Ein Curieuses Gespräch über ein Kalb, welches eine Kolbe, einer Fontange gleich, auff den Kopfe gehabt

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Autor: unbekannt
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Titel: Ein Curieuses Gespräch zwischen Superbo und Sincero über Das/ am 4. Februarij [...] 1694. Jahres [...] in Budissin [...] bey einem Becker geworffene Kalb/ Welches eine Kolbe/ einer Fontange gleich/ auff dem Kopfe gehabt.
Untertitel: Wobey zugleich ein kurtzes Bedencken: Was von der Tracht der Fontangen zu halten?
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Erscheinungsdatum: 1694
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Quelle: im VD17 unter der Nummer 3:632656Z
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Flugschriften des 17. Jahrhunderts
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[1]

Ein
Curieuses Gespräch
zwischen
Superbo und Sincero
über
Das / am 4. Februarij st. n. ietzigen 1694. Jahres
In der weltberühmten Marg-Gräfflichen
Ober-Laußnitzl. Haupt- und Sechs-Stadt
B U D I S S I N /
auff der Stein-Gasse
bey einem Becker
geworffene Kalb /
Welches eine Kolbe / einer Fontange[1] gleich /
über anderthalb Viertel hoch / auff den Kopffe gehabt /
und von unzehlich vielen Leuten mit Verwunderung /
betrachtet worden.
Worbey zugleich ein kurtzes Bedencken:
Was von der Tracht der Fontangen zu halten?
Item
Zwey Lieder
befindlich
Vorgestellet in diesen Jahr.



[2]

Figur dieses Kalbes.




[3]

Superbus.[2].

SEin Diener / mein Herr Sincerus[3]! wie stehts? wie gehts? wenn er sich in glücklichen Zustande befindet / höre ichs gerne / wüntzsche dessen Continuation[4], wie auch was neues von Ihme zuvernehmen.

Sincerus.

Sein schuldiger Diener! mein hochwerther Herr! Ich dancke bestmöglichst vor die Sorgfalt meines Zustandes / Ihm gleichfalls alles unausdenckliche Wohlseyn anwüntzschende. Sonsten lege ich mich gleich andern Klüglingen / die ihren Nechsten aus neidischen Geifer / nach ihrer Kuhbreiten Vernunfft / immer was nachzusagen wissen / gantz nicht auf Neuligkeiten / ausser wenn etwas besonders zu hören ist / So nehme ichs entweder zu weitern Nachdencken / oder zur sonderbahren Lehre; Jedoch muß ich dem Herrn was Nagel-neues berichten:

Daß gleich ietzo die Zeitung aus der weitberühmten Haupt-und Sechs-Stadt Budißin / im Marggraffthumb Ober Lausitz / eingelauffen; Wie an selbigen Orthe / auff der Stein-Gasse / bey einem Becker / am 4ten dieses Monats Februarij / Neuen Calenders / ein Kalb jung worden / welches eine Kolbe / über anderthalb Viertel hoch auff den Kopffe gehabt / einer Fontange, oder Band-Spitzen / und Haar-Auffsatze / nach ietziger Mode / gantz ähnlich; Worbey sonderlich merckwürdig: Daß das Kalb an sich selber brauner Farbe / der Auffsatz aber / lichter / auch gantz weich und zu beugen gewesen; Es hat fünff Stunden gelebet / und ist von etlichen tausend Menschen gantz begierig / ja mit Verwunderung gesehen worden.

Superbus.

     Das ist zwar nichts sonderliches; Aber der Herr sage mir doch seine Meinung darüber / Was davon zu halten?

Sincerus.

Mein lieber Herr! Allerdings ist dieses was besonders! Weil die Thiere gar selten mit dergleichen Bezeichnungen geworffen werden / und soll ich meines wenigen Orths / iedoch auf anderer Verbesserung / meine Meinung hierinnen eröffnen; So kan sich zwar / physicè[5] von der Sache zu reden / dergleichen natürlicher Weise zu tragen / theils / weil die Thiere gleichfalls ihre Impressiones[6] und Affecten[7] haben / dahero auch Viele denenselben eine Vernunfft beymessen / Plutarchus[8] hat davon ein sonderliches Buch geschrieben / unter den Titul / qvod bruta, anima rationali utantur. Qvintilianus[9] saget [4] ausdrücklich: Es habe das Ansehen / Daß den Thieren mehr die Rede als der Verstand und Gedancken fehle. Add. Francisc. Vales. c ss. de Philos. sacr. Lactant. lib. 1. Inst. c. 10. Wiewohl ich nun dieses so simplipliciter nicht zugestehen kann; So ist ihnen doch ein Sagacitas[10], wie es Cicero lib. 2. de Nat. Deor. nennet / Eine gescheid- und Geschwindigkeit der euserlichen und innerlichen Sinne / oder ein instinctus und Trieb von der Natur eingepflantzet / auch solcher gestalt gar wol zu sagen. Daß die Ruhe / welche das Kalb geworffen / sich gleichfalls an etwas versehen köne; Wie denn nichts neues: Daß man auf denen Struttereyen denen Pferden einige gemahlte wohlständige Rossen für setzen;

