Eine „wunderbare Erscheinung“ im Leipziger Rosenthal

Textdaten
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Autor: Fr. Hfm.
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Titel: Eine „wunderbare Erscheinung“ im Leipziger Rosenthal
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aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 662–664
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Eine „wunderbare Erscheinung“ im Leipziger Rosenthal.


Zum hundertjährigen Gedächtniß eines alten Schwindels.


„Sie werden nicht alle, sag’ ich Dir, und wenn die schönsten ‚Diesterwege‘ alle Länder durchziehen, ‚Strauße‘ in Heerden kommen und ‚Feuerbäche‘ von allen Bergen rinnen – sie werden doch nicht alle.“ Mit diesem Zorn- und Klagerufe legte jüngst ein Freund mir ein Zeitungsblatt vor, auf welchem eine Stelle mit einem offenbar wildgewordenen Rothstift angestrichen war.

Ich las und konnte über den Inhalt jener Stelle meine aufrichtige Heiterkeit nicht verbergen. Der Spiritismus hat eine neue Entdeckung gemacht, welche für die Beweise der „Realität der Geisterwelt“ eine ganz erstaunliche Zugabe liefert. Man hat nämlich Möglichkeit und Mittel gefunden, um die Geister, mit welchen man Verkehr pflegt, sogar zu wägen, das heißt die Schwere derselben zu bestimmen. Von gewichtigen Geistern hat man schon früher gehört, dabei wohl aber weder das Apotheker- noch das neue Reichsgewicht vor Augen gehabt. Jetzt erst werden wir erfahren, wie schwer der Geist eines Moses oder wie leicht der einer Pompadour gewesen. „Und diese neue Errungenschaft der ‚Positiven Pneumatologie‘ (– denn unter dieser Firma behauptet der ,Spiritualimus aller Zeiten und Völker‘ nunmehr seine wissenschaftliche Würde –) ist im Stande, Deine alte redliche Seele so in Harnisch zu bringen? O, wie jung bist Du noch, mein alter Freund!“

„Aber, Mensch, läßt Dich denn diese Verhöhnung der gesunden Vernunft, diese Speculation auf die Dummheit und Verdummung des Volkes so ganz kühl? Siehst Du darin denn nicht die Gefahr für das, was uns so sehr am Herzen liegt, für die Volksbildung?“

„Nein, mein Lieber, diese sehe ich wirklich nicht,“ antwortete ich mit unbeirrter Gemütsruhe. „Vor Allem bedenke zu Deiner Beruhigung, daß zu solchen ,spiritistischen Arbeiten‘ Leute gehören, welche überflüssige Zeit dazu haben. Wir finden als Hauptzeugen und Mitwirkende bei all den ,Experimenten‘ zur Feststellung der ,Realität der Geisterwelt‘, sowie als Gläubige der damit zusammenhängenden Wundercuren in vorwiegender Menge vornehme Namen, Barone, Grafen, Minister und Generale a. D., alte und junge Damen der hohen und höchsten Aristokratie, kurz, lauter Leute, welche nach dem Frühstücke gleich Feierabend machen können. Das fleißige Volk hat keine Zeit für solche brodlose Künste. Und wenn wir, zweitens, mit den hochtrabenden Behauptungen und Hoffnungen die Erfolge vergleichen, welche die spiritistischen Schriftsteller bis jetzt aufzuzählen haben, so sehen wir auf den ersten Blick, daß ihre Geister sich an die Erfindungen der Menschen halten müssen, um ihre Kundgebungen (,Manifestationen‘) möglich zu machen. Erst gehörte ein besonderer ,Beschwörer‘ dazu, der die Geister citirte, unter höchst aufregenden Umständen erscheinen ließ und ihre Kundgebungen an die Betheiligten vermittelte. Dann regte sich die Lust der Geister zu directen Mittheilungen und äußerte sich durch ,Klopfen‘, und weil die Telegraphie durch Zählen der einzelnen Poche Silben und Wörter zusammensetzte, so kamen auch die Geisterverkehrer hinter das neue Geheimniß der Deutung der Klopferei. Zu einem weiteren Schritte veranlaßte die Benutzung des Storchschnabels; es begann das Schreiben, und zwar, wie bei allen Anfängern, sehr unbehülflich. Von diesem Schritte geschah der nächste große zum Schreiben mit Tinte auf Papier. Die menschliche Sitte, sich gegenseitig mit Photographien zu beschenken, fand ebenfalls bei den Geistern Anklang, und daß man sogar beim Wägen derselben angekommen sein soll, hat Dich ja eben erst zu Deiner Entrüstung veranlaßt.

