Eine höfische Festordnung aus Kurfürst Augusts Tagen (1572)
← Ein Traktat Peters von Dresden | Eine höfische Festordnung aus Kurfürst Augusts Tagen (1572) (1907) von Paul Rachel Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908) |
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aus Kurfürst Augusts Tagen (1572).
Kurfürst August von Sachsen, als strenger Lutheraner und kluger Staatswirt wohlbekannt, ist von Jugend auf bis in die Zeiten, da er stärker und behäbiger wurde, ein eifriger Freund höfischer Turnierkünste gewesen, hat manchen Ritt und manches Stechen getan und dafür gesorgt, daß alle Vorgänge bei diesen ritterlichen Festen in Wort oder Bild festgehalten wurden. Die Berichte davon liegen im Königl. Hauptstaatsarchive, die von Göding gemalten Bilder sind, teils auf Pergament in interessanten Bänden der Königl. Bibliothek[1], teils auf Holztafeln in der Königl. Gewehrgalerie noch heute zu sehen[2].
Fürstliche und adlige Gäste kamen zu solchem Ritterspiel in großer Menge; für die Hofmarschälle erwuchsen allmählich schwere Aufgaben, denn die Geladenen mußten in ehrenvoller und ihrem Stande entsprechender Weise bedacht, die nicht zum Feste Gehörigen, aber sich Herandrängenden in passender Art überwacht und zurückgehalten werden. An Wohnräumen und Ställen, Geleitern und Dienern, an Speise und Trank, an Musik und Tanz gab es viel zu stellen und zu richten. Gewiß entstand durch oft sich wiederholende Mühen, durch mancherlei Unannehmlichkeiten, die man erlebte, durch den Wunsch, es dem Wirt und den Gästen immer recht zu machen, bei der verantwortlichen Stelle der Gedanke, die bei solchen Festen einzuhaltenden Maßnahmen von der Einladung bis zum feierlichen Abschied in eine feste Ordnung zu bringen.
Schon Herzog Albrecht der Beherzte, der sich ja in Meißen ein äußerlich und innerlich ganz besonders glänzendes Schloß hatte errichten lassen, war darauf bedacht gewesen, für den ganzen täglichen und jährlichen Betrieb eine Hofordnung zu errichten[3]. Herzog und Kurfürst Moritz hatte 1541 und 1548 noch besondere Verfügungen getroffen[4]. Kurfürst August hatte trotzdem im Anfange seiner Regierung eine „merkliche Unordenung in unserem Hofe“ befunden und daher sogleich, also 1553, eine neue erlassen, die, 1554 noch verschärft, ohne auf allzuviel Einzelheiten einzugehen, wie dies bei der Albrechts des Beherzten der Fall gewesen, in klaren und deutlichen Worten die allgemeinen Richtlinien gibt[5].
Charakteristisch ist, daß unter den 25 Abschnitten, in die sie zerfällt, der dritte bereits die Überschrift enthält: „Sich des Zutrinkens zu mäßigen“, nachdem im ersten behandelt ist: „wie sich das Hofgesinde gegen Gott halten soll“ und im zweiten: „Gottslesterung zu vermeiden“.
[203] Für besondere Feste mochten diese allgemeinen Richtlinien nicht immer genügen; daher ist es erklärlich, daß bei solcher Gelegenheit der Ober- oder Hofmarschall seinem fürstlichen Herrn noch eine besondere Festordnung entwarf und zur Begutachtung mündlich oder schriftlich vortrug oder vorlegte. Einen solchen Entwurf enthält u. a. ein Aktenstück[6] im Hauptstaatsarchive, aus dem allerhand Einzelheiten in Aufsätzen des Archivs für Sächs. Geschichte und anderweit benutzt worden sind, gerade dieser Teil aber noch nicht eingehend.
Der Entwerfer dieser Festordnung hat seine Gedanken durch die Hand eines Schreibers gefällig zusammenfassen lassen und dann noch in etwas schwer lesbarer Schrift mit einigen Randbemerkungen versehen. Mit großer Vorsicht und Bescheidenheit unterbreitet er seine unmaßgeblichen Vorschläge Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zur letzten Entscheidung.
