laboratorium der Hofapotheke und ein jährliches Aversum von 40 fl. verwilligt.

Wie Chemie, so kamen auch andere Unterrichtszweige, die im Gymnasium noch niemals Pflege gefunden hatten, während dieser merkwürdigen Periode zur allmählichen Geltung. Literaturgeschichte wurde seit 1764 durch Professor Bouginé den Veteranen vorgetragen. Besonderen Unterricht in der deutschen Sprache ertheilte den Exemten seit 1766 der erwähnte Physiker Böckmann. Dieser merkwürdige, religiöse, klarbesonnene und beredte Lehrer, in dessen Privatvorlesungen Karl Friedrich selbst[26] sehr häufig Zuhörer war, galt nach dem Urtheile eines Fremden, welcher in jener Zeit zwei Jahre lang zu Karlsruhe wohnte[27], nicht blos für einen höchst liebenswürdigen Gelehrten, sondern auch für einen Mann, der unter allen dortigen Gymnasialprofessoren sich die bleibendsten Verdienste um Jugendbildung erwerbe „und ganz gewiß den Badenern unvergeßlich bleiben werde“. Ebenso machte Böckmann auch noch viel später durch die schönen, lichtvollen und inhaltreichen Vorträge, die er den Gymnasiasten über Physik hielt, so ungewöhnlichen Eindruck, daß noch lange Jahrzehende nach seinem 1802 erfolgten Tode seine ehemaligen Zöglinge mit Begeisterung versicherten, auch während ihrer Universitätszeit und später sei ihnen in keiner Wissenschaft ein Vortrag bekannt geworden, den sie an Klarheit und ausgezeichneter Schönheit dem jenes Physiklehrers vollkommen an die Seite stellen könnten. Auf diesem Wege wurde es ihm möglich, seit dem Jahre 1766 viele Jünglinge als freiwillige Zuhörer in besondern Stunden über deutsche Sprache um sich zu versammeln; wenige Jahre darauf wurde diese Lection zum ersten Male in den Schematismus aufgenommen. – Unterricht [142] im Englischen für dazu Lust tragende Exemten, ebenfalls unentgeltlich, eröffnete, am 12. Oct. 1770 durch Karl Friedrich damit beauftragt, der markgräfliche Kabinetssecretär Griesbach[28]. – Auch den vierstimmigen Kirchengesang, welcher vor dem Jahre 1689 (vergl. I. 55) in dem Gymnasium so sehr geblüht hatte und seitdem in Zerfall gerathen war, rief ein Kabinetsbefehl des Landesherrn vom 4. December 1786 in die Reihe der Unterrichtsgegenstände zurück[29]. Sein Kapellmeister Schmittbaur gab den Gymnasiasten die dazu nöthige Anleitung, freilich nur in wenigen wöchentlichen Stunden. – Die früheste Zeichnungsschule gründete der um Jugendunterricht väterlich besorgte Fürst im Herbst 1770 für junge Leute aller Stände, so daß auch unsere Zöglinge Theil daran nehmen konnten; die frühesten Lehrer an derselben waren nach einander Kißling und Melling; ihnen folgte 1776 Autenrieth. Vier Jahre darauf nannte Letzterer als die geschicktesten Zeichner die fünfzehnjährigen Knaben Feodor Iwanowitsch[WS 1] und Friedrich Weinbrenner[WS 2], zwei später berühmt gewordene Namen[30]. – Die früheste Realschule am Oberrhein hatte Karl Friedrich im October 1774 eröffnet, um auch denjenigen, die zu keinen Universitätsstudien bestimmt waren, Gelegenheit zu besserem Unterricht zu gewähren. Der Anfang zur Befriedigung dieses Zeitbedürfnisses war seit 23 Jahren von größeren Städten Norddeutschlands ausgegangen; doch in Karlsruhe, welches 1774 erst 4000 Einwohner zählte, wurde die Realschule nicht eine gesonderte Anstalt, sondern ein Theil des Gymnasiums, mit welchem sie auch später immer in engster Verbindung blieb. Die Realschüler, in zwei Ordnungen getheilt, bekamen ihren [143] Unterricht in Religion, Geographie, Geschichte und auch in lateinischen Autoren bei denjenigen Gymnasialklassen, die ihrem Alter entsprachen, und diese waren hauptsächlich unsere jetzige Secunda, Tertia und Unterquarta; aber eigene Lehrstunden erhielten sie für Rechnen, zumal kaufmännisches, für Geometrie, Mechanik, Naturkunde, Kalligraphie, Orthographie, Briefschreiben, Buchhaltung und Französisch. – Schulgeld hatten sie nicht zu zahlen. Zu Prämien warf ihnen der Markgraf jährlich 16 Gulden aus. Bemerkenswerth scheint, daß diese Realschule unter den Bildungsanstalten des Landes diejenige war, welche am frühesten und gleich in ihren anfänglichen Statuten auch israelitische Schüler ausdrücklich zuließ. Das Gymnasium selbst hatte zwar schon 5 Jahre früher angefangen, einzelne Israeliten aufzunehmen, bedurfte aber dazu in jener Zeit noch der speciellen Erlaubniß von Seiten des Consistoriums[31]. Damit will ich aber nicht sagen, daß vor 1769 ein Israelite sich vergebens um Aufnahme in das Gymnasium beworben habe, auch nicht, daß bald nachher die Zahl der dort Aufgenommenen bemerkenswerth geworden sei. Mosaische Gymnasiasten blieben im ganzen 18. Jahrhundert noch immer eine Seltenheit und selbst in die Realschule meldeten sich so Wenige, daß die Regierung es in einer öffentlichen Bekanntmachung 1783 mißfällig bemerkte. Zwei Jahre später erst traten 10 ein.

Aus dem bisher Erzählten erklärt es sich, warum in dieser Zeit mehr Privatpersonen als sonst zu neuen Stiftungen für das Gymnasium sich ermuntert fühlten. Ein zu Karlsruhe wohnender Kaufmann, katholischer Konfession, Johann Christoph Primavesi, schenkte 1764 unserer Anstalt den dritten Theil seines 2 Morgen großen Gartens, das heißt, den Raum, welcher von der Südseite der Gymnasiumsgärten[32] bis dicht an den Landgraben, [144] wo jetzt die Griesbachische Fabrik steht, reichte. Dieser geschenkte Platz diente nun 40 Jahre lang zur Vergrößerung der Gärten der Gymnasiallehrer und bildete später einen Haupttheil des Bodens, auf welchem die beiden jetzigen Lyceumsflügel nebst der evang. Stadtkirche in den drei ersten Decennien des 19. Jahrhunderts erbaut worden sind[33]. – Von gleichem Geiste beseelt, stifteten 1761 und 1766 die Freifrauen von Gültling und von Pelcke-Bernhold Stipendien für begabte, fleißige, aber vermögenslose Schüler unserer Anstalt, während für Söhne einzelner Familien 1766 und 1786 Stipendien durch Lamprecht und Lidell gegründet wurden. Karl Friedrich gab durch seine väterliche Fürsorge das anregendste Beispiel; er that zumal in den hier fraglichen Jahren von 1764 bis 1789 für unsere Anstalt Größeres als irgend einer seiner Vorfahren[34] und war [145] noch mehr, als zur wirklichen Ausführung kam, zu thun geneigt. Auch ein neues Gymnasialgebäude wollte er schon 1783 errichten und zwar an einem besser gelegenen, von der Hauptstraße und von dem Markte entfernten Orte, zwischen der jetzigen Zähringerstraße und dem Spitalplatze. Schon hatte er dort für den genannten Zweck einen großen Platz angekauft; da fand sein preiswürdiger Plan bei der Baubehörde leider einen Widerstand, dessen Folgen noch jetzt schwer auf uns lasten und wohl niemals auf Abhülfe zu hoffen haben. Wir werden §. 44 im genaueren Zusammenhange davon reden.

Drei Jahre darauf feierte die Anstalt, zwei Monate nach dem am 13. Sept. 1786 zu Stuttgart gefeierten 1. Jubelfeste des dortigen Gymnasiums, am 21. November 1786 ihr zweites Jubelfest, wozu der damalige Professor der Beredsamkeit, Dr. juris Ernst Ludwig Posselt, der spätere Gründer der Allgemeinen Zeitung und der Europäischen Annalen, in einem lateinischen Programme eingeladen hatte[35]. Lehrer und Zöglinge, begleitet von den Geistlichen und dem Gemeinderathe der Stadt, zogen morgens 9 Uhr aus dem Gymnasium unter dem Geläute aller Glocken in die Hofkirche, wo Karl Friedrich mit der ganzen fürstlichen Familie der Festfeier von Anfang bis zu Ende beiwohnte. Nach einem Choralgesange und nach der Predigt des Oberhofpredigers Walz[36] betraten nach einander die Redner [146] des Gymnasiums ein eigens für sie aufgerichtetes Katheder und mit abermaligen Gesängen oder Musik abwechselnd, hielten Vorträge zuerst der ebenerwähnte Professor Posselt statt des 66jährigen Rectors, hierauf vier ältere Zöglinge, auch sie aus Rücksicht auf die anwesenden Damen beinahe alle in deutscher Sprache[37]; ebenso Einer der Ephoren, Hofrath von Drais, welcher später bis zu der Würde eines Oberhofrichters stieg. Karl Friedrich hatte ausdrücklich verlangt, es solle während dieser Feierlichkeit sein auf den folgenden Tag fallendes Geburtsfest nicht erwähnt werden; er empfing nach Beendigung derselben die gesammten Lehrer und richtete ermuthigende, dankbare und dankwürdige Worte an sie. Die Silbermünze, die er zum Andenken an jenen Tag prägen und unter Lehrer und Lernende vertheilen ließ, enthält das badische Wappen mit der Umschrift: Feriae Saeculares Illustris Gymnasii. Unten steht: Die 21. Nov. 1786 – und auf der Rückseite ein Lorbeerkranz mit den Worten: Virtuti et studio[38].

Das an diesem würdig gefeierten Tage auf Kosten des Markgrafen angeordnete Festessen der Lehrer fand im Gasthofe zum Erbprinzen statt[39]; nach dem Ende des Mahles erschien dort [147] am Abend der gütige Fürst selbst nebst seinen Söhnen in dem hocherfreuten Kreise.

Die Zahl der Gymnasial-Lehrer, diejenigen ungerechnet, welche blos einzelne Lectionen ertheilten[40], war damals größer als bei dem Säcularfeste im vorhergegangenen Jahrhundert (Seite 29) und betrug 12, mit Einschluß des Rectors[41]. Ihre durch das [148] Fest veranlaßten Schriften und Reden finden sich gesammelt unter dem Titel: Abhandlungen bei der Jubelfeier der Karlsruher Fürstenschule wegen ihrer vor 200 Jahren 1586 zu Durlach geschehenen Stiftung[42].

Die Zahl der Schüler, 200, hatte die dem Zerstörungsjahre 1689 vorangegangene Frequenz (250, vergl. S. 90) im Jahre 1786 noch immer nicht erreicht.

§. 39. In den 22 letzten Regierungsjahren Karl Friedrich’s von 1789 bis 1811 trägt die äußere Geschichte des Gymnasiums ein von der vorangegangenen Periode merklich verschiedenes Gepräge, da die beneidenswerthe Ruhe, deren sich der Oberrhein seit 1745, also auch unser väterlich gesinnter Fürst seit seiner Thronbesteigung erfreut hatte, durch das verhängnißvolle Jahr 1789 auf lange Zeit hinaus eine gewaltige Störung erlitt. Die damals ausgebrochene französische Revolution wirkte schon im Sommer 1789 durch das Beispiel der benachbarten Elsäßer auch auf diesseitsrheinische Gebiete, und rief wenigstens bei den Unterthanen der Fürstbischöffe und Klöster Empörungsversuche hervor; bald entriß sie, wie andern deutschen Regenten, so auch dem Unsrigen Landestheile, die auf dem linken Rheinufer lagen, und einer ungewöhnlich aufgeregten Zeit folgten endlich [149] schwere und lange Kriege. Das Alles mußte auch dem Gymnasium sehr fühlbar werden, schmälerte die Einkünfte desselben, hob in den Kriegsjahren den Zinsrückstand der Schulkasse auf mehr als das Doppelte der früheren Zeit und ließ zugleich, was die innere Entwicklung der Anstalt betrifft, an die Stelle des bisherigen Fortschrittes einen Stillstand von beträchtlicher Dauer treten.

Im Juni 1789 war Rector Sachs gestorben, nach dessen Tod das lateinische Rede-Institut (S. 138) bald zu Ende ging, und noch ehe die Rectorstelle dem Kirchenrathe Bouginé übertragen wurde[43], sah das Ephorat im December 1789 sich veranlaßt, den Lehrern in dieser bedenklich veränderten Zeit eine gelindere Behandlung der Schüler als bisher vorzuschreiben; körperliche Züchtigung solle bei Gymnasiasten von mehr als 14 Jahren möglichst vermieden, jedenfalls nur mit Genehmigung des Vorstandes und in dessen Gegenwart vorgenommen werden. – Ferner schien, da jeder Tag eine Menge wichtiger Nachrichten aus der Nähe wie aus der Ferne zu bringen pflegte, schon im September 1790 die weitere Verordnung nöthig, daß der seit Kurzem unter den sogenannten Studenten (unsern Sextanern) eingerissene Morgenbesuch der Kaffeehäuser bei Strafe untersagt sei. Als nun der neue Rector 1791 den Besuch Eines dieser Häuser, des Lacher’schen, gänzlich verbot; wurde er zwar durch seinen beharrlichen Opponenten, Kirchenrath Tittel, auf’s heftigste angegriffen[44], dieser aber durch die Regierung scharf zurechtgewiesen, und später kündigte das Polizei-Amt Karlsruhe den Studenten an, ihr Besuch irgend eines Wirths- oder Kaffeehauses, selbst wenn er mit Genehmigung der Eltern und Fürsorger geschehen könnte, werde künftig mit 24stündigem Gefängnisse, jeder Wirth, der ihnen Zutritt gestatte, mit 5 Gulden bestraft[45]. – Auch diese Verordnung blieb nur kurze Zeit in [150] Vollzug. – Aber schon vor dem wirklichen Ausbruche des französischen Revolutionskrieges, welcher 1792 ein österreichisches Heer an den Rhein führte, wurden die Ausgaben für das Gymnasium beschränkt, der längst dekretirte Neubau des Schulgebäudes auf bessere Zeit verschoben, seit 1791 sogar kein Programm mehr, 20 Jahre hindurch, gedruckt. Von 1793 an nahm auch das deutsche Reich an dem Kriege gegen die französische Republik Theil; 1794 begann die badische Regierung, den Huldigungseid schon die zur Universität ziehenden Abiturienten schwören zu lassen[46]. Im gleichen Jahre fiel das nahe gelegene Speier, im folgenden die Festung Mannheim, wenn auch nur auf kurze Zeit, in französische Hand und der Schrecken vor den in deutschen Gebieten des linken Rheinufers durch die Franzosen verübten Plünderungen und Mißhandlungen war so groß, daß ein badischer Regierungserlaß vom 29. Juni 1796 allen Angestellten es überließ, ob sie bei dem bald zu befürchtenden Herandringen des Feindes bleiben oder sich flüchten wollten. Karl Friedrich selbst, für dessen milde und segensreiche Regierung am 22. November 1796 ihr 50jähriges Jubelfest bevorstand, mußte 5 Monate vorher seine persönliche Sicherheit in dem neutral gewordenen Gebiete des preußischen Fürstenthums Anspach suchen. Unterdessen wurde seinen Unterthanen durch das mit Sommeranfang aus Straßburg herüberbrechende französische Heer angekündigt, es bringe Krieg den Tyrannen, Frieden und Wohlfahrt den Hütten; doch von den auch in unserem Lande verübten abscheulichen Plünderungen ließ es gerade die Residenz verschont. Die 2 Professoren, welche damals Karlsruhe verließen, waren der Lehrer der Physik, der übrigens bald zurückkehrte, und der der Naturgeschichte, welcher erst nach 2½ Jahren mit dem geflüchteten fürstlichen Naturalien-Kabinet heimkam. Nachdem die Franzosen im Herbst 1796 durch Erzherzog Karl über den Rhein zurückgeworfen worden waren, wobei Karlsruhe am 14. September eine kurze Beschießung durch österreichisches [151] Militär erlebte, drangen sie im folgenden Jahre auf’s neue herüber, kamen aber nur bis Lichtenau, wo die Nachricht vom Waffenstillstande bei ihnen eintraf, und obwohl der nun versammelte Rastatter Congreß nach langen vergeblichen Verhandlungen ein blutiges Ende fand, so bedrohte doch der zweite Theil des französischen Revolutionskrieges, 1799 bis 1801, unser Land nicht mehr in der Weise, daß Karl Friedrich zur wiederholten Flucht genöthigt worden wäre. Damals, vor Ostern 1800, beehrte er in Begleitung seiner Prinzen die öffentliche Prüfung des Gymnasiums zum letzten Male mit seiner Gegenwart[47] und in der gleichen Zeit, am 20. März 1800, sprach er in einem merkwürdigen, an das Konsistorium und an die Rentkammer gerichteten Schreiben sein Bedauern aus, daß die Fundationen seiner Vorfahren zu Gunsten des Gymnasiums nicht schon in Zeiten, wo die Staatskasse sich besserer Kräfte erfreute, zu seiner Kenntniß gelangt seien; sonst würde er sie damals vollzogen haben; jetzt freilich mehr als das Bisherige für die Anstalt zu thun, verbiete die durch gegenwärtige Zeitlage nothwendig gewordene Sparsamkeit[48].

In Folge der Reichstagsbeschlüsse von 1803 und der neuen durch Napoleon I. seit 1805 begonnenen Kriege vergrößerte sich zwar sein Land und zugleich auch seine Residenzstadt; aber das Ende dieser an blutigen Kämpfen überreichen Zeit erlebte der edle Fürst nicht mehr und schon darum konnte er auch seinem [152] väterlichen Wohlwollen für unsere Anstalt in dieser Periode weit weniger nachleben, als er es wünschte und einst in ruhigen Jahrzehenden gethan hatte.

