Ein Curieuses Gespräch über ein Kalb, welches eine Kolbe, einer Fontange gleich, auff den Kopfe gehabt
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SEin Diener / mein Herr Sincerus[3]! wie stehts? wie gehts? wenn er sich in glücklichen Zustande befindet / höre ichs gerne / wüntzsche dessen Continuation[4], wie auch was neues von Ihme zuvernehmen.
Sein schuldiger Diener! mein hochwerther Herr! Ich dancke bestmöglichst vor die Sorgfalt meines Zustandes / Ihm gleichfalls alles unausdenckliche Wohlseyn anwüntzschende. Sonsten lege ich mich gleich andern Klüglingen / die ihren Nechsten aus neidischen Geifer / nach ihrer Kuhbreiten Vernunfft / immer was nachzusagen wissen / gantz nicht auf Neuligkeiten / ausser wenn etwas besonders zu hören ist / So nehme ichs entweder zu weitern Nachdencken / oder zur sonderbahren Lehre; Jedoch muß ich dem Herrn was Nagel-neues berichten:
Daß gleich ietzo die Zeitung aus der weitberühmten Haupt-und Sechs-Stadt Budißin / im Marggraffthumb Ober Lausitz / eingelauffen; Wie an selbigen Orthe / auff der Stein-Gasse / bey einem Becker / am 4ten dieses Monats Februarij / Neuen Calenders / ein Kalb jung worden / welches eine Kolbe / über anderthalb Viertel hoch auff den Kopffe gehabt / einer Fontange, oder Band-Spitzen / und Haar-Auffsatze / nach ietziger Mode / gantz ähnlich; Worbey sonderlich merckwürdig: Daß das Kalb an sich selber brauner Farbe / der Auffsatz aber / lichter / auch gantz weich und zu beugen gewesen; Es hat fünff Stunden gelebet / und ist von etlichen tausend Menschen gantz begierig / ja mit Verwunderung gesehen worden.
Das ist zwar nichts sonderliches; Aber der Herr sage mir doch seine Meinung darüber / Was davon zu halten?
Mein lieber Herr! Allerdings ist dieses was besonders! Weil die Thiere gar selten mit dergleichen Bezeichnungen geworffen werden / und soll ich meines wenigen Orths / iedoch auf anderer Verbesserung / meine Meinung hierinnen eröffnen; So kan sich zwar / physicè[5] von der Sache zu reden / dergleichen natürlicher Weise zu tragen / theils / weil die Thiere gleichfalls ihre Impressiones[6] und Affecten[7] haben / dahero auch Viele denenselben eine Vernunfft beymessen / Plutarchus[8] hat davon ein sonderliches Buch geschrieben / unter den Titul / qvod bruta, anima rationali utantur. Qvintilianus[9] saget [4] ausdrücklich: Es habe das Ansehen / Daß den Thieren mehr die Rede als der Verstand und Gedancken fehle. Add. Francisc. Vales. c ss. de Philos. sacr. Lactant. lib. 1. Inst. c. 10. Wiewohl ich nun dieses so simplipliciter nicht zugestehen kann; So ist ihnen doch ein Sagacitas[10], wie es Cicero lib. 2. de Nat. Deor. nennet / Eine gescheid- und Geschwindigkeit der euserlichen und innerlichen Sinne / oder ein instinctus und Trieb von der Natur eingepflantzet / auch solcher gestalt gar wol zu sagen. Daß die Ruhe / welche das Kalb geworffen / sich gleichfalls an etwas versehen köne; Wie denn nichts neues: Daß man auf denen Struttereyen denen Pferden einige gemahlte wohlständige Rossen für setzen;
Item denen Hunden / wenn die Jungen nach selbigen gerathen sollen / öffters einen Spiegel fürhalten lässet; Theils / können auch solche Zeichen / durch Veränderung der Lufft / des Futters und Einsperrung / auch endlich beym Abgange des Kalbes verursachet werden. Allein recht nachdencklich von der Sache zu reden: So lehret hergegen auch die Erfahrung; Daß der höchste GOtt / als ein HErr und Regierer der Natur / ohne dessen willen kein Sperling auff die Erde fället / durch solche Anblicke / einige in schwang-gehende Sünden / vorbilden wolle / wenn sonderlich dergleichen Mißgeburthen öffters in einen Lande gefallen;
Und hat man dergleichen in vorigen Jahre zwey gesehen / anfänglich bey einen Lamme / welches ebenfalls dergleichen Fontangen-Stutz auffgehabt / und an einen Kinde / welches mit zwey Köpffen zur Welt kommen. Man lieset auch in denen Historien; Daß solche Monstra offtmahls einige Unglücks-Zeichen bedeutet. Anno 1631. kurtz vor Beläger- und Eroberung der Stadt Magdeburg / ist in der Vorstadt daselbst / ein Kalb geworffen worden / welches auff den Nischel ein Casqvet[11] / und dicke Beine / als wie Stiefeln / in den Magen aber / zwey Knoten / wie Kugeln gehabt.
