Ein Ehrentag im Leben des Kaisers Wilhelm

Textdaten
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Autor: Rudolf von Gottschall
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Titel: Ein Ehrentag im Leben des Kaisers Wilhelm
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 184–185, 187–189
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[184–185]

Batterie, auf das ferne brennende Sedan gerichtet.   Roon. 0 Bismarck.       Moltke.       Prinz Karl von Preußen. 0 Blumenthal.   Eroberte Geschütze, Mitrailleuse. Bayern.
  Officiere und Mannschaften vom 1. westpreußischen Grenadierregiment Nr. 6.   König Wilhelm.   Kronprinz von Preußen.   Gefallene und verwundete Zuaven und Turkos.
Mannschaften vom 2. hessischen Husarenregiment Nr. 14.       Gefallener Chasseur d’Afrique.  

König Wilhelm bereitet das Schlachtfeld von Sedan am Abend des 2. September 1870. (Eintreffen bei der 3. Armee.)
Originalzeichnung von Prof. Wilhelm von Camphausen.

[187]
Ein Ehrentag im Leben des Kaisers Wilhelm.[1]

Eine der entscheidendsten Schlachten, welche die Geschichte kennt, war geschlagen, in Sedan die Trümmer des französischen Heeres zusammengedrängt in rathlosem Wirrwarr; auf den Höhen ringsum standen 600 deutsche Geschütze, welche die Stadt in Schutt und Asche verwandelt hätten, wäre nicht, nach dem ersten Gruß der bayerischen Batterien, der bereits die Flamme weckte, die Parlamentärfahne aufgesteckt worden.

Und der König, an der Spitze seiner Helden, der Führer im Kampf und Kabinett, in Begleitung des Kronprinzen von Preußen, dessen Armee sich so tapfer am Siege betheiligt, ritt auf das Schlachtfeld.

Das war ein endloser Jubel, der ihn von allen Seiten begrüßte, denn lebendig in aller Herzen war das Bewußtsein, an einem großen unvergeßlichen Tage mitgekämpft zu haben, der in den Jahrbüchern der Weltgeschichte für immer verzeichnet bleiben wird. Und der greise Monarch, der des Krieges Strapazen theilte, der durch seine kundige Oberleitung seinem Heere des Sieges Bürgschaft gegeben – war er es nicht, in dem sich dieser Sieg, der Ruhm dieses Tages verkörperte? Sah nicht schon vorahnende Begeisterung die Kaiserkrone schweben über diesem würdigen Haupte? König Wilhelm dem Siegreichen galt der jauchzende Zuruf, und stürmischer wurde kein alter Heeresfürst begrüßt, den seine Krieger auf den Schild hoben nach den entscheidungsvollen Schlachtentagen.

Ja, es war der Schild deutscher Ehre und Kraft, an welchem der Anprall des Feindes gebrochen war.

Hier jubelten ihm die tapferen Bayern zu, denen des großen Tages blutigste Arbeit zugefallen war. Straße für Straße, Haus für Haus, Mann für Mann hatten sie in Bazeilles stundenlang mit dem Feind gerungen; ein Volkskampf hatte getobt durch das brennende Dorf, Mädchen und Frauen traten den Anstürmenden gegenüber, das Gewehr in der Hand, jede Gartenmauer wurde zum Schutzwall und mußte genommen werden. Das war ein hin- und herwogender Ringkampf, beleuchtet von den Flammen der brennenden Häuser. Die Wipfel des Parks warfen ihre Schatten über Kämpfende und Sterbende, jedem Rückzug folgte ein neuer Angriff. Und nach dem immer wieder bestrittenen heißerrungenen Sieg wiederholte sich dasselbe Schauspiel in dem stattlichen Orte Balan mit seinen schloßartigen Gebäuden und hohen Parkmauern.

Das sind sie, die Bayern mit ihren Raupenhelmen, die den Preußenkönig begrüßen, von dem Lech und der Isar, aus der prunkvollen Königsstadt, von den bergumrahmten blauen Bergseen, über welche die hohen Gebirgszüge ragen mit den kahlen Wänden und dem höchsten Gipfel der Zugspitze, aus den alten Reichsstädten Augsburg und Nürnberg. Mit wuchtigem Schwert halfen die Kämpfer des deutschen Südens den Feind vernichten, welcher dem deutschen Volke so herausfordernd den Fehdehandschuh hingeworfen. Gefangene in ihrer Mitte: jene schwarzen Turkos, mit denen sie schon siegreich in der Pfalz und im Elsaß abgerechnet. Da schwingt der eine Bayer, auf der eroberten Mitrailleuse stehend, hoch die erbeutete Fahne des kaiserlichen siebenten Regimentes, und in der Mitte der Kameraden sieht man die andern eroberten Geschütze, die von den Höhen bei La Moncelle Verderben herabgeschleudert in die Reihen der Anstürmenden.