August beabsichtigte im Winter 1572 seinem Lehensmanne Hans Philipp von Berlepsch die Hochzeit mit der Hofjungfrau seiner Gemahlin, Agnes von Schönberg, am Hofe selbst auszurichten und dazu seinen Adel zu einem Ritterspiel einzuladen. Es sollten Scharfrennen, Rennen über die Pallia (wobei die beiden Kämpfer zu Pferde an einer zwei Ellen hohen Scheidewand dahinsausen, um sich im geeigneten Augenblicke aus dem Sattel zu stechen) und Ringrennen abgehalten werden.
An etwa 122 Personen ergingen Einladungen, an den Hofdiener und „sein Weib“ gerichtet. Doch konnten diese auch die Töchter und Jungfrauen „so wesentlich bei ihnen sein mögen“, mitbringen, fremde nicht. „Die Weiber aber, die nicht gebeten, sollen zu Vermeidung der Unordnung zu kommen unterlassen; die Herrschaft hat verboten, sie hineinzulassen“. Wer eine Magd mitbringt, die muß im Frauenzimmer bleiben.“
Unter den Herren, die als Mantenadoren (Platzhalter, Herausforderer) oder als Aventurierer (solche, die die Kampfesherausforderung annehmen) geladen wurden, war wohl Herzog Franz von Sachsen-Lauenburg der Vornehmste. Auch der Bräutigam, Herr von Berlepsch, sollte unter den Kämpfern erscheinen.
Die Vorschläge des Hofbeamten für das Hochzeitsfest und Hochzeitsmahl sind nun etwa folgende: Dem Rate der Stadt Dresden soll befohlen werden, daß sie gegen die Zeit des Festes die Wachen – beide in der Stadt und auf den Türmen – verstärken und also bestellen sollen, daß aller Unfug oder „da sich Brandschaden oder anderes (was Gott verhüten wolle) zutragen würde, vereitelt und die Fremden sowohl, als das Hofgesinde und die Bürgerschaft bei stillem, eingezogenem Wesen erhalten werden möge.“
Desgleichen soll der Rat mit Feuerpfannen, Leitern, Wasserfässern, Feuerhaken und anderen Geräten auf den Gassen an gewöhnlichen Orten versehen sein, sowie „bescheidene“ Leute, die darauf warten, verordnen und halten. Das Hofgesinde soll aufgefordert werden, sich gegen Fremde und Einheimische bescheidentlich und eingezogen zu halten; diejenigen, die zur Dienstwartung oder auf die Ritterspiele beschieden sind, sollen derselben zu rechter gebührlicher Zeit fleißig abwarten; die aber, denen sonderlich zu Hofe zu gehen oder aufzuwarten nicht befohlen, sollen sich aller Gemächer, der Hofstube und des Saales gänzlich enthalten, mit der Verwarnung „Do hierüber jemands begriffen, daß mein gnädigster Herr mit demselben ernstlich zugreifen lassen wollte“. Auch der Guardia wird noch besonders zu befehlen sein, auf Personen, die nicht gen Hofe gehören, Obacht zu geben und nicht zu gestatten, sich an die Orte, dahin sie nicht gehören, zu drängen.
Weil nun die Erfahrung bis daher gegeben habe, daß die meiste und größte Unlust „von den bösen, ungezogenen, der Grafen, Herren und Junker, Jungen und etlichen leichtfertigen versoffenen Knechten“ vor und bei den Gemächern und Sälen verursacht, so solle verordnet werden, daß kein Junge oder Knecht auf die „Wendelsteine“ (d. i. die Turmtreppen), viel weniger in ein Gemach ohne einen besonderen Befehl gehen dürfe.