Werfen wir nun einen Blick auf die Lehrer während seiner 22 letzten Regierungsjahre; so verlor die Anstalt 1791 den Professor der orientalischen Sprachen, Ernst Ludwig Wolf, welcher damals starb, und den der Beredsamkeit, Posselt, welcher aus lebhafter Theilnahme an den Zeitereignissen seine Lehrstelle niederlegte und nun sein Historisches Taschenbuch, bald auch die Europäischen Annalen, dann die Allgemeine Zeitung eröffnete. Erst im folgenden Jahre 1792 wurden beide Männer durch den Lörracher Präceptoratsvicar Johann Peter Hebel[49] und durch den Pfarrer von Wössingen, Nicolaus Sander, vortrefflich ersetzt. Als 1797 Bouginé’s Tod ein Vorrücken veranlaßte und Tittel das Rectorat erhielt, trat Jakob Friedrich Gerstner ein, welcher anfangs in mittleren Klassen, nachher in den obersten lange und segensreich wirkte. An die Stelle von 2 abgehenden Docenten des mittleren Gymnasiums[50] kamen 1800 Christoph Heinrich Doll und 1803 Johann Michael Holtzmann, von welchen der Erstere in beträchtlich späteren Jahren bei unseren älteren Zöglingen hauptsächlich Rhetorik, der Letztere besonders Mathematik und Philosophie mit Erfolg lehrte. Bei der Pensionirung Tittel’s und des älteren Wucherer’s im Herbst 1807 berief man den bisherigen Prorector des Pforzheimer Pädagogiums, Jakob Friedrich Theodor Zandt, welcher nun bei uns 30 Jahre lang mit großer Gewissenhaftigkeit wirkte, und Karl Christoph Petersohn, dessen ausgezeichnete Lehrgabe noch jetzt im dankbaren Andenken seiner Schüler steht. Im Januar 1808 wurde Hebel Director. Die Stelle des schon 1802 verstorbenen Physiklehrers [153] Böckmann hatte dessen Sohn Karl Wilhelm Böckmann gleich bei dem Tode des Vaters übernommen. Die theologischen Vorbereitungskollegien waren 1803, die juristischen und medicinischen schon etwas früher allmählich eingegangen. Das Jahr 1805, in welchem gewaltige französische Durchmärsche die Herbstprüfung unmöglich machten, ist uns auch deßwegen bemerkenswerth, weil von nun an die Prüfungsbescheide nicht mehr mit der Unterschrift des Landesherrn erschienen; zu gleicher Zeit nahm die Societas latina ein Ende. (S. 137.) Das nächstfolgende Jahr, welches den Rheinbund, häßlichen Angedenkens, entstehen sah, brachte einerseits unsern mittleren und ältesten Schülern die allgemeine Verbindlichkeit zu den französischen Lectionen, deren Besuch bisher von dem Ermessen der Eltern abhing, andererseits der ganzen Anstalt den Namen Lyceum. Am 10. August 1807 trat die kurzdauernde Generalstudienkommission unter dem Vorsitze des als Schriftsteller bekannten Grafen Christian Ernst von Benzel-Sternau an die Stelle unserer bisherigen Aufsichtsbehörde, des evangelischen Oberkirchenrathes, welcher aber schon in Folge der 1809 veränderten Staatsorganisation[51] in sein früheres Verhältniß zu uns zurückkehrte.

Wichtig und von sehr langer und schmerzlicher Dauer war für die Anstalt die völlige Aenderung, welche wenige Monate nach dem Eintritte jener ephemeren Studienbehörde mit unserem Lokal vorging. Zu Ende des Jahres 1807 wurde das 1724 erbaute, an der Langen Straße gelegene und allmählich baufällig gewordene Schulgebäude niedergerissen, sein zur Errichtung von 8 meist großen Privathäusern[52] bestimmter Platz versteigert und [154] der so eben vollends fertig gewordene südliche Flügel des Neubaus bezogen, welcher, wie 83 Jahre zuvor der alte Bau[53], aus der Kasse der Geistlichen Verwaltung, also auf Kosten des evangelischen Kirchenvermögens errichtet worden war und nun der anstoßenden Straße den Namen Lyceumsstraße gab. In den schon früher fertig gewordenen Theil des mittleren Stockwerkes hatte man bereits Ostern 1805 das bisher in einem gemietheten Privathause aufgestellt gewesene physikalische Kabinet[54] und die Wohnung seines Conservators verlegt; jetzt, im December 1807, brachte man im Erdgeschosse, so gut es ging, die Lyceumsklassen unter. Das Letztere wurde nur dadurch einigermaßen möglich, daß man 3 Abtheilungen der Anstalt hatte eingehen lassen. Diese waren 1) der Jahreskurs der sogenannten Medii, indem die seit 1767 den Exemten vorgeschriebenen 3 Jahre wieder auf das frühere Biennium beschränkt wurden[55]; 2) die zwei untersten Jahreskurse, welche damals Sexta hießen und heut zu Tage der Lycealvorschule angehören. Man schnitt sie mit der Vorschrift ab, daß der in diesen 2 Kursen bisher ertheilte Elementarunterricht künftig in der Volksschule oder in Privatlectionen vor der Aufnahme in die unterste Lyceumsklasse zu suchen sei[56]; eine Maßregel, durch welche die Anstalt wieder auf die Zahl von 5 Klassen oder auf den Stand vom Jahre 1742 beschränkt wurde. So klein war, obwohl während der neuesten Zeit die Bevölkerung von Karlsruhe sich rasch verdoppelt hatte, die [155] Klassenzahl unter Karl Friedrich’s Regierung noch nie gewesen. Aber auch 3) die durch ihn 1774 gegründeten und mit dem Lyceum verbundenen Realklassen mußten 1807 aus Mangel an Raum gänzlich aufhören, ihre Schüler in die ihrem Alter entsprechenden Lyceumsklassen auf eine für beide Theile höchst störende Weise vertheilt werden.

Alles Das galt zwar nur als Provisorium, welchem demnächst abgeholfen werden solle; denn der Beschluß, auf der nördlichen Seite der evangelischen Stadtkirche den 2. Lyceumsflügel symmetrisch mit dem 1. zu erbauen, war schon gefaßt, auch schon in Kupferstichen versinnlicht. So finden wir in der von Haldenwang gestochenen Ansicht des Marktplatzes, welche der durch Kreisrath Hartleben 1815 erschienenen Beschreibung von Karlsruhe beigegeben ist, den nördlichen Lyceumsflügel als ein bereits existirendes Gebäude dargestellt. Aber jene Stadtkirche lag 1807 noch im Fundament und auf ihre Erbauung mußte die Geistliche Verwaltung in den nächst folgenden Jahren alle ihre Kräfte verwenden, wie sie denn auch wirklich ihre letzten Kapitalien für den die Residenz verschönernden, erst 1816 vollendeten Kirchenbau aufgebracht hat.

Wiederholt, jedoch erfolglos, reichte seit Anfang des Jahres 1808 der neuernannte Lyceumsdirector[57] Hebel bittere Klagen ein, wie sehr die von 13, oder wenn man die parallellaufenden Realklassen mitrechne, von 15 Jahreskursen auf 10 reducirte Anstalt an Raum Mangel leide. Man habe dem Lyceum 7 Zimmer und 1 Zimmerchen zugewiesen und in einem derselben die 83 Quartaner zusammengepreßt. Auch in anderen Klassen sei nur der nothdürftigste Platz. Einzelne Stunden, in welchen schematismusmäßig zwei Klassen vereinigt werden sollten, müsse man abwechselnd der einen oder der andern Schülerhälfte frei geben. An eine Kombination zweier Klassen bei dem Erkranken [156] eines Lehrers oder bei irgend einer andern unvermeidlichen Verhinderung sei gar nicht zu denken; ja nicht einmal an eine gewissenhafte Promotion aus einem Lyceumskurse in den nächst höheren, denn hier müsse, statt des Grades erworbener Kenntnisse, die Rücksicht auf den größeren oder kleineren Umfang der Zimmer gebieterisch entscheiden. – Die Naturaliensammlung konnte gar nicht aufgestellt, der größere Theil der Bibliothek nur in der entfernt gelegenen Waldhornstraße, in einem Winkel der Bauverwaltung, untergebracht werden. Die öffentlichen Prüfungen wurden 17 Jahre hindurch in dem größten und hellsten Klassenzimmer gehalten, welches an der südwestlichen Ecke liegt und heut zu Tage als Zeichnungsschule dient; der feierliche Schlußact, für welchen Hebel Ostern 1811 ausnahmsweise den Museumssaal sich erbat, mußte gewöhnlich ganz unterbleiben.

Die Schülerzahl betrug damals 257[58], also nicht einmal so viel, als sie im Jahre 1791, wo Karlsruhe 5000 Einwohner enthielt, betragen hatte, und ohngefähr nur eben so viel als 1689, obwohl diese Stadt 1811 bereits über 13,000, also mindestens doppelt so viele Einwohner als Durlach vor dem Jahre 1689 zählte.

[157] Es wäre im höchsten Grade undankbar und ungerecht, wenn man die hohen Verdienste, welche Karl Friedrich, preiswürdigen Angedenkens, sich um unsere Anstalt in seiner langen und gesegneten Regierung erworben hat, nach dem Zustande bemessen wollte, in welchem wir das Lyceum bei seinem Tode erblicken und in welchem wir es nicht erblicken würden, wenn er während seiner 4 letzten Lebensjahre wirklich noch selbst regiert hätte. Am 10. Juni 1811 wurde der 83jährige Greis den Fesseln der Erde enthoben, der er seit 4 Jahren kaum mehr anzugehören schien, wenigstens nur noch körperlich angehörte.

§. 40. Die kurze Regierung seines Enkels, des Großherzogs Karl, von 1811 bis 1818, war in ihrer ersten Hälfte durch noch immer fortwährende Kriege, in ihren letzten Jahren durch finanzielle Nachwehen dieser Kriege getrübt, so daß für die beengte Räumlichkeit unseres Lyceums nicht leicht eine Abhülfe durch die Erbauung des längst projectirten nördlichen Flügels zu hoffen stand. Zuerst suchte Lyceumsdirector Hebel die Ueberfüllung der untern Klassen im Herbst 1812 durch Wiederherstellung der vor 5 Jahren eingegangenen Realschule zu mindern; er konnte aber den beiden Ordnungen, aus denen sie bestand, anfangs nur Ein kleines Zimmer verschaffen, in welchem sie gemeinsamen Unterricht erhielten[59]; daher stieg die Gesammtzahl ihrer zu bürgerlichen Gewerben bestimmten Schüler von den anfänglichen 14 nur langsam während der nächstfolgenden 6 Jahre auf 53; dagegen wuchs die Schülerzahl des ganzen Lyceums innerhalb der 7jährigen Regierungszeit des Großherzogs Karl von 257 auffallend rasch bis zu 449.

Zu den weiteren unter Hebel’s Direction eingetretenen Veränderungen zählen wir erstens, daß seit 1811 von den zwei Prüfungen, welche bisher in jedem Jahre öffentlich gehalten worden [158] waren, nur Eine öffentlich blieb und die andere ohne Zutritt des Publikums durch den Lyceumsdirector still vorgenommen wurde[60]; ferner daß seit Ostern 1814 der Name Exemten aufhörte und ihr zweijähriger Kurs nun in die Reihe der Klassen als oberste derselben (damals Prima) übertrat; endlich daß ein Theil der Schuleinkünfte eine zeitweise Vermehrung erlebte, die aus der geistigen Productivität ihres berühmten Vorstandes floß.

Oben, Seite 130, ist nämlich erzählt worden, wie durch Karl Friedrich 1750 das Druckereiprivilegium und damit auch der Druck und Verkauf des Kalenders an unsere Anstalt kam. Nachdem das Privilegium immer auf eine Reihe von Jahren in Pacht gegeben worden war und lange Zeit nur 565 fl. jährlich eingetragen hatte, übernahm, auf Bitten des Consistoriums, Hebel 1807 die Kalender-Redaction und nun fand der „Rheinländische Hausfreund“ (so lautete der von Hebel gewählte Namen) außerordentlichen Beifall. Alle Stimmen vereinigten sich in der Anerkennung, der schon vorher als Dichter hochverehrte Herausgeber verstehe auch auf dem Wege prosaischer Erzählung den Volkston in unvergleichlicher Weise zu treffen. Bei der nächsten Versteigerung auf die 12 folgenden Jahre erhob sich daher 1812 die Pachtsumme auf jährliche 1160 Gulden. Seit 1808 war die Zahl der Kalender-Exemplare von den früheren 20,000 allmählich auf das Doppelte gestiegen und der Absatz ging gewöhnlich so rasch vor sich, daß eine Menge Bestellungen nicht mehr befriedigt werden konnte. In ganz Deutschland, so sagt ein Bericht von 1811, hat der Rheinländische Hausfreund eine seltene Aufmerksamkeit rege gemacht, auch bei Göthe und bei anderen ausgezeichneten Männern unserer Nation; er wird [159] durch Literaturzeitungen angepriesen, mancher Aufsatz aus ihm in die gelesensten Zeitschriften aufgenommen, in dem Morgenblatte, in dem Freimüthigen, in den Süddeutschen Miscellen und in der Iris dem gebildeten Publikum vorgelegt, durch ausländische Kalender abgeschrieben und die Erzählungen der vier ersten Jahrgänge hat eine berühmte deutsche Buchhandlung in einer eigenen Sammlung („Schatzkästlein des Rheinländischen Hausfreundes“) zur Messe gebracht. – Um so mehr bedauerten unzählige Verehrer Hebel’s, daß am 26. September 1814 auf den für das folgende Jahr bereits gedruckten Kalender Beschlag gelegt wurde[61]. Dadurch gekränkt, zog sich Hebel von der Redaction zurück und bei der neuen Verpachtung sank die Pachtsumme auf 800 Gulden herab.

Zufällig am gleichen Tage, an welchem jenes Inhibitorium gegen seinen Kalender erging, führte Hebel seinen neulich ernannten Nachfolger, Kirchenrath Jacob Friedrich Theodor Zandt, in die Lyceums-Direciton ein[62]. Hebel selbst trat damals in die Evangelische Oberkirchenbehörde, behielt aber, zum Segen für unsere Anstalt, noch 10 Jahre lang Theil an dem Unterrichte der obersten Klasse[63].

[160] Zandt, welcher nun 23 Jahre hindurch die Direction bekleidete, begann seit 1815 durch eine ununterbrochene Reihe jährlicher Programme öffentliche Rechenschaft über den Zustand der Schule zu geben, suchte gleich in den ersten Jahren seiner Amtsführung den Gesangunterricht wieder zu verbessern, den Fleiß der Schüler auch durch neugeprägte Prämienmünzen, von denen sein Programm 1817 eine Abbildung lieferte, zu beleben und den Uebelstand, welchen das Lyceum seit der Abschaffung der untersten Klasse (Seite 154) fühlte, 1818 durch die Errichtung einer Vorbereitungsklasse zu heilen. War sein unmittelbarer Amtsvorgänger der genialste in der Reihe unserer Rectoren, so bedurfte es nichtsdestoweniger eines sorgsamen Nachfolgers für eine Menge von Dienstgeschäften, die keine Aufgabe für die Genialität, aber dennoch von großer Wichtigkeit sind. Namentlich darf ich nach der Durchsicht der vuluminösen Stipendienakten versichern, daß unter den Vorständen unserer Schule Zandt, nächst dem früher genannten Malsch, der treueste Vertheidiger unserer Stipendien-Angelegenheiten war. Seine hierin bewiesene pünktliche Ordnungsliebe veranlaßte 1816 den oben (Seite 147) erwähnten Hauber, 8000 fl. einer Stiftung dieser Art zu widmen, und was seit 1770 durch kein Programm mehr geschehen war, das Publikum über den Stand unserer Stipendien zu belehren, das that Zandt durch eine dankwürdige, den gedruckten Lyceumsberichten von 1816 und 1817 beigefügte Arbeit.

Gleich im Anfange seiner Direction hatte er den räumlichen Nothstand auf’s neue geschildert, welcher für die jährlich zunehmende Schülerzahl in fortwährendem Steigen begriffen sei: Theils in Folge der Schutzpocken, theils wegen der raschen Vergrößerung der Stadt und weil in neuerer Zeit viele Einwohner auch ihren nicht zu wissenschaftlichen Studien bestimmten Söhnen eine bessere Bildung zu verschaffen suchten, umfasse das Lyceum schon jetzt, so berichtete er im Sommer 1815, 340 Zöglinge; [161] die unterste der 6 Klassen enthalte 75 Knaben und würde deren 100 haben, wenn die Direction nicht durch Mangel an Raum genöthigt gewesen wäre, im Anfange jedes früheren, so auch dieses Schuljahres die Aufnahme zu erschweren, oft auch ganz zu verweigern. In einer ähnlichen Lage befinde sich die zweitunterste Klasse. So große Schülermengen seien aber auch bei dem besten Willen der Lehrer nicht bedeihlich zu unterrichten und bedürften der Theilung, folglich auch einer Vermehrung der Lokale. Noch immer könne man, „horrible dictu“, nur nach der Möglichkeit des vorhandenen Raumes promoviren. Dem ursprünglichen Bauplane zufolge solle das Erdgeschoß blos 6 Lehrzimmer enthalten; diese habe man nur durch planwidrige Zwischenwände auf die jetzt uns zu Gebote stehenden 9 vermehrt; aber in einzelnen Abtheilungen sehe man daher die Knaben buchstäblich zusammengepreßt auf eine für den Unterricht störende, für die Gesundheit nachtheilige, für die Sittlichkeit bedenkliche Weise. Dei Erbauung des nördlichen Lyceumsflügels dürfe durchaus nicht länger verschoben werden.

An diese Erbauung sei nicht zu denken, erwiederte am 20. October 1815 das Großherzogliche Finanzministerium, weil den dazu bestimmt gewesenen Fond der evangelische Stadtkirchenbau bereits verschlungen habe; nur Ein Mittel, um Raum zu gewinnen, bleibe übrig, wenn man die zwei im mittleren Stockwerke des schon vorhandenen Flügels befindlichen Lehrerwohnungen in Lehrzimmer verwandle. – Hier wohnten nämlich auf der vorderen Seite der Professor der Physik Böckmann, auf der hinteren Hebel. – Aber Böckmann berief sich darauf, er wohne in diesem Raume nicht als Lyceumslehrer, sondern als Director des Großherzoglichen physikalischen Kabinets, bei dessen Apparaten er wohnen müsse, da er mancherlei Beobachtungen alle 15 Minuten aufzeichnen und sehr oft Fremde in das Kabinet zu führen habe, „welches bis jetzt noch das einzige in Deutschland sei“[64]. – In Bezug auf Hebel’s Wohnung entgegnete [162] Zandt, auch sie sei zu Lehrzwecken weder gebaut, noch geeignet und enthalte außer fünf kleinen Gemächern, die etwa zur Aufstellung unserer Naturaliensammlung und der Bibliothek verwendet werden könnten, blos Ein großes, für ein Unterrichtslokal passendes Zimmer; übrigens seien Lehrerwohnungen vielfach wohlthätig in einem Hause, in welchem 400 junge Leute (bis zu dieser Zahl waren sie im Januar 1816 bereits angewachsen) sich bewegen, und die Schule gewinne dadurch, daß man ältere Docenten dort wohnen lasse, um sie in Tagen kleinerer Unpäßlichkeit und übler Witterung weit seltener vom Unterrichtertheilen abzuhalten[65].

