Ein Grab im Unterland (Die Gartenlaube 1875/1)

Textdaten
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Autor: Heinrich Klein
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Titel: Ein Grab im Unterland
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 20
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[20] „Ein Grab im Unterland“ in Nr. 50 des vorigen Jahrgangs der „Gartenlaube“ giebt mir Veranlassung zu folgenden Zeilen:

Im Sommer 1859, bald nach Beendigung des italienischen Krieges, kam ich, kaum zwanzig Jahre alt, als Lehrer in das Dorf Cleversulzbach, und bald erfuhr ich auch, daß der schmucklose, schlechtgepflegte Friedhof des Dorfes das Grab von Schiller's Mutter beherberge. Ich suchte dasselbe alsbald auf und fand nicht ohne Mühe das mit Gras überwachsene, unscheinbare steinerne Kreuz, auf dem mit einfacher Schrift eingegraben steht: „Schiller's Mutter“. Wie ich später im Dorfe oft erzählen hörte, soll Dr. Eduard Mörike, der frühere Pfarrer des Orts, mit eigener Hand diese Worte in den Stein gemeißelt haben.

Als der hundertjährige Geburtstag unsers großen Dichters herannahte, machte ich verschiedene Versuche, auch auf der geweihten Stätte in Cleversulzbach eine kleine Feier zu Stande zu bringen. Im Orte selber fehlten aber die Kräfte hierzu, und von den umliegenden Städten hatte jede ihre eigene Schillerfeier, so daß ich zur Ausführung meinem Planes Niemand beibringen konnte. So that ich denn allein, was mir möglich war. Ich reinigte den Grabhügel von Schiller's Mutter und den der nebenan ruhenden Mutter Eduard Mörike's von Unkraut und Gras, schmückte dieselben mit Herbstblumen und Grünem, soviel der nahe Wald mir bot, und umgab die beiden Grabstätten mit einer allerdings sehr primitiven Einfassung; auch reinigte ich das Kreuz und frischte die Inschrift mit schwarzer Farbe wieder auf.

Am 10. November, Vormittags elf Uhr, gingen wir, der Schultheiß des Ortes, mein älterer College, ich und der eben im Dorfe weilende Amtsnotar von dem nahen Neuenstadt, auf den Friedhof und setzten (ich selbst machte die Grube) eine Linde auf das Grab von Schiller's Mutter. Alles ging in feierlicher Stille vor sich; Reden wurden nicht gehalten, daß wir aber einen Act[WS 1] der Pietät begingen, den wir den Manen Schiller's schuldig waren, fühlte Jeder, und stumm reichten wir einander die Hände, nachdem die Linde fest stand. Das war unsere bescheidene Schillerfeier. –

Ob die Linde gediehen ist, weiß ich nicht, da ich schon im nächsten Jahre Cleversulzbach wieder verließ und auf meinen seitherigen Wanderungen durch die Fremde und durch die Heimath nicht mehr in das Dorf oder dessen Nähe kam. Damals war die Aussicht vorhanden, daß auf das Grab von Schiller's Muttter ein anderes, größeres Denkmal gesetzt werde. Dr. Eduard Mörike, mit dem ich in jener Zeit über diesen Gegenstand brieflich verkehrte, schrieb mir unterm 19. October 1859:

„Der höchst gerechte Wunsch, in welchem Sie mit andern und mit mir zusammentreffen, wird in Erfüllung gehen. Das (Schiller-) Comité beabsichtigt die Errichtung eines anständigen kleinen Denkmals auf dem mütterlichen Grabe. Nur konnte dies auf die Zeit des Festes nicht mehr angeordnet werden. Vorläufig will man die Grabstätte käuflich erwerben etc.“

Der Stiftungsrath von Cleversulzbach übergab denn auch die Ruhestätte von Schiller's Mutter und das nebenan liegende Grab von Mörike's Mutter schenkungsweise dem Stuttgarter Schiller-Comité. Noch bezeichnet freilich nur das alte steinerne Kreuz die Stätte, wo die deutsche Frau ruht, welche Deutschland seinen größten Dichter geschenkt hat. Ich meine aber, es ist dennoch ein würdiges Denkmal, denn ein edler Dichter hat es ja gesetzt. –

Weingarten (Württemberg), den 16. December 1874.
H. Kl.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Art