Ein besonders scharfes Auge sei auch auf die Mägde der Edelfrauen zu richten, die sich gebührlich im „Frauenzimmer“ halten und sich ja nicht mit dem gemeinen Gesinde unterstehen sollen, nebenbei Tänze zu halten. Auch müsse die Herrschaft wissen, was für Frauenzimmer aufs Schloß zum Zusehen gehen werden, denn dabei sei auch ein erheblicher Unterschied zu halten; vor allem sollen diese daran erinnert werden, daß sie geschmückt und „offenbarlich“ gehen, nicht aber als unbekannt oder vermummt hinauf wollten. Unter dem großen Schloßtor solle auch sonderlich darauf acht gegeben werden, daß nicht jedermann ohne Unterschied unter das Tor oder das Schloß dringe.
Im Hofe sollten berittene Trompeter – und zwar mehr als die drei, die gewöhnlich bei Hofe seien – die Gäste begrüßen. Für die Fürstentafel werden drei Eßmarschälle und ein Trinkmarschall vorgeschlagen (von Stammer, von Kreutzer, von Selmnitz, von Pflugk). Ihnen werden Herren und Jungen unterstellt, unter letzteren: Wosabsky, der große „Behem“, und Kunheim, der große Preuß. Adelige Fackelträger – aus der Familie des Bräutigams genommen – einfache Tafelsteher, darunter der kleine Preuß und Burrin, der kleine Behaim, wurden vorgesehen. Für die so versammelten und bedienten fürstlichen Personen wird Instrumental- und „andere Musica“ ertönen. Wie ausdrücklich [204] Adlige, Junker und Knechte für alle vorgesehen sind zur Reichung des „ersten Wassers“ (zum Händewaschen), so soll für Herzog Franzen einer bestimmt werden, der „Seine Fürstliche Gnaden“ zu und von der Mahlzeit zu rechter Zeit brächte, ein Herr Asch von Ascheburg (Asseburg?).
Für die Truchseßtafel in der kleinen Hofstube sind neun Dresdner Bürger, darunter Lorenz der Brettdiener, bestimmt; ihnen wird eingeschärft, „daß sie sich nüchtern und fleißig halten“. Im Frauenzimmer soll es zehn Tische geben, und drei Adlige, sowie 18 Bürger und Knechte sollen bereit sein. Was vom Essen übrig bleibt, soll in die Küche zurück und dann an die Armen kommen.
Wenn die Tische alle gespeiset, so sollen alsdann die, so zur Dienstwartung geordnet, gespeist und auf den Tisch eine kleine Flasche Landwein und eine Schleife Bier gegeben und danach die Hofstube verschlossen, wiederum reingemacht und nicht gestattet werden, daß darinnen volle Knechte oder ander Gesinde über Nacht liegen darf.
Vor Beginn der Feier sammeln sich die Freunde des Bräutigams in der kleinen Hofstube und gehen nach dem großen Saale. Dabei und wenn jemand von der Herrschaft ankommt oder abgeht, sollen die Guardia und die Trompeter ihr Spiel ertönen lassen. Bei der Trauung und der „Beisetzung“, d. h. beim Platznehmen an den Tafeln, sollen die Marschälle nach Zetteln, die ihnen zu geben sind, alles ordnen. In der Nähe des Bräutigams und der Braut sitzen die „fürnembsten“ der beiderseitigen Freundschaften. Während des Speisens (16 Essen auf 4 Gänge) ist zugleich im tiefen Hauskeller fleißig auf das Licht Achtung zu geben.
Nach der Tafel kommt die Lustbarkeit des Tanzens. Schreiten die Kurf. Herrschaften selbst dazu, so haben zehn Adlige vor- oder nachzutanzen. Die Musikanten sind strengstens zum Spiel gehalten, wenn die gnädigen Herrschaften kommen oder gehen. Erhard Oltsch der Rentmeister soll während des Tanzes auf dem Saal oder sonst allenthalben Licht bestellen und in der Hofstube und in allen Gemächern die Wächter fleißig achtgeben lassen, daß kein Unglück entstehe.
