Textdaten
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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Die verschiedenen Methoden der Heilkunst. Die Homöopathie
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 315-316
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[315]

Die verschiedenen Methoden der Heilkunst.

Die Homöopathie.
Aufforderung an die Homöopathen.


Der leidenden Menschheit fehlt es nicht an allen möglichen Wegen, aus welchen man ihr die Wiederherstellung ihrer Gesundheit anbietet. Denn außer kurirenden Schäfern, Hufschmieden, alten Weibern, Apothekern, Buchhändlern, Thierärzten, Magnetiseurs und Elektrisirern giebt es eine allopathische, homöopathische und isopathische, hydropathische, dynamische, schroth’sche, rademacher’sche, sympathische, mystische und gymnastische Heilmethode (s. Gartenlaube Jahrg. I. S. 192). Alle stellen sich brüstend hin und rufen (oder lassen es durch Zeugnisse in den Zeitungen bekannt machen): „Unsere Kranken werden durch unsere Mittel gesund." Natürlich! Die günstigen Resultate (sagt Steudel ganz mit Recht), die meist die unverwüstliche Natur hervorbrachte, die aber die Heilkünstler immer nur sich selbst und ihren Mitteln zuschreiben, waren von jeher das Schlagwort für jeden Unsinn, der in der Geschichte der Medicin so reichlich zu finden ist. Jede Partei behauptet immer, ihre Vorgänger seien Narren und Mörder gewesen, und sie allein habe den wahren Stein des Weisen entdeckt und wisse die Kranken zu heilen. Wir kennen das! Und wenn es auch nur ein einziges Mal wahr gewesen wäre, die Welt müßte längst ausgestorben sein, da nach diesem Grundsatze alle Heilkünstler bis auf die neueste Zeit Giftmischer und Todtschläger gewesen wären. Da aber von jeher das Verhältniß der Genesenden und Sterbenden bei den verschiedenartigsten Behandlungsweisen unter den Kranken im großen Ganzen so ziemlich dasselbe blieb, so kann der denkende Mensch nicht anders, als annehmen, daß zu allen Zeiten die Genesung von ganz andern Ursachen abhängig war, als von den medicinischen Lehrsätzen und ihren sich stets widersprechenden Heilmitteln und Heilmethoden. Diese Ursachen finden sich aber im menschlichen Körper selbst vor und sind die von Natur ihm innwohnenden Gesetze, durch deren Kenntnisse wir uns vor Krankheiten zu schützen und beim Kranksein selbst zu helfen im Stande sind.

Die Homöopathie (s. Gartenlaube Jahrg, II. Nr. 24), welche die Naturheilkraft trügerisch und unzuverlässig nennt, behauptet, für eine große Anzahl der häufigsten Krankheiten bestimmte Heilmittel zu besitzen, die Jedem, der seine Sinne zu brauchen versteht und frei von vorgefaßten Meinungen ist, verständlich und zugänglich sind und ihn in den Stand setzen, in den meisten Erkrankungen sich selbst zu helfen. – Der Unterzeichnete, welcher hiermit gegen die Homöopathie in die Schranken tritt und die Leser der Gartenlaube zu unparteiischen Richtern in diesem Kampfe auffordert, erläßt zuvörderst den folgenden Aufruf:

An die Homöopathen des In- und Auslandes.

