Ein Pendant zu „Zwei gute Stiefmütter“ in der Gartenlaube Nr. 27

Textdaten
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Autor: William von Lüde
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Titel: Ein Pendant zu „Zwei gute Stiefmütter“ in der Gartenlaube Nr. 27
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 480
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
siehe auch: Zwei gute Stiefmütter
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[480] Ein Pendant zu „Zwei gute Stiefmütter“ in der Gartenlaube Nr. 27. Es war in Hannover, zu Anfang der zwanziger Jahre, als ich eines Tages von einem Spaziergang in einer nahegelegenen Waldung mit meinem jüngern Bruder, freudestrahlend über den glücklichen Fang, den wir gemacht, nach Hause zurückkehrte. Wir hatten auf einer hohen Tanne ein Eichhörnchennest entdeckt und hielten dasselbe, als tüchtige Turner, bald mit sammt den vier Jungen in unsern Händen. Die Jungen aber hatten leider erst vor ein paar Tagen das Licht der Welt erblickt und waren daher noch ganz nackt und blind. Als wir die kleinen Thierchen in Gegenwart meiner Mutter – die uns nebenbei gehörig auszankte, weil wir den Alten die Jungen und das Nest geraubt – herausnahmen, waren die Kleinen beinahe schon ganz erstarrt, da sie seit fast zwei Stunden die schützende Wärme der Eltern entbehren mußten.

Wir hatten eine alte gute Katze, „Muschen“ genannt, die in der Nacht vorher vier Junge zur Welt gebracht. Drei hatte man ihr genommen, und so rieth meine Mutter, den Versuch zu machen, ob die alte Katze die jungen Eichhörnchen nicht erwärmen und säugen würde. Wir waren natürlich, schon der Seltenheit wegen, gleich bei der Hand, und siehe da, die alte Katze leckte, erwärmte und säugte die kleinen Thierchen, als wenn es ihre eigenen Kinder wären. Das noch übrige junge Kätzchen wurde ebenfalls bei Seite geschafft. Eins der jungen Eichhörnchen wurde schon in der ersten Nacht von der Stiefmutter erdrückt, drei jedoch geriethen prächtig, wurden groß und ganz zahm und sprangen und kletterten mit der alten Katze im ganzen Hause herum, auf dem Boden und den nahegelegenen Dächern. Als die kleinen muntern Thierchen über halb gewachsen waren, kümmerte sich die Stiefmutter nicht ferner um sie und überließ uns allein die Sorge der Unterhaltung ihrer Stiefkinder. Einige Jahre lang wurden zwei der hübschen Thierchen – eins hatten wir verschenkt – mit besonderer Vorliebe von uns gepflegt und gewartet und durften täglich ein paar Stunden frei umher springen und kehrten dann immer von selbst wieder in ihren großen Käfig zurück. Wenn die alte Katze ihren Stiefkindern auf dem Treppengeländer oder auf dem Boden in ihren Freistunden begegnete, so ignorirte sie dieselben gänzlich.

William von Lüde.