Obwohl nun unter fortwährenden Verhandlungen das Ministerium des Innern am 14. August 1816 der obersten Finanzbehörde die Versicherung aussprach, daß der enge Raum das Gedeihen des Lyceums von Grund aus zerstöre; so wiederholte doch acht Tage später das Finanzministerium nur seinen obenerwähnten Rath vom 20. October des vorigen Jahres, Lehrerwohnungen in Unterrichtszimmer zu verwandeln, und nun verlor zwar nicht Böckmann, aber Hebel wirklich seine Lyceumswohnung [163] [66]. Jedoch gewonnen wurde dadurch nur Wenig; die Oberschulbehörde wies vielmehr einige Monate später die dringende Nothwendigkeit einer viel umfangreicheren Hülfe auf’s klarste nach: Jede der drei überfülltesten Klassen, von denen Eine bereits bis zu 104 Köpfen gestiegen sei, müsse man theilen, also die Klassenzahl von 6 auf 9 erheben, auch den Raum der Realschule vergrößern, damit nicht, wie man im Herbst des verflossenen Jahres 1816 wiederum 17 Schülern den Eintritt habe verweigern müssen, abermals viele Knaben bei dem nächsten Schuljahranfange aus Mangel an Platz zurückzuweisen seien; ferner könne man die zwei Ordnungen dieser Realschule nicht länger ohne Hinzufügung einer dritten bestehen lassen; außerdem bedürfe das Lyceum nicht nur einer Vorbereitungsschule, um in ihr das bei der Aufnahme in die unterste Lycealklasse vorgeschriebene Maß von Elementarkenntnissen gleichförmig beizubringen, sondern auch eines Saales, der für die öffentliche Prüfung und für den Schlußact in keinem der benachbarten Lyceen, wohl aber in der Residenz, fehle. – Bei diesem Anlaß wiederholte im Herbst 1817 der Lyceumsdirector eine frühere Aeußerung, daß nöthigenfalls er das Kapital vorschießen wolle, welches zum Bau des seit 10 Jahren im Projecte liegenden nördlichen Lyceumsflügels erforderlich scheine[67].

Sein Anerbieten wurde durch einen Staatsministerialerlaß vom 4. December 1817 zwar abgelehnt, aber der Bau selbst für nothwendig erkannt und unverzüglich eine Kommission[68] angeordnet [164] mit dem Auftrage, unter Beizug des Lyceumsdirectors über die innere Einrichtung des fraglichen Gebäudes nach Maßgabe der jetzigen und künftigen Bedürfnisse des Lyceums hinsichtlich der Lehrlokalien und der Lehrerwohnungen sich zu verständigen und einen Bauplan vorzulegen. – Unaufgefordert erinnerte sich diese Kommission, daß vor einigen Jahren (1809) „eine polytechnische Lehranstalt zur Ausbildung junger Künstler und Handwerker in Anregung gekommen sei“, wobei man freilich von Seiten der beiden Ministerien des Innern und der Finanzen und von Seiten der damaligen Generalstudiencommission eben so viele Gründe gegen als für die Sache geäußert habe. Falls aber etwa jetzt eine solche Anstalt beabsichtigt werde, so könne man, um Lehrzimmer für sie zu gewinnen, eine der vier durch Weinbrenner projectirten Lehrerwohnungen aus dem Bauplane des neuen Lyceumsflügels weglassen. Für den ganzen Lycealunterricht verlange die Lyceumsconferenz vom Februar 1818 außer einem Saale Platz für die Naturaliensammlung und für die Bibliothek, ein Geschäftszimmer für die Direction, ein gleiches für die Lehrerversammlung und, mit Einschluß der Vorbereitungsklasse nebst den 3 Ordnungen der Realschule, 14 Lehrzimmer[69]. Letztere könne man in dem Erdgeschosse der beiden Lyceumsflügel finden, nur müsse man in dem südlichen derselben die Zwischenwände endlich wieder abbrechen, durch welche einige der dort vorhandenen Räume in je zwei kleinere getrennt worden waren.

Das lang ersehnte Ziel schien erreicht. Bis zur Vollendung des Gebäudes wurde der fehlende Raum für untere Lycealklassen und für die Realschule, möglichst bald und so gut es ging, in zwei Privathäusern, die nicht weit vom Lyceum lagen, miethweise gesucht [165] [70]. Weinbrenner’s Bauplan für den nördlichen Flügel fand noch im Jahre 1818 die höchste Genehmigung und der Bau selbst kam durch öffentliche Versteigerung um den Preis von 41,515 Gulden in Akkord.

Da starb am 8. December des gleichen Jahres Großherzog Karl. Sein Tod war für die Angelegenheit unserer Schulgebäude ein besonderes Unglück.

§. 41. Großherzog Ludwig, welcher von 1818 bis 1830 regierte, befahl gleich im Anfange seiner Regierung, „die Erbauung des zweiten Lyceumsflügels auf sich beruhen zu lassen“[71] und wiederholte diesen Befehl 3 Jahre später, am 2. Mai 1822, obwohl die Lyceumsdirection in jährlichen Klagen theils über den Unwillen der Eltern, deren Söhne blos aus Mangel an Raum nicht promovirt werden konnten, theils über die noch immer zunehmende Schülermenge berichtete, welche im Lyceum und in gemietheten Zimmern der zwei erwähnten Privathäuser zusammengepreßt sitze[72]. Nachdem jedoch diese Schülerzahl [166] auf 525 angewachsen, und der Gedanke an die Gründung eines Polytechnischen Instituts wieder zur Sprache gekommen war, erschien am 14. November 1822 der so lange ersehnte Staatsministerialerlaß, wornach der Bau im nächsten Frühjahre beginnen solle. Die eine Hälfte der nach dem neuen Akkord auf 50,000 Gulden vermehrten Kosten floß aus dem Erlös verkaufter Staatsgebäude und bedurfte keiner landständischen Zustimmung, wohl aber die andere Hälfte, die aus dem Etat für das Landbauwesen zu schöpfen war und die Genehmigung der Kammern erhielt, obgleich der Abgeordnete v. Itzstein in seinem Commissionsberichte vom 18. Januar 1823 sowohl an der Nothwendigkeit dieses Baues, als auch an der Bauverbindlichkeit des Staates gezweifelt hatte[73].

Unterdessen war zwar jener ursprünglich sehr beschränkte Plan, die Realklassen des Lyceums in ein Polytechnisches Institut zu erweitern, zu einem beträchtlich größeren Umfange gediehen[74]. Doch auch für letzteren schien dem Großherzoglichen [167] Ministerium des Innern Raum genug neben den Lyceumsklassen in den beiden Lycealgebäuden vorhanden, so daß es am 3. Dec. 1822 blos anordnete, in dem neu zu erbauenden Flügel solle man, statt der projectirten 3, nur 2 Lehrerwohnungen, beide im 3. Stockwerke, einrichten und darnach den Bauplan von 1818 abändern. Zwar einerseits versicherte ihm ein Bericht des Evangelischen Oberkirchenrathes, durch dessen damaligen Director Ludwig Winter am 1. März 1823 unterzeichnet, man könne kaum einsehen, wie dort Lokal genug für ein Polytechnisches Institut übrig bleibe, wenn alle Bedürfnisse des Lyceums gesichert seien; aber andererseits die Lyceumsdirection, gestützt auf die bereits erwähnte Conferenz-Ansicht vom Februar 1818 und voll Freude, dem Ende eines 17jährigen Nothstandes entgegenzusehen, berichtete am 13. Juni 1824, sie wolle dem künftig zu erwartenden und sehr zeitgemäßen Polytechnischen Institute dadurch um so größeren Raum verschaffen, daß sie sich auf ein Minimum ihres Raumbedarfs beschränke und die Lyceumsbibliothek, wenn man es verlange, in ihr Geschäftszimmer aufzunehmen bereit sei; jedenfalls werde sie für diese Bibliothek und für die Naturaliensammlung nur Ein gemeinschaftliches Zimmer ansprechen; das untere Stockwerk enthalte im alten Lyceumsflügel, sobald man die planwidrigen Zwischenwände[75] wieder entferne, sechs große Zimmer[76] und sieben im neuen, demnächst fertigen; in dem mittleren Stocke des neuen werde man, außer dem Saale, 8 theils größere, theils kleinere, folglich im Ganzen 21 Zimmer bekommen; da nun das Lyceum blos 16 brauche[77], so könne es 5 abtreten, falls der Plan, ein Polytechnisches Institut zu gründen, verwirklicht werde.

[168] Während dieser Verhandlungen wurde, 100 Jahre nach der Verpflanzung unserer Anstalt aus Durlach nach Karlsruhe, am 8. Oct. 1824 die feierliche Einweihung des fertig gewordenen neuen Flügels, gleichzeitig mit der Prüfung der obersten Klasse, in Gegenwart des Großherzogs Ludwig und seiner Durchlauchtigsten Brüder vorgenommen[78]. – Wenige Tage nachher wies ein unmittelbarer Befehl des Landesherrn fast das ganze mittlere Stockwerk des südöstlichen Pavillons dem physikalischen Cabinete zu, welches einer räumlichen Vergrößerung sehr bedurfte[79]. Und kaum waren 1825 die Lehrzimmer des unteren Stockwerkes im alten Flügel nach Entfernung der früheren Zwischenwände wieder in brauchbaren Stand gesetzt, so erschien ein Großherzoglicher Cabinetserlaß vom 14. October 1825, welcher das Polytechnische Institut mit 12 Lehrern gründete und zu dessen Lokal den südlichen Lyceumsflügel bestimmte, „so weit er nicht vom Lyceum selbst gebraucht werde“. Zum Director der neuen Anstalt wurde Hofrath Gustav Friedrich Wucherer ernannt, welcher seit 4 Jahren Physik am Lyceum und nun auch am Polytechnicum zu lehren hatte, aber jetzt erkrankt war, so daß der älteste polytechnische Lehrer, Hofrath Ladomus, die interimistische Oberleitung und den Auftrag erhielt, mit der Lyceumsdirection das Geeignete über die Vertheilung der Lokalität zu verabreden und die bisher mit dem Lyceum vereinigte Realschule zum Polytechnischen Institute zu ziehen. Ladomus verlangte das ganze Erdgeschoß des südlichen Flügels, das dritte Stockwerk des südöstlichen Pavillons und zwei mit geeignetem Lichte versehene Zeichnungssäle, die aber im Lyceum nicht zu finden, also irgend sonstwo [169] zu miethen seien. Er fühlte sich in dem Berichte, den er am 20. Oct. 1825 dem Großh. Ministerium des Innern übersandte, „zugleich verpflichtet, die Bereitwilligkeit der Lyceumsdirection, dem Polytechnischen Institute allen möglichen Vorschub zu thun, mit Dank anzurühmen“; sie habe sich am Schlusse des Theilungsgeschäftes in gerechter und vernünftiger Weise nur das vorbehalten, daß, wenn die gegenwärtige Zahl der Lycealschüler künftig noch höher steige, dem Lyceum ein oder zwei größere Zimmer des südlichen Flügels gegen gleich viele kleinere im nördlichen zurückzugeben wären. – Das Ministerium des Innern genehmigte diesen Vorbehalt am 22. October No. 11,822 und wies zugleich die verlangten Räume dem Polytechnischen Institute zu.

So war nun für beide Anstalten gesorgt, aber für Beide ungenügend. Die Polytechnische mußte gleich von Anfang an ihre räumlichen Bedürfnisse theilweise in anderwärts gemietheten Lokalitäten suchen, was schon für die Disciplin unförderlich war; auch fand sie bei jedem weiteren Raumbedarf, welcher sehr bald fühlbar wurde, keine Möglichkeit, sich in unseren Gebäuden auszudehnen, und konnte nur bedauern, daß bei der Gründung der Anstalt nicht zugleich ein für sie passendes Haus gegründet worden sei. – Das Lyceum, welches für polytechnische Zwecke nach dem von Großherzog Karl 1818 genehmigten Plane (Seite 164) blos den mittleren Stock eines Pavillons hätte abtreten sollen, wurde 1825 auf den nördlichen Flügel und auf die 2 Zimmerchen im mittleren Stockwerke des südlichen beschränkt, wo die Bücher der Bibliothek und die Naturaliensammlung aus Mangel an besserem Platz über einander geschichtet lagen[80]. Zwar konnten die dem Lyceum zugeschiedenen Zimmer, weil die 3 Realklassen nunmehr der Polytechnischen Schule zugewiesen [170] waren, für den durch seine Lehrerkonferenz vom Februar 1818 angegebenen Bedarf genügen, aber nicht für den, welcher in einer mehr oder minder nahen Zukunft nothwendig erwachsen mußte. Bei der steigenden Vergrößerung der Stadt erforderten die überfüllten unteren Jahreskurse eine Trennung in Parallel-Klassen, also auch weitere Lehrzimmer. Ebenso war mehr Raum nothwendig, wenn das Lyceum für solche Schüler, die sich für die Polytechnische Anstalt vorbereiten wollten, dort aber erst in einem Alter von 13 Jahren Aufnahme fanden, abermals Realklassen einrichten mußte; ein Fall, welcher aus Mangel an einer Höheren Bürgerschule schon im Herbst 1826 eintrat und im Lyceum auf´s neue eine 16 Jahre lang bestehende Realschule hervorrief. Einem dritten Raumbedürfnisse und zwar für die sehr vermehrte Bibliothek sah bereits das Jahr 1825 entgegen, als der Geheimerath Hauber uns seine große Büchersammlung vermachte. Ein viertes zeigte sich, da bei der steigenden Zahl der katholischen Schüler ihrem Religionsunterrichte ein besonderes Zimmer gebührte, damit dieser Unterricht nicht stets aus einem Klassenlokal bald in dieses, bald in jenes andere, zufällig unbesetzte wandern müsse. Ein fünftes erschien, wenn das Lyceum endlich einen eigenen Zeichnungsunterricht eröffnete, und das geschah auf Höchsten Befehl schon im Mai 1826, so daß ein auswärtiges Lokal dafür gemiethet werden mußte. Alle diese und noch andere Bedürfnisse, z. B. in einem besondern Zimmer das Klavier aufzustellen und Gesangunterricht zu ertheilen, waren in der Lyceumsconferenz vom Februar 1818 und bei der Vertheilung vom Jahre 1825 unberücksichtigt geblieben.

Dieser Schilderung unserer räumlichen Verhältnisse in der Regierungszeit des Großherzogs Ludwig haben wir vom Jahre 1826 nur noch beizufügen, daß am 1. Juli Hofrath Ladomus dem Ministerium des Innern klagte, der bisher so gefällige Lyceumsdirector weigere sich nun, dem Polytechnicum die 2 Zimmerchen des südöstlichen Pavillons abzutreten, wo nur die Sammlungen des Lyceums stehen; ferner daß am 21. Sept. des gleichen Jahres durch den Großherzoglichen Staatsministerialerlaß [171] Nr. 1455 wiederholt anerkannt wurde, zwar der neue Lyceumsflügel sei aus Staatsmitteln, aber der alte oder südliche aus Mitteln der evangelischen Kirche erbaut worden; eine vollkommen richtige Angabe, die aber in vielen folgenden Akten seltsam umgekehrt zu lesen ist. Fünf Wochen später, am 26. Oct., gab das Großh. Ministerium des Innern dem oben erwähnten Vorbehalte vom 22. October 1825 gerechte Folge dadurch, daß es einer zahlreichen Lyceumsklasse[81] ein großes Lehrzimmer des südlichen Flügels gegen Abtretung eines kleineren Lokals wieder zuwies. Endlich am 27. Oct. 1826 berichtete der Lyceumsdirector dem Evangelischen Oberkirchenrath: Die polytechnischen Lehrer danken mir durchaus nicht für die Nachgiebigkeit, mit welcher ich bei der Gründung ihres Institutes unsern Bedarf auf ein Minimum beschränkte und die schönen Lehrzimmer des südlichen Flügels alle abtrat; sie bedauern vielmehr, daß durch jenes Entgegenkommen die Hohe Regierung abgehalten worden sei, der neuen Anstalt ein gehörig großes und zweckgemäß eingerichtetes Haus zuzuweisen, und leider muß auch ich hinzufügen, daß ich aus Mangel an Raum den Lycealzeichnungsunterricht nur gegen theure Miethe in dem ehemals reformirten Schulhause unterbringen kann.

Zu den vielen wohlthätigen Folgen, die der 1824 fertig gewordene Neubau in großer Menge gebracht hat, gehört ganz besonders die, daß wir seit dem 8. Oct. 1824, wo der Saal eingeweiht wurde, die Prüfungen und ihren Schlußact wieder in einer würdigeren Weise feiern konnten. Der durch Prälat Hebel verfaßte Examenbescheid vom 17. Nov. jenes Jahres „wünschte dem Lyceum Glück zu dem wohldurchgeführten und mit ungetheiltem Beifall aufgenommenen Endactus“[82] – Dazu hatte viel beigetragen, daß der Kreis der zur Universität damals [172] abgehenden Jünglinge schöne Talente auch in oratorischer und musikalischer Beziehung enthielt; unter ihnen waren Friedrich Giehne, Friedrich Koch, Robert Volz, Ferdinand Hitzig, der später berühmt gewordene Orientalist; ferner August Hausrath, der nachmalige, uns Allen unvergeßliche Hofdiakon; außerdem Alexander Braun, der ausgezeichnete Botaniker, und Andere mehr. Den zuletzt Genannten erklärte in diesem Herbstexamen 1824 der Professor der Naturgeschichte, Gmelin, für den besten Schüler, welchen er je geliefert habe.

Drei Jahre später wurde der französische Unterricht zum großen Vortheil der Anstalt dazu geeigneten Klassenlehrern übergeben, nachdem fast von jeher der ausschließlich dafür angestellte Sprachmeister, im Kampfe mit nationaler Antipathie und mit der ihm zuweilen fremden Bildungsstufe seiner Zöglinge, die Disciplin so wenig aufrecht erhalten hatte, daß oft unsere trefflichsten Schüler der Versuchung zum Muthwillen nicht widerstanden und dafür gestraft werden mußten. – Gleichfalls lobenswerth war die 1828 angeregte und 2 Jahre später in’s Leben getretene Einrichtung, mit der Naturgeschichte, welche bisher blos in den 2 obersten Jahreskursen gelehrt worden war, nunmehr eine Reihe unterer Klassen bekannt zu machen. Viel weniger ersprießlich schien die weitere Maßregel, welche schon im Herbst 1819 den kalligraphischen Unterricht der Klasse, die wir heut zu Tage Unterquinta nennen, später sogar den der heutigen Ober- und Unterquarta aufhören ließ.

