Die Jungfrau auf Burg Windeck
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1) Die Jungfrau auf Burg Windeck.
Es stehn zwei alte Thürme
Hoch unter Schutt und Graus,
Der Berggeist und die Stürme
Die ziehn da ein und aus.
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Durch den zerfallnen BogenStieg ich als Knab’ hinan;
Die wilden Blumen zogen
Mich wunderbarlich an.
Da trat aus dem Gemäuer
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Ein zartes Jungfräulein,Sie sah im weißen Schleier
Fast wie ein Engel drein.
Sie trug aus grünen Weiden
Ein Körblein in der Hand,
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Sie pflückte Moos und Heiden,Und was sie sonst noch fand.
Da rief es aus dem Boden –
Sie wurde lilienbleich
Und sprach: „Nur still ihr Todten,
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Nur still, ich komme gleich!“
Die weise Heiderose
Die steckte sie ins Haar,
Die Dolden und die Moose
Bot freundlich ihm sie dar.
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Mich überlief ein Schauer,Ich wurde heiß und kalt;
Schnell an der Epheumauer
Verschwand jetzt die Gestalt.
Das Bild ist mir geblieben,
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Noch seh ich sie vor mir!Ach könnt’ ein Schatten lieben,
Ich gieng’ alsbald zu ihr!
Aloys Schreiber.