Wenn wir nun aber das Kühnste, was der Mensch je wünschen konnte, diese directen schriftlichen Nachrichten aus dem Jenseits, in den Facsimilemittheilungen derselben in der ,Positiven Pneumatologie‘ des Herrn Baron von Güldenstubbe (Stuttgart, Lindemann, 1870) in der Nähe betrachten, so staunen wir, bei all diesen unsterblichen Schreibern nicht den geringsten Fortschritt, ja das Gegentheil, zu finden. Die Personen aus der Hieroglyphenzeit schämen sich nicht, noch heute in Hieroglyphen zu schreiben, diejenigen aus Zeiten, wo Schreiben noch eine Kunst war, schreiben ihre Namen, wie es kleine Kinder etwa thun. Und was erfahren wir von denen, welchen es besser von der Feder geht? Keinen Laut, keinen Schein vom geheimnißvollen Jenseits, schöne Grüße, billige Vermahnungen, ja mitunter alte Verse, wie sie Kinder sich auf die Stammbuchblättchen schreiben. Unter hundertvierundsechszig gesammelten ,Gedanken der Geister von jenseits des Grabes‘ kommen folgende vor:

Nr. 39: ,Geistige Leibeigenschaft und Unterdrückung einer Nation ist das Anzeichen des schmählichsten Verfalles.‘

Nr. 57: ,Der Thörichte beschäftigt sich nur mit unnützen und nichtigen Dingen.‘

Nr. 87: ,Die Leiden verfolgen den Menschen auf Erden von der Wiege bis zum Grabe.‘

Nr. 125 ,Die Hoffnung führt uns bis zur Schwelle der Ewigkeit.‘

[663] Nun sage, Freund, fürchtest Du von solcher Geisterweisheit noch etwas für unsere Volksbildung? Ja, trägt’s denn wirklich aus, erst zu sterben, um als Geist wieder so dumm zu werden?“

Ein recht herzliches Lachen war die Antwort. „Du bist also beruhigt?“ fragte ich. „Gut! Zum Beweise dann, daß schon ‚in der guten alten Zeit‘ auch auf diesem Felde in Leipzig sehr Beträchtliches geleistet und geglaubt wurde, erzähle ich Dir eine Geschichte, auf welche unser Gespräch mich geführt und die Dich als geborenen Leipziger ganz besonders interessiren wird, denn gerade in diesen Tagen sind es hundert Jahre, daß in Leipzig ein Geisterbeschwörer durch seine Umtriebe und sein Ende ein selbst für jene Zeit ungewöhnliches Aufsehen erregte. Der Mann hieß Johann Georg Schrepfer.

Das achtzehnte Jahrhundert wird das der Philosophie oder der Aufklärung genannt; aber so wenig die ‚spiriten Studien‘ der Gegenwart durch die rastlosen Fortschritte der Naturwissenschaften gestört werden, ebenso fanden neben einem Leibnitz, Wolf, Newton, Montesquieu, Friedrich dem Zweiten, Kant, Lessing etc. auch die Cagliostro, Gaßner, Schrepfer etc. ihre Wirkungskreise. Blieb doch selbst ein Goethe nicht unberührt von den ‚Geheimnissen der Mystik‘, in welche bekanntlich 1768 gleich nach seiner Heimkehr von Leipzig nach Frankfurt, das Fräulein von Klettenberg ihn einzuweihen suchte, bis er aus der Alchemie sich in die Chemie rettete. Die Netze jener Mystik waren eben nur stark genug, leichter beschwingte Geister zu fangen, nicht einen Adler von deutscher Kernkraft.