Daß 1827 das Schulgeld den zum Bezuge desselben berechtigten Lehrern, gegen Entschädigung mit einer Aversalsumme, entzogen und zugleich bedeutend erhöht, aber von nun an in die Lyceumskasse gezahlt wurde, findet in dem späteren §. 59 einen besseren Zusammenhang.

Die Zahl der Klassen, welche schon 1817 von 6 auf 9 vermehrt worden war, stieg 1819, als die zweitoberste 2 Jahreskurse zu umfassen aufhörte, auf 10, so daß die unterste den Namen Decima erhielt und daß die im Lyceum seit 1818 auf den Wunsch des Directors errichtete Vorbereitungsschule, eine Privatunternehmung [173] des allgemein geachteten Lyceumslehrers König, sich zuweilen auch Undecima nannte. Eine Duodecima gab es, obwohl der ganze Kurs der Anstalt, mit Einschluß der Vorbereitungsschule, auf 12 Jahre berechnet war, blos deßwegen nicht, weil in der obersten Klasse noch immer zwei Jahre zugebracht werden mußten.

Die Schülerzahl umfaßte, ungerechnet die Vorbereitungsschüler, im Jahre 1830, als Großherzog Ludwig starb, 495 Zöglinge, unter denen aber 67 den Realklassen angehörten.

In dem Lehrerpersonal kamen während seiner 12jährigen Regierungszeit viele Veränderungen vor, bei deren Aufzählung wir die nur kurz in Function gewesenen Docenten übergehen. Auch den pädagogischen Erfolg der Uebrigen zu bezeichnen, muß die Aufgabe einer künftigen Sammlung der Biographien unserer Lehrer sein. Als 1819 die Klassenzahl die vorhin erwähnte Vermehrung erlebte, trat Vicarius Ludwig Lang ein. Im folgenden Jahre wurden, nach dem Tode der Professoren Petersohn und Johann Michael Holtzmann, aus den Pädagogien von Durlach und Lahr Ernst Kärcher[83] und C. F. Vierordt als Hauptlehrer der damaligen Tertia und Quarta berufen. Der 1821 verstorbene Kirchenrath Knittel, welcher seit 7 Jahren den Religionsunterricht der obersten Klasse ertheilt hatte, bekam zum Amtsnachfolger den Kirchenrath Katz, in dessen Hand dieser Unterricht 16 Jahre lang blieb. Gleichfalls 1821 trat an die Stelle des damals verstorbenen Physiklehrers Karl Wilhelm Böckmann der bisher an der Universität Freiburg angestellt gewesene Hofrath Gustav Friedrich Wucherer; Beide waren Söhne der schon früher als Lehrer unserer Anstalt erwähnten Männer. Als Ostern 1821 Corrodi, der seit 1819 die Septima versehen hatte, in seine Vaterstadt Zürich zurückzog, kam an seine hiesige Stelle Vicar Süpfle, und als dieser vorrückte, zwei Jahre später Vicar Maurer. Zwei ältere Lehrer, [174] Kirchenrath Sander und Prälat Hebel, welche noch immer einzelne Lectionen in der obersten Klasse versehen hatten, traten 1823 und 1824 von ihrem Unterrichtsantheile, nicht lange vor ihrem Tode, zurück. Nach der Pensionirung des Rathes Ruf erhielt August Gerstner 1825 die Hauptlehrerstelle der Octava und Professor C. F. Gockel die der Quinta; der Letztere war aus der Durlacher Mittelschule nach dem damals erfolgten Tode des Kirchenrathes Doll berufen worden. Im Mai 1826 erhielten wir zum ersten Male einen besonderen Zeichnungslehrer, Salesius Epple. Im folgenden Jahre begann Julius Holtzmann zuerst an der damals neu errichteten Realschule, bald auch am Lyceum zu lehren[84].

§. 42. Großherzog Leopold, welcher am 30. März 1830 auf seinen Bruder Ludwig folgte, hat die milden Grundsätze seiner väterlich wohlwollenden Regierung auch unserem Lyceum in reichem Maße zu Theil werden lassen und die Frequenz der Anstalt auf eine früher und später nicht erlebte Stufe gebracht. Außer der erhöhten Sorge für Lehrerwittwen und außer dem verbesserten Lehrplane, Maßregeln, welche uns gemeinschaftlich [175] mit allen übrigen Mittelschulen des Landes zum Segen gereichten, verdankt insbesondere die hiesige Mittelschule seinem höchsten Erlaß vom 10. Februar 1831 Theil an dem Eigenthumsrechte in Betreff des ausgezeichneten, durch seinen ruhmvollen Vater gegründeten physikalischen Cabinets und seit 1836 eine schon längst zum dringenden Bedürfniß gewordene Erweiterung unseres Schullokals, wodurch wir einerseits Raum für die Aufstellung der Lyceumsbibliothek und der Naturaliensammlung und für zweckmäßigeres Unterbringen des durch ihn gehobenen Unterrichts im Freihandzeichnen, andererseits auch die vor Leopold’s Regierung noch niemals vorhanden gewesene Möglichkeit gewannen, überfüllte Klassen in Parallelabtheilungen zu trennen. – Wir verdanken der Huld dieses unvergeßlichen Fürsten ferner die im Frühjahr 1839 eröffnete Lyceal-Turnschule und seit Herbst des gleichen Jahres die eigene Professur, die er für den Religionsunterricht unserer katholischen Zöglinge gegründet hat. Wir verdanken ihm außerdem die Gründung des Verwaltungsrathes, welcher seit 1840 unsere ökonomischen Angelegenheiten gedeihlich leitet. Ueber einzelne der berührten Punkte werden spätere Paragraphen, wo sowohl Lehrgegenstände wie Religion, Naturlehre, Zeichnen und Turnen, als auch unsere Finanzangelegenheiten zusammenhängender besprochen werden sollen, Näheres erzählen.

Gleich in den ersten Jahren nach seiner Thronbesteigung begann Großherzog Leopold den imposanten Neubau, in welchem nun das Polytechnische Institut seine würdige Aufnahme fand, und gewiß hätte er entweder schon damals oder doch bei der 1851 durch ihn vorgenommenen Bauerweiterung des Polytechnicums auch für die Aufnahme der Polytechnischen Vorschule in jenes umfangreiche Gebäude gesorgt, wenn die Planentwerfer für gut gefunden hätten, die Knaben dieser Vorschule, damals 88 an der Zahl, unter der nächsten Aufsicht ihres Directors zu belassen. Da es nicht geschah, so hatte bei der Bauvollendung im Jahre 1836 das Lyceum sich allerdings der Wohlthat zu erfreuen, daß es in seinem südlichen Flügel 3 durch das Polytechnicum verlassene [176] Lehrzimmer zurückbekam; aber 4 andere große Räume ebendaselbst, 3 Lehrzimmer nebst dem Anbau auf der Südseite der evangelischen Kirchenfaçade, blieben den zwei Abtheilungen der Polytechnischen Vorschule bis auf den heutigen Tag.

Unverkümmerte Früchte trug uns aber am 31. Dec. des gleichen Jahres 1836 die Verordnung des Großherzogs Leopold über die Gelehrtenschulen des Landes, die in dem Lehrplane vom 18. Febr. 1837 noch nähere Erläuterung fand. Sie machte den bisherigen Verschiedenheiten der badischen Mittelschulen ein erfreuliches Ende, organisirte deren Unterricht überall nach vollkommen gleichen Grundsätzen, erleichterte den so häufigen Uebergang der Schüler von einer dieser Anstalten in die andere, nachdem er bis dahin mit zahlreichen Uebelständen begleitet gewesen war, und arbeitete auf eine conforme Vorbereitung zu akademischen Studien hin. Schon im Jahre 1836 hatte Großherzog Leopold eine gemeinschaftliche Oberbehörde für die Mittelschulen beider Konfessionen, den Oberstudienrath, gegründet, so daß blos die Verwaltung der verschiedenen Schulfonds der Oberaufsicht des katholischen und des evangelischen Oberkirchenrathes überlassen blieb. Was unser Lyceum betrifft, so waren hier einzelne Veränderungen im Sinne des neuen Lehrplanes allmählich bereits eingetreten; vollständig wurde er im Herbst 1837 eingeführt. Er vermehrte die mathematischen Lehrstunden in einigen Klassen, die philosophischen, rhetorischen und historischen in den 2 obersten Jahreskursen, in denen er auch die deutsche Literaturgeschichte zum besonderen Lehrgegenstand erhob. Der deutsche Sprachunterricht in den untern Lycealklassen wurde erweitert. In den 2 obersten Jahreskursen erlebte das Griechische eine Verminderung auf 4, das Lateinische auf 7 wöchentliche Stunden. Das Griechische begann von nun an nicht mehr mit dem 11., sondern erst nach vollendetem 12. Lebensjahre, das Lateinische erst nach Vollendung des 9.; doch erlaubte die neue Oberbehörde aus Rücksicht auf die Ueberfüllung unserer unteren Lyceumsklassen, daß schon in der obersten Vorschule einiger Unterricht im Lateinischen beginnen durfte, was erst im Herbst 1858, der [177] völligen Konformität mit andern Landesanstalten zu Lieb, sein allmählich vorbereitetes Ende fand. Das Französische wurde 1837 durch den neuen Lehrplan bei den Anfängern dieser Sprache auf 4 wöchentliche Stunden vermehrt, aber ein Jahr später als bisher begonnen. Die Naturgeschichte, zuletzt vom 10. bis 13. Lebensjahre ertheilt, fängt seitdem mit zurückgelegtem 12. Lebensjahre an und umfaßt, die populäre Naturlehre mit eingeschlossen, 4 Jahreskurse. Der Unterricht in der Geographie wurde abermals um ein Jahr verkürzt. – Unseren Schulabtheilungen brachte diese neue Studienordnung seit November 1837 eine andere, bisher in den katholischen Landesanstalten üblich gewesene Benennung, wornach die unterste Klasse unseres Lyceums, welche bis dahin Octava geheißen hatte, den Namen Prima, und die oberste (bis dahin Oberprima genannt) den Namen Obersexta erhielt. Die im Lyceum zuzubringende Schulzeit wurde auf 9 Jahre festgesetzt, so daß ein in jedem Herbst promovirter Zögling, der in die unterste Lycealklasse mit zurückgelegtem 9. Lebensjahre eingetreten ist, die oberste wie bisher mit vollendetem 18. verläßt. – Die zur Aufnahme in den untersten Lycealkurs erforderlichen Vorkenntnisse kann der Knabe, der das 6. Lebensjahr zurückgelegt hat, in der untersten Abtheilung der auf 3 Jahre berechneten Vorschule zu erwerben anfangen[85].

Der früher so oft beklagten Ueberfüllung der untersten Lycealklassen konnte erst, seit wir durch Großherzog Leopold drei Lehrzimmer des südlichen Flügels wieder gewonnen hatten, dadurch abgeholfen werden, daß die neue Prima und Secunda, zuweilen Tertia, in Parallelabtheilungen getrennt wurden. Zum 1. Mal geschah dieses Ostern 1838; bisher war es zwar oft und unter dringender Berufung auf das Volksschulgesetz, wornach keine [178] Klasse über 70 Schüler zählen dürfe, gewünscht worden, aber aus Mangel an Raum niemals ausführbar gewesen. Doch auch seitdem mußte es, weil durch die Parallelisirung die Lehrerzahl eine Vermehrung erlitt, zuweilen aus Mangel an Geld unterbleiben, und vollends in Bezug auf die Vorschulklassen, deren unterste nicht selten 100, im Jahre 1840 sogar 112 Kinder umfaßte, konnte, aus Mangel an Geld und Raum zugleich, noch niemals eine völlige Trennung vorgenommen werden. Wenn übrigens überfüllte Lycealklassen in je zwei Parallel-Cötus zu scheiden erlaubt wurde, schwankten anfangs die Ansichten, ob entweder das geringste Drittel der Schüler in gesonderten Unterricht zu nehmen sei, wodurch der Fortschritt der Bessern weniger gehemmt und der der Geringeren bei einem für sie eigens berechneten Lehrgange erleichtert werden könne, oder ob man die Zöglinge nach ihren geraden oder ungeraden Lokationszahlen in 2 an Befähigung gleiche Schülerhälften sondern solle. Das letztere Verfahren gewann allmählich den Vorzug.

Während aber das Lyceum in seinem südlichen Flügel 3 Lehrzimmer zurückbekam, traten die Folgen der nachlässigen Aufsicht, womit die Erbauung des nördlichen Flügels 1824 durch den damit beauftragten Architekten überwacht worden war, so auffallend hervor, daß die Baubehörde im Sommer 1838 für nöthig fand, den Saal mittelst der noch vorhandenen Kreuzschlaudern und viele Lehrzimmer mittelst starker Durchzugbalken gefahrlos zu machen, auch die Lehrerwohnung im nordöstlichen Pavillon eine Zeit lang bis zur Heilung „der baufestigkeitswidrigen Zustände“ räumen zu lassen. Der Unterricht wurde unterdessen in interimistischen Lokalien, die Herbstprüfung nebst dem Schlußacte jenes Jahres, mit Bewilligung des Herrn Oberbürgermeisters, in dem großen Rathhaussaale gehalten.

In der nun folgenden Zeit erreichte unsere Anstalt ihre höchste Frequenz. Letztere fällt entweder, wenn wir die Vorbereitungsklassen und die damals mit dem Lyceum noch verbundene Realschule miteinrechnen, in die Jahre 1840 und 1841, wo die ganze Anstalt 762, beziehungsweise 766 Zöglinge [179] enthielt[86]; oder wenn wir blos die Schüler der Lyceumsklassen in Berechnung bringen, so finden wir ihre höchste Zahl im Jahr 1844, wo die Realklassen nicht mehr existirten und das Lyceum 482 Schüler umfaßte, ungerechnet die 183 Knaben der Vorschule. Auch noch in demjenigen Jahre, welches dem schmach- und unheilvollen Aufruhr von 1848 und 1849 unmittelbar voranging, hatten wir im Lyceum 462, in der Vorschule 193 Zöglinge. Aber gleich in den ersten Tagen des Aufstandes, im Mai 1849, wurden gegen 80 Söhne durch ihre Eltern theils heimgerufen, theils, damit sie nicht zu dem sogenannten ersten Aufgebot treten müßten, über die Grenze geschickt. Auch nachdem der Sturm vorübergegangen war, blieb der Lyceumssaal mit gefangenen Freischaaren viele Wochen lang angefüllt und der Schlußact, wie die gewöhnliche Feier der öffentlichen Herbstprüfungen, unterblieb 1849. – In den folgenden Jahren stieg die Frequenz schon deßwegen nicht mehr zu dem oben bezeichneten Grade, weil die Praktikantenliste einzelner Zweige im Staatsdienste übergroß geworden war, also der Zudrang zu akademischen Fakultätsstudien geringer und zu technischen Bildungswegen stärker zu werden anfing. Im Todesjahre des Großherzogs Leopold hatten wir 402 Lyceisten und 220 Vorschüler.

Fragen wir nach den zahlreichen Veränderungen, die im Lehrerpersonale während seiner 22jährigen Regierung vorkamen; so veranlaßte 1832 der Tod des Professors Ludwig Lang und am 16. Mai 1833 der des Kirchenraths Jakob Friedrich Gerstner, von denen jener 13, dieser 36 Jahre am Lyceum gelehrt hatte, ein Vorrücken, bei welchem Emil Zandt und 1834 Professor Ludwig Böckh in unsere Reihe eintraten. Im gleichen Jahre 1834 kehrte Geh. Hofrath Wucherer an die Universität Freiburg zurück (Seite 173); sein Nachfolger wurde in Karlsruhe zuerst Professor Seeber und nach dessen Pensionirung 1840 [180] Wilhelm Eisenlohr. Im Herbst 1836 übernahm Ministerialrath Dr. Zell, Mitglied des Großh. Oberstudienrathes, wöchentlich 4 Stunden klassischen Unterrichts in Obersexta, die er bis zu seiner Berufung an die Universität Heidelberg 1847 versah. Gleichzeitig mit ihm begann in andern Klassen Adam Leber bei uns zu lehren, der aber auf seinen Wunsch im Frühjahr 1844 an das Heidelberger Lyceum versetzt wurde. Im Herbst 1837 trat Kirchenrath Katz, welcher seit 1821 den Religionsunterricht der Sexta versehen hatte, in den Ruhestand, und ein Jahr später auch Kirchenrath Dr. Zandt, welcher seiner Lehrstunden schon seit zwei Semestern enthoben worden war und am 9. December 1837 auch die seit 1814 unter vielen Sorgen geführte Lyceumsdirection dem Hofrath Dr. Ernst Kärcher übergab. Im October 1839 übernahm Professor A. Pelissier die damals für den Religionsunterricht unserer katholischen Schüler neukreirte Stelle, welche seit 1847, als er Stadtpfarrer in Mannheim wurde, an Professor Karl Kirn überging. Schon am 5. und 15. November 1842 waren 2 ältere Lehrer gestorben, die Räthe König und Koch, welche vornehmlich für unsere, jetzt zur Vorschule gezählten Abtheilungen, der eine 32, der andere 37 Jahre lang thätig gewesen waren; unter ihren Nachfolgern bemerken wir seit 1844 Philipp Rudolf und Gottlieb Zeuner, seit 1849 Ludwig Beck. – In verschiedenen Lyceumsklassen wirkte von 1837 an Eduard Waag, bis er nach 6 Jahren weitere Beförderung erhielt. An seine hiesige Stelle gelangte 1843 Dr. Jakob Lamey, welcher 5 Jahre später an das Mannheimer Lyceum vorrückte und in Karlsruhe an Professor Georg Helferich seinen Nachfolger bekam. Ostern 1844 traten Professor Karl Bissinger und August Schmidt in unser Lehrer-Gremium; 4 Jahre später Dr. Adolf Hauser und Franz Pfeiffer, nachdem 1847 Professor Julius Holtzmann, zum Stadtpfarrer in Heidelberg ernannt, uns verlassen hatte. Theils bei der Schilderung der einzelnen Unterrichtszweige §. 45 ff., theils in dem biographischen Anhange, welchen wir freilich, um die diesjährige Programmbeilage nicht übermäßig zu vergrößern, für eine künftige Zeit zurücklegen, [181] werden uns diese Männer wieder begegnen; ebenso diejenigen, welche als besondere Fachlehrer ihre Verwendung unter uns fanden, theils für Rechnen und Schreiben, wie Johann Foßler, seit 1832 an der Realklasse, seit 1839 im Lyceum verwendet; theils für den Gesang, wie 1838 Wilhelm Hofmann und seit 1840 Hoforganist Gaa; theils für Freihandzeichnen, wie Ludwig Steinbach, dessen Lehrthätigkeit bei uns im Herbst 1851 auf das ausdrückliche Verlangen des Großherzogs Leopold, wenige Monate vor dem Tode dieses unvergeßlichen Fürsten, begann[87].