Anderes noch als Trunkenheit (übrigens ist von trunkenen Herren nicht die Rede, so zahlreich deren bei solchen Festen zu jener Zeit sein mochten) und Feuersgefahr konnte das Fest stören: Streit und Diebstahl. Deshalb war der Torwärter oder Guardian angewiesen, weder Zinn, Silber, Becher, Gläser, Quehlen (Handtücher) noch anderes aus dem Schlosse heraustragen zu lassen. Sollten wirklich dergleichen Widerwärtigkeiten entstehen, so war der Schösser angewiesen, allzeit den Landknecht (d. i. Gefängnisdiener) und den Schlüssel zum „Kaiser“ (das war der Name des Schloßgefängnisses in der Schösserei und bei der Hand zu haben. Während es oben in den Sälen des Schlosses vielleicht noch recht hoch herging, wurde unten die Kerkertür aufgeschlossen und ein „voller“ Knecht oder ein kecker Spitzbube in den „Kaiser“ gestoßen.
Sonntag den 17. Februar sollte die Hochzeit des Herrn von Berlepsch mit Agnes von Schönberg gefeiert werden; Dienstag darauf nach 12 Uhr mittags begannen die Rennen und Stechen. Die Richter, Hans von Ponickau auf Pombsen, Kurf. Sächs. Kammerrat, Heinrich von Schönberg zur Klausnitz und Christoph von Ragewitz zu Borna, hatten die Meldungen dazu und die Aufhängung von Schild und Wappen anzunehmen. Wenn alle Rennen nach den vorher verkündeten Bestimmungen und feierlichen Satzungen vorüber waren, warteten fünf „Dänke“ der Sieger: den ersten, der Jungfrauen Dank, erhielt, wer seinen Spieß am höchsten und zierlichsten gebrochen; den zweiten, den Dank des Spießes, der, der in vier Rennen mehr und besser Spieß gebrochen hat. Wer sich in dem welschen Palliastechen (über die Schranke weg) am besten hält bekommt den dritten; den vierten der, der „do Malospana ist, das ist, welcher am zierlichsten auf die Bane kempt“; der fünfte wird dem zuteil, der mit bester Invention, d. h mit auffälliger und vielleicht geschmackvoller Verkleidung seiner selbst und des Rosses an dessen „Gelieger“ kommt. Gelieger einfacher Art hängen noch heute im Historischen Museum über den Roßmodellen, auf denen die Prachtrüstungen ruhen.
In sehr naiver Weise werden in der Turnierordnung zum Schlusse die Judicierer oder Richter von den Mantenadoren, den Platzhaltern, gebeten, daß sie „gemelte Dänke“ nicht nach Gunst, sondern allein denjenigen, welche sich vor den anderen am tapfersten und redlichsten halten würden, austeilen möchten.
Gewiß sind es heitere, prunkvolle und durch das Zusammenströmen mancher Fremden auch gewinnbringende Tage gewesen, die dem Dresdner durch dieses vom Kurfürsten ausgerichtete Hochzeitsfest mit seinem Mahle, seinem Tanze, seinem Ritterspiel bereitet worden sind. Die Hofmarschälle der kommenden Jahre aber konnten damit zufrieden sein, daß ein Vorgänger für allerhand genaue Bestimmungen vorgesorgt hatte, nach denen die Gäste und „das sich herzudrängende Volk“ zu behandeln seien.
- ↑ Göding, Turnierbuch, Msc. J. 14.
- ↑ Einige Wiedergaben davon und von anderen Originalbildern der Königl. Bibliothek enthält die Dresdner Bilderchronik I (herausgegeben von Otto Richter, Dresden 1906), Tafel 1, 2, 3.
- ↑ A. Kern, Deutsche Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts. Berlin 1907. Seite 27 ff.
- ↑ A. a. O. S. 36 ff.
- ↑ A. a. O. S. 41 ff.
- ↑ H. St. A. Loc. 10526 Fastnachtslustbarkeiten an den Churf. Hofe anno 1558 bis 1679.