Schrepfer’s Ursprung war fern von der aristokratischen Sphäre; weil er ihr aber angehören mußte, um in seiner Weise wirken zu können, so schwindelte er sich in dieselbe hinauf. Er soll um 1730 geboren und in seiner Jugend Husar gewesen sein. Wir finden ihn zuerst als Kellner in einer Leipziger Gastwirthschaft und später, nachdem er einiges Vermögen erheirathet, im Besitze einer eigenen Schenkwirthschaft in der Klostergasse. Als dienender Bruder der ersten Freimaurerloge (Apollo), die 1741 in Leipzig eingewandert war, wurde er von dem damals aus Frankreich herüberwehenden Schwindelgeist gepackt, und er packte ihn wieder, um durch ihn sich zu erheben. Offenbar seine Wirthsstellung benutzend, wußte er in kurzer Zeit den Ruf um sich zu verbreiten, daß er die Gabe der Geisterbeschwörung und noch andere übernatürliche Fähigkeiten besitze, und als die Loge ihm derlei Unfug verwies, erklärte er, daß dieselbe ihm nichts zu befehlen habe und daß er unter einer höheren Loge und unter der Autorität des in Dresden wohnenden Herzogs Christian Joseph Karl von Kurland, eines Sohnes des Kurfürsten Friedrich August des Zweiten, stehe und handle.

An diesen Angaben war kein wahres Wort – und doch förderte diese Lüge ihn am raschesten zu seinem nächsten Ziele. Als nämlich der Herzog der Freimaurerloge erklärte, daß er mit Schrepfer in keinerlei Beziehung stehe, und dieser ihn deshalb mit einem Pasquill angriff, vergaß er sich so weit, einen Officier mit einigen Unterofficieren des Regiments Kurfürstin nach Leipzig zu beordern, die den Pasquillanten aufhoben und ihm in einer Wachtstube eine Tracht Schläge aufzählten, über deren richtigen Empfang derselbe auch noch eine Quittung ausstellen mußte. In der ersten Aufregung eilte Schrepfer auf das Rathhaus und beklagte sich beim Stadtrathe, der auch eine solche Mißhandlung eines Leipziger Einwohners sofort an den Kurfürsten (August den Dritten) berichten wollte. Sobald aber der Herzog dies erfuhr, eilte er mit dem Minister von Gutschmid, der früher selbst Bürgermeister in Leipzig gewesen war, herbei, um die leidige Sache friedlich beizulegen. Schrepfer ging darauf ein, erklärte sogar öffentlich, daß ihm keine Prügel ertheilt, sondern gegen die ausgestellte Quittung erlassen worden, ja, daß der Fürst, dessen Namen man dabei genannt, einer solchen Handlung nicht fähig sei; so viel war ihm die persönliche Berührung mit dem Herzoge und dem Minister werth, denn besonders Ersteren nicht wieder loszulassen, sondern für seine Zwecke gründlich auszubeuten, war jedenfalls sein fester Entschluß.

Dies war während der Michaelismesse 1773 geschehen. Gleich darauf verschwand Schrepfer aus Leipzig und kam erst nach der Ostermesse des nächsten Jahres zurück, aber – als königlich französischer Oberst Baron von Steinbach.

Das Wunderbarste an dieser plötzlichen Wandlung war offenbar der Glaube, den sie in Leipzig fand. Da, wo Jedermann ihn als Kellner und Wirth gekannt, wußte er durch den Aufwand, den er machte, und durch die Sicherheit, mit welcher er in seinen nunmehrigen Standeskreisen auftrat, so zu imponiren, daß er von keiner Seite eine Störung seines Gebahrens erfuhr, ja, daß er seine Geisterbeschwörungen und allen damit zusammenhängenden Schwindel abwechselnd in Leipzig und Dresden nun erst recht in’s Große treiben konnte.