Item denen Hunden / wenn die Jungen nach selbigen gerathen sollen / öffters einen Spiegel fürhalten lässet; Theils / können auch solche Zeichen / durch Veränderung der Lufft / des Futters und Einsperrung / auch endlich beym Abgange des Kalbes verursachet werden. Allein recht nachdencklich von der Sache zu reden: So lehret hergegen auch die Erfahrung; Daß der höchste GOtt / als ein HErr und Regierer der Natur / ohne dessen willen kein Sperling auff die Erde fället / durch solche Anblicke / einige in schwang-gehende Sünden / vorbilden wolle / wenn sonderlich dergleichen Mißgeburthen öffters in einen Lande gefallen;

Und hat man dergleichen in vorigen Jahre zwey gesehen / anfänglich bey einen Lamme / welches ebenfalls dergleichen Fontangen-Stutz auffgehabt / und an einen Kinde / welches mit zwey Köpffen zur Welt kommen. Man lieset auch in denen Historien; Daß solche Monstra offtmahls einige Unglücks-Zeichen bedeutet. Anno 1631. kurtz vor Beläger- und Eroberung der Stadt Magdeburg / ist in der Vorstadt daselbst / ein Kalb geworffen worden / welches auff den Nischel ein Casqvet[11] / und dicke Beine / als wie Stiefeln / in den Magen aber / zwey Knoten / wie Kugeln gehabt.

Anno 1653. Ist zu Wilda in Littau / ein Lamm ans Tagelicht kommen / welches zwey Köpffe / und am Maule einen grossen Schwantz gehabt / worauff ein groß Viehsterben entstanden.

Anno 1659. hat man ohnweit Praga ein Kalb gesehen / welches auff den Kopffe einen rechten Türckischen Bund[12] gehabt / worauff der Türcken-Krieg seinen Anfang genommen;

Wem ist nicht ietzo noch wissend; daß kurtz vor Eroberung der Stadt Straßburg ein Hahn mit sechs Köpffen ausgebrütet worden / worauff der Frantzösische Hahn das berühmte Straßburg weggenommen / und biß dato nicht wieder evacuiret. Anderer Exempel umb kürtze der Blätter voritzo zugeschweigen.

[5]

Superbus.

Dieses Anführen lässet sich zwar wohl hören / ich mercke aber wohl / wo der Herr hinaus will / was gilts: Er sticht hierunter die Frauen-Zimmer Fontangen an / worwieder ohne dem die Herren Geistlichen genugsam predigen: Da doch keine nettere Tracht / die schönen weiblichen Creaturen auszuschmücken / iemahls erdacht worden / als eben diese; Auch muß dieser wahrhafftig die Augen verwechselt haben / der es nicht mit mir zugleich bejahen wolte.

Sincerus.

Ob mich zwar wohl die Frauen-Zimmer Fontangen nichts hindern / ich auch nicht gewohnet / die Wahrheit gar zu offenhertzig zu geigen / weil ich oftmahls sehe / dergleichen Spiel-Leuten / den Fiedel-Bogen um den Kopff schlagen / mir auch sonst / das Frauen Zimmer / meiner Offenhertzigkeit halber / nicht gar zu gut / und solcher Gestalt / wenn sie nicht ein sonderbahrer Geist treibet / mir noch auff sätziger werden dürfften; Insonderheit da der heiligen GOttes Männer lehren / die doch / als wenn sie selbst vom Himmel geschehen / zu achten / nichts fruchten wollen;

So muß ich doch sagen / daß obige angeführte / kurtz nach einander erfolgte Kopff- und Fontangen Spectacul ohne Zweiffel die Abscheuligkeit dieser Tracht vorstellen / welche wahrhafftig nie so hoch gestiegen / wenn der gemeine Pöbel nicht alsobald denen Standes / auch Adelichen / und gelehrten Familien nachgefolget / dahero jene nothwendig Ellen hohe Thürme auffspiessen müssen.