Anno 1653. Ist zu Wilda in Littau / ein Lamm ans Tagelicht kommen / welches zwey Köpffe / und am Maule einen grossen Schwantz gehabt / worauff ein groß Viehsterben entstanden.
Anno 1659. hat man ohnweit Praga ein Kalb gesehen / welches auff den Kopffe einen rechten Türckischen Bund[12] gehabt / worauff der Türcken-Krieg seinen Anfang genommen;
Wem ist nicht ietzo noch wissend; daß kurtz vor Eroberung der Stadt Straßburg ein Hahn mit sechs Köpffen ausgebrütet worden / worauff der Frantzösische Hahn das berühmte Straßburg weggenommen / und biß dato nicht wieder evacuiret. Anderer Exempel umb kürtze der Blätter voritzo zugeschweigen.
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Dieses Anführen lässet sich zwar wohl hören / ich mercke aber wohl / wo der Herr hinaus will / was gilts: Er sticht hierunter die Frauen-Zimmer Fontangen an / worwieder ohne dem die Herren Geistlichen genugsam predigen: Da doch keine nettere Tracht / die schönen weiblichen Creaturen auszuschmücken / iemahls erdacht worden / als eben diese; Auch muß dieser wahrhafftig die Augen verwechselt haben / der es nicht mit mir zugleich bejahen wolte.
Ob mich zwar wohl die Frauen-Zimmer Fontangen nichts hindern / ich auch nicht gewohnet / die Wahrheit gar zu offenhertzig zu geigen / weil ich oftmahls sehe / dergleichen Spiel-Leuten / den Fiedel-Bogen um den Kopff schlagen / mir auch sonst / das Frauen Zimmer / meiner Offenhertzigkeit halber / nicht gar zu gut / und solcher Gestalt / wenn sie nicht ein sonderbahrer Geist treibet / mir noch auff sätziger werden dürfften; Insonderheit da der heiligen GOttes Männer lehren / die doch / als wenn sie selbst vom Himmel geschehen / zu achten / nichts fruchten wollen;
So muß ich doch sagen / daß obige angeführte / kurtz nach einander erfolgte Kopff- und Fontangen Spectacul ohne Zweiffel die Abscheuligkeit dieser Tracht vorstellen / welche wahrhafftig nie so hoch gestiegen / wenn der gemeine Pöbel nicht alsobald denen Standes / auch Adelichen / und gelehrten Familien nachgefolget / dahero jene nothwendig Ellen hohe Thürme auffspiessen müssen.
Damit man aber den Uhrsprung derer Fontangen recht eigentlich wissen / und einen Abscheu dafür haben möge; So wolle der Herr mit Gedult anhören; Daß die Poeten erstlich denen höllischen Furien / Fontangen angedichtet / wie deren Abbildung noch gnüglich am Tag leget; Hernach haben die Syracusaner, Athenienser, Lacedemonier, Locrenser, denen offentlichen Huren / welchen man zu desto grösserer Schmach die Haare abgeschnitten / diese Tracht gewidmet / und hat bey ihnen keine erbare und ehrliche Jungfer / einen Band-Kopff oder fremde Haare tragen dürffen.