§. 43. Des jetzigen Großherzogs Friedrich Königl. Hoheit hat gleich im ersten Jahre seines Regierungsantrittes, am 2. Sept. 1852, uns die mit inniger Freude begrüßte Ehre gewährt, einer öffentlichen Prüfung des Lyceums beizuwohnen, dessen Gründung und Blüthe ein Werk seiner glorreichen Ahnherren ist, und hat auch seither niemals aufgehört, zahlreiche Beweise landesväterlicher Huld uns zu erkennen zu geben. Unter seiner Regierung wurde das Ephorat hochgestellten Männern, deren wohlwollende Theilnahme an dem Schicksale unserer Schule wir dankbar verehren, übertragen, der Gehalt sämmtlicher Lehrer erhöht, der Gesangunterricht dadurch gehoben, daß der Hofkirchengesang die dazu geeigneten Schüler in der Weise, welche in früheren Zeiten üblich gewesen war, wieder beizog, der Zeichnungsunterricht, welchen nun auch Zöglinge der 4 nicht dazu verpflichteten [182] obersten Jahreskurse zu benützen anfingen, auch durch Einführung der Gasbeleuchtung gefördert, die allmählich zu mehr als 4000 Werken angewachsene Lyceumsbibliothek durch den Druck ihres Katalogs viel nutzbarer als zuvor gemacht, der Conservator des physikalischen Kabinets im September 1855 auf seine dringend wiederholte Bitte der bisher im Lyceum ertheilten Lectionen zwar enthoben, aber durch Hohen Erlaß vom 29. November des gleichen Jahres angewiesen, für den Lycealunterricht nicht nur alle nöthigen Apparate und aus dem Kabinetsfond jährlich 55 Gulden theils zu Versuchen, theils zur Haltung eines physikalischen Journals zu verabfolgen, sondern auch den Kabinetsdiener, gegen eine aus der Lyceumskasse zu erhebende Belohnung von jährlichen 100 Gulden, dem Lyceum für wöchentliche 6 Stunden ausschließlich zu überlassen.

Was die Veränderungen im Lehrerpersonal während der sieben ersten Regierungsjahre Seiner Königlichen Hoheit betrifft, so verloren wir im Herbst 1852 den Professor Helferich, welcher seinen Nachfolger an Otto Eisenlohr fand, und um Ostern 1853 den Mathematiklehrer Franz Pfeiffer, welcher zunächst theils durch Dr. Adam Eisenlohr, theils durch Wilhelm Hofmann ersetzt wurde, und als wir im November 1854 den Hauptlehrer unserer Secunda, August Schmidt, bei dessen Beförderung an das Mannheimer Lyceum verloren, trat in unsere höheren Klassen Hofrath Platz ein, früher in Wertheim angestellt. Am 12. März 1855 feierten wir den Tag, an welchem der Lyceumsdirector, Geh. Hofrath Dr. Ernst Kärcher, sein signaturmäßiges vierzigstes Dienstjahr zurücklegte; vier Wochen später, am 12. April, entriß ihn uns der Tod. Er hatte seit 1820 an unserer Anstalt gelehrt und war seit 1837 ihr Vorstand gewesen. Noch im gleichen Jahre 1855 wurde Hofrath Wilhelm Eisenlohr seiner Lyceallectionen enthoben und im nächstfolgenden Hofrath Süpfle pensionirt. Die durch alle diese Veränderungen entstandenen Lücken suchten theils vorrückende ältere Lehrer, theils neu berufene jüngere auszufüllen; unter den Letzteren: seit Herbst 1855 Eduard Eisen und Ludwig Durban, seit Ostern 1856 [183] Dr. Adolf Böhringer. Da aber keiner unserer jüngeren Kollegen dem geistlichen Stande angehört, so übernahm einer der Stadtgeistlichen den Religionsunterricht der drei untersten Lyceumsklassen; Herr Pfarrer Emil Frommel versieht seit Ostern 1855 diese Lectionen mit dankwürdigem Erfolge. Im Herbst 1856 trat Karl Roth an die Stelle des nach Lahr berufenen Professors Otto Eisenlohr. Im Januar des folgenden Jahres erbot sich Karl Traub zur freiwilligen Uebernahme der physikalischen Lehrstunden; diese werden jetzt, nach seiner Berufung an eine andere Mittelschule, durch Dr. Ludwig Grohe versehen, welchem auch unsere Mathematiklectionen seit Januar 1858 anvertraut sind. In Prima versieht vom Febr. 1859 an Ed. Nickles einen Theil des Unterrichts. Die Lyceumsdirection ist seit Kärcher’s Tod dem Verfasser dieser Zeilen übertragen worden[88]. – Die Schülerzahl umfaßte im Herbst 1858 im Lyceum 379, in der Vorschule 196, zusammen 575 Zöglinge.

§. 44. Das Unterrichtslokal, eine wichtige äußere Bedingung des Gedeihens jeder Schule, ist bisher zwar oft erwähnt [184] worden; aber seine Geschichte bedarf hier einer Uebersicht der da und dort gemachten Mittheilungen und einiger Zusätze, welche nur in dem Zusammenhang dieses Paragraphen ihre Erklärung finden, weder durch Sachs in seinen Beiträgen, noch in irgend einem Programme berührt sind, also manchem Gönner unserer Anstalt theilweise wohl eben so unbekannt sein werden, als sie es mir waren, ehe ich sie aus den umfangreichen Akten zu schöpfen Gelegenheit hatte.

Das 1722 bis 1724 in der neugegründeten Stadt Karlsruhe aus evangelischen Kirchenmitteln errichtete große Gymnasialgebäude[89] enthielt im Erdgeschosse die Klassenzimmer, die Bibliothek und die Wohnung des Dieners; im oberen Stockwerke, welches an seiner der Langen Straße zugewendeten Fronte 21 Fenster zählte, waren ursprünglich vier Lehrerwohnungen, die man aber bald in drei verwandelte, damit, was durch die damalige Regierung immer begünstigt wurde, Pensionäre unter Aufsicht der Professoren dort wohnen könnten. An der Südseite des sehr geräumigen und sonnigen Hofes lagen Gärten, welche für die Lehrer bestimmt waren und 1764 durch die Schenkung eines Privatmannes[90] bis dahin verlängert wurden, wo jetzt der östliche Theil der Griesbach’schen Fabrik steht. Als aber unser nur aus Holz gebautes Schulhaus allmählich baufällig geworden war und als der um Rath gefragte Architekt 1782 vorschlug, auf der Wetterseite, wo wir jetzt die Westfronte des Bürgermeister Herzer’schen Hauses sehen, einige neue Balken an die Stelle der halbverfaulten zu bringen; so erinnerte das Bauamt an eine Geheimeraths-Verordnung vom 4. Oct. 1773, wornach zwischen der Kleinen Kirche und dem Brunnenhause[91] keine beträchtlichen Reparaturen, sondern nur modellmäßige Neubauten zulässig seien, und man begann, an die Errichtung eines neuen Gymnasiums zu denken. Da starb am 9. Mai 1783 der [185] unvermählte badische Prinz Eugen, welchen wir oben als Mitglied der vormundschaftlichen Regierung während Karl Friedrich’s Minderjährigkeit erwähnt haben[92]. Er hatte sein Wohngebäude in dem jetzt Klüber’schen Hause am Schloßplatze und einen 3½ Morgen großen Garten in einem andern Stadttheile, nämlich zwischen der damals noch nicht gebauten „Verlängerten Adlerstaße“ und der sogenannten Querallee, welche heutiges Tages Zähringerstraße heißt; anders ausgedrückt: Der Garten lag in dem Quadrate zwischen dem jetzigen Zolldirectionsgebäude und dem Gasthofe zum Könige von Preußen. – Diesen Garten, so eröffnete in der Rentkammersitzung vom 23. Juli 1783 der Präsident derselben, Freiherr von Gayling, habe so eben Serenissimus in der Absicht gekauft, dort das neue Gymnasium zu erbauen und das Bauamt solle darüber gutächtlich berichten[93]. – Es berichtete (unterzeichnet ist der 1801 verstorbene Bauinspector Müller), der Garten habe an seiner nördlichen Seite eine Länge von 190 Fuß, entspreche also der Länge der bisherigen Gymnasiumsfronte, liege jedoch ein Merkliches von der Stadtmitte entfernt; auch passe ein so ansehnlicher Neubau, wie der fragliche, nicht in die schmale Querallee, sondern weit eher zur Verschönerung des Marktplatzes, der jetzt durch einen großen Theil des alten Kirchhofes erweitert werde und durch seinen Lärm dem Gymnasium keine Störung veranlassen könne, denn man gedenke, alle Klassenzimmer nach dem großen Hofraume, also nach der Morgenseite hinzuwenden und die an den Markt stoßende Fensterreihe durch einen großen und breiten Gang von den Lehrlokalien zu trennen, wie das auch in den Gebäuden der Jesuiten gewöhnlich geschehen war.

Dazu bermerken wir, daß Müller für die Fronte des Gymnasialbaues, wenn die Querallee, die spätere Zähringerstraße, nicht breit genug schien, entweder die Ostseite des Gartens, die gleich [186] darauf verlängerte Adlerstraße, oder das südliche Gartenende, also den dort befindlichen, damals schon projectirten freien Platz hätte vorschlagen können. Er that es nicht, und zwar aus Rücksicht auf die Verschönerung des neuen Marktplatzes. Der achtungswerthe und kenntnißreiche Mann konnte allerdings damals nicht wissen, daß während der durch ihn veranlaßten Verzögerung des Neubaus, welcher in den gesegneten Zeiten von 1783 finanziell leicht ausführbar gewesen wäre, die lange und bedrängnißvolle Periode der französischen Revolution eintreten und keine beträchtliche Bauunternehmung zulassen werde. Er konnte ferner nicht wissen, daß am Ende der bedauerlichen Periode, deren Schluß er selbst nicht mehr erlebte, sein Gymnasiumsplan den projectirten Raum mit der Stadtkirche theilen müsse, wobei nur ein kleiner Hofplatz und keine Möglichkeit übrig blieb, die Lehrzimmer von dem Markte und von der Zähringerstraße abzuwenden. – Müller’s Einsprache fand Gehör und wurde für unsere Anstalt ein Unglück, dessen Abhülfe schwerlich jemals gehofft werden kann.

Eine Bauuntersuchung von 1784 hielt den Zustand des alten Schulgebäudes für nicht unbedenklich. Um so weniger getraute man sich 1786 bei dem Jubiläum, durch zeitweise Wegnahme der Zwischenwand zwischen dem großen Auditorium und der Tertia, wie bisher bei bedeutenderen Feierlichkeiten geschehen war, eine geeignete Aula herzustellen; daher fand das zweite Jubelfest der Anstalt in der Hofkirche statt[94]. Und als 2 Jahre später die Frage, mit welchen Gebäuden der neue Marktplatz zu umgeben sei, noch immer nicht in’s Reine gebracht werden konnte, wählte am 8. Juli 1788 Karl Friedrich in der damals verlängerten Straße, welche heut zu Tage seinen preiswürdigen Namen trägt, zur Errichtung des neuen Gymnasiums denjenigen Platz, auf welchem wir jetzt das Gebäude der landwirthschaftlichen Centralstelle und die benachbarten Häuser sehen[95]. – [187] Was ihn auch davon zurückgebracht habe, ist aus den mir bekannt gewordenen Akten nicht ersichtlich. Zwar schon damals wurde die oben erwähnte Querallee, welche mit ihrem Westende vor 1788 nur bis zu dem jetzigen Commandantenhause reichte und durch den reformirten Kirchhof und durch die Gärten der Gymnasiallehrer von dem neuen Marktplatze noch getrennt gewesen war, bis zu dem Letzteren verlängert; aber nun kam die Zeit der französischen Revolution, deren Folgen auch am rechten Ufer des Oberrheins in der oben[96] angedeuteten Weise hervortraten. Von nun an hörten die Klagen über Baufälligkeit des Gymnasiums nicht auf; es kamen vielmehr neue, auch über Raumbeengung wegen der allmählich größer gewordenen Schülerzahl, hinzu; aber abhelfen konnte man immer nur zur Noth. — Das ganze Gymnasialgebäude ist krank, so berichtete der Baumeister 21. Mai 1796, zumal das südliche Dachwerk, so daß der Regen aller Orten eindringt; um Unglück für die Jugend zu verhüten, schlage ich die nothwendigsten Reparaturen zu 107 Gulden vor. — Erst 2 Jahre nach dem Frieden von Luneville wurde der veränderte Bauplan genehmigt, wornach für das Gymnasium und für das physikalische Kabinet zu beiden Seiten der künftigen evangelischen Stadtkirche zwei Flügel errichtet werden sollten, von denen der südliche auch wirklich in Angriff kam. Am 29. Juni 1803 erhielt der Rector der Anstalt, damals der Geheime Kirchenrath Tittel, von Seiten der kurfürstlichen Baudirection die Einladung, „den Schlußstein an dem neuen Gymnasiumgewölbe einzulegen“. Als er um 3 Uhr des gleichen Tages, begleitet von Hofrath Wucherer, Professor Böckmann und Präceptor Doll, auf dem Platze erschien, nahm er aus der Hand des Maurermeisters den überreichten Hammer und sprach: Gott segne diesen Bau und lasse ihn zu seines Namens Verherrlichung und zu Badens Wohl vollenden und dauern! — Dann that er einige Schläge auf den eingesenkten Stein, und nachdem seine Begleiter das Gleiche gethan hatten, verließ er die Baustätte [188] mit den Worten: Uti ego hunc lapidem imposui, ita Deus custodiat opus atque conservet![97]

Da aber jedes der nächst folgenden Jahre einen neuen schweren Krieg theils drohend ankündigte, theils wirklich herbeiführte, so brachte man im December 1804 nur die größere westliche Hälfte des südlichen Flügels fertig, d. h. den an den Marktplatz grenzenden, drei Stockwerke enthaltenden „Pavillon“ (ich bediene mich der von der damaligen Baubehörde gebrauchten Ausdrücke) und den unmittelbar mit ihm zusammenhängenden, zwei Stockwerke hohen „Zwischenbau“. In das mittlere Stockwerk wurde im Frühjahr 1805 das physikalische Kabinet und die Wohnung des Conservators verlegt, vorher aber, am 26. April 1804, durch die oberste Staatsbehörde, das Geheimerathscollegium, die Frage an die Baudirection gestellt, ob die dortige Unterbringung des physikalischen Kabinets ohne Nachtheil für das Gymnasium möglich sei[98], worauf die Antwort erfolgte: Allerdings, denn was dem Gymnasium dadurch an Raum abgehe, werde ja durch den gleichfalls genehmigten Bau des nördlichen Gymnasialflügels ihm reichlich ersetzt. Ursprünglich sei der Plan gewesen, jenes Kabinet in dem nördlichen Flügel aufzustellen; doch wenn das jetzt in dem fertig gewordenen Theile des südlichen geschehe, so erspare man den jährlichen Betrag von 280 fl., welcher als Miethe für die Aufbewahrungsräume der Apparate und für die Wohnung des Professors der Naturlehre noch immer bezahlt werden müsse[99]. — Um aber auch das Erdgeschoß und den obersten Stock nicht unbenützt zu lassen, räumte man Beide, [189] weil der Ausbau des östlichen Pavillons, also auch die Translokation des Gymnasiums nicht so nahe stand, 1805 einstweilen theils dem Polizeibureau, theils den städtischen Volksschulen und ihren Lehrern ein, denn die Verschönerer der Residenz wünschten schon jetzt, das übel aussehende, neben der alten Kirche gelegene lutherische Schulhaus[100] abzubrechen.

Noch zwei Jahre lang blieb der an die Kirchgasse stoßende östliche oder jetzt südöstliche Lyceums-Pavillon ungebaut. Sobald er aber im Januar 1807 die zu seiner Errichtung nöthigen Geldmittel der Geistlichen Verwaltung gefunden hatte und am Schlusse des gleichen Jahres fertig geworden war, so daß also wenigstens Einer der zwei Lyceumsflügel, der südliche, dastand[101]; so benachrichtigte am 2. December 1807 das Finanzdepartement den Kirchenrath, „Seine Königliche Hoheit wolle, daß noch im Verlaufe dieses Monats das Lyceum den für dasselbe neu errichteten Bau beziehe.“ — Nun eilte man zur Versteigerung unseres in der Hauptstraße gelegenen alten Schulgebäudes, auf daß sofort recht bald an dessen Stelle durch Privatleute ein modellmäßiges Quadrat erbaut werde. Noch im December 1807 bezogen unsere zu diesem Zwecke möglichst verringerten Klassen[102] das Erdgeschoß des in seinem östlichen Theile noch feuchten Flügels. Obwohl aber durch die beträchtliche Verkürzung des ganzen Lyceal-Unterrichts die Schülerzahl auf 220 reducirt war, so genügte doch selbst für diese der vorhandene Raum so wenig, daß wir 1808 den damaligen Dircetor Hebel Seite 155 über die 7½ [190] Lehrzimmer, welche mit dicht an einander gestellten Subsellien überfüllt werden mußten, bitter klagen hörten. Und selbst von diesen Lehrzimmern waren einige nur durch die provisorische Zwischenwand entstanden, mit welcher man das Lokal in zwei Stuben theilte. Nicht einmal für die Räumung der interimistisch zu andern Zwecken verwilligten Theile des Erdgeschosses war gesorgt worden und erst nach dem endlichen Auszuge des Polizei-Bureaus stieg die Zahl der Lehrzimmer auf 9. Was unsere Knaben betrifft, so murrten sie gar nicht über den schulgesetzwidrig engen Zimmerraum, der ihnen als etwas Nothwendiges in einem neuen Lokal wie bei einem neuen Rocke vorkam, wohl aber über den schmalen, nur für Sommersonnenstrahlen erreichbaren Hofplatz.