Zweierlei kam ihm dabei zu Hülfe. Erstens die Klugheit, mit welcher er diejenigen Personen auswählte, welche ihm als die rechten Werkzeuge für seine Pläne erschienen, und ebenso diejenigen von seinen ‚magischen Operationen‘ ausschloß, welche ihm durch Ruhe, Urtheilsschärfe und Geistesgegenwart hätten gefährlich werden können; – und zweitens die Vorrichtungen für seine Geisterbeschwörungen. – Ueber letztere theilen wir die Auskunft mit, welche nach den ‚Denkwürdigkeiten des Barons von Gleichen‘ Friedrich der Zweite von einem Professor in Halle erhielt, der ebenfalls Geister citirte. Nach Berlin berufen und vom Könige aufgefordert, ihm einige seiner wunderbaren Erscheinungen zu zeigen, antwortete der Professor ihm: ‚Da ich nicht ganz sicher bin, daß mein Geheimniß nicht einigen nachtheiligen Einfluß auf das Gehirn üben könne, so bewahre mich Gott, davon in Bezug auf Ew. Majestät Gebrauch zu machen; aber ich will mehr thun, ich will es Ihnen erklären. Es besteht in einem Räucherwerk, welches in dem dunkeln Beschwörungszimmer verbreitet wird und welches zwei Eigenschaften hat: 1) den Neugierigen in einen Halbschlaf zu versetzen, welcher leicht genug ist, ihn Alles verstehen zu lassen, was man ihm sagt, und tief genug, ihn am Nachdenken zu verhindern; – 2) ihm das Gehirn dergestalt zu erhitzen, daß seine Einbildungskraft ihm lebhaft das Bild der Worte, die er hört, abmalt; er ist im Zustande eines Menschen, der nach den leichten Eindrücken, die er im Schlafe empfängt, einen Traum zusammensetzt. Nachdem ich in der Unterredung mit meinem Neugierigen möglichst viele Einzelheiten über die Person, die ihm erscheinen soll, kennen gelernt, lasse ich ihn in das dunkle Zimmer treten. Wenn ich glaube, daß das Räucherwerk zu wirken begonnen hat, folge ich ihm, indem ich mich gegen den Eindruck des Räucherwerks durch einen Schwamm schütze, der in Liquor getaucht ist. Dann spreche ich zu ihm: ‚Sie sehen den und den, so und so gestaltet und gekleidet?‘ worauf sich sofort seiner erregten Phantasie die Gestalt abmalt; hierauf frage ich ihn mit rauher Stimme: ‚Was willst Du?‘ Er ist überzeugt, daß der Geist zu ihm spricht; er antwortet; ich erwidere, und wenn er Muth hat, so setzt sich die Unterredung fort und schließt mit einer Ohnmacht. Diese letzte Wirkung des Räucherwerks wirft einen mysteriösen Schleier über das, was er zu sehen und zu hören geglaubt hat, verwischt die kleinen Mängel, deren er sich erinnern könnte, und hinterläßt ihm bei seinem Erwachen eine aus Furcht und Achtung gemischte Ueberzeugung, gegen die ihm kein Zweifel mehr bleibt.‘ Der König verwahrte das ihm übergebene Recept des Räucherwerkes in seiner Handschriftensammlung; es wird vermuthet, daß später Bischofswerder und Genossen es gegen Friedrich Wilhelm den Zweiten selbst angewandt haben.

Von Schrepfer weiß man, daß er zu dem Räucherwerk noch starke geistige Getränke bei seinen Gläubigen hinzufügte. Die Wirkung war die eben beschriebene. Ein Graf von Hohenthal behauptete noch lange nach Schrepfer’s Tode die Wirklichkeit der von ihm gesehenen Erscheinungen, und ein Kammerherr von Heynitz wurde davon so ergriffen, daß man für seinen Verstand fürchtete. Und doch waren die Beschwörungen für Schrepfer nur Nebensache, nur Mittel zum Zweck: d. h. zur Erwerbung großer Geldsummen.