Welchen Völckern / etliche Jahr her / unterschiedene wackere Obrigkeite nachgefolget / und die offenbahren Huren in dergleichen Fontangen am Pranger stellen / und ausstäupen lassen / dergleichen Execution ich selbst auff einer berühmten Universitäts-Stadt gesehen.
Bey den Römern musten die Mägde / zum Zeichen der Leibeigenschafft / in Bändern hergehen. Der Assyrische König Nebucad Necar / wurde umb seines hoffärtigen Geistes willen / mit frembden Haare- und Feder-tragen gezüchtiget. Dan. 4. [6] Gregor. 5. Moral. cap. 8. Ob die Corinthischen Weiber Fontangen getragen / will ich vor gewiß nicht sagen / Jedoch ists fast zu schliessen / weil Paulus sie / zu Bedeckung der Häupter / so ernstlich vermahnet / und Petrus will in seiner 2. Epist. am 3. cap. v. 3. Das Haarflechten / Gold umbhengen / und Kleider anlegen / denen Weibern nicht gestatten / sondern ihr gröster Schmuck soll seyn / die Hoffnung auff GOtt / und ihre schönste Fontange, die Unterthänigkeit gegen ihre Männer / wormit sich vor Zeiten die heiligen Weiber geschmücket.
Es belieben die Adelichen und denen gleichende Frauen Zimmer / zu erwegen: Ob Sie nicht Ihrer Männer trefflichster Adel und Gelehrsamkeit / auch ihr Ansehen / welches offtmahls der Venus ihre Schönheit disputirlich[13] machen könte / an herrlichsten ziehre / und daß sie eines nichtigen Wurms gespinste oder auffgehangenen Diebes Haare / ohnmöglich ansehnlicher machen können; Und ists nicht Schande! Daß die Niedrigen ja allerniedrigsten Standes / Weibes Personen / welche die Reichs- und Landes Gesätze zum Mösellan Crämer und Floret Bandmacher / ihre Tracht bey selbigen einzukauffen / weisen / Derer Standes / Adelichen / Graduirten / und anderer wackerer Personen Weibern und Töchtern / alles nach thun / und ihnen keinen Vorzug lassen wollen / Selbige auch das Fontangen Muster vom Babylonischen Thurme zunehmen / verleithen / worauff die Spitzen / Bänder und Haare / wie bey jenen / die Sprachen / verwirrt durch einander gehen.
Pfuy! wie schöne stehets: Wenn eine alte Frau / die umbs Maul aussiehet / als ob ihr die Execution in die Zähne gethan worden / eine Fontange auffsetzet / und die an die Stirne / Clavier Weise / stehenden Runtzeln damit beschatten will. Und wie reimet sichs doch / wenn ein klein Porcenellgen / mit einer grossen Fontange ihrer länge eine Elle zuzusetzen gedencket; Oder / wenn eine Magd / gleich ihren Feuerfarbenen Händen / die Stirne mit eben dergleichen Bande beknüpffet.
Es sehen offtmahls die gemeinen Weiber und Dirnen / so zerstrobelt umb den Kopff aus / wie Absalon[14] / da er mit den Haaren an der Eichen hangen bliebe / oder: Als ob sie sich in den Bette / durch eine Manns Persohn umb binden lassen.
Sie gehen wie die geputzten Schlitten Pferde / und wackeln mit den Köpffen / wie die ehmahligen Himmels-Stürmer / und als ob Sie Himmel und Hölle droheten. Sie machen eine parade, wie Kaulärschsichte Hüner / welche vornen auff den Kopffe grosse Stutze haben / hinten aber vermutzt aussehen / [7] und nichts als eine auffgesteckt Schwäntzgen nachschleppen können; Sie gleichen denen Vogel-Heerden / auff welchen die Fontangen vor Leim-Ruthen passiren können. Die Fontangen sind wie die Decken über die Wand-Leuchter / und ausgesteckt wie die Feuer-Fahnen / auff den höchsten Thürmen / wodurch manche ihr Liebes-Feuer entdecken / und einen ehrlichen Kerl zum löschen encouragiren will; Es fehlet bey manchen armen Mädel nichts an der Fontange, als diese eingeflochtenen Worte: Omnia mea mecum porto, hierinnen stecket mein gantz Capitahl!