Damit man aber den Uhrsprung derer Fontangen recht eigentlich wissen / und einen Abscheu dafür haben möge; So wolle der Herr mit Gedult anhören; Daß die Poeten erstlich denen höllischen Furien / Fontangen angedichtet / wie deren Abbildung noch gnüglich am Tag leget; Hernach haben die Syracusaner, Athenienser, Lacedemonier, Locrenser, denen offentlichen Huren / welchen man zu desto grösserer Schmach die Haare abgeschnitten / diese Tracht gewidmet / und hat bey ihnen keine erbare und ehrliche Jungfer / einen Band-Kopff oder fremde Haare tragen dürffen.

Welchen Völckern / etliche Jahr her / unterschiedene wackere Obrigkeite nachgefolget / und die offenbahren Huren in dergleichen Fontangen am Pranger stellen / und ausstäupen lassen / dergleichen Execution ich selbst auff einer berühmten Universitäts-Stadt gesehen.

Bey den Römern musten die Mägde / zum Zeichen der Leibeigenschafft / in Bändern hergehen. Der Assyrische König Nebucad Necar / wurde umb seines hoffärtigen Geistes willen / mit frembden Haare- und Feder-tragen gezüchtiget. Dan. 4. [6] Gregor. 5. Moral. cap. 8. Ob die Corinthischen Weiber Fontangen getragen / will ich vor gewiß nicht sagen / Jedoch ists fast zu schliessen / weil Paulus sie / zu Bedeckung der Häupter / so ernstlich vermahnet / und Petrus will in seiner 2. Epist. am 3. cap. v. 3. Das Haarflechten / Gold umbhengen / und Kleider anlegen / denen Weibern nicht gestatten / sondern ihr gröster Schmuck soll seyn / die Hoffnung auff GOtt / und ihre schönste Fontange, die Unterthänigkeit gegen ihre Männer / wormit sich vor Zeiten die heiligen Weiber geschmücket.

Es belieben die Adelichen und denen gleichende Frauen Zimmer / zu erwegen: Ob Sie nicht Ihrer Männer trefflichster Adel und Gelehrsamkeit / auch ihr Ansehen / welches offtmahls der Venus ihre Schönheit disputirlich[13] machen könte / an herrlichsten ziehre / und daß sie eines nichtigen Wurms gespinste oder auffgehangenen Diebes Haare / ohnmöglich ansehnlicher machen können; Und ists nicht Schande! Daß die Niedrigen ja allerniedrigsten Standes / Weibes Personen / welche die Reichs- und Landes Gesätze zum Mösellan Crämer und Floret Bandmacher / ihre Tracht bey selbigen einzukauffen / weisen / Derer Standes / Adelichen / Graduirten / und anderer wackerer Personen Weibern und Töchtern / alles nach thun / und ihnen keinen Vorzug lassen wollen / Selbige auch das Fontangen Muster vom Babylonischen Thurme zunehmen / verleithen / worauff die Spitzen / Bänder und Haare / wie bey jenen / die Sprachen / verwirrt durch einander gehen.

Pfuy! wie schöne stehets: Wenn eine alte Frau / die umbs Maul aussiehet / als ob ihr die Execution in die Zähne gethan worden / eine Fontange auffsetzet / und die an die Stirne / Clavier Weise / stehenden Runtzeln damit beschatten will. Und wie reimet sichs doch / wenn ein klein Porcenellgen / mit einer grossen Fontange ihrer länge eine Elle zuzusetzen gedencket; Oder / wenn eine Magd / gleich ihren Feuerfarbenen Händen / die Stirne mit eben dergleichen Bande beknüpffet.

Es sehen offtmahls die gemeinen Weiber und Dirnen / so zerstrobelt umb den Kopff aus / wie Absalon[14] / da er mit den Haaren an der Eichen hangen bliebe / oder: Als ob sie sich in den Bette / durch eine Manns Persohn umb binden lassen.