Während der nächsten neun Jahre stieg bei der Vergrößerung der Stadt auch unsere Schülerzahl schon 1816 auf 400, betrug demnach fast doppelt so viel, als sie 1807 betragen hatte. Dennoch führten die Seite 160 erwähnten unablässigen Wehklagen des Directors Zandt nicht den Bau des längst projectirten zweiten Lyceumsflügels herbei, denn die dazu bestimmt gewesenen evangelischen Kirchenmittel waren durch die Verschönerer der Residenz für den 1816 fertig gewordenen Neubau der evangelischen Stadtkirche aufgebraucht worden. Das Finanzministerium suchte also 1816 wenigstens nothdürftig dadurch zu helfen, daß es dem von der Direction zurückgetretenen, aber als Lehrer noch fortwährend fungirenden Kirchenrath Hebel aufkündigte und seine im 2. Stockwerke, wo jetzt das Geschäftslokal des Physiklehrers ist, befindliche Dienstwohnung theils in Lehrzimmer, so gut es ging, verwandelte, theils zur Aufnahme der Bibliothek und der Naturaliensammlung verwenden ließ. Eine ähnliche Veränderung mit den zwei Wohnungen im dritten Stock unterblieb nur deßwegen, weil Letzterer die für Schulen gesetzlich vorgeschriebene Zimmerhöhe durchaus nicht besaß. Bei noch weiterer Vermehrung unserer Schülerzahl erhielt seit 1819 die Lyceumskasse sogar Erlaubniß, auf ihre Kosten in 2 Privathäusern mehrere Lehrzimmer zu miethen.

[191] Unterdessen war der Gedanke an ein Polytechnisches Institut angeregt worden, anfangs in höchst beschränktem Maßstabe, und noch am 7. Nov. 1820 verlangte das Großherzogliche Ministerium des Innern, eine dazu niedergesetzte Commission, welche aus dem Ministerialrathe Schippel, Oberstlieutenant Tulla und den 2 Kirchenräthen Sander und Hebel bestand, solle Bericht erstatten, wie ein solches Institut „mit geringen Kosten“ unter Beizug von Lehrern des Lyceums und der Ingenieurschule zu errichten sei[103]. – Tulla, ein ehemaliger Schüler unserer Anstalt, sammelte die verschiedenen Gutachten und gab, als er im Sommer 1822 daran erinnert wurde, die Antwort, man schaffe ja keinen Raum und das hänge mit dem Bau des noch fehlenden Lyceumsflügels zusammen. Nun wurde Letzterer am 14. Nov. 1822 genehmigt, eine große Wohlthat für unsere bereits auf 525 Schüler angewachsene Anstalt. Man gab den Bau zu 50,000 fl. in Akkord und entfernte die Marktbuden und Steinhauerhütten, welche zwischen der Stadtkirche und der Zähringer Straße errichtet worden waren. Die Commissäre schlugen für das künftige Polytechnische Institut 5 theils größere, theils kleinere Zimmer vor, die durch das Ministerium auf die doppelte Zahl erhöht wurden; den übrigen Raum solle man dem Lyceum lassen und die 2 kleinen Bauten zwischen der Façade der Kirche und den beiden Lyceumsflügeln nicht zu Marktbuden bestimmen, wie Baudirector Weinbrenner gewollt hatte, sondern zu Dienerquartieren[104]. Nachdem der Neubau durch Großherzog Ludwig am 8. October 1824 feierlich eingeweiht worden war, erhielt das physikalische Kabinet eine sehr nothwendige Raumvergrößerung, nämlich den mittlern Stock des südöstlichen Pavillons mit Ausnahme unserer 2 kleinen Bibliothekzimmer, [192] die erst später gleichfalls die Bestimmung zu physikalischen Lehrzwecken bekamen.

So setzte das Jahr 1824 unserer siebzehnjährigen Raumnoth und zugleich dem Mißstande ein Ziel, welcher aus den in 2 verschiedenen Straßen gemietheten Nebenlokalen seit einigen Jahren für die Beaufsichtigung der Anstalt erwachsen war. Doch was ein allgemein hochgeachteter Staatsmann, Ludwig Winter, 1823 vorausgesagt hatte, daß man in den 2 Lyceumsgebäuden, wenn alle Bedürfnisse des Lyceums gesichert werden sollten, unmöglich Raum genug für das künftig zu errichtende Polytechnicum schaffen könne, trat schon gleich bei der wirklichen Gründung und Eröffnung dieses Instituts im Herbst 1825 zu Tage und wurde wenigstens Ursache, daß der Staatsministerialerlaß vom 14. Oct. 1825, welcher diese Anstalt in’s Leben rief und zu ihrem Lokal den südlichen Lyceumsflügel bestimmte, die Worte hinzugefügt hat, „so weit er nicht von dem Lyceum selbst gebraucht wird“[105].

Das Polytechnische Institut hatte nämlich die ihm zugedachten Theile des nördlichen Flügels für minder geeignet als den südlichen erklärt, konnte zwar aus Rücksicht auf das nöthige Licht seine beiden Zeichnungssäle weder in diesem, noch in jenem finden und miethete sie anderwärts; aber so klein sein damaliger Anfang im Vergleich mit der Ausdehnung und mit dem Ruhme war, wozu es sich in neueren Jahren erhoben hat, so bedurfte es doch schon im Herbst 1825, zumal da unsere 3 Realklassen ihm zugewiesen wurden, des ganzen Erdgeschosses in unserem südlichen Flügel, so wie des 3. Stockwerkes im südöstlichen Pavillon. Diese Räume verlangte es und erhielt sie auch. Zugleich rühmte es die Bereitwilligkeit, womit das Lyceum sich auf das Unentbehrlichste beschränkte, erkannte aber auch die Unmöglichkeit, hier für weiteren Bedarf, an dem es nicht fehlen konnte, noch mehr Gelaß zu gewinnen.

Zwar auch dem Lyceum mangelte es sehr bald an Raum, so daß es schon im October 1826 für eine bei der damaligen Promotion [193] stark angewachsene Klasse auf mündliche Anordnung des Staatsraths Winter eines der 6 großen Lehrzimmer im Erdgeschosse des südlichen Flügels, nämlich das der Sakristei zunächst gelegene, gegen Abtretung eines kleinern zurückbekam[106]. Aber unerfüllt blieben in den neun folgenden Jahren unsere weiteren Bitten um Zurückgabe anderer Lokalitäten, deren wir aus dringenden Gründen bedurften, denn erstens hatte Großherzog Ludwig 1826 für das Lyceum einen eigenen Zeichnungslehrer ernannt, für dessen Unterricht kein anderer Raum zu erhalten war als der, welchen die Lyceumskasse in einem Privathaus miethen mußte. Ferner nöthigte gleichfalls schon im nämlichen Jahre die Schülermenge unterer Lycealklassen zur abermaligen Errichtung einer Realschule im Lyceum und zwar für solche Knaben, welche sich zu industriellen Fächern vorbereiten wollten, aber das 13. Jahr noch nicht erreicht hatten, also in die Polytechnische Vorschule noch nicht aufgenommen werden durften. Dazu kam, daß durch Vermächtniß des Geheimenraths Hauber dessen beträchtliche Bibliothek 1827 an uns gelangte und eines großen Zimmers im Schulgebäude zur Aufstellung bedurfte. Diese und ähnliche Raumbedürfnisse, namentlich das bei fortwährend steigender Frequenz dringender gewordene Verlangen nach Parallelabtheilungen, welche für die überfülltesten Klassen je 2 Lehrzimmer in Anspruch nahmen, gaben dem Lyceum Anlaß zur wiederholten Bitte, den südlichen Flügel zurückzubekommen. Als eine derartige Bitte 1832, wo der große Neubau für das Polytechnische Institut begann, besonders lebhaft hervortrat; so beruhigte am 29. Mai 1833 der Director dieser Anstalt, Bergrath Walchner, durch die Zusage, daß der Wunsch des Lyceums [194] mit der nicht so fernen Vollendung jenes Neubaues ohnehin sich erledigen werde. Aber der Nämliche berichtete am 23. April 1835: Da bei unserem Neubau keine Rücksicht auf die Polytechnische Vorschule genommen worden ist, so muß Letztere in dem Lokal bleiben, aus welchem unser Institut während der nächsten Monate ausziehen wird.

Diese Vorschule, welche aus zwei Klassen besteht, blieb auch wirklich dort und durfte die ihr nun zugewiesenen vier großen Räume im Erdgeschosse des südlichen Lyceumsflügels (nämlich 2 Lehrzimmer, einen Zeichnungssaal und den an die Südseite der Kirchenfaçade grenzenden Anbau, welcher zur Aufbewahrung ihrer Sammlungen dient) selbst dann behalten, als das polytechnische Gebäude 1851 und 1858 sich sehr bedeutender Erweiterungen erfreute. Doch wurde uns im November 1836 nicht blos der zwischen den beiden Treppen im Erdgeschosse befindliche Raum[107], sondern, gegen Zurückgabe des vorhin erwähnten, bei der Sakristei gelegenen Zimmers, auch das auf den Marktplatz stoßende Eckzimmer zugeschieden, in welchem noch jetzt unser Zeichnungsunterricht stattfindet. Zugleich verwandelte man das dritte Stockwerk im südöstlichen Pavillon, wo bis 1836 das Polytechnicum theils Lehrlokale, theils ein Quartier für seinen Diener gehabt hatte, wieder in eine Lehrerwohnung, welche ein Lyceumsprofessor und seit 1842 der Conservator des physikalischen Kabinets bekam. Als Entschädigung wird seit 1836 an jenen polytechnischen Diener in Folge eines Ministerialbeschlusses vom 10. Dec. 1836 der Betrag von 121 fl. 28 kr. durch die Lyceumskasse noch heute jährlich bezahlt. – Aber schon dadurch, daß der Bewohner dieses Quartiers seit 1855 seiner Lyceumslectionen enthoben wurde, ist für uns ein neuer Raumbedarf entstanden, weil von 1855 an unser Physiklehrer die ihm unter seiner Verantwortlichkeit anvertrauten Apparate in einem besonderen Zimmer des Lyceums aufbewahren muß. Doch ein [195] Bedürfniß, für unsere Anstalt mehr Raum zu gewinnen, ist in noch vielen anderen Beziehungen vorhanden und liegt theils in der Frequenz der jetzigen Tertia, welche ihre 69 Schüler in 2 Parallelklassen trennen sollte; theils in dem billigen Wunsche des katholischen Religionslehrers, welcher mit seinen wöchentlich 14 Unterrichtsstunden bald in dieses, bald in jenes, je nach dem veränderlichen Schematismus gerade unbesetzte Lokal wandern muß und ein eigenes Lehrzimmer entbehrt; theils in der fortschreitenden Vermehrung unserer Bibliothek, deren Gelaß nicht mehr genügt; theils in der Nothwendigkeit eines größeren Zeichnungssaales, da hier bei Anfang jedes neuen Jahreskurses manche Schüler der zum Zeichnungsunterricht nicht mehr verpflichteten höheren Klassen eintreten wollen und aus Mangel an gehörigem Platze ihren löblichen Vorsatz wieder aufgeben; theils in dem Gesangunterricht, welcher früher schon wegen der dazu erforderlichen theuern Instrumente ein eigenes Zimmer besaß und jetzt schon lange keines mehr besitzt; theils in den Turnübungen, welche heut zu Tage in bedeutenderen Städten Deutschlands auch während der Wintermonate fortgesetzt werden, erst unter dieser Bedingung ihren Zweck erfüllen und nur in einem großen Zimmerraume möglich sind; theils in dem gegründeten Verlangen, dem südlichen Lyceumsflügel einen dort wohnenden Hauswart, also dem 2. Lyceumsdiener ein dortiges Quartier zu verschaffen.

Daß der nördliche Lyceumsflügel auf Staatskosten errichtet wurde, haben wir Seite 166 erzählt. Daß aber der zuletzt besprochene südliche aus Mitteln des evangelischen Kirchenvermögens erbaut worden ist, geht aus tausend Rechnungen hervor, die der Geistliche Verwalter Sievert 1803 bis 1807 bezahlt hat, und steht auch ausdrücklich in klarsten Worten Höchster Erlasse anerkannt, z. B. von Seiten des Großh. Staatsministeriums 21. September 1826 No. 1455 und des Großh. Ministeriums des Innern vom 16. October 1826 No. 12,185. Doch wurde der südliche Lyceumsflügel in der Geschäftssprache des Polytechnischen Instituts während einer langen Reihe von Jahren lieber [196] mit einer minder bequemen Bezeichnung umschrieben und entweder „das Gebäude an der linken Seite der Stadtkirche“[108] oder „der südliche Flügel des Schulgebäudes an der evangelischen Kirche“[109] genannt. – Mit Dankbarkeit verehren wir dagegen den ganz andern, uns zu helfen bereitwilligen Sinn des Directors, welcher jetzt an der Spitze dieser durch ihn berühmt gewordenen Anstalt steht.


