Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Frühlingskuren
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 291
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[291] Frühlingskuren. In früheren Jahrzehnten galt der Frühling als eine Zeit, die zur Vornahme verschiedener Kuren besonders günstig erschien. Man sammelte allerlei frische Kräuter, preßte ihren Saft aus und trank ihn nach besonderer Vorschrift. Solche Kräuterkuren sollten blutreinigend wirken, tatsächlich wirkten sie abführend. Zur Frühlingszeit wurde auch der Aderlaß besonders gepflegt und im Mai drängten sich die Kunden zu dem Bade, der Gesunde und Kranke von der Ueberfülle des Blutes zu befreien pflegte.

Heute sind diese Frühlingskuren aus der Mode gekommen nur hier und dort werden noch Kräutersäfte bereitet und der Aderlaß ist geradezu verpönt. Man behauptet, daß diese Wandlung in der Anschauung des Volkes ’mit einer Veränderung in der Konsumtion des Kulturmenschen zusammenhänge. Die früheren Geschlechter, die uns vorangegangen, waren blutreich und bedurften des Aderlasses, die modernen Menschen haben nichts mehr von jener Säftefülle, im Gegenteil, sie sind nervös und blutarm geworden und schauen sich nach andern Heilmitteln um.

Bewegung im Freien, Genuß der frischen Luft und Aufsuchen der Ruhe in der herrlichen Natur – das sind die Heilmittel, die man heute anpreist. Zu solchen Kuren lockt der Frühling, der mit Blütenschnee die Bäume überschüttet und Wiese und Au mit frischem Grün schmückt. Namentlich die Menschen, die durch ihren Beruf in stauberfüllte, rußige Städte gebannt sind, sehnen sich beim ersten Lenzesnahen ins Freie hinaus. Aber wie schön der Frühling ist, er trügt nur zu leicht. Er, der so mächtig die Lebensgeister weckt, bringt auch Gefahren mit sich. Die Volkserfahrung kennt längst diese Schattenseite der Uebergangszeit vom Winter zum Sommer und ein altes Sprichwort sagt in Bezug auf Schwache und Kranke.

„Was der März nicht will,
Das nimmt der April.“

Und recht hat der Volksmund. Der erwachende Sonnenschein, der vermehrte Genuß frischer Luft, die ausgiebigere Bewegung im Freien sind Reize, die in unserm Körper eine große Umwälzung hervorrufen. Gesunde und Starke werden durch dieselben neu belebt, Kranke und Geschwächte können ihnen nur zu leicht erliegen.

Ferner ist der Frühling unbeständig. Er bringt plötzlich laue Winde und wärmenden Sonnenschein, aber nicht lange dauert diese Herrlichkeit. Auf einmal schlägt das Wetter um, die Temperatur sinkt, ein rauher Wind liegt über die frischen Blüten und Reif und Schnee fallen auf die kaum ergrünte Landschaft. Ein solcher Wettersturz kann aber Erkältungen verursachen, namentlich wenn weniger Abgehärtete ihre Winterkleidung zu frühzeitig gegen eine leichtere vertauscht haben. Die ärztliche Statistik belehrt uns in der That, daß im Frühling Erkältungskrankheiten, Katarrhe aller Art, Luftröhren- und Lungenentzündungen, rheumatische Leiden, besonders häufig vorkommen.

Das sollte jeder beherzigen, am meisten aber der Städter, der durch seinen Beruf mehr oder weniger verweichlicht ist. Der Frühling ist herrlich, aber in dem Genuß seiner Pracht sollte man vorsichtig sein. Frühlingskuren sind von zweischneidiger Wirkung, und wer sich abhärten, seine Nerven kräftigen oder sein Fett verlieren will, der warte damit lieber, bis der beständigere Sommer seinen Einzug ins Land gehalten hat.