Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Die Hebung des „Ludwig“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 29, S. 463–464
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[463] Die Hebung des „Ludwig“. „Rorschach, 3. Juli, 3 Uhr Nachm. – Ludwig gehoben auf achtzehn Fuß Grund. Alles gut gegangen. Brief mehr. Bauer.“

So lautete die telegraphische Freudenbotschaft über den Sieg einer Erfindung, für welche durch die „Gartenlaube“ die Theilnahme aller Deutschen in einer Weise angeregt worden ist, wie dies in der Geschichte der Erfindungen, namentlich in Deutschland, ohne Beispiel dasteht. Um so mehr fühlt die Gartenlaube sich verpflichtet, ihren Lesern eine eingehende Beschreibung der sämmtlichen Hebungsarbeiten zu geben; während jedoch die nöthigen Illustrationen hierzu hergestellt werden, glauben wir einstweilen den Freunden der Bauer’schen Bestrebungen eine Freude zu bereiten, wenn wir Ihnen die lebendige Schilderung über die Arbeiten der letzten Tage bis zur Hebung des Ludwig nach einem Briefe W. Bauer’s mittheilen.

In unserem vorläufigen Bericht (in Nr. 27) haben wir den Kampf Bauer’s mit den von ihm in den Dienst seiner Erfindung gezwungenen Elementen bis zum 20. Juni verfolgt. Von da bis zum 26. war es ihm gelungen, seine Ballone am Schiffe zu befestigen, so daß an diesem Tage Bauer die Hebung durchführen wollte. Aber gerade da brachen alle möglichen Widerwärtigkeiten noch einmal in voller Stärke gegen ihn los. Er schreibt u. A.:

„Eben hatte ich den Taucher August Schroff zum Ludwig entsendet, um den letzten nöthigen Reserveballon zu befestigen – es war 10½ Uhr –, da kommt wie Teufelshauch aus klarem Himmel ein Windstoß, und in zwei Minuten sind unsere Schleppschiffe vom Ludwig abgetrieben, und zwar so, daß ich den Taucher, welcher außen am Radkasten den Haken zu befestigen hatte, quer über den Ludwig reißen mußte. Da er aber den Haken bereits angebunden hatte, so verstrickte er sich mit dem Luftschlauch und der Signalleine – den beiden Lebensfäden des Tauchers in der Tiefe – in das Doppeltau, an welchem der Haken vom Arbeitsschiffe hinunter zum Ludwig gelassen worden war. Ich fühlte das durch das in meiner Hand befindliche andere Ende der Signalleine, ich erkannte sofort die ihm drohende Gefahr, aber im Augenblick konnte ich ihm nicht helfen, denn wir wurden so vom Sturme fortgeschleudert, daß uns selbst noch ein Ankertau riß. Das zweite mit dem unseren verbundene Schleppschiff konnte nicht schnell genug gelöst werden, daher es erst nach mächtiger Spannung das Verbandseil selbst absprengte, – wir zogen, wir ließen nach – ich signalisirte – Alles, Alles war vergebens. Da lass’ ich einen Seitenanker kappen, wir stellen unser Schiff in den Wind, und – o Glück! – unsere Taue (am Ballonhaken) lösen sich richtig auseinander, und der arme gezerrte Schroff kommt endlich lebend und wohlbehalten wieder heraus. Dieser Vorfall und die heftigen Wellen bewogen mich, für diesen Tag die Arbeit einzustellen.