  1. Diese zwei waren Johann Wasmuth und Wolfgang Friedrich Steinlein. Letzterer versah schon seit 1719 die Karlsruher lat. Schule, hatte 3 Jahre später einen Vorgesetzten an dem 1721 ebenfalls aus Durlach nach Karlsruhe berufenen Professor Johann Caspar Malsch erhalten, starb aber wie Boye noch vor dem Ende des Jahres 1724 und wurde durch den Durlachischen Präceptor Joh. Martin Beck (Seite 46 der vorjährigen Programmbeilage) ersetzt. – Auch der Calefactor mußte 1724 von Durlach in die neue Residenz ziehen.
  2. In dem Erbprinzenschlosse, wo jetzt das Gebäude des Großherzoglichen Ministeriums des Innern steht.
  3. Häusser, Geschichte der rheinischen Pfalz, 1. Ed. II., 882.
  4. In dem Munde unseres Volkes wurde daher dieser Krieg nachher lange Zeit der Philippsburgische genannt. – Am 14. April 1735 mußte auf Befehl des deutschen Oberfeldherrn durch Massen aufgebotener Bauern die Alb von Ettlingen her in die Pfinz bei Durlach geleitet und Letztere zugedämmt werden. Dadurch wurde alles Land zwischen Ettlingen, Bruchsal und Philippsburg unter Wasser gesetzt.
  5. Joh. Christian Sachs, 1720 in Karlsruhe geboren, 1789 als Rector gestorben.
  6. Im Jahre 1737 bezog Rector Malsch 441 fl.; Prof. Wasmuth, zugleich Praeceptor Primae, 194 fl.; Prof. Daur, zugleich Praec. Secundae, ebenfalls 194 fl.; Präceptor Beck in Quarta 190 fl. 30 kr.; Sachs in Tertia 149 fl.; drei Nebenlehrer je 50 fl. (darunter der Hofvicar und Mathematiklehrer Jakob Friedrich Maler), zusammen 150 fl. In Summa 1318 fl. 30 kr. – Daß darunter aber auch viele, gering angeschlagene Naturalien (Getraide, Wein und Holz) begriffen waren und die freie Wohnung nebst dem durch die Lehrer selbst bezogenen Schulgeld nicht mitgerechnet ist, habe ich in einem andern §. erwähnt.
  7. Unter dem aus Wollmar in Hessen gebürtigen Prorector Wasmuth waren folgende Lehrer: In Prima Professor Daur aus Oehringen im Hohenlohischen; in Secunda Jakob Friedrich Maler aus Haltingen bei Lörrach, der auch eine Zeit lang als Lehrer der Prinzen verwendet und am Gymnasium theilweise durch den aus Straßburg gebürtigen Professor [129] Johann Martin Böhm († 1747) ersetzt wurde; in Tertia Präceptor J. C. Sachs aus Karlsruhe; in Quarta versah die Hauptlehrerstelle Georg Adam Fröhlich aus Karlsruhe, bis er 1742 Prorector in Pforzheim wurde. (Er starb 1777 als Pfarrer in Wittlingen, war der Vater des 1814 als Decan in Thiengen verstorbenen Johann Georg Wilhelm Fröhlich und hat unter seinen Urenkeln auch den jetzigen allgemein hochgeachteten Director des Großh. Oberstudienrathes.) In Quarta lehrte seit 1743 der Präceptoratsvicar Johann Wilhelm Eccardt, welcher aber 1744 zu den Herrnhutern fortzog und einen Nachfolger erhielt zuerst an dem Schlesier Christian Gottfried Ludwig, sodann, als dieser 1747 Pfarrer in Langensteinbach wurde, an Christoph Mauritii aus Pforzheim. In Quinta war Präceptor der Magister Jacob Christoph Göring und in der 1743 wieder beginnenden Sexta Collaborator Johann Zacharias Gehres.
  8. Acta historico-ecclesiastica oder gesammlete Nachrichten von den neuesten Kirchengeschichten. Weimar 1744. Band VIII., Seite 194 ff.
  9. Seite 21 und 113 der vorjährigen Programmbeilage.
  10. Sie stehen in den gleichzeitigen Gymnasial-Rechnungen ausführlich verzeichnet; deßgleichen in Gerstlacher’s Sammlung der Baden-Durlachischen Verordnungen. Karlsruhe 1773. I., 200 ff. – Wenn z. B. Hochzeiten an den nächsten Tagen zu schmausen fortfuhren, mußte eine Strafe von 20 fl. bezahlt, die eine Hälfte dem Waisenhaus, die andere dem Gymnasium abgeliefert werden. Wenn die Gelage bei Hochzeiten oder Kindtaufen das ihnen erlaubte Quantum von Wein überschritten, war für jede Maß Wein eine Strafe von 3 Reichsthalern zu entrichten.
  11. Seite 105 der vorjährigen Programmbeilage.
  12. Als Prorector seit 1750, als Rector von 1756 bis 1764, wo Maler starb.
  13. Im Schlußacte Ostern 1755 kommt auch ein deutsches Gespräch vor, zwischen drei Schülern der Secunda (jetzigen Quarta) und Tertia über Meteore gehalten. (Das betr. Progr. im 77. Bande der Quartmisc. [133] Nr. 13 auf Großh. Hofbibliothek.) – Für den Schlußakt vor Ostern 1757 sind neben sechs lateinischen drei deutsche Vorträge angekündigt; der zweitletzte Redner drückt im Namen der übrigen Abiturienten die Gefühle derselben bei dem Abschiede von der Schule, der letzte Redner aber, ein Novize (Untersextaner, vergl. I. 57), den an die Veteranen gerichteten Glückwunsch aus, beide in deutscher Sprache. (Hofbibl., Quartmiscellen tom. 25 Nr. 8.) – Im Herbst 1760 traten bei dem Schlußakte 11 Zöglinge auf, 4 in lateinischer, 4 in deutscher Sprache, die 3 übrigen in griechischer, hebräischer und französischer.
  14. Im deutsch geschriebenen Programme vom Herbst 1754 behandelte Sachs den Ursprung des fürstlichen Hauses Baden (Hofbibl., 35. Band der Quartmiscellen, Nr. 3); in vielen Programmen darauf folgender Jahre das Leben einzelner Markgrafen vom 12. bis 16. Jahrhundert.
  15. Vergl. oben I., 48. 59.
  16. In Fecht’s Manuscript von 1689 steht §. 46: Das Durlacher Gymnasium hatte auch einen „Kerker“, worin die Publici, wenn sie etwas peccirt, ex judicio Rectoris durch den Calefactor eingeschlossen wurden.
  17. Sein Vater, Johann Conrad Pfeffel, Stättmeister zu Colmar, war 1682 bei Emmendingen zu Mundingen geboren, Sohn des dort 1701 verstorbenen Pfarrers Johann Conrad Pfeffel.
  18. Wieland’s und Pfeffel’s Korrespondenz mit Reinhard über diesen Gegenstand findet sich in dem Generallandesarchiv, Fascikel „Karlsruhe, Geheimerath Reinhard’s Vorschläge zur Verbesserung des Gymnasiums 1755–61“. – Wieland in seinem ausführlichen, auch kalligraphisch netten Entwurfe von 1756 nennt die neu zu organisirende Karlsruher Anstalt „Akademie der schönen und nützlichen Wissenschaften zur Bildung des Verstandes und Herzens“.
  19. Während Maler das Rectorat von 1750 bis 1764 führte, lehrte er [136] selbst Philosophie, Mathematik und Physik. Der Seite 125 schon erwähnte P. J. Bürcklin, welcher seit 1742 als Kirchenrathsmitglied wieder nach Karlsruhe berufen worden war, las an dem Gymnasium theologische Vorbereitungscollegien bis zu seinem Tode 1760, worauf Dr. Johann Friedrich Stein, aus Tegernau gebürtig, neben seinem Amte als Oberhofprediger diese theologische Professur versah. – Juristische Vorbereitungscollegien übernahmen die Hofräthe Preuschen und Michael Hugo, der Vater des nachmals berühmt gewordenen Göttingischen Rechtslehrers. Auch ein cameralistisches Vorbereitungscollegium kommt seit 1763 vor, gelesen durch den oben genannten Rentkammerrath Johann August Schlettwein. – Professor J. C. Sachs lehrte, gleichfalls bei den Exemten, Geschichte, Alterthümer und Erklärung klassischer Autoren, war aber zugleich auch Praeceptor Primae. Professor Christoph Mauritii (Seite 129) behandelte die Rhetorik und war zugleich Praeceptor Secundae. – In Tertia war Präceptor Ferdinand Wolrab und seit 1751 Ferdinand Christian Gaupp, der aber 1758 wegen Unfleiß removirt und durch Karl Joseph Bouginé aus Pforzheim ersetzt wurde, Praeceptor Quartae war der Seite 129 erwahnte Magister J. C. Göring, Quintae Johann Martin Bartholmeß, Sextae Cantor Thill. – Französische Sprachmeister waren Peter Surleau 1748 ff., 1757 J. F. R. Wiedemann und seit 1759 Dominique Louis Friderici, welcher bis zu Anfang der 1790er Jahre den freiwillig dazu sich meldenden Gymnasiasten französischen Unterricht ertheilte. Zu englischen Privatstunden erbot sich wenigstens ein Vicar Wolf aus Weisweil 1759.
  20. Nachdem die Societas latina viel Gutes gewirkt hatte, erlosch sie im Jahre 1805, als ihr Vorstand Tittel altersmüde geworden und ein neuer Krieg Napoleon’s im Ausbruche begriffen war. Zudem wurde damals der seit 1767 dreijährige Exemtenkurs wieder auf zwei Jahre reducirt.
  21. Sachs, Beiträge zur Geschichte des Hochfürstl. Gymnasii zu Carlsruhe. 1787. Seite 153.
  22. Lyceumsakten, Fasc. Prüfungsbescheide 1722 bis 1807.
  23. Vergl. oben Seite 134.
  24. Ueber Clais werden wir §. 52 näher sprechen.
  25. Karl Friedrich’s Erlaß vom 22. Juni 1775. Generallandesarchiv, Fascikel Karlsruhe, Studien 1774–1801. – In einer Abhandlung bei dem Jubelfeste des Gymnasiums (über die Fortschritte der Mathematik und Naturlehre in Baden) schildert Böckmann 1786 das vorhandene physikalische Cabinet, dessen freie Benützung unserer Anstalt offen stehe, und ruft Seite 47 bewundernd aus, was wohl erst Einer seiner Amtsnachfolger bei dem Säcularfeste 1886 darüber zu rühmen haben werde. – Ich empfehle diese Stelle Einem der Festredner des fraglichen Jahres.
  26. Karl Friedrich an der Seite seiner Familie und der höheren Staatsbeamten ließ sich von Zeit zu Zeit durch Böckmann Vorträge über die neuesten Fortschritte der Physik halten.
  27. F. L. Brunn, Briefe über Karlsruhe. Berlin 1791. Seite 182 ff.
  28. Johann Christian Griesbach versah diesen Unterricht 15 Jahre lang bis 1785. Er starb 1804 als Geh. Hofrath und war der Vater des nachmaligen, um Karlsruhe sehr verdienten Oberbürgermeisters.
  29. Gen.-L.-Archiv, Fasc. Singunterricht an dem Fürstlichen Gymnasium 1786–93.
  30. Ebenda. Fasc. Karlsruhe, Studien, Freihandzeichnungsschule 1776–1800.
  31. Im Januar 1769 wurden Ephraim Ben Hirschel aus Gießen und Maier Hirsch Salomo aus Karlsruhe, Beide, um sich zum Studium der Medicin vorzubereiten, in das Gymnasium aufgenommen.
  32. Noch genauer: Er erstreckte sich von der Linie an, die durch die Nordwand unseres jetzigen Bibliothekzimmers und der obersten Vorschule [144] gebildet wird, südwärts bis an den Landgraben. – Der reformirten Kirchgemeinde schenkte Primavesi in gleicher Zeit die 2 östlichen Drittel seines Gartens, d. h. den Raum, wo wir jetzt die Kirchgasse, das Postgebäude nebst andern Häusern und den zwischen der Zähringerstraße und dem Landgraben befindlichen Theil der Kreuzstraße sehen. – Den hier fraglichen Garten, welcher östlich von dem allgemeinen (d. h. für Lutheraner und Katholiken bestimmten) Kirchhofe (dem jetzigen Marktplatze) lag, hatte bald nach der Gründung von Karlsruhe ein Italiener, Paolo Castello, angelegt und nach dessen Tod 1739 sein Vetter, Pietro Scotto, geerbt. (Gen.-Landesarchiv, Fasc. Karlsruhe, Schulgebäude 1721–43.)
  33. Näheres über die Primavesi’sche Schenkung enthält im städtischen Archive zu Karlsruhe das älteste Grund- und Pfandbuch tom. II, lit. E, fol. 682.
  34. Schon 1768 äußerte ein später zu Göttingen, Pavia, Wien und Petersburg sehr berühmt gewordener Lehrer der Arzneikunde, Johann Peter Frank, damals als Arzt zu Rastatt wohnend, wo die katholische Linie der badischen Markgrafen bis zu ihrem Aussterben 1771 residirte: In dem benachbarten Karlsruhe blühen die Wissenschaften, mit denen es in Rastatt sehr finster aussieht. (Biographie des Dr. J. P. Frank, Kaiserl. Königl. Hofrathes u. s. w., von ihm selbst geschrieben. Wien 1802. Seite 47.) – In den Jahren 1783 und 1784 lebte zu Karlsruhe der (oben Seite 141 citirte) aus Zerbst gebürtige Schriftsteller, Friedrich Leopold Brunn, welcher bald darauf Professor am Joachimsthaler [145] Gymnasium zu Berlin und Lehrer des Prinzen Louis von Preußen wurde. Er sagt in seinen „Briefen über Karlsruhe“ (Berlin 1791 Seite 179): Es gibt wenige deutsche Schulanstalten, an welchen so viele geschickte und gelehrte Männer vereinigt wären wie hier. – Er geht sie dann der Reihe nach mit sehr freimüthiger Beurtheilung durch.
  35. De Virgilii Georgicis praefatus, Illustris Gymnasii anno MDLXXXVI Durlaci instaurati, nunc Carolsruhae florentis, memoriam saecularem die XXI Novembr. in Palatio Principis celebrandam indicit Dr. E. L. Posselt. – Daß er und Rector Sachs nebst ihren vorgesetzten Behörden der irrigen Ansicht waren, das Jubelfest werde nun zum 1. Mal begangen und sei 100 Jahre zuvor wegen der bedrohlichen Kriegszeiten unterblieben, ist I, Seite 29 bemerkt worden.
  36. Eingangschoral: Allein Gott in der Höh’ sei Ehr’; Predigt über [146] Psalm 34, Vers 12–15; dann Gesang: Herr Gott dich loben wir. – Vergl. Sachs, Beiträge S. 171.
  37. Unter ihnen bemerken wir den Vater unseres Kollegen Ludwig Böckh: „De cultu ac sollertia hujus aetatis nostrae“ oratione germanica commentabitur Joannes Georgius Boeckh, Carolsruhensis. – So kündigt Posselt Seite 37 des erwähnten Programmes an. – Nur Einer der 4 jungen Redner trat mit einer lateinischen Rede auf.
  38. Vergl. Münzgeschichte des Zähringen-Badischen Fürstenhauses von A. Freiherrn von Berstett. Freiburg 1846. Seite 62. – Eine zweite, beträchtlich größere Denkmünze auf das gleiche Fest, von welcher Sachs in seinen Beiträgen S. 174 sagt, sie sei noch nicht fertig, war allerdings von Karl Friedrich angeordnet, kam aber nicht zur Ausführung, wie aus der darüber gepflogenen Korrespondenz des Consistoriums mit der Rentkammer hervorgeht. – Generallandesarchiv, Fascikel Karlsruhe, Studien, Denkmünzen zum Gymnasiumsjubiläum 1786.
  39. Sachs in den Beiträgen S. 174 vergißt nicht, zu bemerken, daß [147] bei diesem Festessen markgräfliche Bediente in ihrer Hoflivree auf Anordnung Karl Friedrichs servirt haben.
  40. Johann Wilhelm Hemeling, damals Unterbibliothekar an der Hofbibliothek, lehrte seit 1785 das Englische, Dominique Louis Friderici seit 1759 das Französische, der Stadtorganist Nicolaus Fischer unterrichtete in der Kalligraphie. – Die früher schon mehrfach erwähnten academischen Vorbereitungscollegien wurden 1786 gelesen a) für Theologen durch den genannten Oberhofprediger Walz und durch Kirchenrath Christoph Mauritii; b) für Juristen die Institutionen durch Hofrath Johann Gottfried Stösser; c) für Mediciner Anatomie durch den Stadtphysikus Dr. Schweickhard und Chemie durch Hofmedikus Dr. F. A. Schrickel.
  41. Bei den Exemten waren 6 Lehrer beschäftigt und eben so viele in den 6 Klassen. Zu jenen gehörte 1) Kirchenrath und Rector Sachs, welcher Religion, Horaz, lateinischen Stil und Hebräisch lehrte; 2) Kirchenrath Tittel: Philosophie mit Disputirübungen, Geschichte, Tacitus, Sueton und Quintilian; 3) Hofrath Böckmann: Physik, angewandte Mathematik (darunter auch mathematische Geographie) und deutsche Literatur; 4) Prof. Posselt: Lateinische Rhetorik, Cicero’s Reden und andere römische Klassiker, auch römische Alterthümer; 5) Dr. C. C. Gmelin: Naturgeschichte; 6) Professor Ernst Ludwig Wolf: morgenländische Sprachen; Geßner’s Chrestomathie; Sallust und andere lateinische Autoren. Hauptlehrer der 1. Klasse (der obersten) war Kirchenrath C. J. Bouginé, welcher zugleich bei den Exemten Homer und Gelehrtengeschichte behandelte; in der 2. Klasse (jetzigen Quarta) Rath W. F. Wucherer, welchem auch die reine Mathematik und Plin’s Briefe bei den Exemten übertragen waren; in der 3. Klasse Professor Christoph Emanuel Hauber, der zugleich den Exemten politische Geographie vortrug und, weil er außerdem Lehrer der fürstlichen Kinder war, einen Gehülfen in Tertia hatte an dem Vicar J. F. Sachs; in Quarta lehrte Präceptor Johann Martin Bartholmeß; in Quinta (unserer Prima) Präceptor Johann Neck; in Sexta (unserer Vorschule) Präceptor Johann Wilhelm Thill.
  42. Gedruckt Durlach 1787. Voran steht Dr. Posselt’s schon erwähntes Einladungsprogramm de Virgilii Georgicis. Dann folgt 2) der bei dem Feste durch den Ephorus von Drais gehaltene „Zuruf an die studirende Jugend“ und 3) Posselt’s Rede, gleichfalls am 21. Nov. 1786 gehalten „Ueber teutsche Historiographie“. – Das Uebrige enthält Abhandlungen und zwar 4) „Beiträge zur Geschichte des Hochfürstlichen Gymnasii zu Karlsruhe“ von Kirchenrath und Rector J. C. Sachs; 5) K.-Rath Tittel: „Zu einigen neuen Theorien berühmter Philosophen“; 6) Hofrath Böckmann: Welche Fortschritte machten Mathematik und Naturlehre in den badischen Ländern? 7) Hofrath und Stadtphysikus Dr. C. L. Schweickhard: Ueber den Zustand des Wundarzneiwesens im Badischen; 8) Kirchenrath Bouginé: Gedanken von den Schulen nebst einigen biographischen Nachrichten; 9) Rath Wucherer: Beitrag zur Pyrotechnik; 10) Dr. F. H. Walz (praktischer Arzt, nicht Lehrer am Gymnasium, aber früherer Schüler desselben): Kurze Betrachtung über den Menschen.
  43. Bis 19. April 1790, wo Kirchenrath Bouginé ernannt wurde, hatte Kirchenrath Christoph Mauritii das Rectorat provisorisch versehen.
  44. Lyceumsakten, Fasc. Conferenzprotokolle 1791.
  45. Verordnung vom 22. März 1797 im Karlsruher Wochenblatte.
  46. Verordnung vom 22. October 1794.
  47. Als er in den Examensaal trat, verlangte er, daß mit dem bereits begonnenen Gegenstande fortgefahren werde. Es war die badische Geschichte. Während der Prüfung in ihr rannte sich Einer der Quartaner auf dem leichtsinnigen Markgrafen Eduard Fortunat vom Jahre 1593 fest und merkte zu spät, das passe eigentlich jetzt nicht. Karl Friedrich aber tröstete den über und über roth gewordenen Knaben: Nur fortgefahren, mein Sohn; die Geschichte hat Nichts zu verschleiern.
  48. Generallandesarchiv, Fasc. Karlsruhe, Studien, Verwaltung des Gymnasiumsfonds 1776 ff. – Diese merkwürdigen Worte scheinen auf die Verwendung eines Theiles der Gottsauer Kloster-Revenuen (oben Seite 10) und auf die Stiftung des Markgrafen Georg Friedrich v. J. 1614 (Seite 19) hinzudeuten.
  49. Hebel’s Berufung von dem Lörracher Pädagogium nach Karlsruhe als Subdiacon ist zwar schon vom 2. November 1791, aber sein hiesiger Dienst wurde interimistisch durch Vicar Sachs versehen, bis Hebel im Januar 1792 aufzog.
  50. Diaconus Mylius, welcher eine Landpfarrei antrat, und Präceptor Neck, welcher pensionirt wurde.
  51. Vergl. Nic. Sander über Gymnasialbildung, Karlsruhe 1812. S. 136. – Der Gen.-Stud.-Commission waren alle Mittelschulen des Großherzogthums untergeben ohne Unterschied der Konfession. Die 3 (lutherischen, reformirten und katholischen) Räthe waren die Kirchenräthe Sander und Ewald und der Geistl. Rath Brunner.