Und daneben die tapferen Sachsen und Preußen, die Erstürmer von Daigny und Floing, die, über Garten- und Weinbergmauern hereinkletternd, den Feind vertrieben! Vielleicht sind einige darunter aus jenen eisernen preußischen Karrés, welche dem zermalmenden Chor der französischen Kürassier- und Chasseur- Regimenter Stand hielten, diesem heranbrausenden Gewitter von Mann und Roß, von dem die Erde dröhnte, welche mit ihren Feuersalven die glänzenden Schwadronen aus einander sprengten, daß sie hilflos an den Feuerlinien vorbeijagten und dann zurückstürmten mit dem schnaubenden Gefolge reiterloser Rosse, ihr Fußvolk überreitend.

Hier reicht der König einem verwundeten Officier die Hand: er gehört dem sechsten Grenadierregiment an, welches mit seinen zerrissenen Fahnen hier jubelnd den Monarchen begrüßt, nachdem es im heißen Kampfe am meisten von allen gelitten.

Im Hintergrunde geben preußische Artilleristen ihrer Siegesfreude begeisterten Ausdruck, und sie haben ein Recht dazu: Sedan war die größte Artillerieschlacht der letzten Kriege, während die deutsche Kavallerie gar nicht zum Angriff kam. Die Artillerie aber war überall zuerst am Platze, ihre Feuerlinien leiteten den Kampf ein und deckten die Entfaltung des Fußvolkes. So war’s auf den Höhen bei Givonne: und noch mehr, als die deutschen Truppen bei Saint-Albert aus dem engen Felsenthale der Maas hervorbrachen, um Floing und das Plateau von Illy anzugreifen. Da stand bald die großartige Artilleriemasse zweier Korps auf den Höhen von Saint-Menges in langen Linien aufmarschirt und ihr furchtbares Feuer erschütterte die feindlichen Kolonnen, ehe die deutsche Infanterie sich zum Angriff formirt hatte. Im Wald von Garenne, welcher den französischen Reserven schwache Deckung bot, kreuzten sich die preußischen Granaten von rechts und links, von den Höhen von Saint-Menges und Givonne und begruben unter splitternden Aesten und umgerissenen Wipfeln die auf dem Boden hingelagerten Truppen, unter denen sie eine schreckliche Verwüstung anrichteten.

Solch ein Siegestag, ein so berauschender Kriegserfolg steht einzig da in der deutschen Geschichte. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig zog sich der Kaiser zurück mit seinem Heere, nach der Niederlage von Waterloo floh er in eiliger Flucht: diesmal aber sollte die „traurige Mähr“ sich bewähren, welche die Heine’schen Grenadiere gehört, obschon sie damals nicht der Wahrheit entsprach:

„Daß Frankreich verloren gegangen,
Besiegt und zerschlagen das tapfere Heer,
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.“

Wie ein Fürst alter Heldensage, einer jener ruhmvollen Nordlandsfürsten, denen sich der Lorbeer auf den greisen Scheitel senkte, reitet König Wilhelm daher mit seinem ruhmgekrönten Gefolge. Der Kronprinz von Preußen grüßt mit Dank die Bayern, welche ihm die Siegesbeute entgegenhalten: der Sieger von Weißenburg und Wörth kennt ja seine Tapferen; hinter dem König von Preußen reitet der Feldzeugmeister Prinz Karl von Preußen, reitet Bismarck, der die Früchte dieses Sieges und des ganzen Krieges mit diplomatischem Scharfsinn und eiserner Unerbittlichkeit einheimsen sollte, reitet Moltke, der Schlachtenlenker, der mit dieser Schlacht von Sedan, mit dieser vollendeten Umzingelung des Feindes ein strategisches Meisterstück geliefert, reitet Graf Roon, der Reorganisator der preußischen Armee, hinter dem Kronprinzen General von Blumenthal, der sich in zwei Kriegen als glücklicher Stratege bewährt hat.

Ehre dem König und seinem Heer! Er ist kein erobernder Kriegsfürst; er hat nur den Angriff abgewehrt, welcher das deutsche Volk und Land bedrohte, ein pflichttreuer Hüter des heimischen Herdes und der nationalen Ehre! In dem Kranz, der das Haupt des neunzigjährigen Fürsten schmückt, giebt es genug schöne Friedensblumen, doch das schönste Lorbeerblatt seines Kriegsruhms trägt die unvergängliche Inschrift: „Sedan“. Rudolf von Gottschall.     

[188]

Nach der bei E. H. Schröder in Berlin im Jahre 1861 erschienenen Steinzeichnung von Ernst Milster. Mit Bewilligung des Verlegers.

[189]

Kaiser Wilhelm im 90. Lebensjahre 1887.
Originalaufnahme von M. Ziesler.


  1. Das Bild, welches wir auf S. 176 und 177 bringen, ist die letzte Zeichnung des leider zu früh verstorbenen Malers Professor Camphausen; sie wurde von demselben eigens für die „Gartenlaube“ entworfen.