Zum nächsten und gewichtigsten Opfer erkor er einen reichen Seidenwaarenhändler Du Bosc. Diesem theilte er vertrauensvoll eine (von ihm selbst, wie all die noch zu erwähnenden gefälschten Documente, höchst geschickt hergestellte) Vollmacht des Herzogs von Braunschweig als Großmeisters mit, die ihn beauftrage, eine Verschmelzung des Freimaurerordens mit dem damals aufgehobenen Jesuitenorden zu bewirken. Zu diesem Behufe stehe er in brieflicher Verbindung auch mit dem Herzog Ludwig Philipp von Orleans (der allerdings damals Großmeister der Großlogen aller Systeme in Frankreich war), dem er seinen französischen Oberstenrang verdanke. Da nun die Jesuiten unermeßliche [664] Schätze in Sicherheit gebracht und einen Theil derselben ihm in Verwahrung gegeben hätten, so sei er entschlossen, diese Summen zum Besten seines Vaterlandes und zur Beschämung seiner Verfolger durch außerordentliche Wohlthaten zu verwenden. Er stellte jedoch für Alle, die daran Theil haben wollten, die Bedingung auf, ihren Lebenswandel zu bessern, ihre sämmtlichen alten und neuen Sünden zu beichten und Vergebung von Allen zu erbitten, die sie je gekränkt und beleidigt. Sobald dies geschehen sei, werde er die schriftlichen Belege für seine Angaben vorlegen und die Wahrheit derselben durch Geistererscheinungen bekräftigen lassen, die jedoch nur auf die Orte beschränkt sein könnten, an welchen die zu citirenden Geister im Leben gewohnt hätten.

Es gehörte gewiß ein starker Glaube dazu, diesen Lügenbau für einen Tempel der Wahrheit anzusehen, aber Du Bosc hatte diesen Glauben und übergab Schrepfer sogar deshalb Empfehlungsbriefe nach Dresden an seinen Schwager, den Geheimen Finanzrath Ferber, und an den Conferenzminister von Wurmb. Ersterer, ein höchst achtbarer und gebildeter Mann, wies die Sache ebenso entschieden zurück, wie Schrepfer selbst ihn aufgab, weil er sofort einen ihm gefährlichen Gegner in ihm erkannte. Dagegen zog er nicht nur Wurmb, sondern auch den Herzog von Kurland in sein Garn, nachdem Beide in allen ihnen von Schrepfer vorgelegten Briefen, Urkunden und Vollmachten nicht die geringste Fälschung entdeckt und von den Gebrüdern Bethmann in Frankfurt am Main die Bestätigung der Aussage Schrepfer’s erhalten hatten, daß bei ihnen wirklich ein wohl eingepacktes und versiegeltes Paket, das anscheinlich Papiere enthalte, aufbewahrt und gegen Rückgabe der Quittung und gegen ein eigenhändiges Schreiben des Obersten von Steinbach sofort ausgeliefert werde. Diese Papiere sollten nun den Schatz der Jesuiten, im Betrage von mehreren Millionen – und zwar an sächsischen Steuerscheinen! – enthalten.

Es versteht sich von selbst, daß bei der Aussicht auf solche Reichthümer die Cassen der Betheiligten nun Schrepfer offen standen, besonders da er auch seinen Geisterbeweis beizubringen verstand. Diese Beschwörungen fanden in dem Palais des Herzogs statt, das nach dessen Tod zum Zeughause geschlagen worden ist. Theil nahmen daran: der Herzog von Kurland, der Minister von Wurmb, der Baron Hohenthal, der Kammerherr von Bischofswerder, derselbe, welcher später Günstling, General und Minister des Königs Friedrich Wilhelm des Zweiten wurde und eine Hauptperson in dem mystischen Treiben am damaligen Berliner Hof war; ferner der Kammerherr und Geheime Kriegsrath Christian Friedrich von Hopfgarten und der Adjutant des Herzogs, Oberst von Fröden.

So geschickt wußte Schrepfer seine gefährliche Rolle zu spielen, daß alle diese hohen Herrschaften ihn mehr und mehr ihres intimsten Umgangs würdigten. Er selbst behandelte sie wie seines Gleichen, auch den Herzog nicht ausgenommen; er stand nicht vom Stuhle auf, wenn dieser ihn in seiner Wohnung im Hotel de Pologne besuchte, und winkte ihm nur herablassend, neben ihm Platz zu nehmen. Hopfgarten wurde sein ergebenster Freund und Bischofswerder machte sogar Brüderschaft mit ihm. Er stand auf der Höhe seines Glanzes, und doch nahte bereits das schwarze Verhängniß. Die ‚Freunde‘ drangen auf Theilung der Reichthümer; so hatte er denn das Millionenpaket aus Frankfurt kommen lassen, verschob die Eröffnung desselben aber von Tag zu Tag, bis eine neue Gefahr über ihn hereinbrach: der französische Geschäftsträger Marbois verlangte von ihm die Vorzeigung seiner Oberstenpatents und drohte, ihn als Betrüger verhaften zu lassen, falls diesem Verlangen nicht Folge geleistet würde. Die Freunde beschworen zwar diese Gefahr, aber nun durfte Schrepfer auch nicht länger mit der Eröffnung des Pakets zögern und setzte dazu einen Tag kurz vor der Leipziger Michaelismesse fest. Alle Genossen waren beim Minister von Wurmb in Dresden versammelt, und auf dem Tische lag die geheimnißvolle Bescheerung. Alles wartete auf Schrepfer. Da kam die Nachricht, daß dieser Postpferde genommen und wegen höchst wichtiger Geschäfte nach Leipzig gereist sei.