Am 27. Juni fingen wir von Neuem an, den Reserveballon fest zu machen, und verbanden den Ludwig mit dem dritten rückwärts gegen Bord gestellten Schleppschiff. Nun ließ ich pumpen, – die Signalstange am Vordertheil des Ludwig steigt bis 5 Fuß, die am Hintertheil bis 3 Fuß – – da wölbt sich’s plötzlich auf dem See, und herauf kommt ein losgerissener Ballon und schleudert eine mehr als 14 Fuß hohe Welle mit sich in die Höhe. Die Schleppschiffe und Gondeln rollen gewaltig, und die Welle schlägt über Deck. Der Ballon ist gut und unverletzt, nur der Haken war der Zugkraft gewichen. Unbeirrt von diesem Zwischenfall ließ ich weiter pumpen. Zehn Minuten vergehen, – die vordere Signalstange steigt noch um 2 Fuß, – da, abermals ein Wogengewühl, kommt der zweite Radkastenballon herausgestürmt und schleudert uns die Wellen auf’s Schiff, – und wieder ist der stärkste Haken von vierzölligem Winkeleisen abgerissen. Macht nichts! Weiter pumpen! Und abermals steigt die Stange, – da rufen Hunderte: „Er kommt! Er kommt!“ – Grauen erfaßt die Menge. Das Wasser ist wie Schlamm, der Gischt von austretender Luft steigt höher und höher, – aber so rasend schnell fährt der Ludwig in diesem Wasserberg herauf, daß uns die Woge über Deck läuft und an 5 Fuß hoch über Niveau steigt. Die Radkasten schwingen sich über das Wasser auf, – aber der Rückfall des Ludwig sammt der durch ihn mit gehobenen Masse Wasser äußert einen so heftigen Stoß auf die Ballons, daß fünf Haken aus- oder abspringen, und mein alter Steiger steigt wieder in die Tiefe hinab. – Aber Ruhe ist ihm nun nicht mehr gegönnt. Wieder lasse ich pumpen, und siehe, das Hintertheil folgt meinem Rufe. Steh’ auf! Compaßkasten und Geländer ragen 5 Fuß über das Wasser empor. Das war gegen 9 Uhr des Abends. Die Nacht bricht an. Ich lasse ein starkes Seil unter dem Ludwig durchfahren und hüben und drüben je einen Ballon festmachen; – des Himmels Antlitz wird immer finsterer –; ich lasse bei Licht tauchen, und um 11 Uhr wird noch ein Schlauch auf einen kleinen Ballon geschraubt, und die Dampfpumpen „Stettin“ und „Nürnberg“, sowie die beiden „Bremen“ spielen wacker auf zu diesem Tanz; – da sehen wir in der Ferne Blitze, ein Gewitter ist im Anzuge. Um nicht das gehobene Schiff in neue Gefahr zu bringen und zugleich Verlust am Hebematerial zu erleiden, muß ich den armen Ludwig wieder möglichst langsam niederzulassen suchen. Um 11½ Uhr erschallt der Ruf: „Der Ludwig sinkt!“ – und mit stummer Trauer sehen wir ihn an diesem Tag zum zweiten Male in sein Grab zurückkehren.

Am 28. aber war die Last und Adhäsion des Ludwig gehoben, er ruhte in weichen Kissen, und am 29. wurden vier der losgerissenen Ballons wieder befestigt, eine Arbeit, die um 5 Uhr Abends vollendet war. Am 30. sollte nun die Hebung des Schiffs durch ein langsames Steigen desselben bewirkt werden. Die Locomobilen wurden geheizt, die Feuerwehr von Rorschach hat sich eingestellt, um ihre hülfreiche Hand dem Werk zu bieten. Alles ist bereit, – aber auch die tückische Laune des Wetters, die mich hier verfolgt. Es erhebt sich ein Wind, der die Segel aller Boote prachtvoll schwellt, nur mir fährt er quer durch die Seele, denn jetzt brauchte ich Stille in der Luft und Ruhe auf dem Waller. Wir warten und warten, aber erst um 4 Uhr des Abends wird es ruhig, aber nunmehr ist’s auch zu spät, und dazu gehen die Wellen immer noch 3–4 Fuß hoch, so daß das Tauchen, falls ein abermaliger Unfall es nöthig machen sollte, unmöglich würde. Um also mit der Arbeit nicht wieder in die Nacht zu kommen, stellte ich sie für diesen Tag ein.