Obschon die medicinische Wissenschaft mit der homöopathischen Heilkunst und den homöopathischen Heilkünstlern längst im Klaren ist, so scheint dies doch nicht umgekehrt der Fall zu sein, wie aus den Worten des Hrn. Dr. Clotar Müller in Leipzig hervorgeht, welcher behauptet, daß die physiologische Medicin die personificirte Impotenz in der höchsten Potenz sei. – Der Unterzeichnete, ein eifriger Anhänger dieser Medicin (deren reeller Boden die Naturwissenschaften sind) und der ärgste Feind aller unnützen Quacksalberei und Charlatanerie (ebenso wohl der allopathischen, wie der hydropathischen, gymnastischen, radmacher’schen u. s. w.) fühlt sich nun verpflichtet, das homöopathische Heilverfahren einer öffentlichen Beleuchtung zu unterwerfen. Diese Verpflichtung fühlt er aber ja nicht etwa seiner wissenschaftlichen Stellung wegen, sondern nur deshalb, weil er seit einiger Zeit durch populär-medicinische Aufsätze und Vorträge das Volk über den menschlichen Körper, sowie die Erhaltung und Wiedererlangung der Gesundheit auf naturgemäße Weise, so weit es in seinen wissenschaftlichen Kräften steht, aufzuklären sucht. Es versteht sich von selbst, daß diese Beleuchtung nicht, wie es so oft schon geschah, in animose und persönliche Zänkerei ausarten, sondern in nüchternen, hoffentlich auch den Laien überzeugenden Versuchen und Beweisen bestehen wird.

Ehe der Unterzeichnete die scheinbar heilsame Wirkung homöopathischer Heilmittel in vielen Krankheitszuständen in das gehörige Licht setzt und auf den großen Schaden, welches das homöopathische Heilverfahren in manchen Krankheiten bringt, aufmerksam macht, will er zuvörderst festgestellt wissen, ob der oberste Grundsatz, auf welchen sich die ganze Homöopathie gründet, auch [316] wirklich ein richtiger und ächter sei. Herr Dr. Cl. Müller schreibt. „Der Oberste Grundsatz der Homöopathie ist das Aehnlichkeitsgesetz (simila similibus, Aehnliches heilt Aehnliches); jeder Krankheitsfall wird am schnellsten und sichersten durch dasjenige Arzneimittel geheilt, welches im gesunden Körper möglichst ähnliche Erscheinungen hervorbringt! Hahnemann entdeckte dieses Gesetz bei Prüfung der Chinarinde, denn an sich selbst machte er zuerst die Erfahrung, daß ein Loth dieser Rinde, dieses sichern Heilmittels des Wechselfiebers, im gesunden Körper Symptome erzeugt, die einem Wechselfieberanfalle höchst ähnlich sind. – Der Unterzeichnete behauptet nun aber, und zwar ebenfalls gestützt auf Versuche, daß auch nicht ein einziges homöopathisches Heilmittel im Stande ist, im gesunden Körper diejenigen krankhaften Erscheinungen hervorzurufen, gegen welche es empfohlen wird. Um dies den homöopathischen Aerzten und den Laien klar und deutlich zu beweisen, stellt sich der Unterzeichnete selbst, und eine größere Anzahl seiner Freunde, für deren Ehrenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit er bürgt, den Homöopathen zur Verfügung und verlangt ernstlich, im Interesse der Aufklärung des Volkes, daß ihm oder einem seiner Freunde durch homöopathische Heilmittel irgend eine, auch dem Laien sichtbare (objective) Krankheitserscheinung ankurirt werde (denn von Empfindungen oder sogenannten subjectiven Symptomen kann wohl nicht die Rede sein). Das Resultat dieser Versuche, welche natürlich nicht zu weit von des Unterzeichneten Wohnorte (Leipzig) vorgenommen werden dürfen, soll dann seiner Zeit gewissenhaft veröffentlicht werden.[1]

Es sollte dem Unterzeichneten leid thun, wenn die Herren Homöopathen durch Nichtbenutzung des, mit dem entschiedensten und nicht so leicht ablassenden Ernste gestellten Verlangens, ihm nicht blos seine Beweisführung vor ihren eigenen Augen unmöglich machten, sondern zugleich auch den Beweis des Mißtrauens in ihre eigene Sache geben würden.

Dr. Bock
Professor der pathologischen Anatomie in Leipzig.




  1. Wir wir soeben in der Deutschen Allgemeinen Zeitung lesen, ist das Anerbieten des Herrn Prof. Bock von einem Leipziger homöopathischen Arzte, Herrn Doctor Cl. Müller, angenommen worden.
    D. Redakt.