Sie gehen wie die geputzten Schlitten Pferde / und wackeln mit den Köpffen / wie die ehmahligen Himmels-Stürmer / und als ob Sie Himmel und Hölle droheten. Sie machen eine parade, wie Kaulärschsichte Hüner / welche vornen auff den Kopffe grosse Stutze haben / hinten aber vermutzt aussehen / [7] und nichts als eine auffgesteckt Schwäntzgen nachschleppen können; Sie gleichen denen Vogel-Heerden / auff welchen die Fontangen vor Leim-Ruthen passiren können. Die Fontangen sind wie die Decken über die Wand-Leuchter / und ausgesteckt wie die Feuer-Fahnen / auff den höchsten Thürmen / wodurch manche ihr Liebes-Feuer entdecken / und einen ehrlichen Kerl zum löschen encouragiren will; Es fehlet bey manchen armen Mädel nichts an der Fontange, als diese eingeflochtenen Worte: Omnia mea mecum porto, hierinnen stecket mein gantz Capitahl!

Und könte mancher aus der Bettelminchs-Zunfft bleiben / wenn die Anschaffung der verzweiffelten Fontangen thäte; Ja es ist gewiß / Daß mancher alter Tantz-Knecht eher heurathen / oder die Jungen Galane nicht so fleißig nach grossen Capilien fragen würden / wenn man nicht gewiß wüste / daß die Interessen auff die Fontangen giengen. Anderer tausend molestien[15] / ietzo nicht zugedencken.

Von Alexandro Magno[16] wird erzehlet: Daß er einsmal teutsche Gesanten gefraget: Wofür sich ihre Lands-Leute am meisten fürchteten? welche geantwortet: Daß die Wolcken über sie einfallen möchten; Solte man dergleichen Frage ietzo formiren; Wofür sich das gemeine Teutsche Frauen-Zimmer am meisten fürchtete? müste man antworten; Daß es May-Fladen regnen möchte / deßwegen trügen Sie Fontangen; damit die Nase frey bleibe.

In Summa: Es wäre besser die Fontangen kähmen gar ab / oder das Weibs-Volck / könte ebenfalls / wie die Fontangen, verwechselt werden / So hätte man / wo ja nicht alle Tage / doch wenigstens wöchentlich eine neue. In Summa: Sie sind nicht werth / daß man so viel redens davon machet / weil diese Tracht ihre restauration, Nahmen und Autorität von einer Frantzösischen Hure hat / welche Fontange geheissen / und mit einen hohen wohlbekannten Potentaten[17] / manchen Welt- Vermehrungs-Actum celebriret / Wenigstens / möchten sie doch nur nicht in die GOttes Häuser / zu Vermeidung grossen Aergernüsses / von geringen Persohnen aber / eine blosse Flor-Kappe / mit einer Schneppe[18] / biß auff die Nase / gebrauchet werden; Doch meinetwegen gehe es wie es will!

Superbus.

Herr! Herr! ich bin ihm zwar vor seine Erzehlung und untergemischte [8] Schwäncke verbunden / aber wie er mit den Frauen-Zimmer zu rechte kommen.

Sincerus.

Mein lieber Herr! Ich bin nicht der Erste / der die Eitelkeit der Fontangen auffgedecket / das Frauen-Zimmer ist viel zu raisonable / daß Sie mein Beginnen tadeln sollen / Sie gestehen alles selbst zu / und will nur keine den Anfang zum abschaffen machen / Ich wolte mich eher in einen Finger beissen / als das liebe Frauen-Volck durchzuziehen / mich unterstehen;

Allein die Fontangen sind des Vexirens gewohnet / weil sie bald hin bald her / bald hoch bald niedrig / gebogen werden; Ich werde übrigens nicht nachlassen / die Hochachtbarkeit des Frauen-Zimmers / in meinen Liedern / die ich ihnen gar offte zu ehren dichte / am Tag zu legen / der Herr aber nehme meine Erzehlung wohl auff / und versichere sich besserer Curiositäten / defendire[19] auch bey Gelegenheit diese Schrifft gegen Nasenweise Ignoranten! Adjeu.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Haartracht des Mittelalters
  2. der Hochmütige
  3. der Aufrichtige
  4. Fortsetzung, Verlängerung
  5. naturwissenschaftlich
  6. Nachdrücklichkeit
  7. Ansprüche
  8. griechischer Schriftsteller
  9. römischer Rhetoriklehrer
  10. Spürsinn
  11. Kopfbedeckung
  12. Turban
  13. erörtern, predigen
  14. Absalom, Sohn König Davids
  15. belästigen, beträngen
  16. Alexander der Große
  17. Machthaber, Herrscher
  18. zugespitztes Stirntuch
  19. verteidigen