Der 1. Juli erfreute uns mit gutem Wetter. Die Arbeit beginnt, alle Pumpen spielen, und um 2 Uhr steigt der Ludwig nun zum dritten Male, aber prachtvoll und ruhig herauf. Da – ein Schlag – ein großer Ballon bricht seine sieben Zoll dicke Boye von Eschenholz entzwei und fährt mit solcher Gewalt an’s Tageslicht, daß er noch 12-15 Fuß hoch frei über das Wasser emporspringt. Mit diesem Ballon sind 240 Centner Tragkraft verloren, und dieser Verlust genügt, um das Schiff zum dritten Male zur Niederfahrt zu zwingen. Um den Schaden wieder gut zu machen, wurden am 2. Juli außer dem zuletzt entwichenen noch zwei Ballons an den Ludwig befestigt – natürlich war jede neue Erfahrung eine Lehre für eine sicherere Befestigungsweise – und so konnte denn endlich am 3. Juli die Hebung so weit vollzogen werden, als das Telegramm sie [464] ankündigte. Nachdem der würtembergische Dampfer „Wilhelm“ um 11 Uhr angekommen war, begann um 11 Uhr 15 Minuten das Pumpen, und um 12 Uhr 10 Minuten steigt der Ludwig zur Höhe, wird sofort mit dem Dampfer Wilhelm verbunden, und vorwärts geht es, bis ein unterseeischer Bergrücken erreicht ist, ungefähr 2000 Fuß weit. Ohne den geringsten Unfall, ohne Riß und Bruch, langen wir an der Stelle an, wo jener Bergrücken sich bis zu 18 Fuß Tiefe erhebt. Hier lasse ich den Ludwig auf sichern Grund nieder, um ihn nun auf Kameele zu setzen, an’s Niveau zu heben und so mit ihm im neuen Hafen von Rorschach einzulaufen.

Der Jubel ist groß und herzlich, Ständchen, Kanonen und Böller, Hurrahs und Händedrücken. Nur meine baierische Heimath zeichnet sich dadurch aus, daß ihre Dampfer, deren einen ich gehoben habe, weder Flagge noch Salut als Zeichen der Freude kennen.“

Diese kurze Mittheilung muß unreren Lesern vor der Hand genügen; für Das, was die Tagesblätter rascher und deshalb uns voraus bringen können, entschädigen wir die Freunde der Gartenlaube durch einen um so ausführlicheren Gesammtbericht über das Unternehmen. Hier darf jedoch die dringende Bitte nicht fehlen, daß die Sammler und Beisteurer für das „Deutsche Taucherwerk“ in ihrem Eifer nicht erkalten mögen, bis die Summe von 12,000 Thalern, die das Central-Comité für W. Bauer von der Nation erbeten hat, und die Bauer später zur Begründung seiner „Nationalstiftung für deutsche Erfinder“ verwenden will, vollständig zusammengebracht sind. In runder Summe sind bis jetzt bei dem Central-Comité und direct an Herrn Bauer eingegangen 11,200 Thaler, wovon jedoch 375 Thaler als unverzinsliche Darlehen zurückgezahlt werden müssen.

Ganz Deutschland freut sich jetzt über das endliche Gelingen dieser Erprobung einer Erfindung, welche nun einer Reihe anderer gleich wichtiger Erfindungen Bauers die erste Bedingung der Lebensfähigkeit, das öffentliche Vertrauen, erworben hat. Unsere Sammlungen allein hätten uns nicht zu diesem glänzenden Ziele geführt, Deutschland verdankt diese Ehre zum großen Theile der hochherzigen Theilnahme des deutschen Herzogs Ernst an diesem nationalen Unternehmen, der unserem Bauer die Sorge vor dem Mangel der rechten Mittel im rechten Augenblick abnahm, und dadurch ihm das Herz befreite und die Seele erhob; und zugleich freut es uns, einen neuen Beweis anzeigen zu können, wie treu Schweizer und Deutsche schon jetzt im Erstreben tüchtiger Ziele zusammen wirken, indem wir den Namen eines großen Schweizer Industriellen, des Herrn Moser in Schaffhausen, als den eines der eifrigsten Förderer dieser Hebung nennen.

F. Hofmann.