Und könte mancher aus der Bettelminchs-Zunfft bleiben / wenn die Anschaffung der verzweiffelten Fontangen thäte; Ja es ist gewiß / Daß mancher alter Tantz-Knecht eher heurathen / oder die Jungen Galane nicht so fleißig nach grossen Capilien fragen würden / wenn man nicht gewiß wüste / daß die Interessen auff die Fontangen giengen. Anderer tausend molestien[15] / ietzo nicht zugedencken.
Von Alexandro Magno[16] wird erzehlet: Daß er einsmal teutsche Gesanten gefraget: Wofür sich ihre Lands-Leute am meisten fürchteten? welche geantwortet: Daß die Wolcken über sie einfallen möchten; Solte man dergleichen Frage ietzo formiren; Wofür sich das gemeine Teutsche Frauen-Zimmer am meisten fürchtete? müste man antworten; Daß es May-Fladen regnen möchte / deßwegen trügen Sie Fontangen; damit die Nase frey bleibe.
In Summa: Es wäre besser die Fontangen kähmen gar ab / oder das Weibs-Volck / könte ebenfalls / wie die Fontangen, verwechselt werden / So hätte man / wo ja nicht alle Tage / doch wenigstens wöchentlich eine neue. In Summa: Sie sind nicht werth / daß man so viel redens davon machet / weil diese Tracht ihre restauration, Nahmen und Autorität von einer Frantzösischen Hure hat / welche Fontange geheissen / und mit einen hohen wohlbekannten Potentaten[17] / manchen Welt- Vermehrungs-Actum celebriret / Wenigstens / möchten sie doch nur nicht in die GOttes Häuser / zu Vermeidung grossen Aergernüsses / von geringen Persohnen aber / eine blosse Flor-Kappe / mit einer Schneppe[18] / biß auff die Nase / gebrauchet werden; Doch meinetwegen gehe es wie es will!
Herr! Herr! ich bin ihm zwar vor seine Erzehlung und untergemischte [8] Schwäncke verbunden / aber wie er mit den Frauen-Zimmer zu rechte kommen.
Mein lieber Herr! Ich bin nicht der Erste / der die Eitelkeit der Fontangen auffgedecket / das Frauen-Zimmer ist viel zu raisonable / daß Sie mein Beginnen tadeln sollen / Sie gestehen alles selbst zu / und will nur keine den Anfang zum abschaffen machen / Ich wolte mich eher in einen Finger beissen / als das liebe Frauen-Volck durchzuziehen / mich unterstehen;
Allein die Fontangen sind des Vexirens gewohnet / weil sie bald hin bald her / bald hoch bald niedrig / gebogen werden; Ich werde übrigens nicht nachlassen / die Hochachtbarkeit des Frauen-Zimmers / in meinen Liedern / die ich ihnen gar offte zu ehren dichte / am Tag zu legen / der Herr aber nehme meine Erzehlung wohl auff / und versichere sich besserer Curiositäten / defendire[19] auch bey Gelegenheit diese Schrifft gegen Nasenweise Ignoranten! Adjeu.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Haartracht des Mittelalters
- ↑ der Hochmütige
- ↑ der Aufrichtige
- ↑ Fortsetzung, Verlängerung
- ↑ naturwissenschaftlich
- ↑ Nachdrücklichkeit
- ↑ Ansprüche
- ↑ griechischer Schriftsteller
- ↑ römischer Rhetoriklehrer
- ↑ Spürsinn
- ↑ Kopfbedeckung
- ↑ Turban
- ↑ erörtern, predigen
- ↑ Absalom, Sohn König Davids
- ↑ belästigen, beträngen
- ↑ Alexander der Große
- ↑ Machthaber, Herrscher
- ↑ zugespitztes Stirntuch
- ↑ verteidigen