  52. Außer den 3 Seite 44 genannten Häusern auch diejenigen, welche auf den Hofraum und auf den nördlichen Theil der Lyceumsgärten zu stehen kamen: Karl-Friedrich-Straße Nr. 5, 7 und 9; Zähringerstraße Nr. 94 und 96. – Der südliche Theil der Lyceumsgärten wurde zum Bauplatze der evangelischen Stadtkirche und der beiden Lyceumsflügel gezogen.
  53. Vergl. oben Seite 45.
  54. Es war in fünf Zimmern des Privathauses im Innern Zirkel Nr. 9, wo schon der ältere Böckmann gewohnt hatte, aufgestellt und die jährliche Miethe betrug 220 fl. (Erlaß Karl Friedrich’s vom 7. October 1803), oder mit Einschluß der dortigen Wohnung des Conservators 280 fl.
  55. Vergl. oben S. 140. Der Erlaß, wornach künftig die Exemten blos aus Veteranen und Novizen bestehen sollten, ist schon von 1805.
  56. In Folge eines Kirchenraths-Erlasses vom 11. Juni 1806.
  57. Am 1. Februar 1808 trat Hebel dieses Amt an, nachdem Tittel pensionirt worden war. Das Ernennungsdecret Hebel’s ist vom 18. Januar 1808.
  58. Darunter waren 13 Exemten, 21 Schüler der obersten Klasse, 25, 44 und 78 in den 3 nächst folgenden und 76 in der untersten. – Vergl. das Programm von 1811, das erste, das seit 1790 wieder gedruckt worden ist. – Bei den Exemten lehrten damals der Director, Kirchenrath Hebel, Rhetorik, lat. Stil, griech. und hebr. Sprache. Andere lateinische und griechische Stunden, auch Geschichte und Alterthümer, wurden versehen durch Kirchenrath Sander und durch die Professoren Zandt und Gerstner. Religion lehrte Stadtdekan Volz; Physik und Naturgeschichte Böckmann und Gmelin. (Chemie für freiwillige Besucher: Hofmedikus Teufel.) Philosophie und Mathematik Professor Holtzmann, der zugleich Hauptlehrer der obersten Klasse (Prima) war. Französisch und Englisch lehrten Professor von Graimberg und Hofbibliothekar Hemeling. Hauptlehrer der zweit- und drittobersten Klasse waren die Professoren Doll und Petersohn, in den zwei untersten (Quarta und Quinta) Rath Ruf, welcher 2 Collaboratoren hatte, Koch und König. Den Schreibunterricht besorgte Präceptor Haag.
  59. Diese 2. Realschule, nachdem die 1. 1807 (Seite 155) aus Mangel an Raum aufgehört hatte, wurde, wie die frühere von 1774 (Seite 142), mit dem Lyceum verbunden und auch sie ertheilte einigen lateinischen Unterricht in 2 wöchentlichen Stunden. Hauptlehrer derselben war der damalige Diaconus Kühlenthal.
  60. Nur die Osterprüfung fand seit 1811 öffentlich statt und die Herbstprüfung wurde im Stillen vorgenommen; aber seit 1815 ordnete die Regierung die noch jetzt bestehende Einrichtung an, so daß nach dem Beispiel der übrigen Mittelschulen des Landes die öffentliche oder Hauptprüfung in den Herbst fällt und daß vor Ostern ein sogenanntes stilles Examen durch den Director der Anstalt gehalten wird.
  61. Aus einem confessionellen Anlaß, wovon ich Näheres in dem Vorworte zu dem Lyceumsprogramme von 1857 Seit XVI ff. mitgetheilt habe. – Ein ähnlicher Fall, daß ein Bogen, aber aus politischem Grunde, umgedruckt werden mußte, war mit diesem Kalender 1791 vorgekommen, weil seine Uebersicht der Hauptbegebenheiten des vorigen Jahres, obwohl sie durch den damaligen Redacteur (Kammerrath Jägerschmid) mit großer Vorsicht abgefaßt und durch die Censur-Behörde nicht beanstandet worden war, einen vornehmen französischen Emigranten zur bittern Klage bei der Regierung veranlaßt hatte.
  62. Das Decret, durch welches Zandt zum Director ernannt wurde, ist vom 28. Juni 1814; sein wirklicher Eintritt verschob sich auf das Ende des Schuljahres und fand 26. Sept. statt.
  63. Hebel ertheilte bis 1824, 2 Jahre vor seinem Tode, noch 8 Stunden wöchentlich und zwar in der obersten Klasse; 2 über Beredsamkeit, 4 hebräische und 2 griechische. In den letzteren las er gewöhnlich mit unseren ältesten Schülern entweder den ihm geistesverwandten Theocrit (vergl. Karlsruher Lyceumsprogramm 1857 Seite XV) oder einzelne Schriften von Plutarch.
  64. Bericht des Hofraths C. W. Böckmann vom 8. Januar 1816 in den Oberkirchenrathsakten, Fascikel Karlsruhe, Lyceumsgebäude 1815 ff.
  65. Der Evang. Oberkirchenrath fügte 12. Jan. 1816 hinzu: In der Schule verhalte es sich ganz anders als bei Kollegialgeschäften, die der Referent auch zu Haus bearbeiten könne. Uebrigens könne vielleicht der bereits erbaute Lyceumsflügel, weil er an dem Marktplatze liege, vortheilhaft verkauft, das Lyceum selbst in das am Ende der Adlerstraße stiller gelegene Hospitalgebäude verlegt werden, da ja ein großer Spitalbau vor den Thoren der Stadt projectirt sei. – Diesen Vorschlag verwarf Oberbaudirector Weinbrenner, der ihn zur Begutachtung bekam, auch deßwegen, weil ein bequemeres Lokal als das jetzige, welches mitten in der Stadt und neben der Kirche liege, für das Lyceum nicht gefunden werden könnte. (Weinbrenner’s Bericht vom 28. Mai 1816). – Kirchenrath Sander erzählte von einer schon früheren Aeußerung Weinbrenner’s aus der Zeit, als 1803 der Plan zum jetzigen Lyceumsbau rechts und links von der künftigen Stadtkirche entworfen wurde: In allen alten Städten sei ja das Seminarium neben der Kathedrale, und darauf habe man dem berühmten Baumeister erfolglos erwiedert, ob denn Karlsruhe eine alte Stadt und die evangelische Stadtkirche eine Kathedrale und das Lyceum ein Seminar sei?
  66. Sie war im mittleren Stockwerke, an der Kirchgasse, wo heut zu Tage das Geschäftszimmer des polytechnischen Physiklehrers und (aus 3 kleineren Zimmern durch Niederreißen der Zwischenwände entstanden) sein Auditorium sich befindet.
  67. Oberkirchenrathsakten, Fasc. Karlsruhe, Lyceumsgebäude 1815 ff. – Akten der Großh. Hofdomänenkammer, Fasc. Domänenverwaltung Karlsruhe, die dortigen Lyceumsgebäude betr. 1808 bis 1824. – Akten der Großh. Baudirection, Fasc. Karlsruhe, Herrschaftliches Bauwesen, Lyceum 1803 bis 1825 und Fasc. 1818 bis 1825.
  68. Diese erste Kommission bestand, außer dem Lyceumsdirector, von Seiten des Ministeriums des Innern aus den Kirchenräthen Sander und Hebel; von Seiten des Finanzministeriums aus dem Geh. Referendär Ludwig und Oberbaudirector Weinbrenner.
  69. Zwei für die beiden obersten Jahreskurse, acht für die Classen Secunda bis Nona, drei für die Realschule und Eines für die Vorschule, welche damals erst einen einjährigen Kurs bildete.
  70. In der Lyceumsstraße Nr. 1 und in der Zähringerstraße Nr. 71. – Das Lehrerpersonal hatte sich in der kurzen Regierungszeit Karl’s wenig verändert. Außer dem oben erwähnten Wechsel in der Direction 1814 bemerken wir in der obersten Klasse, daß als Religionslehrer an die Stelle des verstorbenen Stadtdekans Volz sein Amtsnachfolger Knittel 1813 trat und daß nach Hemeling’s Tod der Lyceumsdirector Zandt 1817 den englischen Unterricht unentgeldlich zu übernehmen anfing. Was die 9 Klassen betrifft, in welche das Lyceum getheilt war, seit man 1817 einzelne Klassen in je zwei getrennt hatte, so lehrten 1818 in der obersten (Prima) außer dem Director Zandt die Kirchenräthe Sander, Hebel, Knittel und Gerstner, die Hofräthe Gmelin und Böckmann und die Professoren Holtzmann und Leuchsenring. Hauptlehrer der Secunda war Holtzmann, der Tertia Professor Doll, der Quarta Professor Petersohn, der Quinta Dr. Marx, der Sexta Wilhelm Stern, der Septima Rath Ruf, der Octava und Nona die Präceptoren Koch und König. Vorstand der Realschule war Professor Kühlenthal.
  71. Staatsministerial-Erlaß vom 27. Mai 1819.
  72. So klagten 2. Sept. 1820 Direction und Lehrer-Conferenz: Aus Mangel an Raum könne man nicht alle nach Unterprima (der jetzigen Untersexta) befähigten Schüler vorrücken lassen und über solche schon oft vorgekommene Fälle schreien die Eltern. Das Lehrzimmerchen der Unterprima sei durchaus nicht im Stande, die sämmtlichen zur Promotion vorgeschlagenen 25 Secundaner (Oberquintaner) aufzunehmen. – Am 2. Februar 1822 trug der evangelische Oberkirchenrath dem Ministerium des Innern vor, seit der Erbauung des südlichen Flügels 1807, welcher schon gleich im Anfange bei Weitem nicht den gehörigen Raum darbot, habe die Schülerzahl sich mehr als verdoppelt und jetzt seien „in den meisten Klassen die Zöglinge auf eine unschickliche und ungesunde Weise engepfercht“, obwohl man nicht wenigen Knaben im Anfange des Schuljahres nothgedrungen die Aufnahme zu erschweren oder ganz zu verweigern pflege. Die Vollendung des Lycealgebäudes müsse man als eine Gewissenssache auf’s allerdringendste empfehlen. – Unterzeichnet ist Ludwig Winter, damals Kirchenrathsdirector. – (Aus den Kirchenrathsakten, Fascikel Lyceumsgebäude 1815 ff.) – Auch das Ministerium des Innern richtete am 4. März 1822 an das Staatsministerium die Bitte, „den rechten (nördlichen) Lyceumsflügel nach dem schon vor vier Jahren genehmigten Plane endlich zu erbauen.“
  73. Landständische Verhandlungen der zweiten Kammer, 12. Band, Seite CV. 1823.
  74. Bericht des Hofraths Ladomus an den evangelischen Oberkirchenrath, 9. Sept. 1822.
  75. Sie sind oben erwähnt worden Seite 161.
  76. Die 4 Eckzimmer und, zwischen diesen, 2 vierfenstrige an der Lyceumsstraße.
  77. Die Seite 164 erwähnten 14 Lehrzimmer nebst einem Lokal, in welches das Bureau des Directors und die Lyceumsbibliothek zu verbringen sei, und einem weiteren Raum, wo man die Naturaliensammlung aufstellen und Konferenzen halten könne.
  78. Das von Kirchenrath Doll gesprochene Eingangsgebet und die von Lyceumsdirector Zandt am 8. Oct. gehaltene Rede sind, wie die Rede des Kirchenrathes Gerstner im Schlußacte 13. Oct., gedruckt erschienen unter dem Titel: Festliche Worte bei der Einweihung des neuen Lyceumssaales zu Karlsruhe. Karlsruhe bei Müller 1824.
  79. Cabinetsbefehl vom 23. Oct. 1824. – Nur in 2 Zimmerchen dieses Pavillons blieb noch die Bibliothek und die Naturaliensammlung des Lyceums.
  80. Das Seite 167 erwähnte Anerbieten der Lyceumsdirection, sie wolle in ihr Geschäftszimmer nöthigenfalls auch die Bibliothek aufnehmen, war nämlich dadurch zu völligen Unmöglichkeit geworden, daß bei der Raumvertheilung dem Lyceumsdirector blos ein einfenstriges Geschäftszimmer zufiel.
  81. Das nordöstlichste bei der Sacristei gelegene Zimmer in dem unteren Stockwerke des südöstlichen Pavillons wurde unserer 42 Schüler starken Tertia (jetzigen Unterquinta), dagegen der 16 Schüler zählenden Handelsklasse des Polytechnicums ein kleineres Lokal zugetheilt.
  82. Lyceumsakten, Fascikel Prüfungen 1808 ff.
  83. Kärcher, durch Decret vom 20. Dec. 1819 berufen, trat im Januar 1820 seine hiesige Stelle an.
  84. Der Personalbestand des Lyceums im Herbst 1830 war folgender: In Prima (der jetzigen Sexta) lehrten außer dem Director Zandt die Kirchenräthe Gerstner und Katz, die Hofräthe Gmelin und Wucherer, die Professoren Kühlenthal, Kärcher und Lang. Hauptlehrer in Secunda war Kärcher, in Tertia Vierordt, in Quarta Lang, in Quinta Gockel, in Sexta Süpfle, in Septima Maurer und in Octava August Gerstner; alle 7 mit dem Titel Professor. In Nona, welche heut zu Tage oberste Vorschule heißt, versah Präceptor Koch die Hauptlehrerstelle, in Decima (der heutigen mittleren Vorschule) und in der damals blos einjährigen Vorbereitungsschule Rath König. – Die 2 Realklassen standen unter der Leitung von Professor Maurer und Vicar Julius Holtzmann, welcher auch lateinische und griechische Lectionen in Secunda ertheilte. Den katholischen Religionsunterricht versahen im ganzen Lyceum Pfarrverweser Gugert und Kaplan Gärtner. Englisch lehrte James Carter, Freihandzeichnen Epple, Schreiben Ammann und Sütterlin. Einzelne Stunden in den Realklassen wurden durch Vicar Gerwig und Lehrer Winter besorgt.
  85. Unsere frühere Decima und die Nona wurden daher zu dem schon bestehenden, aber damals blos einjährigen Kurse der Vorschule geschlagen. – Octava, Septima und Sexta erhielten die Namen Prima, Secunda und Tertia; Quinta wurde zur Unterquarta, Quarta zur Oberquarta; Tertia und Secunda zu Unter- und Oberquinta; die beiden Primae heißen seitdem Unter- und Obersexta.
  86. Obige Zahlen, in Einigem von der Angabe der betreffenden Lyceumsprogramme abweichend, beruhen auf genauer Zählung. Die Zahl 766 bezeichnet zugleich den 30. Theil der Bevölkerung von Karlsruhe, welche damals 23,000 Einwohner betrug.
  87. Bei dem Tode dieses Großherzogs am 24. April 1852 bestand das Lehrerpersonal des Lyceums, nachdem wir im gleichen Monate den Hauptlehrer der Oberquinta, Hofrath Maurer, durch den Tod verloren hatten, in Folgenden: Director des Lyceums war Geh. Hofrath Dr. Ernst Kärcher; Ordinarien in beiden Sexta die Hofräthe Vierordt und Gockel, in beiden Quinta Hofrath Süpfle und Professor Gerstner, in beiden Quarta die Professoren Böckh und Zandt; in Tertia und Secunda die Professoren Bissinger und Helferich und in Prima Lyceumslehrer August Schmidt. Physik lehrte Hofrath Wilhelm Eisenlohr, katholischen Religionsunterricht ertheilte Beneficiat Kirn, Mathematik Franz Pfeiffer, Rechnen und Schreiben Johann Foßler, Zeichnen Ludwig Steinbach, Singen Hoforganist Gaa, Turnen Architekt Williard. – Hauptlehrer der 3 Abtheilungen der Vorschule waren 1852 Rudolf, Zeuner und Beck.
  88. Der jetzige Personalstand der Lehrer enthält, wie aus dem diesjährigen Programme näher zu ersehen ist, außer dem Lyceumsdirector:
    a. 9 Klassenvorstände: für Ober- und Unter-Sexta die Hofräthe Gockel und Platz, für Ober- und Unter-Quinta die Professoren Böckh und Bissinger, für Ober- und Unter-Quarta Professor Dr. Hauser und Lyceumslehrer Eisen, für Tertia und Secunda >tt>A. Lyceumslehrer Roth, für Secunda B. Lehramtspraktikant Durban, für Prima A. und B. Lehramtspraktikant Dr. Böhringen
    b. 9 weitere Lehrer: Professor Gerstner für evangelischen Religionsunterricht der oberen und mittleren Klassen und Naturgeschichte; Professor Zandt für das Französische aller Klassen; Professor Kirn für katholischen Religionsunterricht; Pfarrer Frommel für evangelischen Religionsunterricht der Tertia, Secunda und Prima; Hofmaler Steinbach für Freihandzeichnen; Lehramtspraktikant Dr. Grohe für Physik und Mathematik; Lehramtspraktikant Nickles für deutsche Sprache in Prima A. und B. (er hat aber während des verflossenen Winters in fast allen Klassen nöthige Aushülfe geleistet); Hoforganist Gaa für Gesang; Lyceumslehrer Foßler für Kalligraphie und Rechnen.
    c. Die Vorstände der drei Abtheilungen der Vorschule sind die Lyceumslehrer Zeuner, Hofmann und Beck.
  89. Oben Seite 42 und 124.
  90. Seite 143.
  91. Am damaligen Südende der Lammstraße zwischen den von Haber-und Mallebrein’schen Häusern.
  92. S. 128.
  93. Rentkammerbeschluß vom 23. Juli 1783 Nr. 6098. Generallandesarchiv, Fascikel Karlsruhe, Bausachen, das fürstliche Gymnasium betrffd. 1780–96.
  94. Oben Seite 145 ff. – Generallandesarchiv, Fascikel Studien, Denkmünzen zum Gymnasiumsjubiläum 1786.
  95. Lyceumsakten, Fascikel Gebäude 1735 bis 1803.
  96. Seite 148 ff
  97. Letztes Blatt des nämlichen Fascikels. — Heimgekommen in seine Wohnung dictirte nämlich Tittel seinem Amanuensis, dem Studiosus Krumbholz, die Beschreibung dieses Aktes, aus der ich Obiges entnommen habe. — Die Bauarbeiter wurden am gleichen Tage durch diesen unvermählten und sehr vermöglichen Rector mit vier Brabanter Thalern beschenkt.
  98. Akten der Großh. Baudirection, Fascikel Karlsruhe, herrschaftliches Bauwesen, neues Gymnasium, 1803 bis 1825.
  99. Ebenda. Bericht des Bauamtes an das Geheimerathscollegium, 3. Sept. 1804.
  100. An der Westseite der lutherischen Stadtkirche, also zwischen der jetzigen Marktpyramide und dem Banquier Müller’schen Hause. — Vergl. den lithogr. Plan der vorjährigen Programmbeilage. Auf demselben sind die beiden Lyceumsflügel, freilich nur punctirt, angegeben. Daraus erhellt, daß ihre westliche Hälfte auf dem alten Kirchhofe, ihre östliche auf dem 1764 uns geschenkten Garten stehen.
  101. Der ganze südliche Lyceumsflügel kostete 48,139 fl. 21 kr.
  102. Nämlich aufgehoben hatte man a) den zweitobersten Jahreskurs (Medii, oben Seite 154), b) die zwei untersten Jahreskurse (die zwei Ordnungen der Infima oder Vl.) und c) die zwei Realklassen.
  103. Akten des Großh. Evangelischen Oberkirchenraths. Errichtung eines polytechnischen Instituts. 1820 ff.
  104. Bericht des Kreisraths Blum vom 23. Januar 1823. Akten der Großh. Hofdomänenkammer, Fascikel Domänenverwaltung Karlsruhe, Schulgebäude, Lyceum P. I. 1808–1824.
  105. Regierungsblatt 1825 No. XXIII, Seite 154.
  106. Protocoll vom 26. Oct. 1826. Akten des Großh. Evangelischen Oberkirchenraths, Fasc. Lyceum Karlsruhe 1815 ff. – Unsere damals auf 42 Schüler vermehrte Tertia (jetzige Unterquinta) erhielt dieses an die Kirchgasse stoßende Lehrzimmer des südlichen Flügels, welches uns bis 1836 geblieben ist. – Der fragliche Tausch gründete sich auf die im Jahre zuvor, 22. October 1825, genehmigte Bedingung, von welcher oben, Seite 168, die Rede war.
  107. Dieser Raum bestand aus 2 großen polytechnischen Lehrsälen und wurde 1836 für unseren Gebrauch in 3 Zimmer, wie er noch jetzt eingetheilt ist, verwandelt.
  108. Z. B. in dem Berichte der Direction des Polytechnischen Instituts vom 23. April 1835.
  109. Z. B. in dem Berichte des Verwaltungsrathes des Polytechnischen Instituts vom 9. October 1839. – Das hiesige katholische Schulhaus wird seine Räume niemals mit irgend einem allgemeinen Landesinstitut zu theilen haben; aber selbst in diesem Falle würde es wohl wenigstens seinen Namen behalten.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Feodor Iwanowitsch (~1765–1832), genannt Kalmück, war ein russisch-deutscher Maler und Kupferstecher. → Wikipedia
  2. Johann Jacob Friedrich Weinbrenner (1766–1826) war ein deutscher Architekt, Stadtplaner und Baumeister des Klassizismus. → Wikipedia
§. 17–34 Nach oben §. 45-64
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