Trotz des nun vielleicht aufgestiegenen Verdachtes blieb das Paket an diesem Tage noch ungeöffnet, aber geöffnet wurde es, man weiß nicht wo und wann, und was fand man? Nichts als weißes Papier und dazwischen einige Zettel, welche wieder auf andere Papiere verwiesen. Wurmb und Du Bosc kannten diesen Inhalt, aber sie schwiegen, ob aus Scham oder weil sie die Hoffnung auf den selbst von den Geistern verheißenen Schatz doch noch nicht aufgaben, ist zweifelhaft.

Wurmb reiste damals auf sein thüringisches Gut Großen-Furra, ohne sich in Leipzig aufzuhalten; Bischofswerder und Hopfgarten aber begaben sich während der Messe dahin und verkehrten mit Schrepfer in der alten Vertrautheit. Dieser hatte einen der letzten Meßtage als Zahlungsfrist zur Befriedigung seiner Gläubiger festgesetzt, und dieser Tag stand nahe bevor.

Da lud er, am 7. October 1774, Bischofswerder, Hopfgarten und noch zwei andere seiner Bekannten zum Abendessen zu sich. Der Abend verging heiter, aber nach dem Essen sprach Schrepfer; ‚Diese Nacht legen wir uns nicht zu Bett, denn morgen mit dem Frühesten, noch vor Sonnenaufgang, sollen Sie ein ganz neues Schauspiel zu sehen bekommen. Bis jetzt habe ich Ihnen Verstorbene gezeigt, die in’s Leben zurückgerufen wurden; morgen aber sollen Sie einen Lebenden sehen, den Sie für todt halten werden.‘ Darauf legte er sich auf das Sopha und schlief bis fünf Uhr. Dann erhob er sich mit den Worte: ‚Nun, meine Herren, es ist Zeit, daß wir gehen.‘ Schrepfer führte sie nach dem Rosenthale, wies ihnen hier einen Platz an und sprach: ‚Rühren Sie sich nicht von der Stelle, bis ich Sie rufen werde. Ich gehe jetzt in dieses Gebüsch, wo Sie bald eine wunderbare Erscheinung sehen sollen.‘

Ruhig, wie er am ganzen Morgen gewesen, schreitet er in das von ihm bezeichnete Gebüsch. Bald darauf fällt ein Schuß. Die Harrenden beachten dies nicht und warten lange; endlich gehen sie doch besorgt in das Dickicht – und da liegt ein ‚Lebender‘ – aber er ist todt.

Auf die Anzeige des Vorfalls versiegelte der Stadtrath sofort Schrepfer’s Wohnung. Seltsamer Weise war an demselben Morgen Wurmb durch Leipzig nach Dresden gereist. Noch in Meißen erreichte ihn ein Bote, den ein Winkeladvocat und Anhänger Schrepfer’s, Dr. Teller, ihm nachgesandt, mit der Todesnachricht und bringt an Teller die Weisung des Ministers zurück, sich um jeden Preis der hinterlassenen Papiere des Todten zu bemächtigen und sie ihm nachzuschicken. Auf diesen Ministerbrief hin erbricht Teller die Siegel und besorgt den Befehl. Die Strafe blieb nicht aus, aber die Papiere waren geborgen. – So ist wohl das Geheimniß des Antheils der einzelnen Betheiligten an den Verlusten des Betrugs gerettet, aber die Kunde von dem jämmerlichen Schwindel beschämt uns noch nach hundert Jahren.“

Fr. Hfm.